Im Test: Zwischen Mensch und Maschine
"Warum? Ich war so glücklich."
Als ich den Stecker ziehe, kreischt die Maschine. Kurz bevor ihre Lichter ausgehen, fragt sie: "Warum? Ich war so glücklich." Als ob die düsteren Flure nicht reichen würden, schleicht sich jetzt auch noch das schlechte Gewissen an. Habe ich gerade etwa einen Menschen getötet? Das kann nicht sein! Schließlich sieht diese Kreatur mit all den Kabeln, Dioden und Metallteilen doch aus wie ein bizarrer Roboter. Aber warum hat er dann wie ein Mensch gesprochen? Und scheinbar auch gefühlt?
Die freie Wahl hat man hier leider nicht. Es gibt in diesen Dialogen kein Multiple-Choice, sondern automatische lineare Gespräche. Auch wenn SOMA das eigene Schauspiel sowie Handeln nicht zulässt, es also keine unterschiedlichen Konsequenzen gibt, ist das Abenteuer in diesen Momenten mit den hilflos
Schockieren und philosophieren
Ich werde an dieser Stelle keine Antworten geben, aber Frictional Games hat welche parat, lässt also nichts im Diffusen wabern und erzählt eine sehr interessante Geschichte mit klaren Ursachen und Wirkungen auf mehreren Ebenen: Es gibt Notizen, Dialoge, E-Mails, Audiologs und Datenbanken. Die englische Sprachausgabe ist gut, dazu gibt es sauber übersetzte deutsche Untertitel. Man fühlt sich fast ein wenig an Deus Ex erinnert, wenn man in Computern stöbert und versucht, das Puzzle um einen herum zu ordnen. Man wird nicht nur zum Nachdenken angeregt, weil es um die Frage der Menschlichkeit geht, es gibt
Im Einstieg wird man noch behutsam von der Story geködert, als das Leben des kanadischen Protagonisten Simon erste tragische Narben offenbart. Während man sein Apartment in Egosicht untersucht, sich darüber freut, dass man Bücher und Zettel komplett drehen und vielleicht Notizen finden kann, wird klar, dass er einen Autounfall hatte. Seitdem hat er einige Probleme und will sich einem harmlosen Gehirnexperiment unterziehen. Danach lässt die Regie das Unheimliche langsam einsickern, obwohl man spielerisch im Einstieg kaum etwas tun kann: Man fährt mit der U-Bahn ganz gewöhnlich zu diesem Termin, telefoniert noch mit einem Kumpel, kommt aber an einem seltsam verlassenen Büro an, muss eine Tür per Code öffnen, findet aber letztlich diesen Wissenschaftler, setzt sich in den Stuhl - und dann geht etwas gewaltig schief.
Klassische Schockmomente
Als Simon aufwacht, befindet er sich scheinbar nicht mehr in dem Büro. Ist er überhaupt noch in der Gegenwart? Wie benommen wandert man durch eine futuristisch anmutende, aber verlassen wirkende Anlage. Wem gehören all die Anzüge? Was sind das für ausrangierte Maschinen an Haken? Was tropft da pechschwarz von der Decke? Man kann sich in Egosicht bewegen, ducken und damit schleichen, ab und zu durch Tunnel kriechen, rennen oder Gegenstände aufnehmen, um sie auf Scheiben zu werfen - so gelangt man z.B. aus einem Raum. Recht früh findet man ein "Omnitool", mit dem man auf Terminals zugreifen und weitere Türen öffnen kann.
Verstecken und erkunden
Ärgerlich ist, dass das manchmal auch aufgrund fehlender Möglichkeiten auf Trial & Error hinausläuft - man hat zu wenig bis gar keine Mittel, um die Kreaturen akustisch oder optisch abzulenken, geschweige denn sie zumindest kurzfristig aufzuhalten; schade, dass man da keine weitere Ausrüstung oder Fähigkeiten gewinnt, denn so bleibt es beim Schleichen und Wegrennen mit Taschenlampe. Auch die vielen Gegenstände kann man kaum sinnvoll einsetzen.
Rätsel und Kombinationen
Lediglich das Omnitool lässt sich an bestimmten Stellen mit Chips aufrüsten, um andere Funktionen anzubieten. Allerdings lässt Frictional Games hier viel Potenzial liegen. Es ist nicht so vielseitig wie der Name klingt, zumal man es auch nicht so einsetzen kann, dass man z.B. weitere Fähigkeiten gewinnt oder den Charakter damit indirekt entwickelt. All das beschränkt SOMA spielmechanisch, aber auch ohne diese klassischen Aufrüstungsreize wird man über knapp zehn Stunden stets motiviert, weiter nach Antworten zu suchen.
Fazit
Frictional Games demonstriert mit SOMA hinsichtlich der Konzeption der Spielwelt, der Regie und des Storytellings seine Stärken. Obwohl die Schweden auf Sparflamme kochen, was Rätsel, Aufgaben oder die Entwicklung von Fähigkeiten angeht, zeigen sie vor allem in den Begegnung mit Maschinenwesen ihr dramaturgisches Können - das sind tolle, angenehm subtil inszenierte Momente. Allerdings erreichen sie im Spieldesign nicht die Klasse der Abenteuer, die sie zitieren: Die Schockmomente sowie das Verstecken wirken nur im Ansatz ähnlich intensiv wie etwa in Alien: Isolation, denn die Monster-KI ist recht überschaubar und die Schleichmechanik lässt mehr Finessen zur Ablenkung sowie taktische Möglichkeiten vermissen. Die Wahrnehmungs- und Verzerrungseffekte lassen Eternal Darkness durchscheinen und die Recherche an Computern sowie die Gesellschaftskritik sorgen für einen Hauch von Deus Ex. Aber letztlich gibt es keinen Freiraum für eigene Entscheidungen samt Konsequenzen und einiges an Leerlauf in der Erkundung, weil die meisten 3D-Objekte überflüssig und die Aufgaben nicht anspruchsvoll genug sind - etwas mehr Qualität und Kreativität in diesem Bereich hätte den Gold-Award gesichert. Das ist dennoch Kritik auf hohem Niveau, denn dieses Spiel bietet sehr stimmungsvollen Survival-Horror mit einigen emotionalen Momenten, der zum Nachdenken und Philosophieren über das Menschsein anregt. Ich freue mich auf weitere Abenteuer von Frictional Games!
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
SOMA entführt in eine bizarre und verstörende Welt. Auf der PS4 gibt es längere Ladezeiten und gelegentlich Bildratenprobleme.
PC
SOMA entführt in eine bizarre und verstörende Welt. Zwar kann das Schleichen und Erkunden nicht immer begeistern, aber das stimmungsvolle Horror-Abenteuer regt zum Nachdenken an.
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