Murdered: Soul Suspect06.06.2014, Jan Wöbbeking

Im Test: Gespenstische Ermittlungen

Auf der letzten E3 sorgte Square Enix für eine Überraschung: Der Adventure-Krimi Murdered: Souls Suspect verbindet Detektivarbeit mit Schleich-Action und den ungewöhnlichen Fähigkeiten eines geisterhaften Protagonisten. Können Kniffe wie Gedankenlesen oder das Schlüpfen in die Körper von Zeugen auch spielerisch begeistern?

Ermitteln in der Zwischenwelt

Ähnlich wie im DS-Adventure Ghost Trick: Phantom Detective dreht sich die Geschichte um den Tod des Protagonisten: Nachdem Polizeiermittler Ronan O’Conner als Geist neben seiner Leiche aufwacht, muss er den Mord an seiner eigenen Person aufklären. Die Ähnlichkeit kommt nicht von ungefähr: Yosuke Shiokawa verriet uns seinerzeit im Interview, dass er das Vorbild kennt und schätzt. Sein Titel verlegt die Ermittlungen allerdings in eine 3D-Welt mit voller Bewegungsfreiheit und vermengt sie mit Schleich-Abschnitten, in denen Ronan sich an rot leuchtenden Dämonen vorbei mogelt. Im Zentrum stehen aber das Suchen von Indizien und die an Sherlock Holmes erinnernden Schlussfolgerungen.

Ronans Tod steht offenbar im Zusammenhang mit einer Reihe mysteriöser Serienmorde des so genannten „Bell Killers“, der bis auf ein Glockensymbol keine Spuren am Tatort hinterlässt. Als der Protagonist auf einen Tipp hin eine Wohnung aufsucht, wird er von einer großen vermummten Gestalt durchs Fenster geworfen und seine Brust von Kugeln durchsiebt. Etwas in seinem Leben scheint noch nicht abgeschlossen, denn fortan durchstreift er als blau glühender Geist die Welt der Lebenden. Auf seiner Suche nach dem Killer trifft er auf Zeugen, Dämonen und andere verlorene Seelen, welche sich als dankbare Auftraggeber für Sidequests erweisen. Wenn ich z.B. herausfinde, wo sich die Leiche einer verstörten Geisterfrau befindet, verhilft ihr das zur Erlösung und verschafft mir einen Einblick in die makabren Kleinkriege, die sich unter den sozial abgestumpften Nachbarn des Hauses abspielen.

Kann Ronan als Geist seinen eigenen Mord aufklären?

Auf der Suche

Das Coolste an Ronins untotem Dasein ist natürlich, mit seinen Geisterfähigkeiten herumzuspielen. Durch einen Großteil der Wände kann er einfach hindurchgehen. Oder ich statte anderen Figuren einen besonderen Besuch ab: Nur wenn ich per Knopfdruck in die Körper aller möglichen Personen schlüpfe, gelange ich an wichtige Hinweise, die in ihren Gedanken herumspuken. Einige Zeugen, Passanten oder Polizisten geben aber auch nur öde Monologe von sich: „Wir Cops müssen zusammenhalten! Ich muss an meine Einheit glauben!“ Aha.

Idealerweise stoße ich aber auf neue Indizien, welche kleine, professionell inszenierte Flashback-Videos auslösen. Auch in der Wohnung herumliegende Beweise nehme ich unter die Lupe. Habe ich genügend Erkenntnisse zusammen, wechsle ich zu einem Diagramm, auf dem alle Themen und Fakten mit kleinen Bildsymbolen aufgereiht sind. Es erinnert an die Schlussfolgerung in den Sherlock-Holmes-Spielen, ist aber bei weitem nicht so logisch, knifflig und unterhaltsam strukturiert wie im Vorbild.

Ein Städchen mit mystischer Vergangenheit

Durch viele Objekte und Wände marschiert der Protagonist einfach hindurch.
Oft wusste ich trotz gründlicher Suche und dem Belauschen von Gedanken nicht genau, worauf die Herleitung hinaus wollte. Bei der panischen Zeugin auf der Straße habe ich z.B. fälschlicherweise angenommen, dass die Umstände von Ronins Tod sie verschreckt haben, daher klickte ich die Scherben (weil sie nahe des Fensters stand) und die Patronen an. Mein Fehler war aber nicht weiter schlimm – wer nicht weiter weiß, kann sich oft einfach per stupidem Trial & Error durchklicken. Das senkt lediglich die Bewertung für die Lösung der jeweiligen Rätsel. In diesem Fall war die richtige Antwort ein Schriftstück über den vermummten Glockenmörder: Er hat der Zeugin durch seine Kaltblütigkeit offenbar einen gewaltigen Schrecken eingejagt.

Manche Schlussfolgerungen sind zum Glück etwas logischer aufgebaut, für eine Herausforderung sorgen aber die wenigsten. Manchmal erspähe ich Schemen von Personen, die in der Vergangenheit am gleichen Ort standen. Nachdem sich z.B. das Bild eines im Zimmer lauschenden Mädchens aufgebaut hat, muss ich ihre Emotionen deuten: Sie wirkt eingeschüchtert und beobachtend, also wähle ich die beiden Begriffe aus einem Wortknäuel aus. Bingo: Es folgt ein weiterer Rückblick. Er offenbart, dass die junge Zeugin die komplette Szene angesehen hat und mehr über meine Ermordung wissen könnte. Mein Ziel ist es also, sie aufzuspüren.

Einschläfernder Sammel-Marathon

Die Rätselreise führt Ronan an Orte wie den Hafen der verschlafenen Kleinstadt, in eine Kirche oder ins Polizeirevier, wo die Ermittlungen ins Stocken geraten sind. Das Suchen nach Hinweisen entwickelt sich gerade im späteren Spielverlauf zur öden Routine, welche die Story ausbremst.

Auch abseits wichtiger Beweise liegt jede Menge Sammelkram in den Arealen versteckt. Wenn ich alle Ecken abklappere und z.B. sämtliche Geisterboiler finde, schaltet das eine vom Sprecher vorgelesene Gruselgeschichte frei. Durch die kurzen Exkurse erfahre ich ein wenig mehr über die geisterhafte Kleinstadt, ihre Bewohner und ihre Rolle im Unabhängigkeitskrieg.

Hübsches Design, schwache Technik

Ein Blick auf die Schlussfolgerung: Hier erscheinen alle Hinweise, die man auf dem Weg findet.
Die Geschichte wirkt zunächst kitschig, wird später aber doch noch interessant. Das tätowierte Raubein Ronan, sein Schmerz um die verstorbene Liebe und viele andere Elemente wirken wie ein tiefer Griff in die Klischeekiste - das Rätsel um den Serienkiller und die unheimliche Stadt haben mich aber trotzdem neugierig gemacht. Auch die in der Stadt verteilten Erinnerungsfetzen tragen dazu bei: Sie beschäftigen sich damit, wie der wilde ehemalige Outlaw Ronan bei der eher brav erscheinenden Ehefrau gelandet und an seine verhältnismäßig gute Stellung als Polizeiermittler gekommen ist.

Auch die blau glühenden Schemen und der unheilvoll rauschende Soundteppich erzeugen eine angenehme Gruselstimmung. Die deutsche Synchro klingt meist angenehm professionell, bleibt aber nicht immer lippensynchron. Technisch haben sich die kooperierenden Teams aus Japan und den USA nicht mit Ruhm bekleckert: Man merkt sofort, dass der Titel zunächst nur für die alten Konsolen geplant war. Gesichtsanimationen und Umgebungsdetails sind weit von der Detailverliebtheit eines Beyond: Two Souls entfernt – annehmbar sieht das Gebotene trotzdem aus. Auf der PS4 läuft das Ergebnis trotzdem nicht flüssig. Stattdessen treten leichte Ruckler auf und das Bild wird ständig von Tearing zerrissen.

Miau!

Ab und zu schleicht man an Dämonen vorbei oder schaltet sie per Geschicklichkeitstest von hinten aus.
Ein weiterer Dämpfer sind die eingestreuten Schleichabschnitte, in denen ich mich an rot leuchtenden Dämonen vorbeibewege. Auch sie wandelten einst wie Ronan durch die Zwischenwelt, konnten ihre unerledigte Aufgabe aber nicht abschließen. Trotz ihres aggressiven Auftretens stellen sie kaum eine Bedrohung dar. An den meisten schleiche ich mich einfach vorbei, indem ich durch Wände wandle, per Knopfdruck zwischen magischen Verstecken wechsle oder zur Ablenkung einen Raben aufscheuche. Wer möchte, kann sich auch hinterrücks an einen Dämon anschleichen: Die Exekution mittels Minispiel gestaltet sich ebenfalls zu einfach. So bleiben die rot glühenden Störenfriede nicht mehr als eine kleine Abwechslung im monotonen Such-Alltag.

Etwas mehr Spaß macht es, sich in den Körper einer Katze zu versetzen. Dank ihrer kleinen Gestalt flitze ich auch durch enge Lüftungsschächte und an Ranken empor. Dabei muss ich gelegentlich in den Geisterkörper wechseln, um zwischendurch Wände durchqueren zu können. Auch das Manipulieren von Maschinen mittels Poltergeist ist eine schöne Idee. Als z.B. der Staubsauger anfängt zu spinnen, lenkt das den Pfarrer derart ab, dass sich mir ein neuer Weg eröffnet. Die Manipulationen bleiben allerdings zu oft unbemerkt: Selbst wenn dutzende von Blättern wild aus dem Drucker flattern, interessiert das die daneben stehenden Polizisten herzlich wenig – nicht gerade glaubwürdig.

Fazit

Schade um die guten Ideen und Ambitionen der Entwickler: Auf der letzten E3 sprühte der kreative Leiter Yosuke Shiokawa förmlich vor Ideen und Tatendrang für seinen Genremix. Doch das Endergebnis zeigt, dass sich Square Enix übernommen hat. Kaum eines der Elemente ist wirklich spannend: Das Schlussfolgern gestaltet sich bei weitem nicht so logisch und fordernd wie bei Sherlock Holmes und auch die zu simplen Schleich-Einlagen enttäuschen. Sehr langweilig ist zudem der Suchmarathon nach Indizien und Gedanken von Zeugen. Die kleinen Umgebungsrätsel und unterhaltsamen Filmschnipsel haben mich aber doch noch zum Weiterspielen motiviert. Auch technisch ernüchtert das Spiel: Figuren und Kulissen erinnern sofort an die alten Konsolen; trotzdem leidet die PS4-Fassung unter ständigem Tearing und leichten Rucklern. Bislang hat uns Square Enix nur die PS4-Fassung zur Verfügung gestellt – wenn die anderen Versionen eintrudeln, werden wir sie nachtesten.

Pro

Interessante Konzepte wie das Schlüpfen in andere Körper und Durch-Wände-Gehen...
Geschichte um Serienmörder und mystische Stadt macht neugierig
blau schimmernde Effekte schaffen Gruselstimmung
lustige Rätseleinlagen mit Katze und Poltergeist

Kontra

...Gedankenlesen und andere Besonderheiten bringen zu selten Hinweise
fade Sucharbeit nach Indizien
noch öderes Zusammenklauben von Unmengen an Sammelobjekten
Schlussfolgerungen nur manchmal logisch oder spannend
Einleitung und Charaktere bedienen sich vieler Klischees
simpel gestrickte Schleich-Action rund um Dämonen
leichte aber häufige Ruckler
Tearing zerreißt oft das Bild
einige detailarme Figuren und Gebäude
etwas holprige Steuerung

Wertung

PlayStation4

Schade um das Potential: Weder das Sammeln von Indizien noch das Schlussfolgern oder die Schleich-Action sorgen für Spannung.

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