The Witch and the Hundred Knight01.04.2014, Jens Bischoff

Im Test: Auf Raubzug durch die Märchenlande

Fast ein Jahr nach dem Debüt in Japan hat NIS America das Action-Rollenspiel The Witch and the Hundred Knight (ab 14,99€ bei kaufen), in dem man in die Rolle eines dämonischen Hexenhandlangers schlüpft, auch in Europa veröffentlicht. Ob sich das Warten gelohnt hat, klärt der Test.

Ritterliche Hundertschaft als Knirps erwacht

Als Spieler wird man von der ausgestoßenen Sumpfhexe Metallia in die Fantasywelt Medea gerufen, um der verhassten Hexenkonkurrenz - allen voran der gutherzigen Waldhexe - den Garaus zu machen. Kein leichter Job für einen winzigen Dämonenritter, der sich anfangs kaum zur Wehr setzen oder artikulieren kann. Aber unter Metallias schonungslosen Fittichen lernt er nicht nur zu folgen, sondern auch stärker und stärker zu werden.

Schon bald macht der trotz unerhörten Widersprüchen Hundred Knight getaufte Handlanger seinem Namen immer mehr Ehre und kämpft mindestens wie eine Handvoll seiner Sorte. Zumindest kann er bis zu fünf Waffen gleichzeitig führen und deren Angriffe zu mächtigen Kombos verketten. Die Waffenvielfalt ist auch wichtig, da seine Gegner teils extreme Resistenzen gegen bestimmte Waffengattungen an den Tag legen und nur durch passend geartete Angriffe überhaupt Schaden erleiden.

Augen auf bei der Waffenwahl

Da es mit Klingen-, Stumpf- und Magiewaffen lediglich drei generelle Schadensarten gibt, fällt es zwar nicht schwer universell taugliche Waffensets zusammenzustellen.

Je nach Waffenanordnung, kann man unterschiedlich effektive Kombos anbringen.
Effektiver ist's allerdings, sein Arsenal je nach Einsatzort und Situation anzupassen - vor allem bei Bosskämpfen. Darüber hinaus gilt es aber auch besonders vorteilhafte Waffenfolgen, Angriffsreichweiten und -geschwindigkeiten, statusbeinträchtigende Wirkungen sowie Seltenheitsstufen zu berücksichtigen.

So lässt sich die Stärke aller Waffen durch Gebrauch steigern und je seltener eine Waffe ist, um so größer ist deren Entwicklungspotenzial. Dadurch bastelt und experimentiert man immer wieder an seiner auch defensive Accessoires umfassenden Ausrüstung herum. Auf den Raubzüge durch feindliche Hexenlande findet man jedenfalls haufenweise herrenloses Kriegsgerät. Allerdings kann man sich unterwegs voll und ganz aufs Kämpfen konzentrieren, da sämtliche Beutestücke erst einmal von Hundred Knight verschlungen und in seinem Magen gelagert werden.

Unverdaute Kostbarkeiten

Erst nach erfolgreicher Rückkehr zur Sumpfbasis hat man Zugriff auf die erbeuteten Schätze. Auch gesammelte Erfahrung wird erst dann verrechnet, was einen gewissen Rogue-like-Charakter hat. Erfahrung sammelt allerdings nicht Hundred Knight selbst, sondern nur dessen Ausrüstung - vor allem seine Helme, von denen man bis zu zwei mit in die nächste Schlacht nehmen und jederzeit zwischen ihnen wechseln kann. So kann man je nach bevorstehender Mission bestimmte Aspekte stärken oder Sonderfähigkeiten aktivieren.

Doch auch Hundred Knights Magen kann sich weiterentwickeln und durch den Verzehr besonderer Steine immer größer werden. Zudem kann man bei Platzmangel ungewollte Beutestücke für einen bestimmten Obolus pauschal zersetzen oder dezidiert erbrechen lassen. Zudem verbraucht jede Aktion, selbst das automatische Kartografieren erstmals besuchter Gebiete, Kalorien. Ist deren Vorrat erschöpft, muss die Lebensenergie herhalten bis man ohnmächtig zusammenbricht und beutelos von Despotin Metallia zurückgeholt wird - und das will man ganz bestimmt nicht...

Kalorienreiche Kost

Um verbrauchte Kalorien wieder aufzustocken, kann man einfach angeschlagene Gegner verspeisen.

Zur Energiegewinnung, kann man Dörflern das Essen klauen oder geschwächte Gegner fressen.
Die liegen einem anschließend jedoch schwer im Magen und kosten wertvolle Beuteplätze, während Kalorien spendender Proviant ohne einschränkende Nebenwirkungen nur begrenzt zur Verfügung steht. Durch das Zerstören spezieller Säulen, die auch als Wegpunkte für schnelle Ortswechsel dienen, kann man seinen Aufenthalt im Feindesland allerdings auch hinauszögern.

Im Kampf verdiente Punkte lassen sich hier nämlich nicht nur in temporäre Boosts bestimmter Charakterwerte, sondern auch in Beuteboni und Kalorien investieren. Mit etwas Glück kommt man hin und wieder auch an kleinen Dörfern oder anderen Siedlungen vorbei, wo man nicht nur Handel treiben, sondern auch Raubzüge veranstalten kann. Einmal erfolgreich eingeschüchterte Dörfler bringen einen bei weiteren Besuchen dann sogar freiwillig Opfer dar.

Interessant ist auch, dass die Gefühlslage möglicher Angriffsziele und Gesprächspartner visualisiert wird. Zuneigung kann durch aggressive Taten jedoch schnell in Angst oder Wut umschlagen, wobei die Reaktionen ganz unterschiedlich verlaufen. Zudem kann man leicht reizbare Zeitgenossen auch gegeneinander in Kämpfe verwickeln. Bei besonders dicken Brocken lässt sich auch die Anspannung des Gegenübers ablesen, so dass man gewisse Angriffe vorhersehen und rechtzeitig reagieren kann.

Unverzichtbare Rückendeckung

Die generelle Übersicht lässt hingegen öfters mal zu wünschen übrig - vor allem in stark bewaldeten oder bebauten Gebieten ist die Sicht auf das in Echtzeit ablaufende Kampfgeschehen oft recht eingeschränkt. Selbst versteckte Fallen, vergrabene Schätze oder andere Interaktionsmöglichkeiten kann man da schnell übersehen. In brenzligen Situationen kann man allerdings auch kleine Helfer, so genannte Tochkas, beschwören. Die unterstützen einen nicht nur im Kampf, sondern sind auch beim Bewältigen von Hindernissen teils unverzichtbar.

So gibt es Tochkas, die sich auf entfernte Schalter werfen oder vor brüchigem Gestein in die Luft jagen lassen. Aber auch klassische Schalter- und Druckplattenaufgaben müssen bewältigt, Portale geöffnet, luftige Schmetterlingsstraßen genutzt, Höhenunterschiede überwunden werden.

Wer sich gegen Hexe Metallia stellt muss alle möglichen Erniedrigungen ertragen.
Der Humor kommt dabei ebenfalls nicht zu kurz. Die eigene Spielfigur kann zwar lediglich zustimmend nicken, fragend blicken, verneinend den Kopf schütteln oder provokant schweigen lassen, aber auch das kann meist schon ausreichen, um Metallia in Rage zu versetzen.

Auch andere bekommen regelmäßig ihren wahlweise auf Englisch oder Japanisch tosenden Zorn und Spott zu spüren. Durchgehende Sprachausgabe gibt es allerdings ebenso wenig wie deutsche Untertitel. Auch die Ladezeiten sind trotz knapp 2GB schwerer Zwangsinstallation zum Teil sehr langwierig. Hinzu kommen einige spielerische und erzählerische Längen. Bereits der Einstieg gestaltet sich recht zäh und unspektakulär. Auch sonst kocht die im Anime-Stil servierte Hexenjagd technisch eher auf Sparflamme. Manch anfänglicher Unschärfeeffekt erzeugt beinahe Augenkrebs und lässt sich auch mit viel Blut und nackter Haut nicht übertünchen. Mit Charme und Witz macht die düstere Fantasy-Mär aber immer wieder Boden gut.

Fazit

The Witch and the Hundred Knight bietet unterm Strich trotz einiger Längen gute Rollenspielunterhaltung für Hack'n'Slay-Fans mit einem Faible für humorvolle Anime-Fantasy. Technik und Inszenierung hauen zwar nicht vom Hocker, punkten aber mit Witz und Charme. Man bastelt mit bis zu fünf parallel geführten Waffen immer wieder neue Kombos, während man mit Kalorien und Magenplatz haushalten sowie gegnerische Anspannungen und Gefühlslagen im Auge behalten muss. Als dämonischer Hexenhandlanger hat man jedenfalls eine ganze Reihe ebenso ungewöhnlicher wie interessanter Dinge zu tun, die auch über das eigentliche Jagen, Sammeln und Hindernisbewältigen hinaus bei Laune halten. Mit der Zeit stellt sich zwar auch hier eine gewisse Routine ein. Trotzdem bin ich immer wieder gern mit dem kleinen Dämonenritter durch die Märchenlande gezogen.

Pro

humorvolle Inszenierung
motivierende Charakterpflege
solide Sammel- & Erkundungsreize
interessantes Kombo- & Ausdauersystem

Kontra

mitunter zäher Spielverlauf
eher mäßige Technik
nicht lokalisiert

Wertung

PlayStation3

Humorvolles Action-Rollenspiel vor düsterer Märchenkulisse.

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