The Witch and the Hundred Knight02.03.2016, Jens Bischoff

Im Test: Wiedererweckte Anime-Hexe

Knapp zwei Jahre nach dem PS3-Debüt veröffentlicht NIS America das Action-Rollenspiel The Witch and the Hundred Knight (ab 14,99€ bei kaufen) als Revival Edition für die PS4. Was angehende Hexenhandlanger in den überarbeiteten Anime-Sümpfen erwartet, klärt der Test.

Ritterliche Hundertschaft als Knirps erwacht

Als Spieler wird man von der ausgestoßenen Sumpfhexe Metallia in die Fantasywelt Medea gerufen, um der verhassten Hexenkonkurrenz - allen voran der gutherzigen Waldhexe - den Garaus zu machen. Kein leichter Job für einen winzigen Dämonenritter, der sich anfangs kaum zur Wehr setzen oder artikulieren kann. Aber unter Metallias schonungslosen Fittichen lernt er nicht nur zu folgen, sondern auch stärker und stärker zu werden.

Schon bald macht der trotz unerhörten Widersprüchen Hundred Knight getaufte Handlanger seinem Namen immer mehr Ehre und kämpft mindestens wie eine Handvoll seiner Sorte. Zumindest kann er bis zu fünf Waffen gleichzeitig führen und deren Angriffe zu mächtigen Kombos verketten. Die Waffenvielfalt ist auch wichtig, da seine Gegner teils extreme Resistenzen gegen bestimmte Waffengattungen an den Tag legen und nur durch passend geartete Angriffe überhaupt Schaden erleiden.

Augen auf bei der Waffenwahl

Da es mit Klingen-, Stumpf- und Magiewaffen lediglich drei generelle Schadensarten gibt, fällt es zwar nicht schwer universell taugliche Waffensets zusammenzustellen.

Grafik und Steuerung wurden leicht überarbeitet. Der Wechsel zwischen verschiedenen Waffenanordnungen, zum Anbringen möglichst effektiver Kombos, fällt nun noch einfacher.
Je nach Waffenanordnung, kann man unterschiedlich effektive Kombos anbringen. Effektiver ist's allerdings, sein Arsenal je nach Einsatzort und Situation anzupassen - vor allem bei Bosskämpfen. Darüber hinaus gilt es aber auch besonders vorteilhafte Waffenfolgen, Angriffsreichweiten und -geschwindigkeiten, statusbeinträchtigende Wirkungen sowie Seltenheitsstufen zu berücksichtigen.

So lässt sich die Stärke aller Waffen durch Gebrauch steigern und je seltener eine Waffe ist, um so größer ist deren Entwicklungspotenzial. Neuerdings sind zudem auch alchemistische Sofort-Veredelungen möglich. Dadurch bastelt und experimentiert man immer wieder an seiner auch defensive Accessoires umfassenden Ausrüstung herum. Auf den Raubzüge durch feindliche Hexenlande findet man jedenfalls haufenweise herrenloses Kriegsgerät. Allerdings kann man sich unterwegs voll und ganz aufs Kämpfen konzentrieren, da sämtliche Beutestücke erst einmal von Hundred Knight verschlungen und in seinem Magen gelagert werden.

Unverdaute Kostbarkeiten

Erst nach erfolgreicher Rückkehr zur Sumpfbasis hat man Zugriff auf die erbeuteten Schätze. Auch gesammelte Erfahrung wird erst dann verrechnet, was einen gewissen Rogue-like-Charakter hat. Erfahrung sammelt allerdings nicht Hundred Knight selbst, sondern nur dessen Ausrüstung - vor allem seine Helme, von denen man bis zu zwei mit in die nächste Schlacht nehmen und jederzeit zwischen ihnen wechseln kann. So kann man je nach bevorstehender Mission bestimmte Aspekte stärken oder Sonderfähigkeiten aktivieren.

Doch auch Hundred Knights Magen kann sich weiterentwickeln und durch den Verzehr besonderer Steine immer größer werden. Zudem kann man bei Platzmangel ungewollte Beutestücke für einen bestimmten Obolus pauschal zersetzen oder dezidiert erbrechen lassen. Zudem verbraucht jede Aktion, selbst das automatische Kartografieren erstmals besuchter Gebiete, Kalorien. Ist deren Vorrat erschöpft, muss die Lebensenergie herhalten bis man ohnmächtig zusammenbricht und beutelos von Despotin Metallia zurückgeholt wird - und das will man ganz bestimmt nicht...

Kalorienreiche Kost

Um verbrauchte Kalorien wieder aufzustocken, kann man einfach angeschlagene Gegner verspeisen. Zur Energiegewinnung, kann man Dörflern das Essen klauen oder geschwächte Gegner fressen.

Im neu errichteten Tower of Illusion darf man sich vorübergehend in ein Abbild Metallias verwandeln und deren brachiale Zauberkräfte nutzen.
Die liegen einem anschließend jedoch schwer im Magen und kosten wertvolle Beuteplätze, während Kalorien spendender Proviant ohne einschränkende Nebenwirkungen nur begrenzt zur Verfügung steht. Durch das Zerstören spezieller Säulen, die auch als Wegpunkte für schnelle Ortswechsel dienen, kann man seinen Aufenthalt im Feindesland allerdings auch hinauszögern.

Im Kampf verdiente Punkte lassen sich hier nämlich nicht nur in temporäre Boosts bestimmter Charakterwerte, sondern auch in Beuteboni und Kalorien investieren. Mit etwas Glück kommt man hin und wieder auch an kleinen Dörfern oder anderen Siedlungen vorbei, wo man nicht nur Handel treiben, sondern auch Raubzüge veranstalten kann. Einmal erfolgreich eingeschüchterte Dörfler bringen einen bei weiteren Besuchen dann sogar freiwillig Opfer

Interessant ist auch, dass die Gefühlslage möglicher Angriffsziele und Gesprächspartner visualisiert wird. Zuneigung kann durch aggressive Taten jedoch schnell in Angst oder Wut umschlagen, wobei die Reaktionen ganz unterschiedlich verlaufen. Zudem kann man leicht reizbare Zeitgenossen auch gegeneinander in Kämpfe verwickeln. Bei besonders dicken Brocken lässt sich auch die Anspannung des Gegenübers ablesen, so dass man gewisse Angriffe vorhersehen und rechtzeitig reagieren kann. Auf Raubzügen in den neu für die Revival Edition errichteten Tower of Illusion darf man sich sogar kurzzeitig in ein Abbild seiner Gebieterin verwandeln und deren verheerende Zauberkräfte nutzen.

Unverzichtbare Rückendeckung

Die generelle Übersicht lässt hingegen nach wie vor zu wünschen übrig - vor allem in stark bewaldeten oder bebauten Gebieten ist die Sicht auf das in Echtzeit ablaufende Kampfgeschehen oft recht eingeschränkt. Selbst versteckte Fallen, vergrabene Schätze oder andere Interaktionsmöglichkeiten kann man da schnell übersehen. In brenzligen Situationen kann man allerdings auch kleine Helfer, so genannte Tochkas, beschwören. Die unterstützen einen nicht nur im Kampf, sondern sind auch beim Bewältigen von Hindernissen teils unverzichtbar.

So gibt es Tochkas, die sich auf entfernte Schalter werfen oder vor brüchigem Gestein in die Luft jagen lassen. Aber auch klassische Schalter- und Druckplattenaufgaben müssen bewältigt, Portale geöffnet, luftige Schmetterlingsstraßen genutzt, Höhenunterschiede überwunden werden.

Im Tower of Illusion erbeutete Ausrüstung lässt sich anschließend per Alchemie verstärken.
Wer sich gegen Hexe Metallia stellt, muss alle möglichen Erniedrigungen ertragen. Der Humor kommt dabei ebenfalls nicht zu kurz. Die eigene Spielfigur kann zwar lediglich zustimmend nicken, fragend blicken, verneinend den Kopf schütteln oder provokant schweigen lassen, aber auch das kann meist schon ausreichen, um Metallia in Rage zu versetzen.

Auch andere bekommen regelmäßig ihren nach wie vor wahlweise auf Englisch oder Japanisch tosenden Zorn und Spott zu spüren. Durchgehende Sprachausgabe gibt es allerdings auch auf der PS4 ebenso wenig wie deutsche Untertitel. Hinzu kommen einige spielerische und erzählerische Längen. Bereits der Einstieg gestaltet sich eher zäh und unspektakulär. Auch sonst reißt die im Anime-Stil servierte Hexenjagd trotz verbesserter Auflösung, Bildrate und Darstellung technisch keine Bäume aus. Allerdings bin ich schon froh, dass die vehementen Unschärfeeffekte des PS3-Originals inzwischen auf ein erträgliches Maß zurückgeschraubt wurden.

Fazit

The Witch and the Hundred Knight bietet auch auf der PS4 gute Rollenspielunterhaltung für Hack'n'Slay-Fans mit einem Faible für derb-düstere Anime-Fantasy. Vor allem die Inszenierung punktet nach wie vor mit Biss und Charme. Technik, Steuerung und Menüführung wurden für die Neuauflage nur leicht, aber sinnvoll überarbeitet. Am interessantesten dürfte aber der extra für die Revival Edition errichtete Turm der Illusionen sein, zu dem man sich bereits früh Zugang verschaffen kann, um darin Stock für Stock zusätzliche Ausrüstung zu erbeuten - inklusive alchemistischer Upgrades und kurzzeitiger Verwandlungen in Hexe Metallia höchstselbst. Ansonsten bastelt man mit bis zu fünf parallel geführten Waffen immer wieder neue Kombos, während man mit Kalorien und Magenplatz haushalten, stärkende Helmvisiere wechseln sowie gegnerische Anspannungen und Gefühlslagen im Auge behalten muss. Als dämonischer Hexenhandlanger hat man jedenfalls eine ganze Reihe ebenso ungewöhnlicher wie interessanter Dinge zu tun, die auch über das eigentliche Jagen, Sammeln und Hindernisbewältigen hinaus bei Laune halten. Mit der Zeit stellt sich zwar eine gewisse Routine ein, doch das tragische Schicksal des kleinen Dämonenritters lockt einen immer wieder in die sumpfige Märchenwelt zurück.

Pro

humorvolle Inszenierung
motivierende Charakterpflege
solide Sammel- & Erkundungsreize
interessantes Kombo- & Ausdauersystem
zusätzliche Spielinhalte

Kontra

mitunter zäher Spielverlauf
eher mäßige Technik
nicht lokalisiert

Wertung

PlayStation4

Mit zusätzlichen Inhalten garniertes Action-Rollenspiel vor düsterer Märchenkulisse.

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