Civilization Revolution13.06.2008, Jörg Luibl
Civilization Revolution

Im Test:

Von der Höhlenmalerei bis ins Raumfahrtzeitalter: Wer kann seine Nation erfolgreich durch die Geschichte führen? Wer beweist Runde für Runde strategisches Geschick? Das, was Feldherren, Forschernaturen und Kulturschöpfer seit Jahren am PC begeistert, feiert jetzt in einer neuen Form auf Xbox 360 und PlayStation 3 Premiere: Sid Meiers Civilization. Die Frage ist nur, ob der Untertitel "Revolution" zu viel verspricht...

Kunterbuntes Historientheater

 

Bunt, idyllisch und konsolentauglich: Sid Meier hat den Dinosaurier der PC-Strategie für die Couch optimiert.Falls sich ein PC-Veteran in diesen Test verirrt haben sollte: Nein, dieses Civilization kommt trotz 16 wählbarer Völker samt Technologiebaum, Enzyklopädie zum Nachschlagen sowie Wundererrichtung nicht an die Tiefe des Originals heran. Es ist eine abgespeckte Variante für den schnellen Spaß zwischendurch. Und nein, es ist gerade für einsame Herrschernaturen bei weitem nicht so reizvoll wie das große Welteroberungsepos auf dem Rechner. Wer vor dem Monitor sitzt, kann sein Imperium über Wochen ausbauen. Wer von der Couch aus regiert, kann es in zwei Stunden von der Steinzeit bis nach Alpha Centauri schaffen - und das auf dem dritten von fünf Schwierigkeitsgraden gegen ein halbes Dutzend KI-Herrscher.

Dafür genießen Konsoleros zunächst die Früchte des neuen Grafikstils, der nicht mit Bewegungen und Animationen geizt: Da schiebt sich schon mal ein muskelbepackter Barbar ins Bild und keift euch an, während er seine Keule schwingt. Oder Napoleon meldet sich höchstpersönlich zu Wort, um euch voll animiert ein Vertragsangebot zu machen; auch Bismarck, Kleopatra & Elizabeth sind dabei - damit gibt es ein reichhaltiges historisches Puppentheater, von dem der PC nur träumen kann. Schön ist, dass das Gegenüber schon beim Wählen einer Antwortmöglichkeit anhand seiner Gestik und Mimik zeigt, was es von der Antwort halten wird. Und wenn man ablehnt, geht es schnell mit Erpressungen zur Sache:

"Wir sind eure protzige Überheblichkeit leid. Entweder, ihr überlasst uns euren Großen Künstler oder es gibt Krieg!"

Die Frage des Kitsches

Salve! Angreifen oder lieber klein bei geben? Euer Militärberater kann euch einen Tipp geben.
So schön die neue Lebendigkeit in Sachen Mimik und Gestik ist: Man gewöhnt sich recht schnell daran und erkennt nach zwei, drei Partien nicht nur die vielen Wiederholungen in den Animationen, sondern auch die kleinen Schwächen im Detail. Dass die Herrscher nicht lippensynchron und dazu in einer Fantasiesprache reden, kann man noch verschmerzen. Aber einige der besonders klobigen Attraktionen, die man sich in der eigenen Trophäenhalle ansehen kann, hätte man sich besser gleich sparen können: Wer zur Hölle will sich kantige, vielleicht sogar am Rande der Hässlichkeit zuckelnde Bären aus mehreren Perspektiven ansehen? Später gibt es Jongleure, Tänzerinnen etc.

Schade ist auch, dass die teilweise idyllische Kulisse von kleinen Grafikfehlern unterbrochen wird: Da flackert ein Schatten künstlich, da gibt es ein Clipping, da rutscht ein Krieger seltsam in den Boden. Und irgendwie hat das angenehm Bunte teilweise die Grenze zum Kitsch überschritten. Civilization stand bisher für Epos, für Erhabenes und Edles - deshalb hat man sich am PC auch so über die Weltwunder oder die marmorne Benutzeroberfläche gefreut. Hier kann ich in der Top 10 der erfolgreichsten Städte noch nicht mal in eine üppigere Ansicht zoomen, die mir meine Bauwerke etwas pompöser zeigt. Diese Auskopplung hat zwar etwas sympathisch Humorvolles, aber leider auch etwas unfreiwillig Billiges an sich.

     

Kurzweilige Unterhaltung

Online kann man mit bis zu vier Freunden loslegen -  inklusive Headset und Kamerafunktion.
Trotzdem macht dieses Civilization light Spaß. Denn entgegen einiger Befürchtungen servieren Sid Meier & Co keine einfache Eroberungsvariante à la Risiko, sondern die komprimierte Strategie des großen Originals. Sprich: Ihr müsst auch hier behutsam ausbauen, müsst klug expandieren, könnt nicht einfach alles überrennen - und das ist gut so. Schnelle Blitzangriffe über die ganze Karte oder stupides Rushen statt Taktieren ist u.a deshalb nicht möglich, weil auf der Karte viele Banditen umher stromern, die ungeschützte Städte gnadenlos plündern.

Man darf also nicht nur offensiv mit Kriegern die Karte erkunden, sondern muss sich defensiv schützen. Trotzdem gehören die Duelle zu den kleinen Animations-Highlights der kunterbunten Kulisse: Es wird richtig zugeschlagen, ausgewichen und anschließend gejubelt. Man hat fast das Gefühl, da einen kleinen Echtzeitkampf zu beobachten. Ist man öfter siegreich, werden die Veteranen gleich neu eingekleidet und bekommen ein Elite-Upgrade. Insgesamt zwölf davon sind verfügbar; darunter Scoutfähigkeit, Infiltrationsboni oder mehr Durchschlagskraft bei Belagerungen. Stehen drei Truppen auf einem Fleck, können sie eine Armee bilden, die dann in zackiger Formation aufmarschiert - das macht sie noch effektiver. Auch das Gelände spielt eine Rolle und gewährt je nach Typ Angriffs- oder Verteidigungsboni.

Die Frage des Sieges

Statt der Maus regieren die beiden Analogsticks: Mit dem einen bewegt man den weißen Cursor, mit dem anderen die Einheitenroute.
Aber die Siegbedingungen bieten Alternativen zu diesen Militärschlägen, mit denen man die anderen Städte unterjochen kann: Beim Technologiesieg ist es der erste Raumfahrer nach Alpha Centauri; beim Wirtschaftssieg zählen 20.000 Goldstücke und beim Kultursieg sind es entweder 20 Persönlichkeiten, 20 Wunder oder 20 bekehrte Städte. Auf dem Weg zum Ziel erreicht man auf jedem Weg Meilensteine, die einem wiederum als direkten Bonus mehr Gold, einen zusätzlichen Forscher oder Ähnliches servieren.

Es ist also immer noch ratsam, sich auf einen Weg zu konzentrieren und die Entwicklung des Imperiums darauf abzustimmen. Und wer den eigenen Kulturwert über entsprechende Gebäude erhöht, kann auch Nachbarstädte zum Überlaufen bewegen. Und immer noch kann man all zu schnellen Aggressoren über das geschickte Einigeln die Lust am Erobern rauben. Die Steuerung der Einheiten läuft nach etwas Übung einwandfrei: Zu Beginn wird man sich allerdings noch öfter mal verdrücken, wenn es z.B. um den Transport von Truppen auf Schiffe oder um das Verladen oder Landen geht. Während ihr mit einem Stick einen Cursor frei über die Karte bewegen könnt, sorgt der rechte für die Einheitenbewegung in Form von Pfeilen.

Die Frage der Übersicht

Obwohl man pompöse Städte bauen kann, wird das kaum über Panoramaansichten oder Zooms visualisiert.
Irgendwann hat man drei, vier Städte gebaut und vielleicht eine Insel kolonisiert. Spätestens dann vermisst bei der Reichsverwaltung eine angenehmere Übersicht. Die Standardperspektive ist viel zu nah am bunten Geschehen und das optionale Herauszoomen hat zwei Nachteile: Erstens lässt sich die neu gewonnene Übersicht nicht fest justieren, da man die Schultertaste gedrückt halten muss - lässt man sie los, geht die Kamera wieder nah ran. Zweitens kann man selbst damit nicht weit genug aus der Welt heraus, um etwa wie im Klassiker auf dem PC irgendwann ganze Kontinente oder gar die Erdkugel zu sehen.

Schade ist auch, dass das Wühlen und Organisieren nicht flüssig abläuft: Leider ruckelt das Bild beim Scrollen deutlich - vor allem aus der weiter entfernten Distanz. Hier war technisch sicher mehr drin, denn die Kulisse ist alles andere als opulent. In die Kategorie der kleinen Mängel gehören auch die störenden Ladezeiten beim Aufruf eines Lexikoneintrags. Es ist zwar schön, dass man die gesamte Zivilopedia konsultieren kann, aber wenn ich eine kurze Info zu einer Einheit brauche, wäre mir ein kleines Popupfenster ohne Unterbrechung lieber gewesen.

 

Mikromanagement & Diplomatie

Zwei Armeen stehen sich gegenüber: Ihr könnt Spezialfähigkeiten verteilen und Geländevorteile nutzen.
Ich kann Produktionen beschleunigen, kann die Städteverwaltung auf einen Rohstoff ausrichten und über die Wahl des Wunderbaus Zeichen setzen. Das kennt man und mag man aus dem Original. Man muss hier allerdings weniger Zeit in das Mikromanagement investieren, etwa in den Straßenbau, um sein Reich zu entwickeln. Schön ist, dass man bei der Produktivität und Rohstoffernte der Städte sehr schnell sehen kann, ob sich z.B. der Wechsel auf erhöhte Forschung, für das in Entwicklung befindliche Gebäude oder Wunder zeitlich lohnen würde. Auch die Knöpfe zur Beschleunigung von Entwicklungen über eine Goldspritze sorgen für Komfort.

Etwas enttäuscht bin ich vom KI-Verhalten in Sachen Diplomatie. Wenn man alleine loslegt kommen die Gegner irgendwann in eine lethargische Endlosschleife und bieten immer dieselben Tauschhandel an. Man hat nicht das Gefühl, dass man wirklich eine politische Beziehung aufbauen kann. Einfach so wird mal Krieg erklärt, nachdem man gerade noch Waren geliefert hat. Und man kann weder einen echten Handelspakt noch einen Nichtangriffspakt oder gar Allianzen gegen einen zu mächtigen Gegner bilden. Es gibt also lediglich rudimentäre Tauschhandel, Kriegserklärungen und Friedensabkommen, aber keine richtige Bündnispolitik. Das ist schade Immerhin: Die Rolle der Spione wurde aufgewertet - sie rauben nicht nur Gold, zerstören Gebäude und sabotieren Entwicklungen, sie entführen auch große Persönlichkeiten und können so genannte

Dieser Zoom ist das höchste der Perspektiven - und man muss die Schultertaste für diese Sicht gedrückt halten, während es beim anschließenden Scrollen ruckelt. Technisch war da mehr drin!
Spionage-Ringe bilden, um noch effizienter andere Städte zu infiltrieren. Befindet sich ein feindlicher Spion darin, kommt es quasi zu einem kleinen Kampf.

Die Frage der Partytauglichkeit

Der Online-Modus kann die schwachen Diplomatiefunktionen natürlich etwas auffangen - hier kann man Bündnisse schnell per Headset einleiten. Im Frei für alle-Modus können sich bis zu vier Feldherren um die Macht streiten, wobei man jederzeit auch in offene Partien einsteigen kann. Wenn man ausgelöscht wird und niemand online verfügbar ist, kann der Platz sofort von der KI übernommen werden; man kann sein Imperium sogar an einen Mitspieler übertragen. Sehr sinnvoll ist auch der Runden-Timer: Hier bestimmt ihr, wie viel Zeit man maximal für seine Entscheidungen zur Verfügung hat. Wenn die um ist, wird automatisch gewechselt. Dabei kann es zu etwas Kamerahektik kommen, wenn die Perspektive plötzlich wechselt.

Es gibt außerdem die Möglichkeit, menschliche oder KI-unterstützte Teams zu bilden oder ein Kopf-an-Kopf-Rennen gegen einen Freund und drei zufällige KI-Herrscher zu starten. Dabei kann man auf vollen Kommunikationskomfort zurückgreifen: Mikro, Kamera und Freundeslisten und -einladungen werden unterstützt, so dass ihr live zusammen planen und schwatzen könnt. Firaxis wird zudem einmal die Woche ein "Game of the Week" anbieten, das für Ranglistenzwecke dient. Wer keine Lust auf statistischen Wettbewerb hat, kann auch ein schnelles Spiel starten.

 

Fazit

Ich liebe Civilization IV am PC. Und ich mag dieses Civilization - vor allem eine kleine Welteroberung zwischendurch mit Freunden. Sid Meier inszeniert ein lebendiges Theater mit 16 Völkern und voll animierten Figuren von Napoleon bis Kleopatra. Und das Schöne ist, dass die Stärken des Rundensauriers teilweise aufblitzen: blindes Erobern ist nicht möglich, man kann auf vier Arten gewinnen. Aber alles geht hier so verdammt schnell. Alleine vergeht mir nach zwei, drei dieser strategisch komprimierten Couch-Speedruns die Lust. Es ist auf der Konsole einfach nicht mehr das, was mich am PC jahrelang so begeistern, so fesseln konnte. Diese unterm Strich gelungene Auskopplung hat zwar etwas sympathisch Buntes und Humorvolles an sich, aber leider auch etwas unfreiwillig Kitschiges. Obwohl das Team von Firaxis sinnvolle Automatismen integriert hat, gibt es kein sauberes Scrolling und mir fehlt neben einer komplexeren Diplomatie das Edle, das Pompöse - sowohl in den Menülayouts als auch in der Präsentation. Man kann zudem nicht so weit und bequem rauszoomen, um sein Reich aus der Distanz zu verwalten. Konnte mich die lebendige Mimik der Anführer zu Beginn noch amüsieren, hat mich das sich ständig wiederholende Theater später nur noch gestört. Und gerade im Multiplayer interessiert man sich recht wenig für die Kommentare der Berater. Aber hier kann man dafür komfortabel mit Freunden oder der KI in drei Spielmodi loslegen.

Pro

lebendige Mimik & Gestik, die…
16 wählbare Völker
sympathisches Art & Design
unterhaltsame Multiplayermodi
vier Siegvarianten
inkl. Wunder, Straßen, Forschung
gutes militärische Upgrade-System+ Einheiten gewinnen Erfahrung & Armeebildung

Kontra

…sich aber schnell wiederholt
für Solisten zu kurzweilig
Ruckler beim Scrollen
zu wenig Kartenübersicht
einige hölzerne Figuren & Animationen (Trophäenraum & Co)
nur rudimentäre Diplomatie

Wertung

360

Auch wenn die Tiefe und Pracht des großen Bruders fehlt: So macht Rundenstrategie Spaß!

PlayStation3

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