Air Conflicts: Vietnam21.07.2014, Eike Cramer
Air Conflicts: Vietnam

Im Test: Bruchlandung im Dschungel

Mit Air Conflicts: Vietnam (ab 2,90€ bei kaufen) hat Gamesfarm im vergangenen Jahr eine veritable Bruchlandung im Dschungel von Indochina hingelegt. Nun wird die Arcade-Fliegerei mit der Ultimate-Edition auf der PS4 erneut in den Kampf geschickt. Gelingt die Wende?

Der endlose Krieg

Dieser Krieg dauert schon lange. Viel zu lange. Nach 25 Missionen und etwa sieben Stunden ist immer noch kein Ende in Sicht und allmählich beginnt mir das alles auf die Nerven zu gehen. Und damit meine ich nicht den Dschungel, den Vietcong oder die drückende Hitze, sondern das furchtbare Missionsdesign, das mir in immer neuer Variante aufgezwungen wird. Dafür habe ich mich nicht gemeldet! Mir wurde doch „Spielspaß ohne Ende“ versprochen, als ich mich verpflichtet habe. Wo ist diese „fesselnde und emotionale Story“, von der man mir im Rekrutierungsbüro vorgeschwärmt hat?

Auch auf der PS4 ist das simple Flugmodell von Air Conflicts: Vietnam ein Graus!
Stattdessen fliege ich einen langweiligen Einsatz nach dem nächsten. Ich bombardiere Dörfer, kämpfe in anspruchslosen Dogfights, bombardiere weiter.  Manchmal sitze ich auch in einem Helikopter. Dann muss ich Flaks ausschalten, und Truppen verlagern. Immer und immer wieder. Ab und zu werde ich auch an das seitliche Maschinengewehr einer Huey beordert. Dann muss ich in schlechten Railshooter-Sequenzen hunderte, auf offenem Feld wie angewurzelt stehende Vietcong erschießen. Wieder und wieder. Hat dieser Krieg denn nie ein Ende?

Luftkrampf

Wer an dieser Stelle denkt, die Navy (oder Air Force, man nimmt es da bei Gamesfarm nicht so genau und springt munter zwischen den Begriffen) wäre nichts für ihn, hat Recht! Air Conflicts: Vietnam hat aber noch weit mehr zu bieten als nur schlechtes Missionsdesign. Da wäre zum Beispiel die Flugphysik des Kampfgerätes. Diese ist selbst für

Ja, es gibt eine Cockpitperspektive. Nein, das Spiel wird dadurch nicht besser!
einen Arcade-Flieger zu simpel. Strömungsabriss? Ein Fremdwort! Dafür gibt es aber eine Luftbremse, die das Flugzeug beinahe zum Stillstand bringt, bevor es abschmiert. So ähnlich hatte ich Fliegen in Erinnerung.

Auch die Steuerung ist so einfach wie es nur geht.  Links, rechts, oben, unten - fertig. Rollen fliegen darf ich nicht selbst, das macht das Spiel für mich, wenn ich eine Taste drücke. Auch das Seitenruder darf ich nicht selbst bedienen. Warum eigentlich nicht?

Immerhin hatte man ein Einsehen bei der Helikoptersteuerung: Diese ist zwar nach wie vor extrem simpel, Neigung und Schub sind aber, anders als auf den alten Konsolen und dem PC, nicht mehr voneinander getrennt. Trotzdem fliegt sich die Cobra der Wahl oft wie ein störrischer Sack Zement, da man nun den Heli nicht mehr auf der Stelle drehen oder gar unabhängig von der Bewegung zielen kann. Zudem ist die Bildrate in Bodennähe zumeist unerträglich, was sinnvolle Flugmanöver von vornherein ausschließt.

Einmal Kriegsverbrechen zum Mitnehmen, bitte!

Die Inszenierung der Hintergrundgeschichte ist vollkommen öde. In beinahe schon albern synchronisierten Textsequenzen lese ich Briefe von meiner Familie, die sich über meinen Kriegseinsatz beschwert. Das war‘s. Es gibt keine Gesichter zu den Stimmen, keine Fotos und schon gar keine Videos. Auch ich selbst bleibe gesichtslos. Das ist nicht emotional, das ist mir bestenfalls egal und schlimmstenfalls nervig. Auch die Briefings werden ähnlich „stark“ präsentiert.

Die Steuerung der Helikopter ist fast so schlimm wie die Pappbaum-Einöde von Vietnam.
Zudem gibt es eine Überraschung: Es wird nämlich Kritik laut am Vorgehen der USA. Nach einem Agent-Orange-Einsatz etwa sinniert meine Spielfigur über die Gefahren von Entlaubungsmitteln und ihre (schrecklichen) Auswirkungen auf die Bevölkerung. Meine Tochter wird zu einer Aktivistin der Friedensbewegung und im Laufe der Kampagne verliere ich den Glauben an den Krieg und mein Land. Das könnte spannend sein und völlig neue Perspektiven in Kriegsspielen eröffenen. Könnte! Hier, in einem schlechten Arcade-Shooter, in dem gebombt und geballert wird, was das Zeug hält, wirken diese Elemente extrem deplaziert.

Hässlicher Krieg

Wer jetzt noch sagt „Egal,Hauptsache die Kulisse rockt“, den muss ich enttäuschen. Das tut sie nämlich auch auf der PS4 nicht. Zwar kann man fast zum PC aufschließen, dafür ruckelt und teart es jetzt aber dauerhaft. Kurz: Die Technik ist auch auf Sonys jüngstem System völlig indiskutabel. Flugzeugmodelle, Oberflächen, Pappkameraden-Bäume, Sichtweite, Effekte - nichts entspricht den heutigen Standards. Es gibt außerdem brutale Pop-Ups und merkwürdig morphende Umgebungen. Wenigstens sind die komischen roten Wände entfernt worden -

Nur weg! Auch auf der PS4 ist der Vietnamkrieg ein einziger Krampf.
viel zu klein sind die Einsatzgebiete aber nach wie vor. Auch die neuen Optionen des DualShock 4 werden restlos ausgeschöpft. So imitiert die Lightbar durch Rot-Orange flackernde Farben das Mündungsfeuer der Flugzeuge, wenn ich das Feuer eröffne - glatter Wahnsinn!

Da ist es auch fast egal, dass die Freund-KI nicht nur schlecht, sondern quasi nicht existent ist. Wenigstens kann ich manuell zwischen ihnen Wechseln und selbst die Kontrolle übernehmen.  Es ist unerheblich, dass die Ränge meiner Flügelleute keine Rolle spielen und es während der Mission keine Kommunkation zwischen ihnen gibt. Selbst dass meine Spielfigur während laufender Missionen ständig automatisch auf magische Weise das Fluggerät wechselt (Jäger – Bomber – anderer Jäger) kann mich nicht mehr irritieren. Hauptsache es ist vorbei, denn dieser Krieg ist die Hölle.

Fazit

Respekt Gamesfarm. So schwungvoll wurde schon lange keine Serie mehr gegen die Wand gefahren. Auch auf der PS4 stimmt wirklich gar nichts: Das Flugmodell ist extrem simpel, die Steuerung ist ebenfalls sehr einfach, dabei aber umständlich belegt. Die Kulisse ist unterer Durchschnitt und dank Rucklern und massivem Tearing technisch völlig indiskutabel. Dazu gesellt sich eine mies inszenierte Story, dröges Missionsdesign, eine miserable Freund-KI sowie ein überflüssiger Mehrspieler-Modus. Sowohl die exklusive Bonus-Kampagne als auch ein weiterer Online-Spielmodus können hier nichts mehr retten. In Zeiten von H.A.W.X. und angesichts eines Ace Combat: Assault Horizon so einen Murks zu veröffentlichen, zeugt von Mut - oder Leichtsinn. Schade um eine aufstrebende Arcade-Flieger-Reihe, aber nach diesem Absturz wird es wohl keine Überlebenden geben.

Pro

Viele Flugzeuge und Helikopter aus der Vietnam-Ära
Cockpit-Perspektive

Kontra

veraltete Kulisse
Tearing/Ruckeln
ödes Missionsdesign
schlimme Railshooter-Sequenzen
zu simples Flugmodell
furchtbare Helikoptersteuerung
langweilig inszenierte Handlung
Die Kritik am Vietnamkrieg wirkt im Rahmen eines Arcade-Shooter völlig deplaziert

Wertung

PlayStation4

Auch auf der PS4 erleidet Gamesfarm eine Bruchlandung im Dschungel. Die neuen Inhalte können nicht über die technischen und spielerischen Mankos hinwegtäuschen.

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