Im Test:
Willkommen in der Plastikwelt
Schon in den ersten Minuten muss man mit dem Kopf schütteln: Ist das ein Intro für ein neues Free-to-play-Spiel von Bigpoint? Diese Hintergründe können doch nicht ernsthaft für einen Starttitel der PlayStation 4 entworfen sein? Oder ist das eine Lizenzumsetzung für einen schlechten Pixar-Film? Und überhaupt: Wer hat denn bloß dieses Artdesign entworfen? Wer kam auf die Idee, diese grünen Kobolde auch noch mit Panzern auszustatten? Als Bedrohung für die Menschheit? Das wirkt von Beginn an unansehnlich und erzählerisch schlecht konstruiert. Sorry für den pampigen Einstieg, aber angesichts all der Erfahrung sowie dem technischen Know-how von Cerny macht mich dieses Knack wütend; es erinnert an die Misere von Blinx - The Time Sweeper zum Start der Xbox.
Nicht falsch verstehen: Ich liebe Zeichentrickfilme. Ich liebe Plattformer. Und ich sehne mich nach einem neuen Jak and Daxter. Wo sind sie hin, die zauberhaften Hüpfer und Springer, die einen mit Akrobatik und Finesse durch Dschungel und Ruinen lotsen? Diese Welt hier kann nur in ganz wenigen Momenten so etwas Charme entfalten, so dass sie als Weihnachtsspiel für die Kids gerade noch ausreicht. Aber sie wirkt nicht nur im Einstieg zu oft wie aus Plastik, sondern auch in den lieblos zusammen gezimmerten Holzpallisaden oder im sterilen Schloss. Man vermisst auf den Treppen und in den Gängen mehr liebevolle Kleinigkeiten oder Bewegungen am Rande. Ja, es gibt auch ansehnliche Momente, wenn die Minen später stimmungsvoll von Kristallen ausgeleuchtet werden, wenn man zwischen scharf texturierten Felsen hüpft oder im Sonnenlicht schwirrende Käfer erkennt.
Lange Flure, wenig Charakter
Die Ausgangslage für das Abenteuer des Artefakt-Wesens mit der goldenen Nase und den roten Stacheln ist also schlecht. Und das bleibt auch so, denn Knack kann vielleicht als bizarr designte Figur, aber nicht als Charakter überzeugen. Seine braven Sprüche und seine austauschbare deutsche Stimme rauben ihm den Rest an Charisma. Warum hat man nicht versucht, ihn etwas geheimnisvoller zu gestalten? Das Potenzial dafür war ja durchaus vorhanden, aber die Story macht aus ihm einen Mitläufer, der brav von A nach B latscht. Statt einem coolen Sidekick oder witzigen Sprüchen à Ratchet & Clank gibt es
Sein Äußeres ist zumindest ungewöhnlich, besteht er doch aus vielen kleinen Einzelteilen. Sobald er mehr davon wie Legosteinchen anzieht, wächst er auf enorme Größe an – quasi vom Winzling zum Riesen. Außerdem kann er sogar Eis- oder Feuerkristalle anziehen. Was hier an taktischem Potenzial schlummerte! Aber man hat kaum Einfluss auf Knacks anwachsende Masse oder die Art der Teilchen, die quasi immer an vorgegebenen Stellen zur Verfügung stehen. So muss man nicht mal clever zwischen Eis oder Stein wechseln, wie es in allen guten Plattformern und Action-Adventures die Regel ist.
In der XXL-Form muss er dann alte Apparate in Gang bringen oder darf mal verheerenden Schaden anrichten. Dann kann er wie ein Monster selbst Fassaden einreißen und Feinde wie Fliegen zertrampeln. Diese Mach-alles-kaputt-Passagen gehören allerdings zu den langweiligsten des Spiels, weil man die schwachen Kulissen dann noch deutlicher sieht. Man ist heilfroh, als man zumindest mal ein paar Schleichabschnitte vor sich hat, wenn sich Knack auf Knopfdruck tarnen und so Laserstrahlen oder kleine Schächte passieren kann. Ansonsten hält sich die Abwechslung auch hier in Grenzen, zumal die Abschnitte meist nur linear geradeaus verlaufen.
Gleißende Spezialangriffe
Und hier beginnt das nächste Problem, denn auch die Geheimräume und Schatzkisten sind viel zu lange überflüssig. Ist man zunächst noch erpicht darauf, die versteckten Truhen hinter porösem Fels zu finden, sinkt die Freude über das Gefundene recht schnell. Man kann in den ersten Stunden nichts von den Bauteilen nutzen, denn sie sind erst später als Set aus drei bis sieben Teilen funktionsfähig. Was soll das? Wieso gibt man dem Spieler nicht früher die Möglichkeit, seine Sonnenenergie, seine Angriffe oder Fähigkeiten zu verbessern? So wirken Geheimnis-Detektor, Sonnenstein-Batterie, Zeitdehner, Ernter & Co wie Heringe an der Angel. Da kann auch die gut gemeinte soziale Interaktion beim Öffnen nicht versöhnen: Auf der linken Seite erkennt man den eigenen Zufallsfund, auf der rechten all jene seiner PSN-Freunde. Euch gefällt etwas davon? Dann könnt ihr es statt des eigenen auswählen.
Action, Action, Action
Im Vordergrund steht also der immer gleiche Kampf gegen Monster, Kobolde, Roboter, Wachen & Co, die in diversen Größen und Formationen auftauchen. Dabei hat man einen Angriffsknopf zur Verfügung - das war's. Immerhin gibt es einige nette Zeitlupen, wenn Knack in letzter Sekunde den finalen Schlag austeilt. Etwas Würze kommt zudem durch das Ausweichen in die Gefechte: Knack kann über den Analogstick mit einem Temposchub ein paar Schritte zur Seite jagen – auch in der Luft. So muss er auch in Bosskämpfen einigen Projektilen entgehen und sich langsam vorwärts arbeiten.
Es ist zwar schön, dass man auch kooperativ zu zweit losziehen kann, wobei einer Knack steuert und der andere einen kleinen Hilfsroboter, der heilen kann und selbst bei jedem Treffer gegen Knack schrumpft. Clevere Zusammenarbeit in Form von akrobatischen Ergänzungen oder Rätseln gibt es aber nicht.
Fazit
Das sagte man über Mark Cerny, als er 2010 in die Hall of Fame der Academy of Interactive Arts & Sciences (AIAS) aufgenommen wurde: „Von allen Spieleentwicklern kommt [er] einem modernen Da Vinci am nächsten.“ Vielleicht sollten Architekten bei ihren Systemen bleiben, anstatt zum Start einer neuen Konsole so einen uninspirierten "Plattformer" abzuliefern, der wie ein Pixar-Brawler für Arme anmutet. Das mag als Weihnachtsspielchen für die Kids gerade noch ausreichend sein. Aber selbst wenn Knack mitunter für einen coolen Kombo-Flow sorgt oder in Legomanier zum Riesen anwächst: Wo bleiben hier technische Power und spielerischer Esprit? Wo bleiben Erkundungsfreiheit, akrobatische Herausforderungen oder wenigstens taktische Freiheiten mit Knacks Elementen? Alles ist wirklich streng vorgegeben. Angesichts all der Erfahrung sowie dem Know-how von Mark Cerny kann dieses weitgehend lineare und sterile Erlebnis einfach nur ernüchtern. Knack ist die exklusive Enttäuschung zum Start der PlayStation 4.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Generisches Leveldesign, Spielwelt ohne Zauber, Technik ohne Power - Knack ist leider die exklusive Enttäuschung zum Start der PlayStation 4.
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