The Order: 188619.02.2015, Jörg Luibl
The Order: 1886

Im Test: Blendende Ritter der Tafelrunde

Exklusiv auf PlayStation 4 kann man ab Freitag in die Haut von Sir Galahad schlüpfen. Allerdings nicht mit Schwert und Lanze, sondern mit Revolver und Luftschiffen. The Order: 1886 (ab 16,05€ bei kaufen) entführt in ein alternatives viktorianisches London, in dem die Ritter der Tafelrunde immer noch gegen die Feinde Englands kämpfen. Kann die Action überzeugen? Mehr dazu im Test.

Ein Hoch auf die Kostüme!

Ich kann mich gar nicht satt sehen an dieser Mode. Da sind die düsteren, elegant geschnittenen Uniformen, deren Leder und Stoffe man aus der Schultersicht fast fühlen kann, weil sowohl Nähte als auch Oberflächen so fein dargestellt werden. Da schimmern silberne Beschläge mit eingravierten Symbolen neben poliertem Elfenbein oder mattgrauen Schießeisen im diffusen Licht der Kamera – sieht das klasse aus!

The Order: 1886 entführt exklusiv auf PlayStation 4 in ein alternatives viktorianisches London.
Und in Bewegung tanzt Sir Galahads tiefschwarzer Schulterbesatz mit den königlichen Stickereien: Das rote Kreuz auf weißem Feld, das ihn im alternativen  Jahr 1886 als englischen Ritter kennzeichnet. Er gehört der legendären Tafelrunde an, die nicht mit Artus untergegangen ist, sondern wie eine geheime Spezialeinheit über Jahrhunderte hindurch gegen moderne sowie uralte Feinde des Königreichs kämpft: Rebellen hier, Werwölfe da.

Von der Gralslegende bis Jack the Ripper

Mit Bezügen zur Gralslegende über soziale Unruhen in London bis hin zu Horror und Steampunk wird eine interessante Ausgangslage voller Motive geschaffen. Sehr früh wird auch Jack the Ripper erwähnt, der gerade eine Frau nach der

Die Story macht neugierig: Die Ritter der Tafelrunde agieren wie eine Spezialeinheit zum Schutze Englands…
anderen tötet. Das ist zwar eine "elementare" Aufgabe für Sherlock Holmes und nicht für die Tafelrunde, aber die Regie lässt einen Schmelztiegel rund um den berüchtigten Bezirk Whitechapel bedrohlich dampfen. Wer zieht da die Fäden? Wie hängt das zusammen? Man ist neugierig, will sofort loslegen!

Als ich mit Sir Galahad, laut Sage der Sohn Lancelots, der als besonders edel, galant und rein gilt, über den verschachtelten Dächern Londons innehalte und über die Themse blicke, wo Schornsteine qualmen oder Luftschiffe wie Wale dahin gleiten, weckt dieser neo-viktorianische Schauplatz neben der Neugier auch die Entdeckerlust. Schnell wird jedoch klar: Für Erkunder einer mysteriösen Welt oder einer belebten Metropole ist dieses Abenteuer nicht gemacht – es geht um lineare Action, in der über acht Stunden von A nach B geschossen oder geschlichen wird.

Das neo-viktorianische Korsett

Ist das ein Kernproblem für das Spieldesign? Nein! Denn gerade ohne eine offene Welt, kann man packende Abenteuer inszenieren, die sich auf das Wesentliche konzentrieren und zumindest im Ansatz noch eine Freiheit suggerieren - siehe Dishonored, Styx, Uncharted oder The Last of Us. Aber Ready at Dawn schnürt nicht nur ein sehr enges Korsett mit seinem Leveldesign, sondern füllt es auch noch mit zu vielen halb automatisierten und teilweise sinnlosen Aktionen, so dass einem zu oft nicht vor Spannung, sondern vor Anspruchslosigkeit die Luft wegbleibt. Es tut richtig weh zu sehen, wie wenig Ready at Dawn spielerisch aus der hohen Produktionsqualität macht.

…was hat es mit Rebellen, Werwölfen & Jack the Ripper auf sich?
Ich habe nichts gegen Reaktionstests hier und Knöpfchen drücken da. Aber warum muss es so banal sein? Warum muss ich zig Mal eine blöde Kutsche mit Partner wegschieben? Warum drücke ich mich so oft durch Nischen? Warum darf ich nicht mal selbst entscheiden, welche Tür ich aufbreche und wo ich kurzschließe? Warum inszeniert ihr Klettern und Springen so simpel, dass selbst Assassin's Creed dagegen wie eSport wirkt? Lasst doch diese Pseudo-Akrobatik ganz weg! Und warum lasst ihr mich gefühlte hundert mal all diese Gegenstände untersuchen, ohne dass es was bringt? Selbst die ersten Resident Evil haben das besser genutzt!

Tolle Fundstücke, aber kein Sinn

Die Inszenierung ist filmreif: Tolle Schnitte, lebendige Mimik…
Es ist theoretisch eine tolle Idee, dass man Dosen, Puppen, Feuerzeuge, Statuen & Co direkt in der Hand drehen und begutachten kann – das fühlt sich fast an wie in The Room auf dem iPad. Briefe und Fotos kann man sogar auf Knopfdruck umdrehen, damit die Rückseite lesbar wird. Da findet man viele handschriftliche Notizen. Nur das Zoomen vermisst man bei den sehr kleinen Buchstaben. Aber was macht Ready at Dawn praktisch daraus? Nichts! Hier sind weder Rätsel noch geheime Mechaniken, wichtige Codes oder Namen verborgen, obwohl all dies durchaus in die konspirative Geschichte gepasst hätte. Stattdessen springt mal die Sicherung einer Waffe raus...

Warum bindet man die Fundstücke nicht zumindest erzählerisch so ein, dass Sir Galahad seine Gedanken dazu äußert und man mehr über die Spielwelt erfährt? Ja, manchmal sagt er was. Aber meist findet man einen Gegenstand, dreht

…und endlich mal keine dummen 90-60-90-Babes, sondern Frauen als starke Charaktere.
oder wendet ihn endlos und der Ritter bleibt stumm. Hier fühlt man sich regelrecht veräppelt. Und was bringt mir der Fotorealismus, wenn er keine Anbindung an das Spielgeschehen hat? So wirken viele Fundstücke wie überflüssige Fremdkörper. Das aktive Storytelling wird sogar nach draußen verlagert, also raus ins Menü - ein großer Fehler! Man kann einige Dosen mit Tonbandfunktion finden, die man sich dann außerhalb der Spielwelt anhören soll. Erstens: Das reißt mich natürlich aus der Szene, also aus dem Erlebnis. Zweitens: Das Anhören bringt mir was? Nichts! Warum kann man diese Anekdoten nicht einmal sinnvoll in die nächste Mission  oder Geschichte integrieren?

Das Tragische ist: Auf der einen Seite hält sich The Order so angenehm zurück in der Visualisierung. Hier wird man nicht von glitzerndem Sammelkram zugemüllt, hier sorgt die Regie nach der Action immer wieder für dezente Ruhephasen. Aber gerade diese werden dann nicht von nützlichen Entdeckungen für spätere Waffen, coolen Rätseln und nur ganz selten von sinnvollem Storytelling gefüllt, sondern von wirklich banalen Pseudoaktionen, die man gleich hätte weglassen können. Wie kann man eine dermaßen hohe Produktionsqualität auf der einen und so billiges Spieldesign auf der anderen Seite kombinieren? Ist Sony sich nicht bewusst, dass die Qualitätsunterschiede im Zeitalter von The Last of Us einfach offensichtlich sind? Denn das hier ist weder ein Fisch noch Fleisch, weder ein Filmspiel à la Heavy Rain mit Reaktionstests und Entscheidungen noch ein Actionfest mit rauchenden Colts. Es ist nichts Halbes und nichts Ganzes.

Ein Oscar für Ausstattung & Lokalisierung

Für die Kostüme hätte Ready at Dawn trotzdem einen Oscar verdient. Nicht nur aufwändige Ballkleider oder edle Anzüge, selbst einfache Hosen und leicht aufgebauschte Wollhemden schaue ich mir bei ganz langsam drehender Kamera genauer an, weil sie so realistisch wirken. Auch das viktorianische Interieur sowie die Architektur in den üppig ausstaffierten Sälen, den pompösen Hallen oder gediegenen Bibliotheken wirken so überzeugend, dass man diese bronzene Statue oder jene Flinte am liebsten mitnehmen würde.

Die Lokalisierung ist ausgezeichnet: Freut euch auf richtig gute deutsche Sprecher.
Hinzu kommt eine filmreife Inszenierung, die nicht nur mit lebendiger Mimik und Gestik sowie sehr gut geschnittenen Überleitungen vom passiven Zuschauen zum aktiven Spiel punktet, sondern auch mit einer der besten deutschen Lokalisierungen der letzten Jahre. Hier kann man sich ohne Fremdschämen alles auf Deutsch anhören, denn die Sprecher leisten hervorragende Schauspielarbeit – inklusive glaubwürdiger Emotionen. Auch das Frauenbild muss ich an dieser Stelle ausdrücklich loben: Die Ladys sind hier keine dümmlichen 90-60-90-Babes, sondern glaubwürdige Charaktere. Lediglich die Tonabmischung scheint an einigen Stellen nicht optimal, wenn plötzlich zu leise geredet wird.

Steampunk ohne Staunen

Das viktorianische London sieht klasse aus - vor allem Kleidung sowie Interieur bestechen mit vielen Details.
Aber je länger ich mit Sir Galahad unterwegs bin, desto mehr vermisse ich vor allem in den äußeren Arealen dieses Staunen, diesen „Sense of Wonder“, den ich als Steampunk-Freund z.B. in Dishonored finden konnte. Auch wenn Ready at Dawn selbst von "neo-viktorianisch" spricht und damit mehr Authentizität als Fiktionales inszenieren will, hätte man mehr anbieten können. Mal abgesehen davon, dass dieses London klaustrophobisch eng designt ist, wirkt es auch sehr gewöhnlich für eine alternative Zukunft. Das liegt nicht mal daran, dass einige Schauplätze in dieser Millionenmetropole wie ausgestorben wirken – selbst an den Docks ist niemand zu sehen.

Das liegt eher daran, dass es keine extravaganten Gefährte oder Gerätschaften wie etwa zweibeinige Wächter oder dampfbetriebene Kutschen gibt. Nur die pompösen Luftschiffe deuten an, dass es sich hier um ein anderes 19. Jahrhundert handelt. Ready at Dawn geht mit seiner historischen Normalität zu sehr auf Nummer sicher und verpasst es, abseits der Mode und Gegenstände auch die Faszination des Alltags in diesem fiktiven London einzufangen. Auch jene des Horrors wird nur über die Werwölfe und zumindest den Besuch einer Irrenanstalt bedient.

Die Erfindung des...Scharfschützengewehrs?

Ein Beispiel für verschenktes Potenzial ist auch das Labor von Nicola Tesla, wo es vor Elektrizität knistert, riesige kupferne Spulen sowie seltsame Apparate locken. Hier habe ich mit kuriosen Experimenten oder exotischen Waffen und magnetischen Werkzeugen in kleinen Vorführungen gerechnet, aber letztlich probiere ich neben einem kleinen Apparat zum Kurzschließen nur ein schnödes Scharfschützengewehr am Schießstand aus – Leute, das kann ich auch in Call of Duty haben! Überhaupt: Warum wird Tesla als Erfinder so verschenkt? Ich kann ihn nicht selbst besuchen, damit er etwas bastelt. Ich kann ihm zwischen den Kapiteln nichts Sinnvolles in eine Art Lager bringen, damit er vielleicht experimentiert.  

Die Level sind sehr klein, nur selten belebt und man vermisst echtes Steampunk-Flair. Seltsam: Es gibt keine Spiegelungen.
Hinzu kommen bei all dem Lob über die Technik auch Brüche in der famosen Kulisse. Ich hatte z.B. trotz Patch 1.01 einen schweren Bug, als Sir Galahad plötzlich durch alle Hindernisse gehen konnte, bis nur noch Schwarz zu sehen war - selbst nach neuem Laden des Quicksaves; hier half nur der komplette Neustart des Kapitels. Hinzu kommen Kleinigkeiten: Warum spiegelt sich der Ritter z.B. weder im Wasser noch in Spiegeln? Warum zerbirst Glas, Keramik oder Holz nur an ganz wenigen Stellen? Vor allem hinsichtlich der physikalischen Auswirkungen in den Gefechten wird man im Zeitalter von PlayStation 4 mit viel Texturstatik enttäuscht, denn da platzt und splittert kaum etwas. Selbst Brandspuren sind nicht an Oberflächen zu sehen, obwohl man direkt draufhält. Und das, obwohl man gefühlt so viele Projektile ausspuckt wie in Max Payne.

Schießen im Namen ihrer Majestät

Es geht linear von A nach B – man kann kaum mal etwas frei erkunden wie hier den Saal der Tafelrunde, darf nur an vorgegebenen Stellen Knöpfchen drücken.
Die Schussgefechte aus Schultersicht stehen im Mittelpunkt der Action: Man kann auf Knopfdruck in die volle Deckung gehen und dann blind oder gezielt feuern, während man geduckt weiter nach links oder rechts pirscht. Verharrt man in Deckung, heilt man sich automatisch; wird man niedergeschossen, kann man bei vernebelter Sicht noch etwas auf dem Boden liegend kriechen und mit etwas Glück einen Heiltrank nehmen. Leider flutscht die Steuerung nicht immer, vor allem der Übergang zum Sprint hakt. Shooterkenner sollten die Zielhilfe in den Optionen ausschalten und gleich den höchsten der drei Schwierigkeitsgrade angehen, wenn sie wirklich gefordert werden wollen.

All das hat inszeniert Ready at Dawn zwar auf einem soliden Niveau, aber ohne besondere Stärken hinsichtlich der KI, ohne kreative Impulse oder coole Gadgets. Es gibt Situationen, in denen man einen Meter vor dem Feind mit seiner Schrotflinte hinter einer Kiste in Sicherheit ist, weil der einfach nicht seitlich umrundet, um einen voll ins Visier zu nehmen – er hält stoisch aus schlechter Position drauf. Zu selten wird man clever flankiert, zu oft darf man einfach gemütlich in seiner Stellung verharren und weiter ballern. Um es kurz zu machen: Die KI bewegt sich deutlich unter dem Niveau eines Killzone oder The Last of Us.

Max Payne lässt grüßen

Trotzdem entstehen auch auf dem normalen Schwierigkeitsgrad sehr hitzige Schusswechsel, weil man in engen Arealen von Gegnerwellen ins Kreuzfeuer genommen wird, die auch teilweise gegen Kopfschüsse immune Helmträger ins Feld führen oder Granaten & Co werfen, denen man schnell ausweichen muss. Zurückwerfen? Geht nicht. Da hilft irgendwann nur die Bullet Time aka Schwarzsicht: Hat Sir Galahad diese Spezialfähigkeit aufgeladen, kann er mehrere Feinde bequem in Zeitlupe per Stick markieren und ausschalten. Die Action hat durchaus ihre unterhaltsamen Momente, aber so richtig Shooterfeuer will nicht lodern, weil man sich kaum kreativ bewegen oder abseits explosiver Fässer clever mit der Umgebung interagieren muss.

Man kann Gegenstände in der Hand genau untersuchen, sogar Briefe umdrehen, aber meist nichts Interessantes entdecken. Wozu soll man sich also alles ansehen?
Das liegt nicht nur daran, dass wie oben beschrieben kaum etwas fulminant zerstört wird, sondern auch an den sehr konventionellen Waffen, die von Pistolen über Gewehre bis hin zu Minenwerfern reichen. Zwar haben manche auch eine Sekundärfunktion, aber meist ballert man mit Projektilen. Warum würzt man die Action nicht mit mehr Steampunk-Flair? Das Einfallsreichste ist noch, dass man einen brennbaren Staub verschießen und dann entzünden kann oder dass man eine Art Elektroarmbrust auflädt.

Schwache Granaten und Nahkämpfe

Vor allem die Granaten sind enttäuschend: Rauch und Splitter – das war’s. Ich will

Die Deckungsaction unterhält solide mit hitzigen Gefechten, es gibt Zeitlupen und Takedowns. Aber fast nur gewöhnliche Waffen und zwei schnöde Granaten - Rauch und Splitter.
gar nicht von magnetischen Effekten, betäubender Munition, von flirrenden Schutzschilden oder summenden Markierungsbolzen oder mechanischen Greifhaken fabulieren, aber als Steampunkfan erwarte ich mehr als ein zig mal benutztes Weltkriegs-Arsenal. Auch der Nahkampf fühlt sich nicht wirklich wuchtig oder so herrlich  dynamisch an wie etwa in The Last of Us. Wenn ich in den Gegner renne, muss ich einfach rechtzeitig einen aufblinkenden Knopf für die automatische Attacke drücken. Ich kann aber nicht selbst aktiv mit dem Bajonett oder dem Kolben austeilen. Es blinkt nichts? Dann geht auch nichts, obwohl ich direkt neben einem Gegner stehe.

Auch nicht frei, aber besser werden immerhin  die Reaktionstests gegen besondere Feinde inszeniert. Man wird in sehr gut choreografierte Nahkämpfe gegen Bestien verwickelt, in denen man auf Knopfdruck ausweichen und selbst mit schnellen oder schweren Hiebe zustechen muss. Das sieht stellenweise klasse aus und wird von tollen Kameraperspektiven begleitet, aber läuft letztlich immer nach demselben Schema ab. Und das raubt auch dem Finale sehr viel Spannung.

Ich vermisse klassische Bosskämpfe, in denen ich auch mal freier mit Waffensystemen und Umgebung taktieren muss. Lediglich in den Szenen mit den Werwölfen muss man das Ausweichen und den Beschuss mal mehrmals hintereinander kombinieren, bevor ein Todesstich möglich ist. In The Order gibt es ansonsten keine Gefechte gegen riesige Kreaturen. Überhaupt ist die Gegnervielfalt bescheiden.

Schleichen light

Es gibt allerdings erstaunlich viele Schleichpassagen. Das freut mich natürlich als Thief-Fan, aber hier enttäuscht das Spieldesign auf ganzer Linie: Sir Galahad kann weder Lichtquellen löschen noch Gegner ablenken, er kann weder bewusst zwischen Knockout oder Tötung wählen noch Leichen wegschleppen, er muss weder auf diverse Alarmstufen reagieren noch über Gegenstände oder Fähigkeiten die Heimlichkeit fördern. Er kann auch keinerlei Ausrüstung für bessere Aktionen bei der Infiltration erspielen oder entdecken.

Es fehlt eine clevere KI und mehr Dynamik vom Fern- zum Nahkampf. Man vermisst physikalische Auswirkungen wie splitterndes Holz.
Nur an ganz bestimmten Stellen muss er in zwei sehr einfachen Minispielen mal einen Mechanismus oder ein Schloss knacken. Da verschwindet ein Schurke und schlägt die Tür zu? Der logische Weg wäre die Verfolgung? Ja, aber diese Tür darf man nicht öffnen - arghs! Und wenn man mal ran darf, läuft das immer ohne Zeitdruck oder negative Folgen. Denn selbst wenn man die beiden Kugeln nicht rechtzeitig trifft oder der hydraulische Dietrich zehnmal nicht einrastet, macht man einfach gemütlich einfach weiter. Auch hier verschenkt man Potenzial.

Brutale Kills ohne Ende

Was muss man dann eigentlich in den Schleichpassagen tun? Von hinten töten. Und es wirkt schon komisch, wenn gerade Sir Galahad, dieser galante Ritter, nicht etwa Monstern, sondern auch einfachen Wachen wie ein Berserker seinen Langdolch mit einem Sprung von der Seite in den Hals rammt. Die Frage der Unschuld oder

In den Schleichpassagen geht es nur um hinterhältige brutale Attacken, die teilweise bizarre Situationen erschaffen und nicht zu Sir Galahad passen.
der Moral wird sogar in Dialogen hier und da thematisiert, aber sehr unbefriedigend beantwortet. Sein extrem brutales Verhalten wirkt sogar komplett unglaubwürdig, wenn er selbst dutzende Rebellen killt und danach entsetzt ein Massaker kommentiert. Warum kann ich nicht selbst den Knockout wählen? Zumal diese Art der akrobatischen Messerattacke viel zu laut ist. Aber die KI patrouilliert natürlich meist so, dass sie nicht auf die Leichen trifft...Leute, warum kann ich dann nicht gleich alles wegballern? Hier fühlt man sich einfach veräppelt.

Ein zweischneidiges Schwert ist auch die Ausführung dieser Schleichtötungen: Einerseits ist es gut, dass über einen kleinen Reaktionstest zumindest etwas Anspruch in diese hinterhältigen Attacken kommt – ich darf nicht einfach einen Knopf drücken, sondern muss abwarten, bis sich das Dreiecks-Symbol füllt. Bin ich zu früh, dreht sich die Wache um und erschießt mich. Das ist in Ordnung, aber wird manchmal ad absurdum geführt, wenn ich zu lange warte: Dann führe ich keinen Messerstich aus, stehe aber direkt vor der Wache, die mich anschaut und noch keine Waffe gezogen hat. Und nun? Statt dass ich in diesen Momenten schubsen oder zumindest selbst etwas tun kann, passiert ein paar Sekunden nichts, bevor sie mich endlich erschießt. Das sind Brüche im Spieldesign.

Die modernen Ritter der Tafelrunde

Ein paar Tonprobleme und ein schwerer Bug trüben die ansonsten professionelle Präsentation.
Obwohl die polierte Oberfläche von The Order immer wieder die erzählerische und experimentelle Neugier weckt, wird sie zu selten befriedigt.  Und sie nutzt weder das Horrorpotenzial noch den so reichhaltigen Schatz der Artuslegenden aus. Selbst die Vergangenheit oder zumindest ritterlichen Bezüge des Protagonisten wie seine Herkunft als Sohn des Lancelot, das ihm eigene Symbol des Einhorns oder die walisischen Wurzeln seines Namens werden nicht eingesetzt, um zumindest die Neugier auf die Sage dahinter zu wecken.

Das muss The Order auch nicht. Aber es hätte sich an so vielen Stellen angeboten, um die Geschichte geheimnisvoller zu würzen und das Interesse am Charakter zu stärken. Stattdessen reduziert sich der Plot auf eine vorhersehbare Intrige, bevor einen das Abenteuer nach acht Stunden in einem wirklich schwachen Finale vollkommen unbefriedigt zurücklässt. Dieses Abenteuer fühlt sich so unfertig an, dass man Download-Content oder einen zweiten Teil gleich ankündigen sollte.

Fazit

Was für ein verschenktes Potenzial! The Order: 1886 begeistert mit seiner fantastischen viktorianischen Kostümierung, der filmreifen Inszenierung sowie der sehr guten deutschen Lokalisierung. Die Story macht mit drei Motiven zunächst neugierig, Dialoge und Figuren wirken glaubwürdig und die Frauendarstellung weicht mit starken Charakteren angenehm von kitschigen Stereotypen ab. Leider kann das Spieldesign nicht mit der hohen Produktionsqualität mithalten. Den Rittern der Tafelrunde geht nach einem guten Einstieg mit jeder weiteren Stunde die Luft aus. Alles abseits der Filme ist gewöhnlich: Die Areale sehen toll aus, aber sind eng, unbelebt sowie streng linear - in den so wichtigen Ruhephasen drückt man banal Knöpfchen, springt fast automatisch oder untersucht sinnlos Gegenstände. Die Deckungsgefechte sind okay, aber nicht wuchtig genug, die Waffen zu konventionell und die KI stellenweise blind. Die öden Schleichpassagen verlangen keinerlei Cleverness, sondern brutale Kills, die nicht zu Sir Galahad passen wollen. Es gibt weder kreative Rätsel noch Steampunk-Staunen oder taktisch fordernde Bosskämpfe, sondern zu viele simple Reaktionstests. Ready at Dawn zitiert zwar an einigen Stellen exklusive Abenteuer wie Uncharted oder The Last of Us. Aber diese ernüchternde Action ist Welten entfernt von der Qualität à la Naughty Dog. Und das Ganze fühlt sich nach dem schwachen Finale so unfertig an, dass DLC oder der zweite Teil nur eine Frage der Zeit sind.

Pro

interessantes neo-viktorianisches Szenario
Story macht neugierig (Artussage, Horror, Rebellion)
fantastische Kleidung, tolle Architektur
solide Deckungsgefechte
Regie wechselt gut zwischen Action und Ruhe
filmreife Inszenierung, gute Schnitte & Übergänge
sehr lebendige Mimik und Gestik
hervorragende deutsche Lokalisierung
gute und angenehm natürliche Dialoge
Frauen als glaubwürdige und starke Charaktere
tolle Nahkampf-Choreografien
kein überflüssiger Sammelwahn
drei Schwierigkeitsgrade, Zielhilfe abstellbar

Kontra

unheimlich schwaches Finale
Story lässt viel Potenzial liegen, unlogische Stellen
wo sind coole Gadgets? wo ist Steampunk-Staunen?
streng lineares Leveldesign
hakeliger Übergang von Nah
und Fernkampf
nur Pseudo-Akrobatik ohne Anspruch
KI mit dämlichen Aussetzern
brutale Messerattacken passen nicht zu Galahad
nur Stealth light statt cleverer Infiltration
immer wieder banales Knöpfchendrücken (Kutschen..)
sinnlose Untersuchung von Gegenständen
Scheitern beim Knacken/Kurzschließen ist egal
fast nur konventionelle Waffen, zwei 08/15-Granaten
kaum physikalische Effekte (Splittern, Einschüsse etc.)
Reaktionstests statt anspruchsvoller Bosskämpfe
wenig Gegnervielfalt, kaum Übernatürliches
Tonbänder im Menü anhören reißt aus Erlebnis
keine Rätsel, kein Waffenlabor, keine Investigation
ein schwerer Bug (Figur geht durch Hindernisse)
keine Spiegelungen in Wasser/Spiegel
kein Wiederspielwert, kein Multiplayer

Wertung

PlayStation4

The Order sieht klasse aus und wird filmreif inszeniert. Aber das lineare, oftmals banale Spieldesign ernüchtert in den Gefechten, beim Schleichen und sinnlosen Interagieren. Schade um das Potenzial!

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Kommentare

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TheoFleury

Ziemlich genau exakt sechs Jahre nach meinem damaligen Durchspielen gestern wieder in der Konsole gehabt. Brauchte nach 70h Days Gone und 146h AC Valhalla mal wieder was Kurzes :)
An die Story konnte ich mich nach den sechs Jahren gar nicht oder nur bruchstückhaft erinnern, insofern war es für mich fast "neu". Ich muss sagen, dass ich den Titel damals wesentlich negativer in Erinnerung hatte - vlt. dachte man da aber damals - wenn man gerade 60 EUR dafür gelatzt hatte und nach einem Tag durch war - auch anders drüber :lol:
Für zwei Abende Hirne-aus-Popcorn-Kino ist der Titel jetzt meiner Meinung nach auch nicht schlechter als die jährliche CoD Kampagne oder andere cineastische Single-Player-Kampagnen. Zu schade, dass die Marke wohl verbrannt ist, das Setting hätte noch sehr viel Potential gehabt!
Cineastische AAA Single-Player-Kampagne ;) Oh Mann wie ich wieder mal Lust hätte auf ein nicht sehr ausgelutschtes Setting mit strikter Story ohne Open World, ohne größer , weiter, schneller , DLC's , Multiplayer, Erweiterungen, Patches, Hotfixes etc. :mrgreen:

Doch doch , im nachhinein war "The Order" recht interessant und ich hätte gewünscht man bastelt an einem zweiten Teil der die (Gameplay) Schwächen ausmerzt und das ganze Storytechnisch weiterentwickelt.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren

vor 3 Jahren
Temeter 

Ich weiß ehrlich gesagt nicht warum er nicht erfolgreich war. Vielleicht weil er nichts hatte womit man hausieren konnte, wie Joker (also Einzelstücke über die viele schwärmten). Er war durch und durch ein sehr guter Film aber für Mundpropaganda evtl ohne einen selling point. Ka, nur eine Vermutung. Es macht mir aber super Hoffnung auf dune. Gleicher Regisseur (hat ja auch prisoners gemacht, also guter Mann), ich bin sehr gespannt :)

Gravity hatte übrigens diesen selling point. Fand den aber auch ziemlich schwach, da gefiel mir interstellar um Welten besser (wortspiele dürfen behalten werden :) )
Blade Runner 2049 hat auch das Problem, dass es Blade Runner ist. Kultfilm sicher, aber nicht gerade Star Wars in Sachen Popularität. Und ist ja nicht so, dass nicht nur dem Film der Aufhänger fehlt; selbst die Geschichte des Films ist praktisch Bruchteil einer größeren Geschichte, die nach einem Nachfolger schreit.

Beides ist nicht unbedingt eine Formel für Erfolg.

Allerdings schön zu hören, dass er nun Dune macht.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
CritsJumper

Also woran lag es wirklich? Auch wenn das Original (The Final Cut) besser ist meiner Meinung nach war die Neuverfilmung doch überraschend gut. Generell gab es doch kaum negatives Feedback?
Sehr schade, ich fand den BladeRunner2049 auch recht gut, wenn auch nicht so gut wie das Original.

Ein Problem sind glaube ich die Blasen in denen sich alle befinden. Da gibt es kein Aktuelles Thema mehr welches einen großteil der Menschen bewegt und ins gemeinschaftliche Träumen versetzt.

Mondlandung
Eroberung des Weltraums
Zukunftsvisionen
Aliens
....
Zombies
Vampire
Zauberer (Harry Potter)

....

In unserer Zeit kommt zwar auch alles immer wieder, und es hat auch sein Publikum, aber die Blasen sind nicht mehr so groß dafür Teilweise Zeitversetzt und dann fehlt oft die Vorfreude und Erwartungshaltung. Wie jetzt auch zum Beispiel für ein Halfe Life 3, ein VR-Titel oder Last of Us 2.

Je länger es dauert umso wahrscheinlicher ist es das echte Fans den Release verpassen weil sie mit etwas anderem Beschäftigt sind und dann auch nicht in Stimmung wenn der Release da ist.

Gleichzeitig ist das Überangebot so groß, das eine Tolle Serie an einem vorbei gehen kann weil man den entsprechenden Streaming-Dienst nicht nutzt.

Es ist alles heißer umkämpft und wenn man nicht aktiv auf eine Fortsetzung wartet und die Entwicklung verfolgt kann man sie halt auch verpassen.

Achso was ich noch vergessen hab:
Bladerunenr wurde ja in vielen Facetten aufgegriffen, von I Robot, Westworld (HBO), Detroid... aber wirklich gut und ein wenig schmutzig Umgesetzt halt nur von R. Scott. Da sieht man aber auch sehr gut den Zeitgeist. Den fand ich schon toll von 2049 eingefangen. Ist aber in etwa so wie bei den Terminator Filme, die hatten bei Teil 2, nicht so gute Computer - aber das Verleiht dem Film eine schöne raue Oberfläche!

@Raskir
Ja Interstellar war toll! Aber auch Gravity hat mir sehr gut gefallen. Bei Serien "The Expanse" war auch klasse! Gravity hatte unheimlich schöne Bilder und einen realistischen Anstrich, das gibt es bei Filmen leider zu selten.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
Raskir

Bladerunner hat sein Geld leider nicht eingespielt. Er hätte rund 350-400 mio machen müssen für break even, davon war er recht weit weg. Guter Film aber ein Verlustgeschäft.
+++

An der Qualität konnte es nicht liegen. An zuwenig Marketing ebenso, immerhin hat sich Blade Runner (Zwar nicht bei Release, aber dann über die Jahre hinweg) von Ridley Scott zum Klassiker entwickelt der jedem, der sich für SCi-FI Filme interessiert und ins Kino geht, geläufig sein sollte (ja eigentlich MUSS!), auch wenn man ihn nicht mal gesehen hat.

Also woran lag es wirklich? Auch wenn das Original (The Final Cut) besser ist meiner Meinung nach war die Neuverfilmung doch überraschend gut. Generell gab es doch kaum negatives Feedback? Ist das Kinopublikum , selbst im aktuellen Informationszeitalter, so auf Oberflächlichkeit gebürstet und schlechten Action Sequenzen mit super schnellem Schnitt das man ja nicht mehr viel nachdenken muss!? Muss so sein, nicht umsonst waren ZB. Gravity usw. erfolrgreicher trotz der offensichtlichen Banalität....Während eine gute Neuverfilmung von BLADE RUNNER ein Verlust war.....Ziemlich lasche Sache ;)
Ich weiß ehrlich gesagt nicht warum er nicht erfolgreich war. Vielleicht weil er nichts hatte womit man hausieren konnte, wie Joker (also Einzelstücke über die viele schwärmten). Er war durch und durch ein sehr guter Film aber für Mundpropaganda evtl ohne einen selling point. Ka, nur eine Vermutung. Es macht mir aber super Hoffnung auf dune. Gleicher Regisseur (hat ja auch prisoners gemacht, also guter Mann), ich bin sehr gespannt :)

Gravity hatte übrigens diesen selling point. Fand den aber auch ziemlich schwach, da gefiel mir interstellar um Welten besser (wortspiele dürfen behalten werden :) )

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren
SethSteiner

Bladerunner hat sein Geld leider nicht eingespielt. Er hätte rund 350-400 mio machen müssen für break even, davon war er recht weit weg. Guter Film aber ein Verlustgeschäft.
Ach mist. Ich hatte jetzt nur auf Wiki geschaut, da standen 180m Budget.
Laut Boxofficemojo lag das Budget bei 150 Millionen. Eingespielt hat er 260 Millionen, tatsächlich bei weitem nicht genug - leider.

vor 4 Jahren
TheoFleury

Bladerunner hat sein Geld leider nicht eingespielt. Er hätte rund 350-400 mio machen müssen für break even, davon war er recht weit weg. Guter Film aber ein Verlustgeschäft.
+++

An der Qualität konnte es nicht liegen. An zuwenig Marketing ebenso, immerhin hat sich Blade Runner (Zwar nicht bei Release, aber dann über die Jahre hinweg) von Ridley Scott zum Klassiker entwickelt der jedem, der sich für SCi-FI Filme interessiert und ins Kino geht, geläufig sein sollte (ja eigentlich MUSS!), auch wenn man ihn nicht mal gesehen hat.

Also woran lag es wirklich? Auch wenn das Original (The Final Cut) besser ist meiner Meinung nach war die Neuverfilmung doch überraschend gut. Generell gab es doch kaum negatives Feedback? Ist das Kinopublikum , selbst im aktuellen Informationszeitalter, so auf Oberflächlichkeit gebürstet und schlechten Action Sequenzen mit super schnellem Schnitt das man ja nicht mehr viel nachdenken muss!? Muss so sein, nicht umsonst waren ZB. Gravity usw. erfolrgreicher trotz der offensichtlichen Banalität....Während eine gute Neuverfilmung von BLADE RUNNER ein Verlust war.....Ziemlich lasche Sache ;)

vor 4 Jahren
Temeter 

Manchmal kann man es nur schwer vergleichen. Joker hat mit Sicherheit enorm vom Medienrummel und Hörensagen profitiert, bzw. Leute ins Kino gelockt, die durch diverse Schlagzeilen aufmerksam wurden. An sich war es trotz "Superhelden" Vorlage kein typischer Milliardenseller. Natürlich ist dessen Erfolg, genau so wie die Star Wars Enttäuschung komplett okay. Da hat selbst mich das Publikum positiv überrascht. :-)
IMO ist die Frage, wann das Publikum von dem dummen Zeugs gelangweilt ist. Oder ob^^

Naja, in der Zwischenzeit gibts über die digitalen Wege noch genug Material.
Bladerunner hat sein Geld leider nicht eingespielt. Er hätte rund 350-400 mio machen müssen für break even, davon war er recht weit weg. Guter Film aber ein Verlustgeschäft.
Ach mist. Ich hatte jetzt nur auf Wiki geschaut, da standen 180m Budget.

Zuletzt bearbeitet vor 4 Jahren

vor 4 Jahren