Rock Band12.02.2008, Mathias Oertel
Rock Band

Vorschau:

Bei kleineren Events hatten wir bereits Gelegenheit, erste Bekanntschaften mit Rock Band (ab 2,52€ bei kaufen) zu machen, dem neuen Spiel der Guitar Hero-Macher von Harmonix – und wir wurden überrascht. Wir konnten den Release kaum erwarten. Da wir unserer Musiker-Seele freien Lauf lassen wollten, haben wir uns die US-Version für die PS3 besorgt. Kann das Rhythmus-Spiel unserer hohen Erwartung gerecht werden? Und welche Mankos sollten bis zur Veröffentlichung hierzulande verschwinden?

Die Musik-Revolution?

Nach all den kleinen Spiele-Sessions, die Teile der Redaktion auf dem einen oder anderen Event von E3 bis Games Convention mit Rock Band (RB) erlebt haben, war die Vorfreude groß. Denn es stellte sich schnell heraus, dass es zwar in direkter Konkurrenz zur Guitar Hero-Serie (GH) steht, aber unter dem Strich auch die perfekte Ergänzung sein könnte.

Obwohl die grundsätzliche Mechanik nahezu unverändert bleibt -treffe die richtige Note zum richtigen Zeitpunkt im Takt der Musik- wird durch den Band-Gedanken, der vier Spieler gleichzeitig zu den Instrumenten greifen lässt, eine neue

Bass, Gitarre, Schlagzeug und Gesang: Bei Rock Band ist Gruppendynamik gefragt!
Komponente hinzugefügt: Gruppendynamik.

Dementsprechend gespannt waren wir, wie die US-Version für die PS3 abschneiden würde. Welchen Eindruck hinterlässt die Hardware? Wie sieht es mit der Kompatibilität anderer Gitarren aus? Was bietet Rock Band für Solisten? Und was taugt der Karriere-Modus?

Die Qualität der Hardware

Das Paket enthält neben einem Mikrofon und einer Gitarre im schicken Design einer klassischen Fender Stratocaster auch das Sagen umwobene Drum-Kit. Das Mikro aus dem Hause Logitech entspricht dem Singprügel, der auch schon bei EAs Boogie zum Einsatz gekommen ist und hinterlässt einen guten Eindruck mit einem sauberen Klang.

Das anfänglich etwas spröde erscheinende Drum-Kit ist mit wenigen Handgriffen schnell zusammen gebaut und dürfte der ganze Stolz der Rock Band-Besitzer sein. Denn auch im Dauerbetrieb konnten wir bei der soliden Verarbeitung keine gravierenden Mängel feststellen. Es hätte zwar nicht geschadet, die äußeren Drums ergonomisch nach innen zu drehen (ggf. nur optional), um eine bessere Spielbarkeit zu gewährleisten, doch die Umsetzung der Schläge sowie der Einsatz des Base-Drum-Pedals erfolgen punktgenau. Allerdings ist die Positionierung des Pedals ein kleines Problem. Zwar gibt es die Möglichkeit, das gute Stück in die Querverstrebung "einzuhängen" und so einigermaßen zu fixieren. Doch dann besteht bei etwas energetischeren Bass-Schlägen das Problem, dass sich das Drum-Kit auf bestimmten Untergründen leicht verschieben könnte - was bei einem komplexen Song natürlich tödlich für die Punktzahl sein kann. Hoffentlich lässt sich Harmonix für Europa eine bessere Lösung einfallen.

Kommen wir zur Gitarre, die dieses Mal nicht aus dem Hause Gibson stammt wie die Gegenstücke aus der Guitar Hero-Serie, sondern als Stratocaster von Fender lizenziert wurde.

Das Drum-Kit musste schon einige Quälereien über sich ergehen lassen, funktioniert aber immer noch - ein Zeichen für eine gute Verarbeitung...
Die grundsätzliche Verarbeitung ist so solide und sauber, wie man es von vergleichbaren Produkten kennt. Doch die Optik hinterlässt bei der US-Version einen gespaltenen Eindruck: Auf der einen Seite haben wir den Korpus, der der echten Strat wie aus dem Gesicht geschnitten zu sein scheint: Die Schrauben sind da, wo sie hingehören, der Schalter zur Pickup-Auswahl ist ebenfalls vorhanden und dient bei Rock Band zur Auswahl einiger typischer Gitarren-Effekte wie Chorus oder Wah-Wah. Doch dann schweift der Blick weiter nach oben und der Hals fällt ins Sichtfeld - und da ist es aus mit der Pracht: Denn das beige Stück Plastik wirkt im Vergleich zum edlen Korpus sehr billig. Was auch daran liegt, dass keinerlei Einlegearbeiten oder gar ein Holzmaserungs-Imitat zu finden sind.

Doch es ist nicht nur die Optik, die zwiespältige Gefühle hinterlässt: Auch in der Praxis geben sich Licht und Schatten die Klinke in die Hand. Durch den Einsatz der bereits angesprochenen Effekte, die "on-the-fly" gewechselt werden können und ein weiter unten am Hals angebrachtes Set aus fünf Tasten, die quasi als "Solo-Knöpfe" fungieren, werden die Spiel- und Klangmöglichkeiten sinnvoll erweitert.

    

Doch da die Tasten in das Griffbrett integriert wurden und nicht mehr wie bei den Gibson-Gitarren deutlich als Knöpfe hervortreten, bietet das Spielgefühl eine ganz andere Erfahrung - zumal diese Tasten jetzt bei jedem Druck ein kleines Klick-Geräusch von sich geben, das anfänglich etwas irritiert. Zusammen mit dem schwammiger wirkenden Anschlag, bei dem der Mikroschalter, den die Gibsons bieten, entfernt wurde, braucht man auch als Guitar Hero-Kenner ein oder zwei Songs, bis man sich auf diese Eigenheiten und das neue Spielgefühl eingestellt hat.

Hat man diese Eingewöhnungsphase überstanden, spielt sich die Strat auch nahezu identisch zu den Guitar Hero-Kollegen.

Da die Bund-Tasten ins Griffbrett eingelassen sind, bietet die Rock Band-Strat ein anderes Spielgefühl als die diversen Gibson-Klampfen der Guitar Heroes.
Mit einer Ausnahme: Hammer-Ons und Pull-Offs, die bei GH vor allem bei Songs jenseits des mittleren Schwierigkeitsgrades eine zunehmend wichtigere Rolle spielen, scheinen bei der Stratocaster und Rock Band schwerer einsetzbar zu sein. Wir werden dieses mögliche Problem in den nächsten Wochen noch weiter unter die Lupe nehmen und speziell in der Testversion mit möglicherweise für Europa überarbeiteter Hardware im Auge behalten.

Inkompatibilität

Wer jetzt denkt "Ist doch kein Problem, ich hab sowieso noch meine Guitar Hero 3-Klampfe zu Hause, dann nehm ich halt die!" ist auf dem Holzweg - zumindest derzeit. Denn basierend auf dem Patch-Rechtsstreit zwischen Activision und Harmonix  werden die GH 3-Gitarren nicht von Rock Band unterstützt - allerdings nur auf der PS3. Auf der 360 sollen sowohl die GH3-Les Pauls als auch die GH2-Explorer erkannt werden.

Die Ursache: Vermutlich aus Kostengründen wurde bei den jeweiligen PS3-Gitarren (von beiden Herstellern) auf Bluetooth verzichtet und stattdessen klassische Funk-Controller-Technologie verwendet. Die kabelgebundenen 360-Controller zeigen dementsprechend keine Probleme.

Es geht aber noch weiter: Nicht einmal "alte" PS2-Gitarren werden mit entsprechendem Adapter korrekt erkannt. So wird auf der PS3 vernünftigem Band-Spiel gleich ein Riegel vorgeschoben, der bei uns in der Redaktion die Stimmung gedrückt hat.

Dies ist ein Punkt, an dem Harmonix definitiv ansetzen muss. Zwar will EA ab Anfang April in den USA auch Rock Band-Gitarren als Einzelexemplare verkaufen und Third-Party-Hardware-Hersteller Nyko plant eine Klampfe, die sowohl für Guitar Hero 3 als auch für Rock Band verwendbar sein soll. Doch derzeit schauen PS3-Rocker in die Röhre...

Club-Solisten und Band-Tournee

Die Solo-Kampagne wurde in dieser Form quasi nahtlos aus der Guitar Hero-Serie übernommen und nur um die neuen Instrumente sowie enorme Personalisierungs-Möglichkeiten bezüglich der Spielfigur ergänzt. Diese Erweiterungen sind zwar lobenswert und werten die Kampagne auf, doch unter dem Strich klappert ihr solo einen Club nach dem anderen ab, um die 56 Songs in Angriff zu nehmen.

Ganz anders die Multiplayer-Karriere, in der ihr als Band auf einer komplett nicht-linearen Welttournee seid, die in einem kleinen Club beginnt. Je nach Qualität eurer Performance gewinnt ihr Fans, Sterne und virtuellen Cash. Mit zunehmender Fan-Anzahl werden neue Städte, Clubs und Events freigeschaltet. Manche Gigs hingegen erfordern eine bestimmte Gesamtzahl an Sternen. Andere wiederum haben andere Voraussetzungen: So könnt ihr z.B. erst interkontinental touren, wenn ihr den Jet eurem Fuhrpark hinzugefügt habt.

Das offene Konzept wird noch durch einige andere Mechaniken angereichert. Denn in den einzelnen Clubs warten nicht nur

Die Kulisse wirkt auf den ersten Blick etwas spröde, offenbart nach kurzer Zeit jedoch ihre Stärken: Heiße Bühnenshows mit starken Filter-Effekten und personalisierte Figuren.
Songs darauf, von euch gespielt zu werden. Mitunter gibt es ganze Setlists mit bis zu 18 Liedern, die ihr als Band trällern müsst! Unser Favorit sind derzeit allerdings die Mystery Setlists, bei denen man per Zufall mit zwei oder mehr Songs konfrontiert wird.

Allerdings gab es gerade hier am ersten Tag ein kleines Problem. Denn ganz gleich, in welcher Stadt oder in welchem Club wir auftraten, und unabhängig davon, wie viele Lieder in der Setlist waren, wurden immer wieder dieselben zwei Songs gefordert. So interessant diese Wiederholungen anfänglich auch waren, um unser Spiel zu verfeinern und so sehr man argumentieren kann, dass echte Bands auch immer die gleichen Sets spielen, hat uns "In Bloom" von Nirvana mit dem Nachfolge-Song "Mississippi Queen" beim zehnten Mal nur noch genervt. Doch dieses Problem gab es nur am ersten Tag, so dass wir das an dieser Stelle mal als "ungeklärtes Bug-Phänomen" durchgehen lassen. Und spätestens, als wir endlich "Enter Sandman" von Metallica spielen durften, waren die anfänglichen Probleme mit den zufälligen Setlists verziehen.

     

Weniger schön ist allerdings, dass man seine selbst erstellten Figuren weder exportieren und zu einem Kumpel mitnehmen kann noch richtige Multi-Talente erstellen kann, die sich an allen Instrumenten wohlfühlen. Klar: Wer hauptsächlich online unterwegs ist, wird dies nicht stören. Doch eine schicke Rock Band-Session lokal mit vier Teilnehmern ist Gold wert. Und will

Auch in der Großaufnahme können sich die Charaktere sehen lassen.
man nicht jede Woche dem gleichen Kumpel die Wohnung verwüsten, seinen Bier-Vorrat leeren und der eventuellen Freundin oder Familie auf den Geist gehen, wäre es sinnvoll, sich reihum abzuwechseln. Geht aber nicht, da man seine Figur(en) nicht von der PS3 entfernen und mitnehmen kann - vom Spielstand an sich ganz zu schweigen.

Also müsste man entweder die Konsole ständig kursieren lassen oder aber bei jedem Standort eine eigene Band gründen. Beides Lösungen, die nicht zufrieden stellen. Daher bete ich zum Rock-Gott, dass er Harmonix eine Eingebung schickt und man in der Europa-Fassung seine Figuren oder Bands überall mitnehmen kann...

Mehr zum Zusammenspiel der einzelnen Band-Mitglieder, Rettungsversuchen bei gescheiterten Läufen usw. folgt im ausführlichen Test. Doch eines können wir jetzt schon verraten: Die Gruppendynamik ist grandios und wir konnten uns abends nach Feierabend kaum noch von unseren Fans trennen. Und damit scheint Platin schon so gut wie sicher... Wieso Solisten hingegen die klassische Variante hinnehmen müssen und keine Karriere in dieser Form angehen können und ggf. mit virtuellen Band-Mitgliedern um Ruhm kämpfen, erschließt sich mir nicht und ist etwas, was Harmonix wenigstens für den Nachfolger auf der To Do-Liste haben sollte.

Die Technik

Was die Akustik betrifft, gibt es wie bei allen Harmonix-Titeln kaum etwas auszusetzen. Die verschiedenen Tonspuren samt Verspielern sind gut aufeinander abgestimmt. Zusätzlich erfreuen Fan-Gesänge das Ohr und sorgen für lebendige Konzert-

Das Bandgefühl ist nicht nur auf, sondern auch vor dem Bildschirm zu spüren...
Stimmung. Auch die Gitarren-Effekte, die beim Overdrive (dem Rock Band-Gegenstück zur GH-Starpower) und in Solis erklingen, passen wunderbar ins Hörbild.

An die Kulisse hingegen mussten wir uns als Guitar Hero-Haudegen erst gewöhnen. Die Figuren sehen einen Tick realistischer aus - ohne allerdings den überzeichneten Comic-Touch zu verlieren, der auch die Gitarrenhelden kennzeichnet. Und über allem liegen immer irgendwelche Filter, die das Gesamtbild im Vergleich zum bonbonbunten Guitar Hero unscheinbarer wirken lassen. Doch zum einen wird man beim Bandspiel nicht unnötig abgelenkt. Und hat man doch einmal Zeit, nicht auf seine Noten, sondern auf das tatsächliche Bandgeschehen auf dem Schirm zu schauen, stellt man fest, dass zusammen mit den Filtern ein Musik-Videoflair erreicht wird, das schön animierte Figuren zeigt, die gemeinsam auf der Bühne eine heiße Show abziehen.

Eine schöne Randnotiz: Die Standbilder, die beim Laden die Wartezeit versüßen zeigen eure selbst erstellten Figuren samt all ihrer möglichen Tattoos, Klamotten, Schmuck etc. - natürlich auf dem aktuellsten Stand.

Doch auch dies ist ein Punkt, dem wir uns im Test ausführlicher widmen werden. 

  

Ausblick

Rock Band ist nach wie vor ein Kandidat für einen Platin-Award – wenn auch vornehmlich durch den exzellenten Mehrspieler-Modus und die offene Karriere begründet und letztlich nicht so klar, wie es ursprünglich den Anschein hatte. Denn im Gegensatz zur Band zeigt sich der Einzelspieler-Modus geradezu bieder und bietet im Kern nichts anderes als die Guitar Hero-Serie – allerdings mit der Möglichkeit, jedes der angebotenen Instrumente zu übernehmen. Wenn Harmonix die Zeit bis zum Europa-Start nutzt, um kleinere Probleme zu beheben, dürfte dem Wertungs-Höhenflug nichts mehr im Wege stehen. Vor allem die nervige Inkompatibilität der PS3- bzw. PS2-Hardware steht ganz oben auf unserer Bitte beheben-Liste – zumal die 360-Version davon nicht betroffen zu sein scheint. Auch die etwas unglückliche Handhabe mit dem leider derzeit nicht möglichen Export von Figuren könnte und sollte anders gelöst werden. Doch eines lässt sich jetzt schon absehen: Rock Band stellt die nächste Evolutionsstufe der Rhythmus-Spiele dar und wird auch für alle lohnenswert sein, die Teile der Guitar Hero-Serie ihr Eigen nennen. Wir sind gespannt, wie und ob sich die Hardware in veränderter Form in Europa präsentiert und wie mit den bereits veröffentlichten Download-Inhalten umgegangen wird. Ein Vorschlag an EA und MTV Games: Packt die bereits erhältlichen Song-Packs auf eine Zusatzdisc und bietet sie bereits zum Start zu einem vernünftigen Preis an. In diesem Sinne: Rock On!

Ersteindruck: ausgezeichnet!

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