Williams Pinball Classics18.03.2010, Jan Wöbbeking
Williams Pinball Classics

Im Test:

Pinball-Fans haben es nicht leicht: Gebrauchte Flipper-Tische erreichen mittlerweile Preisregionen chinesischer Kleinwagen und auch Videospieler werden nur noch sporadisch mit Simulationen versorgt. Crave schafft Abhilfe: In »Pinball Hall of Fame: The Williams Collection« (Original-Titel der US-Version) darf man an stattlichen 13 Tischen der Kultschmiede daddeln, ohne in der Hosentasche nach Kleingeld zu wühlen - darunter befinden sich echte Highlights wie Medieval Madness. Update vom 18.10.2010: In Kürze will Koch Media das Spiel übrigens auch hierzulande in den Handel bringen, und zwar unter dem Titel "Williams Pinball Classics (ab 18,98€ bei kaufen)" für PS3, Xbox 360, Wii und PSP.

Import-Kugel

Da sich bislang kein Publisher erbarmt hat, die Sammlung nach Deutschland zu bringen, haben wir die amerikanische PS3-Fassung getestet. In den Staaten ist der Titel übrigens auch für Xbox 360, Wii und PS2 zu haben - doch nur die Versionen für PS3 und PSP laufen auch auf deutschen Konsolen. Also nichts wie hinein in die Spielhölle: Wie in den Gottlieb Pinball Classics aus gleichem Hause stehen die Münzgräber hübsch aufgereiht in einer begehbaren 

Medieval Madness bietet alles, was des Ritterherz begehrt: Einen finsteren Tyrannen, einen Drachen, eine herunterklappbare Zugbrücke, holde Maiden und jede Menge alberne Sprachsamples.
Hall of Fame. Manche Exemplare müssen erst freigeschaltet werden, doch das geht zum Glück deutlich flotter als im Vorgänger: Nach rund drei Stunden hat man Zugang zu allen Tischen.

In punkto Auswahl und Umfang schlägt der Titel die gesamte Konkurrenz: Auf Kenner und Nostalgiker warten einige Exemplare gesetzteren Alters: Zur Wahl stehen Jive Time (1970), Gorgar (1979), Firepower (1980), Black Night (1980), Space Shuttle (1984), Sorcerer (1980) und Pinbot (1986). Auf uralte Kuriositäten wie Gottliebs Ur-Flipper Play-Boy aus den Dreißigern muss man diesmal verzichten. Doch das ist zu verschmerzen, denn auch die Williams-Maschinen aus den Siebzigern und Achtzigern konnten mich nur kurz unterhalten. Das monotone Piepton-Inferno von Space Shuttle hat sogar diverse Kollegen dauerhaft aus dem Konsolen-Büro verjagt. Nach einer kurzen Reise in frühere Zeiten habe ich mich also den neueren Exemplaren zugewandt.

Mittelalter-Wahnsinn

Die aktuelleren Maschinen sind das Highlight der Sammlung, denn hier treibt Hersteller Williams das auf die Spitze, was seine Geräte auszeichnet: Durchdachte und unheimlich motivierende Tischziele. Star des Ensembles ist Medieval Madness. Obwohl mich das Ritter-Szenario normalerweise nicht die Bohne interessiert, hat mich das Gerät sofort in seinen Bann gezogen. Der Tisch ist die Flipper gewordene Definition des Arcade-Prinzips:

Was bieten die Umsetzungen?

Im Vergleich zur PSP und auch zur Wii-Version wurden die PS3- und 360-Fassungen um drei Tische erweitert. Am großartigen »Medieval Madness« dürfen so nur HD-Akrobaten die Kugel schnipsen - das gilt auch für »No Good Gofers« sowie »Tales of Arabian Nights«. Weil dem PS2-Spiel übrigens auch Sorcerer und Jive Time fehlen, bietet sie das magerste der Williams-Museen.

Technisch liegen die auch auf deutschen PSPs spielbaren Handheld-Flipper natürlich eine Generation hinter dem PS3-Pendant zurück - was sich in unschärferen Texturen, vor allem aber einer weniger ausgefeilten Ballphysik äußert. Empfehlenswert ist die »kleine« Variante allemal; PS3-Besitzer sollten aber der Blu-ray den Vorzug geben. Dank lustiger Aufmachung und schneller Erfolge haben Neulinge schon bei ihrer ersten Kugel einen Riesenspaß.  Das weitläufige »Schlachtfeld« ist übersichtlich aufgebaut und auch die ersten Ziele durchschaut man schnell, nachdem man sie in Tutorials kennen gelernt hat.

Dank ausgefeiltem Aufbau können sich aber auch Profis darin verbeißen, die sechs Schlösser zu zerballern und den bösen König zu besiegen. Der Angriff ist liebevoll umgesetzt: Zuerst klappt man die Zugbrücke herunter, um dann mit Schmackes durch die offene Tür hinterher zu ballern. Trifft man beim Multiball ein grimmiges Trollgesicht oder erfüllt eine der anderen Aufgaben, werden jede Menge alberne Sprachfetzen abgespielt. Besonders lustig klingt die Mamsell, welche lasziv raunend ihren Retter herbeiruft. Hat man sie über eine steile Rampe aus ihrem Turmverlies befreit, lässt sie zur Belohnung schlüpfrige Kommentare ab: »Is that a sword in your pocket?«.         

Hey, Taxi!

Auch die übrigen Exemplare aus dem späten letzten Jahrhundert sorgen für stundenlange Highscorejagden: In Funhouse (1990) ärgert man einen sprechenden Kopf, der mitten auf das Spielfeld gepappt wurde und das Geschehen ununterbrochen kommentiert. Amiga-Veteranen wird die Geheimtür hinter seinem Schädel bekannt vorkommen: Der Tisch diente als Vorbild für "Partyland" aus Pinball Fantasies. Außerdem enthalten sind Taxi (1988),  Tales of the Arabian Nights (1996) und die weniger spannende Golfer-Klamotte "No Good Gophers".

Auch die Gehäuse wurden so liebevoll nachempfunden, dass die verschwommenen Textur-Tapeten an der Spielhöllen-Wand kaum auffallen. 
Als interessanter erweist sich Whirlwind (1990): Im Originalgehäuse blies dem Spieler ein rauher Wind entgegen - erzeugt durch den im Gehäuse eingebauten Ventilator. Dieser Effekt ließ sich natürlich nicht übertragen - doch die sich drehenden Rädchen auf dem Spielfeld lenken die Murmel immer noch ab.

In punkto Kugelverhalten scheiden sich in der Redaktion die Geister: Ich bin mit der Physik sehr zufrieden - Ben steht dagegen auf die schwere, schnellere Kugel von Zen Pinball. Im Williams-Spiel wirkt die Murmel ein wenig leichter und bekommt beim Abprallen nur selten einen unberechenbaren Drall. Als Fan alter Flipper von Digital Illusions (z.B. Pinball Fantasies) und Freund der Pro-Pinball-Reihe kommt mir der moderate Schwierigkeitsgrad entgegen: Ich mag es lieber, wenn sich ein angenehmer Spielfluss entwickelt, als wenn ich jede Sekunde um meine Kugel bangen muss.

Innere Werte

Auf technischer Ebene wirken die Tische aus Zen Pinball übrigens deutlich detaillierter als die Gegenstücke von Williams: Bei Ersteren kann man feinere Strukturen im Kunsttoff und ausgearbeitete Metallstreben erkennen. Trotzdem machen auch die

»Gooorgaaar!« - bei den älteren Tischen gibt es martilaische Sprachfetzen und fieses Gepiepse zu hören.  
Flipper aus der Hall of Fame einen hübschen Eindruck: Alle Details der Originale sind gewissenhaft übertragen worden -  lediglich große Aufbauten wie der rote Plastikdrache aus Medieval Madness glänzen hier nicht so plastisch wie beim Vorbild.

Ein richtig schlechtes Bild gibt nur die Kugel ab, denn unter welchem Lämpchen sie auch hindurchflitzt: Die Umgebung spiegelt sich kein bisschen in ihr. Sogar in der Wii-Fassung von Gottlieb Pinball Classics sah das besser aus. Ein weiterer Rückschritt sind die fünf Kameraperspektiven: Mit einigen konnte ich recht ordentlich spielen, doch keine fängt das Geschehen ideal ein. Eine starre Übersicht des kompletten Tisches wie in Gottlieb Pinball Classics fehlt diesmal. Erfreulich ist dagegen, dass man wieder lokale Turniere für bis zu vier Spieler ausrichten darf oder sich in der Williams-Challenge an mehreren Tischen nacheinander versuchen kann.     

Fazit

Farsights Simulation ist wieder ein echtes Highlight für Pinball-Liebhaber. Diesmal liefert die Sammlung noch interessantere Tische als in der Gottlieb-Ausgabe, darunter echte Suchtmaschinen wie Medieval Madness, Taxi oder Funhouse. Auf Skurrilitäten wie trashige Wahrsage-Automaten oder uralte Flippervorfahren muss man zwar verzichten, im Gegenzug bieten zumindest die neueren Exemplare noch ausgefeiltere Tischziele als im Vorgänger. Auch visuell hinterlassen die HD-Flipper einen guten Eindruck: Alle Bumper, Rampen, Aufkleber und Feinheiten der Originale finden sich hier - es fiepst, klackert und knarzt wie in der Spielhalle. Beim Konkurrenten Zen Pinball sehen die glänzenden Metallstreben und Plastikoberflächen allerdings noch eine ganze Ecke hübscher aus. Spielerisch bleiben die Originale aus den Arcades aber klare Gewinner: Die Aufbauten der Klassiker wirken um einiges durchdachter als bei der Konkurrenz. Die Online-Anbindung wirkt dagegen wie von gestern: Es gibt zwar Highscorelisten für alle Tische, doch sie werden quälend langsam geladen und man darf sie nicht bequem nach Freunden sortieren.

Pro

<P> 13 Original-Tische der Kult-Schmiede
darunter Klassiker wie Medieval Madness und Funhouse...
Originale wurden pedantisch nachempfunden
insgesamt gute Kugelphysik...
es fiept und klackert wie bei den Vorbildern
ausgefeilte Tischziele sorgen für tagelangen Flipperspaß
verständlich präsentierte, vorgelesene Tutorials
in der Challenge werden alle Tische nacheinander gemeistert werden</P>

Kontra

<P>
Highscorelisten laden quälend langsam
...aber auch einige weniger spannende Oldies
Leaderboards nicht nach Freunden o.ä. sortierbar
...die Murmel wirkt allerdings etwas leichter als in der Realität
Umgebung spiegelt sich nicht in der Kugel</P>

Wertung

PlayStation3

Nicht so hübsch wie Zen Pinball, aber deutlich gehaltvoller: Die Williams Collection ist dank echter Spielhallen-Klassiker ein Muss für Fans der Silberkugel.

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