Final Fantasy 1321.01.2010, Jens Bischoff
Final Fantasy 13

Vorschau:

Während sich der Westen noch bis Anfang März gedulden muss, um Final Fantasy XIII in lokalisierter Form zu spielen, ist der jüngste Spross der populären Rollenspielsaga in Japan bereits seit Ende letzten Jahres erhältlich. Und dort musste er sich so einige Kritik gefallen lassen: Ist es wirklich so linear und simpel wie behauptet wird? Wir haben die japanische PS3-Fassung importiert und Lightning, Snow & Co. auf ihrer Odyssey begleitet.

Call of Final Fantasy

Der Auftakt erinnert frappierend an Final Fantasy VII : Man rast in einem Deportationszug durch das futuristische Cocoon, in dem gerade eine gigantische Säuberungsaktion läuft.

Im unserem Video könnt ihr die ersten zehn Spielminuten von Final Fantasy XIII miterleben.Die Insassen zetteln einen Aufstand an, entkommen und treffen kurze Zeit später auf eine Gruppe von Widerstandskämpfern. Doch aus der Rebellion wird schon bald wesentlich mehr. Die Schicksalsgemeinschaft um Ex-Soldatin Lightning, Zivilist Sazh und Rebellenführer Snow plant eine Rettungsaktion, die kläglich scheitert und die Welt ins Chaos stürzt. Die am Ende sechsköpfige Gruppe wird durch eine Art Fluch zum Spielball höherer Gewalt und muss eine Mission erfüllen, die für jede Menge Zweifel, Konflikte und Überraschungen sorgt.

Die ungemein lineare Spielstruktur nimmt man anfangs bereitwillig in Kauf. Die Kulisse imponiert, die Story fesselt, die Kämpfe flutschen. Mit der Zeit fragt man sich jedoch, wann sich die Spielwelt endlich öffnet und die Kämpfe fordernder werden, wann man die volle Kontrolle über Party-Management und Charakterentwicklung erhält, wann man auf NPCs trifft, die nicht nur belanglose Statisten sind und eventuell Anliegen haben, derer man sich abseits des Hauptplots annehmen kann.

Der Wunsch nach Freiheit, Abwechslung und Anspruch wird mit der Zeit immer lauter, aber es tut sich einfach nichts - gar nichts. Man darf ein paar Minuten auf dem Rücken einer Maschine sitzen und in einer stumpfsinnigen Passage, die man sich auch hätte sparen können, Gegner platt treten, ansonsten geht's wie auf einem Lineal von A nach B bis die nächste Story-Sequenz eingespielt wird und man das aktuelle Kapitel irgendwann via vorwiegend harmlosen Bosskampf abschließt - und das zehn Kapitel lang...

Die Wende?

Erst im elften von insgesamt 13 Kapiteln wird dieses ermüdende Korsett gesprengt: Plötzlich steht man am Rande einer gewaltigen Wildnis, in der sich unzählige, teils riesige Gegner tummeln und den sich mittlerweile mit einem Final Fantasy im Call of Duty -Stil abgefundenen Spieler zum Staunen bringen. 

Die Kämpfe verlaufen einmal mehr nach dem Active Time Battle-System (ATB). Bei jedem Zug habt ihr eine bestimmte Anzahl an Slots zur Verfügung, die ihr individuell mit Aktionen füllen könnt, während die Jobklasse jederzeit per L1 gewechselt werden kann.
Zudem gibt's zum ersten Mal Nebenaufgaben, denen man sich widmen kann, Schätze, die einem nicht auf dem Silbertablett serviert werden und Gegner, die man vorerst lieber meiden sollte. Aber warum erst so spät?

Nach über 30 Stunden im engsten Korsett der Seriengeschichte, ist der Überraschungseffekt natürlich gewaltig, aber es schwingt auch jede Menge Enttäuschung mit, dass man so lange und restriktiv an die Hand genommen wurde. Erst kurz zuvor durfte man das erste Mal die Party selbst zusammenstellen und den Anführer wählen. Gelegenheitsspieler hatten damit vermutlich genauso wenige Probleme wie mit der linearen Spielwelt, dem harmlosen Schwierigkeitsgrad oder der kaum beeinflussbaren Charakterentwicklung. Aber aufgrund der Tatsache, dass man bei Kämpfen immer nur die Kontrolle über den Anführer hat, während die übrigen zwei Gefährten völlig selbstständig agieren, tat diese Befreiung für einen eingefleischten Rollenspieler wirklich gut.            

Immer an die Casuals denken

Natürlich hätte ich lieber die Geschicke der gesamten Party geleitet oder zumindest die Möglichkeit gehabt, zwischen den einzelnen Akteuren hin und her zu schalten. Aber die meiste Zeit machen die KI-Kollegen eigentlich alles richtig und selbst der wohl ebenfalls als Tribut an die Käschuäl-Fraktion implementierte Auto-Aktions-Befehl gibt sich kaum eine Blöße, wenn man den Gegner erst einmal auf individuelle Schwachstellen und Resistenzen durchleuchtet hat.

Wie für Final Fantasy typisch gibt es zahlreiche Story-Sequenzen wie diesen Renderfilm gegen Ende des Spiels.
Schade fand ich nur, dass es keine Option mehr gibt, das Kampfgeschehen während der Navigation von Item- oder Skill-Menüs zur Befehlsverkettung einfrieren zu lassen, wodurch unnötig Hektik aufkommt und man sich oft gar nicht mehr die Mühe macht, individuelle Aktionsketten zu knüpfen, da die Aktionsautomatik meistens völlig ausreicht und darüber hinaus auch noch wesentlich bequemer und schneller ist.

Man kann wirklich jeden Kampf im Spiel mit dieser Automatisierung gewinnen. Auch der Endgegner ist kein Problem, wenn man zur richtigen Zeit die passenden Rollen wählt. Jeder Charakter kann nämlich jederzeit auf Knopfdruck eine von sechs gelernten Rollen bzw. Jobklassen einnehmen. Attacker ist der klassische Kämpfer, Defender eine Art Tank, Blaster beherrschen Angriffszauber, Healer hingegen Heilzauber, Jammer schwächen Gegner, während Enhancer Partymitglieder stärken. Bestimmte Rollenkonstellationen lassen sich im Hauptmenü festlegen und im Kampf per Knopfdruck zuweisen. Dieser situationsbezogene Rollentausch ist aber quasi der einzige Aspekt der Kämpfe, dem man seine Aufmerksamkeit schenken muss, um auch gegen stärkere Widersacher zu bestehen.

Hat man die Schwachstelle des Gegners via Feindscan aber erst einmal ausfindig gemacht, geht es eigentlich nur noch darum seine Verteidigung zu brechen und möglichst viel Schaden zu verursachen ohne zu sterben. Segnet ein KI-Gefährte das Zeitliche, kann man ihn wiederbeleben. Geht der vom Spieler kontrollierte Anführer hops, heißt es jedoch sofort Game Over, was aber nicht weiter tragisch ist, da man via Continue-Funktion beliebig oft unmittelbar vor dem letzten Kampf wieder ins Spiel einsteigen kann, während man nach jedem gewonnenen Kampf komplett geheilt wird und sich gleich ins nächste Gefecht stürzen kann. 

Erlösender Jäger: An solchen Monumenten könnt ihr Missionen annehmen, welche die daran gebundenen Seelen zu Lebzeiten nicht selbst erfüllen konnten.
Speicherpunkte verlieren dadurch natürlich an Bedeutung und dienen eher zur Item-Beschaffung und -Aufwertung. Klassische Städte, Dörfer oder Geschäfte gibt es nämlich nicht. Stattdessen wird an Speicherterminals online eingekauft und geschmiedet.

Neue Wege, alte Formen

Auch eine klassische Oberwelt gibt es keine. Die Spielwelt besteht aus einzelnen Abschnitten, an die man erst kurz vor Spielende durch Warp-Portale teilweise zurückkehren kann. Um schneller ans Ziel zu gelangen, bestimmte Hindernisse zu überwinden oder nach Schätzen zu graben, kann man sich auch die Gunst der Chocobos verdienen, die allerdings nur in der Wildnis von Kapitel elf anzutreffen sind, von wo an man erstmals auch zu Missionen aufbrechen kann, die man von aktivierten Steinstatuen erhält. Dabei handelt es sich zwar ausschließlich um simple Jagdeinsätze, bei denen man auf der Karte markierte Gegner zur Strecke bringen muss. Doch auch wenn dieses Feature in Final Fantasy XII bereits wesentlich spannender und komplexer implementiert war, ist es immer noch ein netter und teils lukrativer Zeitvertreib, der einige Überraschungen parat hält.             

Wenig überraschend präsentiert sich hingegen die Charakterentwicklung, die komplett über einen Spiralbaum abläuft, auf dem man mit verdienten Kristallpunkten nicht nur neue Zauber und Fertigkeiten freischaltet, sondern auch Angriffskraft und Lebensenergie steigert. 

Die Charakterentwicklung ähnelt dem Sphärobrett aus Final Fantasy X, verläuft aber wesentlich linearer.
Das Ganze ist quasi eine Neuauflage des schon in Final Fantasy X verwendeten Sphärobretts, nur wesentlich linearer, weil jede Rolle einen eigenen Baum hat, der nur minimale Verästelungen aufweist. Klassische Erfahrungspunkte oder Stufenanstiege gibt es keine. Auch die Charakterwerte beschränken sich auf physische und mentale Angriffsstärke sowie Lebenspunkte. Via Schmuck kann man zwar auch elementare Resistenzen und andere Boni erhalten, aber es gibt quasi keine steigenden Verteidigungs-, Schnelligkeits- oder Manawerte. Zauber und spezielle Fertigkeiten verbrauchen unterschiedlich viele Aktionsfelder, die man bei jeder Befehlsvergabe zur Verfügung hat und jede Runde neu zusammenstellen darf.

Zudem hat man die Möglichkeit mit speziellen Taktikpunkten, die nur begrenzt zur Verfügung stehen, Spezialaktionen auszuführen. Angefangen vom Scannen eines unbekannten Gegners, über schwächende Flächenangriffe oder die Aufhebung gegnerischer Statusboni bis hin zum Beschwören der serientypischen Aufrufe wie Odin oder Alexander, die dieses Mal charakterbezogen sind und einige Klassiker vermissen lassen. Zudem sind alle Aufrufe ungewohnt mechanisch und nicht besonders mächtig. Meistens ist es wesentlich effektiver, die Taktikpunkte anderweitig zu nutzen und mit herkömmlichen Mitteln zu kämpfen bzw. vor dem Kampf spezielle Rauchgranaten zu zünden, mit denen man Gegner überraschen oder sich andere Startvorteile sichern kann.

Optisch hui, akustisch...

Grafisch sind die Beschwörungen natürlich sehr eindrucksvoll und auch sonst wird optisch nicht auf Sparflamme gekocht. Allem voran die teils gigantischen Renderfilme.

Kein Final Fantasy ohne Beschwörungen: Leider lassen Auswahl, Anzahl und Effektivität der charaktergebundenen Aufrufe trotz imposanter Inszenierung zu wünschen übrig.
Aber auch die oft als Rückblicke auf die Ereignisse vor der schicksalhaften Zusammenkunft servierten Sequenzen in Spielgrafik sehen teils umwerfend aus. Die Figuren wirken trotz einfacher Grundzüge ungemein detailliert, die Kulissen bestechen teils mit enormer Weitsicht und stimmungsvollen Lichtspielereien. Figuren ohne Storybezug sehen allerdings deutlich unspektakulärer aus, wirken teils fast wie Fremdkörper bzw. Relikte aus einem PS2-Spiel.

Auch bei den an sich gelungenen Animationen haben es die Entwickler teils etwas übertrieben, wer Sazh oder Vanille schon mal laufen gesehen hat, weiß vermutlich was ich meine - beschwipste Kleinkinder sind für MoCap-Aufnahmen von erwachsenen Figuren einfach nicht geeignet... Die musikalische Untermalung hätte auch etwas passender ausfallen können. Zwar gibt es ein paar echt gelungene und einprägsame Kompositionen, die zurecht bestimmte Situationen immer wieder begleiten und somit Stimmung erzeugen. Aber insgesamt gibt es einfach zu viel belanglose Fahrstuhlmusik. Nichts gegen Easy Listening, aber nicht bei einem Spiel, das mit Tragik und Emotionen punkten will. Man merkt einfach, dass Final Fantasy-Urgestein Nobuo Uematsu erstmals nicht für die musikalische Untermalung zuständig war, auch wenn Sound-FX und Synchro in Ordnung gehen.      

Ausblick

Ich liebe die Final Fantasy-Serie. Auch Teil zwölf war für mich trotz schwächelnder Story und Charaktere ein grafischer und spielerischer Hochgenuss. Final Fantasy XIII setzt optisch nochmals einen drauf, scheint aber sonst unter gravierenden Orientierungsproblemen zu leiden. Irgendwie hat man das Gefühl, dass hier krampfhaft versucht wurde, sich auf alte Tugenden zu besinnen und gleichzeitig einen Kniefall vor dem Mainstream hinzulegen. Vieles erinnert frappierend an Final Fantasy VII und X bzw. X-2 und trotzdem kommt man sich eher vor wie in Call of Duty : Weil es zu wenig Freiheit, Komplexität oder Anspruch gibt. Weil scheinbar alles nur gut aussehen, sich flüssig spielen und ja niemanden überfordern soll. Bei einem Shooter mag diese Rechnung aufgehen, bei einem Rollenspiel habe ich aber zehn von 13 Kapiteln lang nur den Kopf geschüttelt. Man kam sich vor wie in einem interaktiven Film: Keinerlei Entscheidungsmöglichkeiten, Erkundungsreize, Rätsel oder Nebenaufgaben. Stattdessen lief man einen Schlauchlevel nach dem anderen ab, bestritt am Ende einen meist harmlosen Bosskampf und weiter ging's im nächsten Kapitel. Erst in Kapitel elf bricht Final Fantasy XIII aus diesem engen, langweiligen Korsett aus und zeigt eindrucksvoll, dass es auch anders geht. Doch auch wenn es gegen Ende einiges wieder wett macht und sich damit auf ein insgesamt gutes Niveau retten kann: An die grandiosen Vorgänger wird es nicht heran reichen...

Ersteindruck: gut

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