Full Auto 2: Battlelines29.03.2007, Benjamin Schmädig
Full Auto 2: Battlelines

Im Test:

Die buchstäbliche Ruhe vor dem Sturm: Fast lautlos zählt der Countdown auf Null herunter, während sechs Wagen in Richtung Startlinie rollen. Fliegender Start! Sekunden später knattern Maschinengewehre, purzeln Minen umher, zischen Raketen in alle Richtungen und der Straßenzug zerfällt wie ein fragiles Kartenhaus. Das ist Zerstörungswahn im Geschwindigkeitsrausch. Das ist Full Auto 2: Battlelines (ab 24,99€ bei kaufen). Das ist... etwa packender als Full Auto?

Ridley "Bleifuß" Scott

Mit Ach und Krach brenne ich mit gezogener Handbremse einen rechten Winkel in den Asphalt, um ein heimtückisches Minenfeld zu umgehen. Das hat sich mein Vordermann so gedacht! Ich lasse zwei Raketen mit seiner Ideallinie kollidieren und der Kontrahent

Links löst sich ein Fahrzeug auf, aber ihr bleibt sturköpfig auf dem Gas stehen.
verabschiedet sich mit einer effektvollen Zeitlupenstudie auf den Schrottplatz. Aber die Gefahr ist nicht gebannt: Hinter mir haben es drei weitere Kerle auf meinen Spoiler abgesehen. Eine Ladung Minen in eine schmale Durchfahrt und meine Probleme lösen sich in Rauch auf. Jetzt geht es richtig los: Auf einmal hallt Ozzy Osbournes Kreischen durch die Gassen, denn mein eben eingetroffenes Primärziel hat auf elektronische Beats keinen Bock. Minutenlang fliegen Metallspäne als zwei trotzige Blechlawinen Tür an Tür durch die engen Gassen donnern - teilweise muss ich im Auswurf seines Nebelwerfers ein Haar breit an Pfeilern und Hauswänden vorbei. Dann reicht es mir. Ich trete auf die Bremse, jage dem vorweg schießenden Gegner eine Rakete ins Heck und komme dank einer weiteren Zeitlupenstudie kurz zum Luftholen. Jetzt heißt es: Fuß aufs Gas! Schließlich muss ich auch das Rennen gewinnen. Zeit für den Turbo. Die treibenden Elektro-Beats werden lauter, bekommen eine neue Spur verpasst, die Sicht verschwimmt, das Bild zittert wie in einem Ridley Scott-Film - ich fliege den Verfolgern im Drogenrausch davon.

Drogen und die WEISE

Tatsächlich ist es genau diese Inszenierung der Geschwindigkeit, die mich Stunde um Stunde an Full Auto 2 fesselt. Es ist so einfach, die Turboleiste mit ein, zwei Handbremsen-Schlatzern zu füllen und anschließend wie auf Drogen über die gut 20 Strecken samt Dutzenden Abzweigungen zu rasen - theoretisch jedenfalls, denn da sind etliche Widersacher, die nur ein Ziel verfolgen: meine effektvolle, meine endgültige Zerstörung. Und deshalb gebe ich Runde für Runde mein Bestes, um die Konkurrenz zum Schweigen

Augen auf und durch: Im Turborausch wird Full Auto 2: Battlelines zur Adrenalinpumpe.
zu bringen. Sei es mit dem im Vergleich zum Vorgänger gehörig aufgestockten Arsenal an über 20 Waffen oder indem ich feindliche Gangs unter einer zum Einsturz gebrachten Unterführung begrabe. Sega hat alle Hebel, die der Vorgänger auf Xbox 360 nur eingeführt hat, kräftig angezogen und liefert PS3-Rasern mehr Speed, mehr Zerstörung und sogar eine Portion Witz.

Nein, das mit dem Witz war kein solcher, denn ihr werdet von einer "KI" namens SAGE durch die Aufträge geleitet - ein Computer mit weiblicher Stimme, der den Sittenverfall in eurer Stadt stoppen und die unzähligen rivalisierenden Gangs ausschalten will. Als eine Art Undercover-Polizist erledigt ihr aber natürlich die Drecksarbeit, während die Damenstimme euren Fortschritt kommentiert. Was für ein Quatsch! Die Story braucht selbstverständlich kein Mensch und sie wird auch nur in knappen Missionsbeschreibungen weitergesponnen. Dafür hat SAGE Humor! Sie sagt es leider nur in Englisch, aber wenn sie z.B. nach eurem Versagen trocken fragt, wie sie denn bitte eine Leiche trainieren solle, passt das einfach zu dem knackigen Drumherum.              

"Was es auf 360 hätte sein müssen"

Und weil wir gerade dabei sind, hier der Nörgel-Abschnitt: Herrgott, ja, wenn man schon eine Story einbaut, hätte man etwas Gescheites draus machen können. Dass der Ablauf ständig unter einem kaum wahrnehmbaren Stottern leidet, muss ebenfalls nicht sein. Aber hey, nachdem der 360-Erstling versehentlich Zeitlupenorgien gefeiert hat, die den Begriff Next Gen ad absurdum führten, darf man den Fortschritt der PS3-Fortsetzung sogar bejubeln. Fortschritt... na ja gut: Zahlreiche Strecken, auf denen schon

Schade: Ein Bild wird dem befriedigenden Gefühl beim Ableben eines Kontrahenten nicht gerecht...
360-Raser gefahren sind versprühen eher Add-On-Charme. Andererseits ist Battlelines wesentlich umfangreicher als sein Vorgänger und darf deshalb als "Full Auto: Was es auf 360 hätte sein müssen" passieren.

Dass "Was es auf 360 hätte sein müssen" vor jedem Neustart eines Rennens erst laden muss, stört ungeduldige Naturen wie mich allerdings empfindlich - auch wenn die Ladezeiten recht flott vorübergehen. Und dass ich besonders coole Manöver zwar in Sofort-Wiederholungen bewundern, aber nicht das komplette Rennen im Replay sehen darf, ist sogar hochgradig ärgerlich. Man darf außerdem das überbelegte Gamepad monieren; die Steuerung wirkt gerade in den rasanten Arena-Kämpfen überladen. Hin und wieder habe ich mich jedenfalls bei einem falschen Knopfdruck erwischt. Und dass ich beim Zielen über den rechten Analogstick nicht gleichzeitig die Handbremse ziehen kann, ist mir ein echter Dorn im Auge. Weniger nervend, aber trotzdem erwähnenswert sind die nach einem Abschuss teilweise übereinander wieder auftauchenden Wagen in den Arena-Kämpfen sowie die nicht bei jedem Knopfdruck sofort zurückspulende Reparatur.

Arena-Kämpfe? Das sind "Rennen", in denen es weder Start noch Ziel gibt - eure einzige Aufgabe ist es, am Ende der Runde die meisten Abschüsse auf dem Konto zu haben. Dazu kommt meist ein besonders harter Gegner, den ihr unbedingt ausschalten müsst. Wollt ihr auch eine der fordernden sekundären Vorlagen erfüllen, solltet ihr ihn z.B. innerhalb eines Zeitlimits außer Gefecht setzen. Und wozu die Mühe? Damit ihr wichtige Extras wie zusätzliche Waffen erhaltet oder nutzlose, aber persönlichkeitsfördernde Lackierungen freischaltet. Habt ihr auf den Story-Modus keinen Bock, dürft ihr natürlich auch in separaten Off- und Online-Rennen

... vielleicht gelingt das ja den aktuellsten bewegten Bildern:

antreten - wobei ihr euch ausschließlich über das Internet auch in den Arena-Varianten Katz und Maus sowie Base Assault beharken dürft. Während ihr dabei als einzige Maus vor den Katzen flüchtet, versucht ihr in "Capture the Flag Reverso" eine Bombe in das feindliche Hauptquartier zu bringen.

"Unkaputt" oder Turbo?

Full Auto-Kenner haben sich ein paar Zeilen aufwärts vielleicht gefragt, wozu sie eigentlich mehr Waffen freischalten sollen, wenn sie sowie nur eine Hand voll vorgegebene Kombinationen auf ihr Vehikel schrauben dürfen? Vielleicht wissen sie aber auch schon Bescheid und wollen deshalb das deutlich aufgestockte Arsenal diesmal nach Lust und Laune selbst kombinieren. Den Laser vorn und Nebelwerfer hinten? Oder doch lieber die Ramme vor den Grill und den Minenleger gegen Verfolgungswahn? Und natürlich dürft ihr auch wieder die Zeit zurückdrehen, wenn ihr mal wieder an einem der wenigen unkaputtbaren Pfosten zum Stehen kommt. Ihr

So sichert ihr euer Fahrwasser ab: Die einstürzende Umgebung dient als "natürliches Hindernis".
müsst nur aufpassen: In Battlelines sind Reparatur (wie "Unwreck" unglücklich übersetzt wurde) und Turbo gekoppelt. Das heißt, dass euch der Nachbrenner ausgeht, falls ihr zu oft Fehler korrigiert. Andersrum gilt natürlich das Gleiche: Falls ihr zu lange Extrasprit zieht, habt ihr nicht genug Saft, um einem Abschuss rückwirkend auszuweichen. Ein Hauch Taktik zwischen Reifen, Rauch und Rost? Richtig so!

Und es gibt noch mehr: Die zerstörbare Umgebung ist nämlich wesentlich zerbrechlicher als die Schauplätze des ersten Teils. Schließlich dürft ihr jetzt nicht nur Häuserwände zerbröseln oder die Verkaufsfläche an der Ecke als Auslaufzone missbrauchen. Vielmehr fliegt ihr auch à la Lethal Weapon 4 durch Büroräume oder reißt gleich den kompletten Überhang eines Hauses ein. Einige Gebäude stützen sich nur auf drei, vier Pfeiler - und wenn ihr die wegratzt, fällt der gesamte Bau gen Asphalt. Im besten Fall begrabt ihr so eure Widersacher. Und im schlimmsten Fall? Im schlimmsten Fall ist es - wie das restliche Spiel - verdammt cool!        

Fazit

Ja, an dieser Stelle endet der Text. Nein, mehr gibt es in Full Auto 2 nicht. Richtig: "Was es auf 360 hätte sein müssen" ist immer noch hirnloses Herumfahren und Abballern, das euch mitunter zwar die Wahl zwischen verschiedenen Rennen lässt, ansonsten aber streng geradlinig abläuft. Abwechslung wie in Burnout: Revenge gibt es kaum und das macht sich nach einigen Stunden auch bemerkbar. Aber Battlelines schafft etwas, was das magere Geschwindigkeitsgefühl, die wenigen Waffen und das ständige Mega-Ruckeln im Vorgänger verhindert haben: Es macht nach all diesen Stunden noch Spaß! Es ist die aufs Nötigste reduzierte Mischung aus Burnout und Twisted Metal. Es ist der Metal-Soundtrack, den ihr bei nahen Zwischengegnern hört. Es ist der Wechsel vom tranigen Normal-Elektro zu treibendem Techno, sobald ihr den Turbo zündet. Es ist vielleicht nicht der umfangreiche Burnout-Konkurrent, der da auf Blu-ray schlummert. Aber da ist verdammt viel Adrenalin, das im Nachfolger einen dauerhaften Hitzschub entfacht.

Pro

<P>
Musik je nach Situation
viele Wege auf jeder Strecke
etliche, frei wählbare Waffen
Zerstörung großer Gebäude &amp; Objekte
viele primäre und sekundäre Ziele
großartiges Geschwindigkeitsgefühl
tolle Zeitlupenaufnahmen zerstörter Fahrzeuge</P>

Kontra

keine Wiederholungen kompletter Rennen
etwas überladene Steuerung
eintönige Missionen
Reparatur funktioniert nicht immer sofort

Wertung

PlayStation3

Mehr Speed, mehr Zerstörung und eine Portion Witz - Full Auto 2 ist Zerstörung im "Drogenrausch".

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.