Im Test: Gespenstische Ermittlungen
Ermitteln in der Zwischenwelt
Ähnlich wie im DS-Adventure Ghost Trick: Phantom Detective dreht sich die Geschichte um den Tod des Protagonisten: Nachdem Polizeiermittler Ronan O’Conner als Geist neben seiner Leiche aufwacht, muss er den Mord an seiner eigenen Person aufklären. Die Ähnlichkeit kommt nicht von ungefähr: Yosuke Shiokawa verriet uns seinerzeit im Interview, dass er das Vorbild kennt und schätzt. Sein Titel verlegt die Ermittlungen allerdings in eine 3D-Welt mit voller Bewegungsfreiheit und vermengt sie mit Schleich-Abschnitten, in denen Ronan sich an rot leuchtenden Dämonen vorbei mogelt. Im Zentrum stehen aber das Suchen von Indizien und die an Sherlock Holmes erinnernden Schlussfolgerungen.
Ronans Tod steht offenbar im Zusammenhang mit einer Reihe mysteriöser Serienmorde des so genannten „Bell Killers“, der bis auf ein Glockensymbol keine Spuren am Tatort hinterlässt. Als der Protagonist auf einen Tipp hin eine Wohnung aufsucht, wird er von einer großen vermummten Gestalt durchs Fenster geworfen und seine Brust von Kugeln durchsiebt. Etwas in seinem Leben scheint noch nicht abgeschlossen, denn fortan durchstreift er als blau glühender Geist die Welt der Lebenden. Auf seiner Suche nach dem Killer trifft er auf Zeugen, Dämonen und andere verlorene Seelen, welche sich als dankbare Auftraggeber für Sidequests erweisen. Wenn ich z.B. herausfinde, wo sich die Leiche einer verstörten Geisterfrau befindet, verhilft ihr das zur Erlösung und verschafft mir einen Einblick in die makabren Kleinkriege, die sich unter den sozial abgestumpften Nachbarn des Hauses abspielen.
Auf der Suche
Das Coolste an Ronins untotem Dasein ist natürlich, mit seinen Geisterfähigkeiten herumzuspielen. Durch einen Großteil der Wände kann er einfach hindurchgehen. Oder ich statte anderen Figuren einen besonderen Besuch ab: Nur wenn ich per Knopfdruck in die Körper aller möglichen Personen schlüpfe, gelange ich an wichtige Hinweise, die in ihren Gedanken herumspuken. Einige Zeugen, Passanten oder Polizisten geben aber auch nur öde Monologe von sich: „Wir Cops müssen zusammenhalten! Ich muss an meine Einheit glauben!“ Aha.
Idealerweise stoße ich aber auf neue Indizien, welche kleine, professionell inszenierte Flashback-Videos auslösen. Auch in der Wohnung herumliegende Beweise nehme ich unter die Lupe. Habe ich genügend Erkenntnisse zusammen, wechsle ich zu einem Diagramm, auf dem alle Themen und Fakten mit kleinen Bildsymbolen aufgereiht sind. Es erinnert an die Schlussfolgerung in den Sherlock-Holmes-Spielen, ist aber bei weitem nicht so logisch, knifflig und unterhaltsam strukturiert wie im Vorbild.
Ein Städchen mit mystischer Vergangenheit
Manche Schlussfolgerungen sind zum Glück etwas logischer aufgebaut, für eine Herausforderung sorgen aber die wenigsten. Manchmal erspähe ich Schemen von Personen, die in der Vergangenheit am gleichen Ort standen. Nachdem sich z.B. das Bild eines im Zimmer lauschenden Mädchens aufgebaut hat, muss ich ihre Emotionen deuten: Sie wirkt eingeschüchtert und beobachtend, also wähle ich die beiden Begriffe aus einem Wortknäuel aus. Bingo: Es folgt ein weiterer Rückblick. Er offenbart, dass die junge Zeugin die komplette Szene angesehen hat und mehr über meine Ermordung wissen könnte. Mein Ziel ist es also, sie aufzuspüren.
Einschläfernder Sammel-Marathon
Die Rätselreise führt Ronan an Orte wie den Hafen der verschlafenen Kleinstadt, in eine Kirche oder ins Polizeirevier, wo die Ermittlungen ins Stocken geraten sind. Das Suchen nach Hinweisen entwickelt sich gerade im späteren Spielverlauf zur öden Routine, welche die Story ausbremst.
Auch abseits wichtiger Beweise liegt jede Menge Sammelkram in den Arealen versteckt. Wenn ich alle Ecken abklappere und z.B. sämtliche Geisterboiler finde, schaltet das eine vom Sprecher vorgelesene Gruselgeschichte frei. Durch die kurzen Exkurse erfahre ich ein wenig mehr über die geisterhafte Kleinstadt, ihre Bewohner und ihre Rolle im Unabhängigkeitskrieg.
Hübsches Design, schwache Technik
Auch die blau glühenden Schemen und der unheilvoll rauschende Soundteppich erzeugen eine angenehme Gruselstimmung. Die deutsche Synchro klingt meist angenehm professionell, bleibt aber nicht immer lippensynchron. Technisch haben sich die kooperierenden Teams aus Japan und den USA nicht mit Ruhm bekleckert: Man merkt sofort, dass der Titel zunächst nur für die alten Konsolen geplant war. Gesichtsanimationen und Umgebungsdetails sind weit von der Detailverliebtheit eines Beyond: Two Souls entfernt – annehmbar sieht das Gebotene trotzdem aus. Auf der PS4 läuft das Ergebnis trotzdem nicht flüssig. Stattdessen treten leichte Ruckler auf und das Bild wird ständig von Tearing zerrissen.
Miau!
Etwas mehr Spaß macht es, sich in den Körper einer Katze zu versetzen. Dank ihrer kleinen Gestalt flitze ich auch durch enge Lüftungsschächte und an Ranken empor. Dabei muss ich gelegentlich in den Geisterkörper wechseln, um zwischendurch Wände durchqueren zu können. Auch das Manipulieren von Maschinen mittels Poltergeist ist eine schöne Idee. Als z.B. der Staubsauger anfängt zu spinnen, lenkt das den Pfarrer derart ab, dass sich mir ein neuer Weg eröffnet. Die Manipulationen bleiben allerdings zu oft unbemerkt: Selbst wenn dutzende von Blättern wild aus dem Drucker flattern, interessiert das die daneben stehenden Polizisten herzlich wenig – nicht gerade glaubwürdig.
Fazit
Schade um die guten Ideen und Ambitionen der Entwickler: Auf der letzten E3 sprühte der kreative Leiter Yosuke Shiokawa förmlich vor Ideen und Tatendrang für seinen Genremix. Doch das Endergebnis zeigt, dass sich Square Enix übernommen hat. Kaum eines der Elemente ist wirklich spannend: Das Schlussfolgern gestaltet sich bei weitem nicht so logisch und fordernd wie bei Sherlock Holmes und auch die zu simplen Schleich-Einlagen enttäuschen. Sehr langweilig ist zudem der Suchmarathon nach Indizien und Gedanken von Zeugen. Die kleinen Umgebungsrätsel und unterhaltsamen Filmschnipsel haben mich aber doch noch zum Weiterspielen motiviert. Auch technisch ernüchtert das Spiel: Figuren und Kulissen erinnern sofort an die alten Konsolen; trotzdem leidet die PS4-Fassung unter ständigem Tearing und leichten Rucklern. Bislang hat uns Square Enix nur die PS4-Fassung zur Verfügung gestellt – wenn die anderen Versionen eintrudeln, werden wir sie nachtesten.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Schade um das Potential: Weder das Sammeln von Indizien noch das Schlussfolgern oder die Schleich-Action sorgen für Spannung.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.