Special: GT Championships 2018 in Monaco
Weltmeisterliche Einstimmung
Mit seinen fünf Weltmeistertiteln ist Lewis Hamilton derzeit das Maß der Dinge in der Formel Eins und gilt daher nicht umsonst als einer der besten Rennfahrer auf der Welt. Der Brite weiß, wie man sich zu Höchstleistungen antreibt, die Motivation aufrecht hält und selbst aus Misserfolgen positive Energie zieht. Vor allem aber weiß der alleinige Rekordhalter mit den bisher meisten Pole Positions, wie man schnell fährt. Damit ist er auch für virtuelle Rennfahrer ein Vorbild, an dem man sich gerne orientiert und von dem man lernen kann. Entsprechend positiv war die Resonanz, als der frisch gebackene Formel-Eins-Weltmeister als überraschender VIP-Gast die Bühne betrat und zunächst im Gespräch mit Kazunori Yamauchi aus dem Nähkästchen plauderte, wie er schon als Knirps auf der PlayStation erste Erfahrungen mit Gran Turismo sammelte, in den frühen F1-Spielen in die Rolle von Michael Schumacher schlüpfte und sich selbst heute noch lieber an der Konsole mit seinen Freunden duelliert anstatt am teuren Simulator von Mercedes zu üben. Und wann bekommt man schon mal die Gelegenheit,
Und die galt es bereits in den Halbfinal-Rennen zu beherzigen, in denen schließlich die 16 besten Fahrer ermittelt wurden. Erfreulich aus deutscher Sicht: Mikail Hizal (TRL_Lightning) qualifizierte sich mit einem Sieg souverän für die Finalläufe und unterstrich damit als Europameister seine Favoritenrolle neben dem Brasilianer Igor Fraga, Sieger der Region Amerika. Und auch Asien-Champion Ryota Kokubun präsentierte sich in Top-Form und schaffte es als Zweitplatzierter hinter dem Deutschen ebenfalls locker in die Top 16.
Spannung und Dramatik
Wie schon zuvor beim ersten Testlauf im Rahmen des 24-Stunden-Rennens am Nürburgring bis hin zu den regionalen Meisterschaften zeigte sich in Monaco einmal mehr, dass sich der virtuelle Motorsport hinsichtlich Spannung, Dramatik und hochtalentierten Fahrern nicht hinter anderen FIA-Rennserien verstecken muss. Was die Inszenierung der engen Überholmanöver angeht, ist man klassischen TV-Übertragungen stellenweise sogar überlegen, weil man z.B. mit dynamischen Kameraschwenks um die Fahrzeuge herum sowie einer größeren Auswahl möglicher Perspektiven als Regisseur der Live-Events mehr Option zur Verfügung hat. Darüber hinaus ist es erstaunlich, mit welch hohen Maß an Professionalität die Gran Turismo Championships bereits in ihrem ersten Jahr überzeugte: Angefangen bei sympathischen Moderatoren über international aufgestellte Kommentatoren-Duos bis hin zum Rahmenprogramm mit finaler Siegerehrung wirkte das gesamte
Neben dem Regelwerk, das Polyphony Digital in einem aufwendigen Prozess in Zusammenarbeit mit der FIA (Federation Internationale l'Automobile) entwickelte und z.B. genau wie in der Formel Eins die Verwendung verschiedener Reifenmischungen vorschreibt, trug auch das Mitwirken von Rennkommissaren aus Fleisch und Blut maßgeblich dazu bei, um die Live-Events noch stärker am realen Motorsport auszurichten. Entsprechend liefen selbst enge Fahrmanöver überwiegend diszipliniert ab, da sich keiner der Piloten unnötige Zeitstrafen einfangen wollte, bei denen das automatische Penalty-System vielleicht noch ein Auge zugedrückt hätte. Damit ging im Prinzip genau das in Erfüllung, was sich Micha und Ben schon vor Jahren in ihrem Rennspiel-Talk gewünscht haben.
TV-taugliches Format
Genau wie FIFA, NBA 2K oder andere Sportspiele profitiert auch der virtuelle Motorsport davon, dass er sich nah an den realen Vorbildern bewegt und Live-Übertragungen von solchen Spielen aufgrund der bekannten TV-Bilder vertraut wirken. Erkennt ein Laie ohne Vorkenntnisse bei Livestreams von Titeln wie League of Legends oft nur ein chaotisches Gemetzel, wirken Rennspiele im Vergleich massentauglicher. Tatsächlich verfolgten mehr als drei Millionen Zuschauer das dreitägige Finale in Monaco in der stylischen Arena Sporting Monte-Carlo, deren überschaubare Kapazitäten zwar eher für einen familiären Rahmen sorgte, gleichzeitig aber dennoch die Leidenschaft und das Mitfiebern des Publikums transportierte, wenn bei engen Duellen oder Berührungen einen Raunen durch den Saal ging und Überholmanöver mit frenetischem Jubel gefeiert wurden. Es braucht halt nicht immer ein riesiges Stadion, damit Stimmung aufkommt...
Auf Erkundungstour in Monaco
Während die Finalisten weiter fleißig Proberunden drehten und sich als Vorbereitung auf das große Finale weiter an ihrer Fahrtechnik schraubten, hatten wir die Gelegenheit, uns das Steuerparadies etwas genauer anzusehen, dessen Fläche gerade mal die Hälfte des Central Parks umfasst. Mit schicken Yachten am Hafen, den allgegenwärtigen Supersportwagen im Straßenverkehr und gesalzenen Preisen wird schnell deutlich, dass Monaco ein Ort für die Reichen und Schönen ist. Mit seinen imposanten Hochhäusern und der attraktiven Lage am Mittelmeer versprüht der Stadtstaat ein gewisses Flair, das sich nicht nur an Touristenattraktionen wie dem Palast oder dem Casino Monte Carlo, sondern auch beim einfachen Flanieren über den weltbekannten Rennkurs entfaltet. Da trifft es sich gut, dass sich mit Prinz Albert bzw. dem jetzigen Fürst von Monaco ein echter Auto- und Motorsportnarr auf dem fiktiven Thron sitzt, dessen stattliche Sammlung an Oldtimern, seltenen Sportwagen bis hin zu Formel-Flitzern in einem Museum ausgestellt ist. Dabei versteht es sich von selbst, dass wir die Gelegenheit beim Schopf gefasst und uns selbst ein Bild davon gemacht haben. Tatsächlich durften wir sogar selbst in Klassikern wie einem alten Benz Cabrio, einer Corvette oder einem alten BMW M3 Platz nehmen und die Straßen in und um Monaco erkunden – angefangen bei den vielen Tunnels über Serpentinen mit fantastischen Ausblicken bis hin zu idyllischen Ortschaften wie St. Michel.
Ein Stück Motorsportgeschichte
Deutlich stressiger war es für die Finalisten, die in den vier letzten Rennen um den Sieg beim Nations Cup kämpfen mussten. Hier konnte sich schließlich nach einer atemberaubenden Aufholjagd auf dem Kurs von Le Mans der Brasilianer Igor Fraga durchsetzen, der sich nach einer kleinen Schwächephase in den beiden vorherigen Rennen doch noch vom zehnten Startplatz an die Spitze setzen konnte und den deutschen Hoffnungsträger Mikail Hizal im letzten Moment doch noch auf den zweiten Platz verdrängte. Seine Trophäe darf er am 7.Dezember beim einem Festakt in Sankt Petersburg zusammen mit den Champions anderer FIA-Rennserien in Empfang nehmen.
Kazunori Yamauchi, der bei der Entwicklung des ersten GT-Spiels vor mehr als 20 Jahren von einem eSport-Event in Zusammenarbeit mit der FIA nicht einmal zu träumen gewagt hätte, zeigte sich sichtlich zufrieden und zog in einer Rede bei der ausgelassenen Aftershow-Party sogar Parallelen zum Pioniergeist der Formel Eins. Tatsächlich kann man der Einschätzung zustimmen, dass an diesem Wochenende in Monaco mit der Krönung des ersten FIA-Weltmeisters der Gran Turismo Championship in gewissen Weise Motorsportgeschichte geschrieben wurde. Auch die anwesenden Vertreter der FIA zogen ein
Noch Luft nach oben
Dennoch sieht Yamauchi abseits von Kinderkrankheiten wie unerwarteten Server-Abstürzen noch viel Verbesserungspotenzial und will an allen möglichen Schrauben drehen, angefangen vom Online-Modus im Spiel über das Reglement bis hin zum Konzept der Meisterschaft. Daher sieht er die derzeitige Entwicklung als einen kontinuierlichen Lernprozess. Tatsächlich sehen auch wir Möglichkeiten, wie man den Wettbewerb verbessern und im Idealfall noch spannender gestalten könnte. So sollte man z.B. das derzeitige Qualifikationsprozedere und die Regeln der Startaufstellung überdenken. Anstatt nur eine Qualifikation zu fahren, wäre z.B. eine etwa zehnminütige Session vor jedem einzelnen Rennen denkbar. Das könnte z.B. zu mehr Variation im Grid sorgen, weil die Fahrer auf manchen Strecken besonders stark sein, auf anderen aber vielleicht ihre Probleme haben könnten. Aktuell wird die Startreihenfolge durch die Platzierung im vorangegangenen Rennen bestimmt – entsprechend startet der Sieger im nächsten Rennen von der Pole. Das kann schnell zu einem dominanten Durchmarsch eines Piloten führen. Dass es in diesem Jahr dennoch so spannend wurde, war vor allem den überraschenden Fahrfehlern des späteren Siegers Igor Fraga zu verdanken, der sich in späteren Rennen deshalb wieder von hinten nach vorne kämpfen musste. Diskussionswürdig ist zudem das Verfahren, wie den Fahrern ihre Autos aus einer Art Lostopf zugeteilt werden. So war Hizal z.B. nicht besonders glücklich darüber, dass er sich in einem Rennen mit einem Audi R8 herumquälen musste, der durch seinen überproportionalen Reifenverschleiß ein gewaltiges Handicap mit sich brachte, das dem deutschen Fahrer auch schwer zu schaffen machte. Vielleicht wäre es sinnvoller, wenn die Piloten selbst drei Vorschläge zur Fahrzeugwahl einreichen könnten und ihnen von der Rennleitung anschließend eines zugewiesen würde.
Ein positives Fazit
Trotzdem hinterlässt die erste Saison der Gran Turismo Meisterschaft insgesamt einen sehr positiven Eindruck: Die Rennen waren durchweg spannend und wurden trotz des leichten Hangs zur Überdramatisierung durch die redseligen Kommentatoren unterhaltsam präsentiert. Und für die ersten Gehversuche wirkten die Live-Events erstaunlich professionell und überzeugten mit einem durchdachten Konzept. Selbst Micha durfte noch ein kleines Erfolgserlebnis feiern: Im Media Cup setzte er sich gegen die Riege aus internationalen Pressevertretern und Influencern auf der neuen Streckenvariante des Toyko Expressways durch und konnte sich dank eines guten Starts sowie dem rempelfreudigen Verfolgerfeld den Sieg inklusive einer Flasche Champagner sichern. Langer Rede, kurzer Sinn: Die zweite Saison kann gerne kommen!
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