Im Test: Das erste gute Rennspiel für PS4?
Der erste Eindruck…
Da saß ich. Bei der PS4-Enthüllung in New York. Und als der erste Trailer zu DriveClub über die große Leinwand lief und laute Motorenklänge die Event-Location kurzzeitig in eine Rennstrecke verwandelten, konnte ich trotz meiner allgemeinen Begeisterung für schnelle Autos und spannende Überholmanöver nur mit dem Kopf schütteln. Rennen mit einem Fokus auf Teamsport – was soll das denn? Und wer braucht schon all dieses soziale Gedöns, Vernetzung und Clubs in einem Rennspiel, wo doch jeder Fahrer nur sein egoistisches Ziel verfolgt? Das Konzept des „Miteinander“ wollte einfach nicht in meine Racing-Schablone passen!
…zählt nicht viel!
Jetzt kann ich endgültig bestätigen, was sich beim Anspielen auf diversen Messen und nach einem Besuch bei den Evolution Studios bereits angedeutet hatte: Ich lag sowas von falsch! Denn entgegen meiner Befürchtung haben die Clubs dem Rennspiel nicht den kompetitiven Charakter geraubt, sondern ihn sogar bereichert. Tatsächlich bilden die unzähligen Spieler-Herausforderungen für asynchrone Duelle und das gemeinsame
Spam-Alarm!
Solo oder Club?
Generell wird zwischen Solo- und Club-Herausforderungen unterschieden. Selbsterklärend kommt es bei Ersteren auf die individuelle Leistung eines einzigen Fahrers an, während bei Letzteren die Zeiten jedes einzelnen der maximal sechs Club-Mitglieder zählen. So sollte es zumindest sein. Doch in der Praxis zeigt sich, dass schon ein einzelner Fahrer ausreicht, um allein bei Club-Events mit zu mischen. Und natürlich führt diese ärgerliche Tatsache den Gedanken hinter dem Team-Wettstreit ad absurdum. Hier fehlt einfach eine Art Filter, der festlegt, dass mindestens zwei Spieler eines Clubs für eine gültige Zeit an diesen Events teilnehmen müssen und die Durchschnittszeit gewertet wird. Das sollte eigentlich nicht so schwer sein, oder?! Zumal es Evolution schon geschafft hat: Bei meinem Studiobesuch zählte bei der Club-Herausforderung pro Team tatsächlich noch der Durchschnitt aller Rundenzeiten aufgeführt. Davon ist hier leider nichts mehr zu sehen. Zwar ließ sich das damalige System relativ leicht aushebeln, wenn die Club-Mitglieder alle persönlich befreundet sind und man den
Schön dagegen: Alle Teilnehmer starten unter identischen Voraussetzungen! Man kann sich also nicht durch Tuning einen Leistungsvorteil verschaffen, das Setup verändern oder einfach mit einem schnelleren Wagen an den Start gehen. Warum nicht? Weil das Auto im Rahmen der Spieler-Herausforderungen vorgegeben ist und es keine der anderen Optionen im Spiel gibt. Hier herrscht absolute Chancengleichheit für alle Teilnehmer, da jeder mit dem gleichen Material auf die Strecke geht. Was daher zählt, ist einzig und allein das fahrerische Können. Klar, dieser Umstand dürfte Schrauber-Freunde genauso enttäuschen wie Piloten, die sich mehr Feineinstellungen hinsichtlich der Fahrhilfen gewünscht haben. Denn auch hier herrscht bis auf die Wahl eines Automatikgetriebes Fehlanzeige und man muss mit den von den Entwicklern für jedes Auto festlegten Parametern hinsichtlich der Fahrphysik leben.
Zwischen Anspruch und Arcade
Echte Kopfschmerzen dürfte das versierten Rennfahrern nicht bereiten: Obwohl man dem Fahrverhalten gerade bei PS-starken Vertretern wie dem RUF RT12 R, einem Marussia B2 oder gar einem Hypercar wie dem Gumpert Apollo Enrages mit manuellem DRS und KERS einen gewissen Anspruch zugute halten muss, der einen gefühlvollen Umgang mit Gas und (Hand-)Bremse erfordert, liegt der Fokus stärker auf einem Arcade-Fahrmodell. So driftet man lässig und kontrolliert durch die Kurven, kann die Boliden erstaunlich gut durch Gegenlenken abfangen oder geht im Kampf gegen die aggressive KI ebenfalls entsprechend rabiat vor. Denn bis auf ein paar hässliche Kratzer im Lack oder ein paar Risse in den Scheiben muss man keine Schäden oder gar Auswirkungen auf das Fahrverhalten befürchten. Visuell ist das gebotene Schadensmodell folglich eine
Ja, die Fahrphysik ist recht zugänglich. Trotzdem dürfte sich der eine oder andere Anfänger spätestens in den höheren Klassen eine Unterstützung in Form von Traktions- und Stabilitätskontrolle herbeiwünschen. Oder zumindest eine interaktive Ideallinie, um Bremspunkte besser einschätzen zu können. Denn Boliden von Schlag eines Pagani Huayra im Zaum zu halten, ist auch unter den gebotenen Bedingungen nicht leicht…
Geskriptete Konkurrenz
Zudem sorgen die Gegner immer wieder für Frust: Im besten Fall kann man die KI als adaptiv bezeichnen, die spannende Rennen garantieren soll. Doch obwohl dadurch oft zu intensiven Auseinandersetzungen mit den anderen Fahrern kommt, wird zu schnell deutlich, dass hier ein simples Gummiband-Skript greift. Und das führt dazu, dass die Konkurrenz oft an seltsamen Abschnitten plötzlich in die Eisen steigt, die Führenden bei Rückstand mit angezogener Handbremse weiterfahren oder Verfolger wie aus dem Nichts mit einem Geschwindigkeitsrausch an mir vorbeiziehen, der weit über die üblichen Vorteile beim Windschattenfahren hinausgeht. Ich habe mir den Spaß erlaubt, mal eine Strecke halbwegs am Limit und auf Sieg zu fahren und im zweiten Durchgang unter gleichen Voraussetzung auf Bummelzug-Tempo umzuschalten. Ergebnis: Zwischen den KI-Zeiten auf dem A-B-Kurs lagen je nach meiner Herangehensweise etwa 20(!) Sekunden Zeitunterschied beim Zieleinlauf des Erstplatzierten – und das bei gleichem Schwierigkeitsgrad! Hatten die Entwickler nicht immer betont, es gebe keinen Gummiband-Effekt in DriveClub? Im Test sieht das Ergebnis leider ganz anders aus und so erweist sich vor allem die KI als einer der größten Kritikpunkte.
Dynamische Herausforderungen
Stars ohne Show
Zudem fällt negativ auf, dass die Entwickler nichts dafür tun, um die Karossen ordentlich in Szene zu setzen. Es muss ja nicht unbedingt die Luxus-Autoporno-Version im Stil eines ForzaVista geboten werden, doch ich hätte gerne mehr Möglichkeiten gehabt, die Flitzer im Detail zu betrachten. Doch leider erlaubt die Fahrzeugauswahl innerhalb der Garage nur einen manuellen Kameraschwenk ohne Zoom-Funktion. Interaktions-Möglichkeiten gibt es keine. Angesichts dessen, was die Mitbewerber mittlerweile bieten, ist das einfach zu wenig. Ein Fotomodus hätte sich z.B. prima angeboten, die Boliden wirkungsvoll in Szene zu setzen. Doch dieser fehlt hier genauso wie Wiederholungen nach absolvierten Rennen – beides Features, die im Rennspiel-Genre mittlerweile zum Standard gehören.
Nichts für Grafikdesigner
Ebenso enttäuschend präsentieren sich die Lackierungsoptionen: Schlimm genug, dass für jeden Wagen nur eine(!) unifarbene Standard-Werkslackierung angeboten wird. Noch schlimmer wiegt aber die Tatsache, dass man bei der Erstellung eigener Designs kreativ massiv eingeschränkt wird und mit vorgefertigten Mustern Vorlieb nehmen muss, deren Großteil es außerdem noch freizuschalten gilt. Es ist zwar schön, dass für das Club-Logo drei Schichten miteinander kombiniert, leicht skaliert und auch Farben angepasst werden dürfen. Doch zum einen harmonieren die gebotenen Mustergruppen nur selten gut miteinander und zum anderen wirkt ein Großteil von ihnen schlichtweg billig designt sowie austauschbar. Wenn ich daran denke, was talentierte Lackierer für großartige Kunstwerke mit den gebotenen Werkzeugen eines Forza Motorsport erschaffen, hat man hier eine gewaltige Chance vergeben. Wie gerne hätte ich z.B. unser 4P-Logo als Club-Lackierung erstellt anstatt auf 08/15-Grafiken ohne Aussagekraft zurückgreifen zu müssen...
Ohren auf!
Klar, so ein einfacher Golf GTI ist keine ultimative Rennmaschine. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass der begehrte Volkswagen klanglich sehr viel mehr hermacht als das, was hier geboten wird – und nicht hinsichtlich dessen, was man von außen wahrnimmt. Auch im Cockpit ertönt der reale Sportwagen aus Wolfsburg viel „böser“ und längst nicht so zahm wie im Spiel. Besser hören sich die stärkerer motorisierten Sportwagen an – allen voran die Ferraris, BMW-Modelle oder Hyper Cars. Doch auch hier vermisst man dieses kernige, besondere Etwas, das die Klänge eines Forza Motorsport so großartig macht. Es fällt mir zwar etwas schwer, den Unterschied in Worte zu fassen, aber die Motoren strahlen im Microsoft-Rennspiel viel stärker ihre Kraft aus, der Sound drückt förmlich aus den Boxen und bietet in den verschiedenen Drehzahlbereichen mehr klangliche Variation. Hinzu kommen weitere Kleinigkeiten wie die Tatsache, dass Evolution zwar gerne Fehlzündungen mit kleinen Flammen aus dem Auspuff grafisch inszeniert, diese aber viel zu selten auch klanglich mit dem typischen Krachen abbildet. Immerhin wirken sich aber Fahrten durch Tunnels auf die Motorensounds aus, obwohl man den Eindruck bekommt, als hätten die Sounddesigner hier einfach nur einen Standard-Hall-Filter über die Aufnahme gelegt. So vermisse ich auch hier mehr Variation. Wie gesagt: Bei PS-starken Flitzen wird durchaus was für die Ohren geboten, doch von einer neuen Referenz kann hier keine Rede sein.
Sehenswerte Schauplätze
Im Zusammenspiel mit dem sehenswerten Tag-/Nachtwechsel, der sich in Einzelrennen manuell mit einem Zeitraffer beeinflussen lässt, ergibt sich eine sehr stimmige Spielwelt, die zwar nicht die Freiheit eines Forza Horizon 2 bietet und bei all den Details eine Reduzierung der Bildrate auf überwiegend flüssige 30 Bilder pro Sekunde erfordert, aber im Gegenzug mit wünderschönen Landschaften und teils grandiosen Lichteffekten glänzt. Nur bei den Zuschauern am Streckenrand hat man gegeizt und so wirken die jubelnden Herrschaften doch arg klobig. Wer genau hinschaut, erkennt auf den vielen Wiesen oder am Horizont zudem auch das eine oder andere Pop-up und auch die Bildrate scheint sich manchmal am Limit zu bewegen. Was bisher noch fehlt, aber schon bald nachgereicht werden soll, ist das dynamische Wettersystem, das sich hoffentlich nicht negativ auf die Performance auswirkt.
Inkonsequentes Strafsystem
Viel Platz abseits der Piste gibt es nicht, da die Strecken von unzerstörbaren Banden und Zäunen recht eng eingepfercht werden. Kommt man von der Straße ab, greift außerdem schnell ein Countdown-System, das einen schnell wieder auf den rechten Pfad zurückbringt, falls man es nicht selbst innerhalb von drei Sekunden schaffen sollte. Trotzdem ergeben sich immer wieder kleine Möglichkeiten, Kurven zu schneiden oder anderweitige Abkürzungen zu nutzen. Doch Vorsicht: Die unsichtbaren Stewards haben den Spieler mehr oder weniger im Auge und greifen mit einer mehrsekündigen Motorbremse schon mal zu Strafmaßnahmen, wenn man sich einen zu großen Vorteil verschafft, andere Fahrzeuge als Bande missbraucht oder mit zu heftigen Rempeleien Unfälle verursacht. Finde ich prinzipiell gut. Auch, dass man für Kollisionen einen Punktabzug hinnehmen muss, geht für mich in Ordnung – auch wenn man bei der rempelfreudigen KI oft zu Unrecht bestraft wird. Das größte Problem ist jedoch die Unberechenbarkeit und Inkonsequenz des Strafsystems: Mal reagiert es schon bei einer kleinen Abweichung oder Berührung sehr penibel, während es an anderen Stellen bei deutlichen Abkürzungen
Direkte Duelle nur mit Vorgaben
Neben asynchronen Duellen werden selbstverständlich auch direkte Kämpfe um den Sieg angeboten. Dabei dürfen sich bis zu zwölf Fahrer in Team- oder Einzelrennen miteinander messen. Allerdings sind die Online-Veranstaltungen hier ähnlich vorgegeben wie innerhalb der Karriere. So warten lediglich vorgefertigte Spielelisten, die nach Schauplätzen aufgeteilt sind. Fahrzeugklassen und Strecken samt Bedingungen wie der Tageszeit oder Rundenzahl werden automatisch durchrotiert, manuelle Anpassungen oder gar Abstimmungen innerhalb der Lobbys sind folglich nicht erlaubt. Zwar darf man geschlossen als Club das Matchmaking nutzen, doch das Anlegen privater Sitzungen ist nicht gestattet – schwach! Zumindest ist die Online-Qualität sauber und ohne störende Lags, wenn die Verbindung zustande kommt und hält. Denn schon in unserem Testverlauf war der Netz-Betrieb von vielen Verbindungsabbrüchen und Ausfällen geplagt, mit denen Sony auch in diesem Moment zu kämpfen hat, denn offensichtlich reichen die gebotenen Server-Kapazitäten momenten hinten und vorne nicht aus.
Wie schön wäre es in solchen Momenten, sich alternativ packende Duelle am geteilten Bildschirm zu liefern. Aber wie so oft in letzter Zeit wird eine solche Option auch in diesem Rennspiel wieder nicht angeboten. Eine traurige Entwicklung, doch besteht auch hier die Hoffnung, dass diese Möglichkeit noch nachgereicht wird.
Fazit
Nein, das erhoffte Award-Rennspiel ist DriveClub trotz der langen Verschiebung nicht geworden. Dafür stören mich der knappe Umfang mit dem überschaubaren, auf Europa fixierten Fuhrpark, die wenigen Strecken und die „kontaktfreudige“ Gummiband-KI zu sehr. Und auch die Ausstattung lässt ohne Fotomodus oder Wiederholungen sowie den bescheidenen Lackierungsoptionen zu wünschen übrig. Die von Spielern erstellten asynchronen Herausforderungen als zentrale Säule des Konzepts sind dagegen extrem motivierend, auch wenn die Differenzierung zwischen Solo- und Club-Events scheinbar über den Haufen geworfen wurde und die automatische Benachrichtigungs-Penetration zunehmend an Spam erinnert. Trotzdem macht es Spaß, als Team oder allein unter gleichen Bedingungen um die Bestzeiten zu kämpfen und dabei zusätzlich dynamische Herausforderungen in Mini-Duellen zu meistern - mehr noch als in direkten Online-Kämpfen, in denen sich die Wahl- und Anpassungsmöglichkeiten in Grenzen halten. Sicher auch deshalb, weil die Fahrphysik trotz ihrem Hang zum Arcade-Modell und ohne optionale Hilfen einen gelungenen Kompromiss aus Anspruch und Zugänglichkeit darstellt. DriveClub ist damit der ideale Titel für Fahrer, die sich gerne in asynchronen Wettbewerben mit anderen Spielern messen wollen. Wer vornehmlich offline unterwegs sein will, dürfte nach dem Absolvieren der recht kurzen Karriere aber vermutlich schnell die Lust am weiteren Rasen verlieren. DriveClub lebt von der sozialen Vernetzung, der Konkurrenz zwischen den Clubs und dem unbändigen Verlangen, der Schnellste sein zu wollen!
Aktualisierung und Wertung vom 9. Oktober, 18 Uhr:
Schade um das Potenzial von DriveClub! Genau wie die meisten Kollegen haben auch wir den größten Teil unserer Testzeit vor dem offiziellen Release mit dem Spiel verbracht - und hier liefen die Server noch überwiegend stabil, so dass wir auch schon an zahlreichen Online-Herausforderungen teilnehmen, selbst eigene erstellen und auch in Online-Rennen loslegen konnten.
Aber pünktlich zum Start funktioniert das alles entweder gar nicht mehr oder nur noch sporadisch. Auch heute hatten wir den ganzen Tag über keine Chance, eine Verbindung zu den Servern herzustellen - gestern Abend ging es nur mit inhaltlichen Einschnitten, da man keinen Zugriff auf laufende Herausforderungen hatte. Das kann und darf nicht sein! Nicht bei einem so wichtigen Vollpreis-Titel. So kann die Mehrzahl der Spieler derzeit nur in der Offline-Karriere Gas geben.
Nach der kleinen Galgenfrist, die wir Sony und Evolution zum Lösen der Probleme gegeben haben, ist jetzt die Zeit für die Bewertung gekommen. Und hier zählt der sehr ernüchternde "Ist-Zustand". Man hätte alleine durch die Pläne der abgespeckten Plus-Variante wissen müssen, dass der Ansturm auf die Server entsprechend hoch ausfallen dürfte. Und dass Server bei den zahlreichen Anfragen und Einladungen (man kann immerhin problemlos mit einem Klick seine Events an 100 Leute schicken) entsprechend belastet werden, hätte man sich im Vorfeld ebenfalls denken können. Vor der Veröffentlichung und ohne diese Online-Probleme hätte DriveClub bei uns eine gute Wertung von 78% eingefahren. So sinkt die Wertung auf gerade noch ausreichende 50%.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Ein theoretisch gutes Arcade-Rennspiel, das vor allem dank der Community-Herausforderungen die Motivation aufrecht erhält. Praktisch aufgrund der massiven Verbindungsprobleme eine Enttäuschung.
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