Call of Duty 322.11.2006, Paul Kautz
Call of Duty 3

Im Test:

Noch bis vor ein paar Jahren konnte man fast die Uhr nach dem Veröffentlichungs-Rhythmus von WW2-Shootern stellen - alle Schlachtfelder von Omaha Beach bis Stalingrad wurden chronisch abgegrast. So langsam beruhigte sich der Strom der Stahlhelm-Ballereien, neue Szenarien gewannen an Oberwasser. Aber genau wie die Römer das rebellische gallische Dorf immer wieder auf dem Kieker haben, bleiben auch derlei Spiele hartnäckig im Visier der Entwickler. Call of Duty 3 (ab 55,00€ bei kaufen) an die Front!

Hier war ich ja noch nie!

Frankreich 1944: Der Himmel brennt, die Straßen sind düster, von Nord bis Süd wird erbittert gekämpft - die Nazis haben Paris erobert! Zur Abwechslung könnt ihr mal die Gummistiefel zuhause lassen, denn Omaha Beach wird nicht besucht: Stattdessen durchstreift ihr die zertrümmerten Straßen von St. Lô, ballert euch durch die saftigen Landschaften um Toucy oder überquert den Fluss Mayenne. Wie gewohnt seid ihr dabei nicht auf einen Soldaten bzw. eine Fraktion beschränkt, sondern nutzt derer gleich vier: Amerikaner, Briten, Kanadier u

Die Schlachtfelder sind mal wieder brillant inszeniert - und Call of Duty 3 versetzt euch in ein einigermaßen frisches Szenario!
nd Polen schicken euch an die Front, die Russen bleiben dieses Mal zuhause. Genauso wie PC-Soldaten, denn Entwickler Treyarch, der vorher u.a. das gute CoD 2: Big Red One produzierte, hat ein Faible für Konsolen - und da Original-Entwickler Infinity Ward gerade anderweitig beschäftigt ist und CoD 3 im Grunde wie ein Add-On zu CoD 2 aussieht, erscheint es ausschließlich für Konsolen.

Huch, habe ich da gerade »Add-On« gesagt? Ja, der erste Eindruck zeigt tatsächlich sehr vertraute Bilder: Die Grafik wirkt ähnlich, spielerisch gibt's ohnehin kaum Unterschiede. Die pompös inszenierten Schlachtfelder sind nach wie vor zum größten Teil völlig linear, kniehohe Mauern oder zerbrechlich wirkende Zäune bleiben unüberwindbare Hindernisse - wo einen das Spiel nicht haben will, kommt man auch nicht hin. Nur gelegentlich habt ihr die Wahl zwischen zwei Wegen (sprich: zwei Einsatzzielen), die aber immer am selben Endpunkt münden. Das Gesundheitssystem wurde aus CoD 2  importiert; Heilpäckchen gibt es also auch hier nicht - stattdessen müsst ihr nach schwerem Beschuss, während sich der Bildschirm rot färbt, einfach eine Zeit lang ein ruhiges Fleckchen aufsuchen und die Selbstheilungskräfte eures virtuellen Körpers wirken lassen - eine kurze Genesung später seid ihr wieder voll einsatzbereit. Auch die vielen hervorragend geskripteten Szenen dürften dem Kenner vertraut vorkommen, füllen sie doch die Szenarien mit makabrem Leben. Gleichzeitig führen spätestens sie einem überdeutlich vor Augen, dass man wie auf Schienen durch die Levels geleitet wird: Selbst Türen oder Tore zu öffnen ist beispielsweise nicht drin, das muss immer ein Kamerad übernehmen. Oder ihr sitzt mal auf dem soliden Rücken eines Panzers und gebt dem Schützen Feueranweisungen zum Ausradieren gegnerischer MG-Nester. Das Ergebnis: Wenn der

Ihr dürft diverse Fahrzeuge nutzen - hier im Bild der schwer bewaffnete Jeep »Vera«.
Panzer feuert, bleibt kein Stein auf dem anderen, der Bildschirm wackelt, das Haus bröselt, dicke Rauchwolken umwabern die Stelle, an der zuvor noch ein grimmig blickender MG-Schütze hockte - auf der anderen Seite habt ihr aber klar definierte Ziele, etwas anderes könnt ihr nicht beschießen. Immerhin ist der Tank nicht eure einzige Mitfahrgelegenheit: Ab und an springt ihr selbst hinter das Steuer eines flotten Jeeps, rudert bedächtig über einen Fluss oder steuert persönlich einen quietschenden, rumpelnden, Feuer speienden Panzer. Neu sind interaktive Spielereien: Sprengsätze werden nicht einfach platziert, sondern müssen mit einer Kombination aus Knöpfchendrücken und Analogstick-Rundern manuell an das zu sprengende Objekt gepappt. Und werdet ihr von einem Gegner geskriptet überrascht, entwickelt sich ein launiges Gerangel um die Waffe, in dem ihr schnell abwechselnd die Schultertasten drücken und anschließend eurem Feind noch ordentlich eins mit dem Kolben verpassen müsst.

Nichts als Details

Die Änderungen der PS3-Fassung im Vergleich zur 360-Version:

- Der Sixaxis-Controller kann beim Gerangel um eine Waffe geschüttelt werden, außerdem lassen sich damit u.a. Nahkampfattacken auslösen und die Fahrzeuge steuern - wer das nicht will, kann all das mit klassischer Steuerung kontrollieren.

- Die Grafik unterstützt kein Anti-Aliasing, was viele Texturen flimmern lässt. Außerdem gibt es mehr Ruckler. Auch technisch folgt CoD 3 seinem Vorgänger scheinbar auf dem Fuße, tatsächlich sogar so sehr, dass ich einfach mal ein Zitat aus unserem CoD 2-Test bemühe: »CoD 2 bietet WW2-Schlachtfelder, wie es sie noch nie zu sehen gab. Dicke Explosionen verursachen gigantische, richtig dicht und dick wirkende Rauchwolken, aus denen unheimlich die  Gegner herausquellen. Ein Schneesturm bedeutet hier nicht einfach einen Batzen Flocken, die es sich auf dem Bildschirm gemütlich machen, sondern eine weiß vorbeirauschende Front, bei der man unweigerlich die Augen zusammenkneift. Die beeindruckend zerfallene Levelarchitektur bringt eine Ruinenfülle auf den Bildschirm, bei denen man schon das Seufzen der Trümmerfrauen hören kann.« - das gilt auch im Jahre 2006! Allerdings gibt es einige wichtige Neuerungen wie z.B. die Geschwindigkeit: Call of Duty 3 läuft auch in wunderbarem HD fast immer flüssig, nur im völligen Effekt-Overkill hüpft die Framerate etwas nach unten - wird

Ihr werdet immer von KI-Kameraden begleitet - die keine besonderen Leuchten sind.
allerdings nie unspielbar!  Neben der allgemein deutlich erhöhten Detaildichte (die Graslandschaften! die Bäume! die Gesichter eurer Kameraden! die plastischen Waffen!) haben vor allem die ohnehin schon brillanten Effekte des Vorgängers nochmal einen Schub erhalten. Ein Beispiel dafür ist die coole Unschärfe, die es zu sehen gibt, wenn ihr über Kimme und Korn zielt: Jede Bewegung verändert den Fokus des virtuellen Auges, die Fixierung des neuen Ziels dauert einen kurzen Augenblick - wie auch beim echten Auge! Netterweise ist auch die Umgebung etwas interaktiver: Zwar beschränken sich eure Handlungsmöglichkeiten auf zerstörbare Fässer oder Fenster, aber man ist ja für jede Kleinigkeit dankbar.                    

Natürlich breitet sich da, wo die Sonne besonders hell strahlt, auch gerne mal der hässliche Nebel des Krieges aus: In diesem Fall würde er z.B. in der Form von ausgesprochen unansehnlichem Feuer erscheinen, das so ganz und gar nicht zu den prächtigen Explosionen passen will - müssen wir im Jahre 2006 nach Pac-Man wirklich

Beim Zielen über Kimme und Korn kommen die coolen neuen Unschärfeeffekte besonders gut zur Geltung.
noch mit ruckartig animieren Flammen leben? Genauso die häufigen Clipping-Fehler, die auf einer Next-Gen-Konsole nicht sein sollten: Da schweben abgeschossene Helme frei in der Luft, oder halbe Soldaten lugen durch eine solide wirkende Wand. Die an sich sehr schönen und fantastisch animierten Zwischensequenzen sind nicht abbrechbar, was beim ersten Mal kein Problem ist - lädt man aber den Spielstand eines neuen Levels, bekommt man sie wieder zu sehen. Und das wie eine zappelnde Plastikfolie aussehende Wasser ist nur auf der 360 ein Problem - auf Xbox und PS2 gibt es kaum Wasseroberflächen! Generell müssen Current Gen-Frontler natürlich damit leben, dass der grafische Eindruck vier Gänge hinter der 360 her zuckelt. Nichtsdestotrotz holt Treyarch auch aus den älteren Konsolen verdammt viel heraus: Das Spiel (das dieses mal vom Aufbau her identisch ist, im Gegensatz zu den ungleichen Zwillingen CoD 2 und CoD 2: Big Red One) läuft zumindest auf der Xbox flüssig, die Effekte sind bemerkenswert. Es mangelt halt an Details wie den Falten auf den Klamotten, den Poren auf der Haut, dem verwaschenen Übergang zwischen Figuren und Wasser - und lassen sich Texturen sowie Schattierungen nicht mal ansatzweise vergleichen, darüber hinaus gesellt sich auf der PS2 sehr oft ein Ruckeln zum Spiel. Allen Versionen gleich ist die mäßige KI von Freund und Feind: Die eigenen Kameraden, von denen nicht nur verdammt viele die Schlachtfelder bevölkern, sondern auch immer einige an eurer Seite rennen, sind nur Beiwerk, da furchtbare Schützen: Sie dienen im Grunde nur zur Ablenkung bzw. als Beschäftigungstherapie des Gegners, denn treffen tun sie kaum mal - stattdessen kommt es immer wieder vor, dass sich zwei KI-Krieger gegenüberstehen (evtl. durch einen LKW oder eine Mauer getrennt) und minutenlang
Die Figuren sind eindrucksvoll designt und exzellent animiert - besonders die Gesichter sprechen mal wieder Bände!
ein Magazin nach dem anderen aufeinander entleeren, ohne dass etwas passiert - Erinnerungen an den Weird Al-Film »UHF« werden wach. Darüber hinaus steht das virtuelle Kanonenfutter dem Spieler auch gerne und oft im Weg - teilweise sogar so hartnäckig, dass man Extra-Umwege laufen muss, um sie zu bewegen.

Undeutsche Deutsche

Ändert sich das Call of Duty-Spielprinzip, nur weil ihr in Frankreich statt in Russland herumturnt? Nein, natürlich nicht: 14 Missionen lang verteidigt ihr unter Beschuss stehende Plätze, zerstört Nebelwerfer oder Panzergeschütze, nehmt strategisch wichtige Orte ein oder unterstützt die lokale Resistance. Freies Speichern ist nicht erlaubt, stattdessen übernimmt eine Automatik die Sicherung des Spielstandes. Leider liegen diese Checkpunkte teilweise sehr weit auseinander, auf der anderen Seite wird der Spieler so zu umsichtigem Vorgehen statt Rambo-Taktik gezwungen. Begleitet werdet ihr von einigen der brillantesten Soundeffekte, die es derzeit gibt: Wer Call of Duty 3 ohne Surround-System zockt, verpasst glatt die Hälfte des Spiels! Die wahnwitzigen Explosionen, die ratternden MGs, die knirschenden Panzerketten, die röhrenden Flugzeuge, die schreienden Kämpfer - völlig irre! Die Musik von Joel Goldsmith gibt sich alle Mühe, gegen dieses Klang-Inferno anzudröhnen, geht aber leider völlig unter; im Grunde hätte man sie sich im Spiel ganz sparen und lieber als Soundtrack-CD beilegen können. Bleibt auf akustischer Seite nur noch die Sprachausgabe - und die ist ein zweischneidiges Schwert: Auf der einen Seite kommen einige Akzente super rüber, speziell

Auf der Xbox 360 dürft ihr u.a. im Splitscreenmodus gegeneinander antreten.
die Franzosen sind hervorragend getroffen. Auf der anderen Seite klingen gerade einige der Deutschen sehr undeutsch. Auch die eigenen Kameraden sind so eine Sache: Zwar sprechen sie gut, aber atmosphärisch wirkt es fragwürdig, wenn sich Jungsoldaten ruhig und gelassen um eine gestelzte Aussprache bemühen, während um sie herum die Hölle ausbricht. Leider habt ihr nicht die Wahl alternativer englischer Sprecher, außerdem wiederholen sich die Kommentare von Freund und Feind sehr oft.

Habt ihr genug vom Einzelspielermodus, der euch ungefähr zehn Stunden beschäftigen dürfte, dann wartet die glitzernde Multiplayerwelt: Auf Xbox und PS2 dürfen sich bis zu 16 Spieler via System Link, Xbox Live bzw. dem PS2-Onlinemodus balgen, auf 360 sind's nochmal acht mehr, außerdem wartet hier noch ein alternativer Splitscreenmodus für maximal vier Soldaten. In Sachen Spielmodi warten neben den üblichen Deathmatch- und CTF-Varianten auch das spaßige »Hauptquartier«, in dem es eure Aufgabe ist, selbiges zu errichten und vor allem zu halten - höchst aufregend! Zwei Seiten (Alliierte, Achsenmächte) stehen ebenso zur Verfügung wie jeweils sieben Spielerklassen, inkl. zweier Supportklassen, die das an sich rasante Spielprinzip um eine sehr interessante taktische Komponente erweitern - und nicht zuletzt auf der 360 auch für einige Achievements zuständig sind. Außerdem dürft ihr auf den neun Karten (in Zukunft soll es mehr zum Download geben) auch diverse Fahrzeuge nutzen.           

Fazit

Es fällt ziemlich leicht, speziell die 360-Fassung von Call of Duty 3 in die Add-On-Ecke zu stecken - optisch und spielerisch bietet der Neuling auf den ersten und vielleicht auch zweiten Blick nur wenig Neues. Und die paar offensichtlichen Erweiterungen (wie das Gerangel um die Waffe oder die gelegentliche Wahl des weiteren Vorgehens) sind so rudimentär, dass sie eigentlich kaum einer Erwähnung wert sind. Und natürlich finde ich es gerade angesichts dieser Parallelen sehr schade, dass PC-Scharmützler dieses Mal draußen bleiben müssen; PS3-Heroen müssen außerdem mangels Anti-Aliasing mit leicht flimmernder, immer wieder ins Ruckeln verfallender Grafik leben. Unter seiner beeindruckenden Kulisse ist CoD 3 also nach wie vor »nur ein weiterer« WW2-Shooter, aber was für einer! Die Missionen bieten kaum mal eine Verschnaufminute, die Gefechte sind so intensiv dargestellt wie in »Saving Private Ryan«, die Schlachtfelder voller Emotionen - überall ist was los, Krieg und Vernichtung an allen Ecken! Im Grunde also das gleiche Fazit wie immer: Beeindruckend inszeniert, noch beeindruckender vertont, unheimlich gut designt. Call of Duty 3 ist der beste WW2-Shooter unserer Zeit.

Pro

hervorragende Grafik
bombastische Soundeffekte
beeindruckende Gefechte
toller Mehrspielermodus

Kontra

wirkt wie ein CoD 2-Add-On
mäßige KI
größtenteils völlig linear
ruckelige Grafik (PS2, PS3)
aufgesetzt wirkende Sixaxis-Unterstützung (PS3)- kein Anti-Aliasing (PS3)

Wertung

360

PlayStation3

Aufregender, intensiver, technisch beeindruckender WW2-Shooter in bewährter Serientradition.

PlayStation2

XBox

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