Im Test: Auf Raubzug durch die Märchenlande
Ritterliche Hundertschaft als Knirps erwacht
Als Spieler wird man von der ausgestoßenen Sumpfhexe Metallia in die Fantasywelt Medea gerufen, um der verhassten Hexenkonkurrenz - allen voran der gutherzigen Waldhexe - den Garaus zu machen. Kein leichter Job für einen winzigen Dämonenritter, der sich anfangs kaum zur Wehr setzen oder artikulieren kann. Aber unter Metallias schonungslosen Fittichen lernt er nicht nur zu folgen, sondern auch stärker und stärker zu werden.
Schon bald macht der trotz unerhörten Widersprüchen Hundred Knight getaufte Handlanger seinem Namen immer mehr Ehre und kämpft mindestens wie eine Handvoll seiner Sorte. Zumindest kann er bis zu fünf Waffen gleichzeitig führen und deren Angriffe zu mächtigen Kombos verketten. Die Waffenvielfalt ist auch wichtig, da seine Gegner teils extreme Resistenzen gegen bestimmte Waffengattungen an den Tag legen und nur durch passend geartete Angriffe überhaupt Schaden erleiden.
Augen auf bei der Waffenwahl
Da es mit Klingen-, Stumpf- und Magiewaffen lediglich drei generelle Schadensarten gibt, fällt es zwar nicht schwer universell taugliche Waffensets zusammenzustellen.
So lässt sich die Stärke aller Waffen durch Gebrauch steigern und je seltener eine Waffe ist, um so größer ist deren Entwicklungspotenzial. Dadurch bastelt und experimentiert man immer wieder an seiner auch defensive Accessoires umfassenden Ausrüstung herum. Auf den Raubzüge durch feindliche Hexenlande findet man jedenfalls haufenweise herrenloses Kriegsgerät. Allerdings kann man sich unterwegs voll und ganz aufs Kämpfen konzentrieren, da sämtliche Beutestücke erst einmal von Hundred Knight verschlungen und in seinem Magen gelagert werden.
Unverdaute Kostbarkeiten
Erst nach erfolgreicher Rückkehr zur Sumpfbasis hat man Zugriff auf die erbeuteten Schätze. Auch gesammelte Erfahrung wird erst dann verrechnet, was einen gewissen Rogue-like-Charakter hat. Erfahrung sammelt allerdings nicht Hundred Knight selbst, sondern nur dessen Ausrüstung - vor allem seine Helme, von denen man bis zu zwei mit in die nächste Schlacht nehmen und jederzeit zwischen ihnen wechseln kann. So kann man je nach bevorstehender Mission bestimmte Aspekte stärken oder Sonderfähigkeiten aktivieren.
Doch auch Hundred Knights Magen kann sich weiterentwickeln und durch den Verzehr besonderer Steine immer größer werden. Zudem kann man bei Platzmangel ungewollte Beutestücke für einen bestimmten Obolus pauschal zersetzen oder dezidiert erbrechen lassen. Zudem verbraucht jede Aktion, selbst das automatische Kartografieren erstmals besuchter Gebiete, Kalorien. Ist deren Vorrat erschöpft, muss die Lebensenergie herhalten bis man ohnmächtig zusammenbricht und beutelos von Despotin Metallia zurückgeholt wird - und das will man ganz bestimmt nicht...
Kalorienreiche Kost
Um verbrauchte Kalorien wieder aufzustocken, kann man einfach angeschlagene Gegner verspeisen.
Im Kampf verdiente Punkte lassen sich hier nämlich nicht nur in temporäre Boosts bestimmter Charakterwerte, sondern auch in Beuteboni und Kalorien investieren. Mit etwas Glück kommt man hin und wieder auch an kleinen Dörfern oder anderen Siedlungen vorbei, wo man nicht nur Handel treiben, sondern auch Raubzüge veranstalten kann. Einmal erfolgreich eingeschüchterte Dörfler bringen einen bei weiteren Besuchen dann sogar freiwillig Opfer dar.
Interessant ist auch, dass die Gefühlslage möglicher Angriffsziele und Gesprächspartner visualisiert wird. Zuneigung kann durch aggressive Taten jedoch schnell in Angst oder Wut umschlagen, wobei die Reaktionen ganz unterschiedlich verlaufen. Zudem kann man leicht reizbare Zeitgenossen auch gegeneinander in Kämpfe verwickeln. Bei besonders dicken Brocken lässt sich auch die Anspannung des Gegenübers ablesen, so dass man gewisse Angriffe vorhersehen und rechtzeitig reagieren kann.
Unverzichtbare Rückendeckung
Die generelle Übersicht lässt hingegen öfters mal zu wünschen übrig - vor allem in stark bewaldeten oder bebauten Gebieten ist die Sicht auf das in Echtzeit ablaufende Kampfgeschehen oft recht eingeschränkt. Selbst versteckte Fallen, vergrabene Schätze oder andere Interaktionsmöglichkeiten kann man da schnell übersehen. In brenzligen Situationen kann man allerdings auch kleine Helfer, so genannte Tochkas, beschwören. Die unterstützen einen nicht nur im Kampf, sondern sind auch beim Bewältigen von Hindernissen teils unverzichtbar.
So gibt es Tochkas, die sich auf entfernte Schalter werfen oder vor brüchigem Gestein in die Luft jagen lassen. Aber auch klassische Schalter- und Druckplattenaufgaben müssen bewältigt, Portale geöffnet, luftige Schmetterlingsstraßen genutzt, Höhenunterschiede überwunden werden.
Auch andere bekommen regelmäßig ihren wahlweise auf Englisch oder Japanisch tosenden Zorn und Spott zu spüren. Durchgehende Sprachausgabe gibt es allerdings ebenso wenig wie deutsche Untertitel. Auch die Ladezeiten sind trotz knapp 2GB schwerer Zwangsinstallation zum Teil sehr langwierig. Hinzu kommen einige spielerische und erzählerische Längen. Bereits der Einstieg gestaltet sich recht zäh und unspektakulär. Auch sonst kocht die im Anime-Stil servierte Hexenjagd technisch eher auf Sparflamme. Manch anfänglicher Unschärfeeffekt erzeugt beinahe Augenkrebs und lässt sich auch mit viel Blut und nackter Haut nicht übertünchen. Mit Charme und Witz macht die düstere Fantasy-Mär aber immer wieder Boden gut.
Fazit
The Witch and the Hundred Knight bietet unterm Strich trotz einiger Längen gute Rollenspielunterhaltung für Hack'n'Slay-Fans mit einem Faible für humorvolle Anime-Fantasy. Technik und Inszenierung hauen zwar nicht vom Hocker, punkten aber mit Witz und Charme. Man bastelt mit bis zu fünf parallel geführten Waffen immer wieder neue Kombos, während man mit Kalorien und Magenplatz haushalten sowie gegnerische Anspannungen und Gefühlslagen im Auge behalten muss. Als dämonischer Hexenhandlanger hat man jedenfalls eine ganze Reihe ebenso ungewöhnlicher wie interessanter Dinge zu tun, die auch über das eigentliche Jagen, Sammeln und Hindernisbewältigen hinaus bei Laune halten. Mit der Zeit stellt sich zwar auch hier eine gewisse Routine ein. Trotzdem bin ich immer wieder gern mit dem kleinen Dämonenritter durch die Märchenlande gezogen.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation3
Humorvolles Action-Rollenspiel vor düsterer Märchenkulisse.
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