Yakuza 422.07.2010, Benjamin Schmädig
Yakuza 4

Vorschau:

Wer ein Paradebeispiel für unterschiedliche Geschmäcker sucht, wird bei der japanischen Mafia fündig. Denn während sich in seinem Heimatland nur Final Fantasy XIII besser verkauft hat als Yakuza 3, konnte die Serie in westlichen Breiten kaum Fuß fassen. Eigentlich unverständlich, denn im schlimmsten Fall ist Yakuza ein fernöstliches GTA mit noch mehr Abwechslung und erstklassigen Filmszenen. Im besten Fall ist es gar ein modernes Shenmue. Wir haben inzwischen nicht nur die in Japan bereits erhältliche Version gespielt, sondern auch einen ersten Blick auf die lokalisierte Fassung geworfen.

Viermal Yakuza

Das ist mal wieder typisch: Ich bin schon etliche Stunden in Kamurocho, einer verblüffend lebensechten Nachbildung des realen Vergnügungsviertels Kabukicho , unterwegs und habe noch immer das Gefühl, ganz am Anfang zu stehen. In Segas (Unter)welt gibt es einmal mehr so viel zu tun, dass man kaum der Handlung folgen will. Natürlich könnte ich einfach der Markierung folgen und damit einen straffen roten Faden abklappern - der ist auf dem Papier immerhin bedeutend interessanter als zuvor.

Video. Noch einmal kehrt Kiryu Kazuma nach Kamurocho zurück. Doch diesmal muss er die Schwierigkeiten nicht im Alleingang lösen.Schließlich spielt im vierten offiziellen Teil nicht Kiryu Kazuma, sondern spielen gleich vier Protagonisten die Hauptrolle. Einer davon ist der bewährte Haudegen, bei den anderen handelt es sich um gänzlich neue Gesichter. Deren Geschichten kommen dabei erst im letzten Akt zu einem gemeinsamen Abschluss - bis es so weit ist, erlebt man Stück für Stück, was die Figuren zusammenbringt.

Den Anfang macht Shun Akiyama. Erinnert sich jemand an die Explosion im Millenium Tower gegen Ende des ersten Yakuza? Akiyama war damals obdachlos. Als die Explosion aber zehn Milliarden Yen auf die Straßen Tokios regnen ließ, hatte er plötzlich genug Startkapital: Shun verleiht seither Geld, um den Einwohnern »seines« Kamurocho auszuhelfen. Das Stadtviertel steht einmal mehr nicht nur als Fassade, sondern auch als erzählerische Basis im Vordergrund - das gilt zumindest für die Geschichte um Akiyama. Welche Geschichten der aus dem Gefängnis ausgebrochene Taiga Saejima, der ehemalige Polizist Masayoshi Tanimura sowie Kazuma erleben, bleibt hingegen verborgen. Sega rollt die roten Faden nämlich nicht parallel, sondern  nacheinander auf.

Eins zeichnet sich schon jetzt ab: Harmonischer wäre die Erzählung, wenn die Perspektive zwischen den Figuren hin und her schalten würde. Bisher scheint es, als bestünde Yakuza 4 (ab 37,50€ bei kaufen) aus vier zum großen Teil unabhängigen Puzzlestücken. Ich würde lieber erst alle Versatzstücke kennenlernen, um mich dann in aller Ruhe im Spiel zu verlieren. Wie gewohnt wird die Handlung dafür in hervorragenden Filmszenen eingefangen, die noch einmal ein wichtiges Stück weiter gehen als im Vorgänger.

Während die großen Yakuza-Episoden auch in westlichen Breiten erscheinen, gibt es für die Ableger Kenzan! und Black Panther bislang keinen Termin. Wir haben uns das PSP-Spiel Black Panther deshalb ausführlich angesehen - unsere Vorschau unter diesem Link.
Die Mimik und Gestik der Charaktere wirkt etwa lebendiger und die Musik baut je nach Situation mehr Spannung auf oder unterstreicht emotionale Momente wirkungsvoller. Nur die erstklassige, aber recht starre Kameraarbeit begnügt sich noch immer mit recht angegrauten Stilmitteln.

Eine ganz neue Dimension?

Und auch technisch hat sich wenig getan. So sieht das neonfarbene Reklame-Meer Kamurocho weiterhin klasse aus und leuchtet diesmal sogar in der Dämmerung oder in den verschwommenen Pfützen kalter Regengüsse. Einen wichtigen Fortschritt haben nur die Gesichter gemacht: Die erzeugen endlich die glaubhafte Illusion menschlicher Haut, anstatt an Madame Tussauds Schöpfungen zu erinnern. Mir gefällt zudem, dass es endlich mehr als zwei Laufgeschwindigkeiten gibt und ich das Rennen durch Drücken einer Schultertaste unterbinden kann. Es fühlt sich nämlich nach wie vor richtig gut an, das Vergnügungsviertel in aller Ruhe zu erkunden!

Nicht zuletzt verpasst Sega dem Stadtteil eine ganz neue Dimension - zwei sogar, um genau zu sein. Denn in Yakuza 4 darf man erstmals durch die Tiefgarage sowie die unterirdischen Tunnel streifen, in denen es u.a. kleine Läden gibt. Und man darf sich über die Dächer bewegen, auf denen es naturgemäß weniger geschäftig zugeht. Amüsantes Detail: Irgendwo da oben wirbt eine Anzeige für den fünften Jahrestag eines nicht näher beschriebenen »Vanquish«...

Die technische Brillanz eines Assassin's Creed  erreicht Sega dabei nie, denn die Ortswechsel werden durch Ladezeiten verbunden und nur selten gibt das Spiel den Blick auf die ferne Straße frei. Zudem werden diesmal keine echten neuen Schauplätze eingeführt.

Neben Kiryu kämpft auch der flinke Akiyama gegen Yakuza und andere Gangster.
Schade: Mir hatten die Abstecher nach Osaka im zweiten und in das ruhige Okinawa im dritten Teil besser gefallen als dieses Mehr derselben Grautöne in Kamurocho.

Wer schlägt mich in Boxcelios 2?

Und dieses Mehr scheint symptomatisch für das vierte Yakuza. Denn wo Nummer zwei eine spürbare Erweiterung aller Elemente des Erstlings war und Nummer drei vor allem von dem Generationswechsel auf die PS3 profitierte, hat sich spielerisch diesmal recht wenig getan. Sega setzt nur die Feile an, wenn es endlich Online-Ranglisten für die Minispiele gibt - hervorragend! Man bessert außerdem nach, wenn die Menüführung in der Karaoke-Bar verbessert wurde. Die Entwickler erweitern nicht zuletzt die Verfolgungsjagden zu Fuß, weil man jetzt im Lauf Gegenstände auflesen und nach dem Verfolgten werfen darf. Dass die vier Charaktere unterschiedliche Angriffe beherrschen, ist außerdem eine zu erwartende Vergrößerung des Umfangs.             

Abgesehen davon gleicht der Spielverlauf frappierend dem des Vorgängers - nicht, dass die Serie für ihre Innovationsfreudigkeit bekannt wäre... Noch immer bewege ich mich frei in Kamurocho, weise zufällig auftauchende Ganoven in brachialen Schlägereien in ihre Schranken oder lasse im Rahmen der Handlung gegen dicke Fische die Fäuste fliegen. Ich rede mit Passanten, erledige optionale Aufgaben, lenke mich mit zahlreichen Minispielen ab oder versuche mich im Flirt mit einer Hostess. Nach dem Aufruhr wegen der gestrichenen Hostessen-Bars in der westlichen Version des dritten Teils, wurden die so genannten Cabaret Clubs in der lokalisierten Version diesmal übrigens nicht gestrichen. Das »Answer X Answer«-Quiz gibt es allerdings nicht mehr. Und tatsächlich verstehe ich Sega hier sogar: Das Minispiel müsste nicht nur in Bezug auf die Größe von Textfenstern neu programmiert werden und ist bei aller Liebe nicht so interessant,

Welche Änderungen zur japanischen Original-Version gibt es diesmal?

Auf gravierende Einschnitte wie im Vorgänger verzichtet Sega diesmal: Die Cabaret Clubs sind ebenso im Spiel wie der Flirt mit den Hostessen. Das Quiz »Answer X Answer« wurde erneut gestrichen.

Ob es diesmal sämtliche Minispiele und Nebenmissionen auch in der westlichen Fassung gibt, wird der Vergleich mit dem fertigen Spiel zeigen.

Lokalisiert wurde Yakuza 4 übrigens erneut ausschließlich in Textform: Filmszenen sind untertitelt, alle anderen Texte wurden übersetzt - wie gehabt ausschließlich Englisch.dass sich der Aufwand lohnen würde. Wichtig sind die Hostessen, denn das Umwerben, Beschenken, zum Essen und Karaoke ausführen sowie das vorherige Erkundigen über ihre Vorlieben ist nach wie vor ein hervorragender Zeitvertreib.

Die Rückkehr der Plauder-Damen

Und immerhin ist das im japanischen Yakuza 3 eingeführte Managen »eigener« Hostessen sogar in die Handlung eingebunden. So besorgt Akiyama einer jungen Dame einen Job, als er sie als Hostess anstellt. Zunächst kauf er ihr dafür ein Kleid sowie eine Kette, später muss er ihr noch das richtige Make-up sowie passende Accessoires anlegen - Puppenspiel für »echte« Männer! Zumal sich die Entwickler mit den Gesichtern der Damen große Mühe gegeben haben. Hauptsächlich bin ich darauf gespannt, welche Rolle dieser Cabaret Club spielt, wenn ich später mit den anderen Charakteren unterwegs sein werde... Inhaltlich sind die roten Fäden sicherlich geschickt miteinander verwoben. Aber wie gelingt Sega der spielerische Zusammenhang? Es bleibt abzuwarten, wie sehr sich die vier Protagonisten in Kamurocho austoben können. Dem ersten Anschein nach gibt es etwas weniger optionale Aufgaben mit ihren kleinen Handlungen, während sich bei den Minispielen nicht allzu viel getan hat. Hat das Anpassen der Umgebung auf vier unterschiedliche Charaktere der offenen Welt etwa geschadet oder tut ihr die Straffung am Ende gut?

Spider-Man, Frauenwäsche und der freie Fall

Apropos: Während alle Protagonisten unterschiedlich kämpfen - Akiyama flink und schwach, der ausgebüchste Häftling mächtig und langsam - hat sich in den Prügeleien wenig getan. Wie gehabt stehen mir immer wieder Kleinganoven im Weg, denen ich eine ausgesprochen blutige Nase verpasse, während mich vor allem die gelegentlichen Kämpfe gegen starke Bosse wirklich fordern. Dabei kann ich erneut mit Komboketten zuschlagen und Gegenstände wie Fahrräder oder Mülleimer auflesen und lange mit mächtigen Finishern zu,

Kamurocho: Die fast originalgetreue Nachbildung des Vergnügungsviertels Kabukicho ist auch und besonders bei Regen der eigentliche Star des Spiels.
während meine so aufgebaute Heat-Anzeige gefüllt ist. Meine bisherigen Kämpfe fühlten sich dabei flüssiger an als die des Vorgängers und die Steuerung wirkte genauer. Auch visuell sind die Kämpfe mit ihrer überzeichneten Gewalt dynamischer, einige Finisher noch eine Idee kompromissloser als zuletzt.

Am stärksten hat Sega aber die Charakterentwicklung überarbeitet, denn anstatt Erfahrungspunkte auf eine von vier Kategorien zu verteilen und so neue Techniken zu erlernen, erhalte ich diesmal für jeden Levelaufstieg drei Punkte. In einer frei einsehbaren Liste schalte ich anschließend eine gewünschte Fähigkeit frei, was mich einen bis vier Punkte kostet. Einige Techniken bleiben mir dabei so lange verwehrt, bis ich einen bestimmten Level erreicht habe. Der Vorteil ist ein überschaubares System, in dem ich mich freier als bisher entscheiden kann. Abgesehen davon treffe ich erneut auf Mack, der mir Tipps gibt, wie ich Fotos von witzigen Situationen knipsen kann. So beobachte ich z.B., wie ein Mann in Frauenwäsche im Spider-Man-Stil von Haus zu Haus springt - bis er den Halt verliert, sich gerade noch mit einem BH festhält, anschließend aber natürlich dennoch auf den Boden kracht, nachdem der Büstenhalter nachgibt. Was Akiyama daraus lernt? Wie er zwei Gegner im Fallen ausknocken kann - herrlich albern!        

Ausblick

Das vierte Yakuza ist wohl genau das, was die kurze Entwicklungszeit von etwa einem Jahr vermuten lässt: mehr Erweiterung als großer Nachfolger. Selbstverständlich erzählt auch das Drehbuch um ganze vier Protagonisten eine große und vor allem aufwändig inszenierte Geschichte mit gewohnt einprägsamen Charakterköpfen! Weil deren Kapitel stur nacheinander abgearbeitet werden, mache ich mir aber Sorgen, ob man mit jeder Figur auch vollends in den Tokio-Nachbau abtauchen kann oder ob man lediglich vier »kleine« Yakuza-Geschichten erlebt. Nicht zuletzt hätten gerade dieser Fortsetzung neue Schauplätze gut getan. Und so sehr ich die Vergrößerung des bekannten Areals auch begrüße, so wenig tragen die Tunnel und die Dächer bislang zu einer echten inhaltlichen Erweiterung bei. Ich habe auch diesmal sehr viel Spaß in Segas Unterwelt! Über die kleinen Neuerungen wie die Online-Ranglisten für Minispiele bin ich sogar richtig dankbar. Mehr als bisher beschleicht mich aber das Gefühl, dass spätestens nach Teil vier die Zeit für einen großen Umschwung reif sein könnte.

Ersteindruck: gut

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