Des Kommandanten Punkte
Denn obwohl Valkyria Chronicles sehr stark auf den Mechanismen herkömmlicher Rundentaktik aufbaut, hat ein frischer Wind meine gewohnten Vorgehensweisen ordentlich durcheinander gewirbelt. Hier kann ich nämlich jede Einheit beliebig oft ziehen. Sie darf sich zwar wie üblich nur so weit bewegen, wie es ihre Aktionspunkte zulassen und nur eine Aktion (Schießen oder Heilen) pro Runde ausführen - das kann sie allerdings so oft tun, wie man es für nötig befindet. Die einzige Einschränkung, auf die ihr ein Auge haben müsst, ist die Anzahl so genannter Kommandopunkte: Jeder Zug kostet einen solchen Punkt. Und damit wird es eben knifflig.
Angenehm knifflig, wohl gemerkt, denn das Prinzip erlaubt taktische Varianten, die mit der herkömmlichen Begrenzung nicht möglich sind. So könntet ihr z.B. einen eurer Soldaten über die halte Karte schicken - taktischen Sinn und Unsinn mal außen vor gelassen. Zumal die Truppen nach jedem Zug so viele Aktionspunkte verlieren, dass sie nach spätestens vier Zügen kaum noch zehn Meter weit kommen. Es kann zwar sinnvoll sein, mit möglichst wenigen Einheiten möglichst schnell zum Ziel vorzurücken - was dem Spiel nicht gut tut - im Allgemeinen ist der Verlust von Aktionspunkten aber eine wirkungsvolle Einschränkung. So wenig also der
Wer Alicia mit in den Kampf mit, freut sich über einen zusätzlichen Aktionspunkt.
Ansturm mit nur einem Soldaten wäre, umso effektiver kann dass jeweils zwei- oder dreimalige Schießen mit wenigen, gut platzierten Einheiten sein. Ein beschränkter Munitionsvorrat schiebt auch hier dem Ausbeuten dieser Möglichkeit einen Riegel vor.
Er liebt mich, er liebt mich nicht...
Solche Überlegungen sowie das Abwägen, ob man nicht lieber einen schwach geschützten Infanteristen in Sicherheit bringt, anstatt den Kommandopunkt für einen fast sicheren Treffer zu opfern, lassen die Scharmützel ungewöhnlich lebendig und dynamisch wirken. Hinzu kommt das Wissen, dass euch nicht verwendete Befehlspunkte für die nächste Runde gutgeschrieben werden und dass ihr sie auch nutzen könntet, um besonders mächtige Attacken auszuführen oder für eine Runde die Fähigkeiten eurer Soldaten zu steigern. Und nicht zuletzt gibt es da noch Welkin: Wenn die schweren Ketten seines "Edelweiss" getauften Stahlrosses durch Stadt, Wald und Wüste donnern, bietet er seinen Kameraden Schutz, nimmt mit einem Schuss Verteidigungswälle auseinander und lehrt jedem Feind das Fürchten - von den ebenso schweren, später sogar deutlich mächtigeren Panzern seiner Widersacher einmal abgesehen. Doch der Preis für einen solchen Vorstoß ist hoch: Jeder Zug der Edelweiss kostet zwei der meist etwa zehn Kommandopunkte...
Richtig: Damit steht euch für jeden Soldaten im Schnitt ein Zug zur Verfügung. Ihr solltet zudem bedenken, dass Alicia, Largo und Rosie als zentrale Figuren nicht nur am Leben bleiben müssen; ihr erhaltet pro Person auch einen zusätzlichen Befehlspunkt, falls ihr sie im Feld einsetzt. Und selbst dann müsst ihr noch überlegen. Denn was, wenn einer eurer besten MG-Schützen ein "Alicia-Hasser" ist? Und was, wenn der dafür in Frage kommende Ersatz keine Freunde im Team hat? Es klingt vielleicht banal, aber wenn ihr zwei befreundete Kameraden Seite an Seite in den Kampf schickt, steigert ihr deren Kampfkraft nämlich deutlich. Stehen die beiden nebeneinander, erhalten sie nicht nur einen Boost im Angriff oder in der Verteidigung; einige Partner feuern auch automatisch auf das Ziel ihrer Kumpels. Ich habe oft genug einem besten Freund beim Namen genannt und ihm
Das Spiel hat zwar Schwächen, ist aber durchgehend taktisch fordernd.
kameradschaftlich auf die Schulter geklopft. Im Gegenzug sinkt die Moral solcher Einheiten, die neben verhassten Kameraden stehen müssen. Die Charaktere erhalten nicht nur Profil; ich habe das ungewohnt gute Gefühl, einige von ihnen richtig kennenzulernen!
Nur ein taktisches Leichtgewicht?
Abgesehen davon hat jeder Soldat eine Vielzahl von Vorlieben, Abneigungen oder besonderen Fähigkeiten, die sein Vermögen in bestimmten Situationen beeinflussen. Wer einen "Pollenallergiker" im Wald einsetzt, ist jedenfalls selbst schuld; wer eine Mission im Dunkeln ohne einen Scharfschützen mit "Nachtsicht" angeht, sowieso. Und wenn ein Soldat sich im Schützengraben Angst bekommt, müsst ihr ihn eben woanders postieren. Auch das unkomplizierte Training von Welkins Regiment nützt euch am ehesten, wenn ihr die Eigenschaften eurer Soldaten richtig einzusetzen wisst. Zielgenauigkeit, Schussstärke oder Ausweichverhalten ändern sich nämlich auch dann kaum, wenn ihr etliche Erfahrungspunkte in den Stufenaufstieg gepumpt habt. Stattdessen erhalten eure Kameraden mit jedem zweiten Level eine neue Fähigkeit. Müsst ihr also jeden der zahlreichen Charaktere mühsam aufpäppeln, bis ihr endlich eine schlagkräftige Truppe führen dürft?
Mitnichten, denn - auch das ist ungewöhnlich - ihr trainiert nur die jeweilige der fünf Charakterklassen. Sprich: Selbst wenn ihr erst spät einen bestimmten Scout erhaltet, befindet sich dieser von Beginn auf der Stufe aller anderen Scouts. Fünf Klassen (Scout, MG-Schütze, Raketenwerfer, Scharfschütze sowie Mechaniker) klingt dabei nicht viel; in der Tat beschränkt sich Valkyria Chronicles in allen Belangen auf das Wesentliche, anstatt mit den endlosen Möglichkeiten eines Disgaea zu punkten. Es ist aber trotzdem kein taktisches Leichtgewicht. Im Gegenteil: Wegen der verschiedenen Eigenschaften gleicht kein Scharfschütze dem nächsten und die fünf Einheitentypen werden eure grauen Zellen schon deshalb auf Trab halten, weil ihr in Versorgungslager so lange Verstärkung rufen dürft, bis ihr die maximale Truppenzahl erreicht. Ist ein schwacher, dafür doppelt so schneller Scout besser als der behäbige Kamerad mit dem Raketenwerfer oder braucht ihr gar einen Mechaniker, weil Edelweiss Schaden nimmt? Mehr noch: Ihr ruft nicht nur die Reserve in den Einsatz, ihr könnt die Soldaten in den Lagern auch vorübergehend aus dem Kampf zurückziehen - was selbstverständlich Platz für Verstärkung macht.