Im Test: Blood Souls
Ein Bleichblut voller Fragen
Es gibt keine Karte und kein Tagebuch. Es gibt keine markierten Ziele oder Aufgaben in einer Liste. Es gibt nur eine imposante Welt voller Katakomben und Kathedralen, die mich auch nach mehr als zwanzig Stunden immer tiefer in gefährliche Winkel lockt. Da lauern nicht nur schaurige Kreaturen, sondern auch grausige Mysterien. Und ich habe bisher keines entschlüsselt. Es scheint so, als wäre die Stadt Yharnam von einem bösen Fluch heimgesucht worden. Warum verbarrikadieren sich die Menschen? Wieso halten sie mich für eine Bestie? Warum nennen sie mich „Bleichblut“? Was zur Hölle hat es mit all den Blutarten überhaupt auf sich? Und welche Rolle spielt die heilige Kirche?
Die Frage der Herkunft
Man kann neben seinem Namen sowie Geschlecht auch seine Figur anpassen und dabei zwischen einigen Frisuren, Gesichtern, Hauttypen sowie Staturen wählen. Wichtiger als das Äußere ist allerdings die Herkunft – neun davon stehen zur Wahl: Je nachdem ob man sich z.B. für „Angsthase“, „Einziger Überlebender“, „Schwierige Kindheit“ oder „Nichtsnutz“ entscheidet, ändern sich die Werte wie Vitalität, Stärke, Ausdauer, Geschicklichkeit, Blutfärbung oder Arkan von mickrigen sechs bis hin zu 15 Punkten. Sie beeinflussen nicht die Startausrüstung, aber z.B. die Tragbarkeit sowie Effizienz von Waffen, die Widerstände gegen Gift & Co oder die Häufigkeit von Beute. Da es zunächst keinen wählbaren Schwierigkeitsgrad gibt, sollten alle Kenner der Soulsreihe, die noch mehr Herausforderung suchen, vielleicht den in allen Belangen unter dem Durchschnitt liegenden "Nichtsnutz" wählen.
Immerhin bin ich nach der Begegnung mit der ersten Bestie nicht tot, sondern erwache nach jedem Ableben (samt langer Ladezeit) in einem idyllischen Garten. Oder ist das ein Traum? Dort warten jedenfalls neben mysteriösen Gräbern und einer Bibliothek samt Lager und Werkstatt auch kleine Helfer, die sich wie bleiche Maulwürfe aus dem Boden wühlen und mich mit Ausrüstung versorgen
Ich muss mich aber zunächst entscheiden, welche der drei Hiebwaffen ich als Geschenk von ihnen annehme: Sägehackebeil, Jägeraxt oder Stock? Alle haben eine zweite Funktion, die man mit L1 abruft, und setzen eher auf Stärke oder Geschick, auf wuchtige Hiebe oder filigrane Stöße. Zwar kann man sie später alle kaufen, aber man sollte die Wahl der Klinge von seiner Herkunft bzw. seinen Werten abhängig machen – viel Geschick spräche z.B. eher für den Stock, den man als filigrane Klinge oder nach der Umwandlung als wuchtige Kette gegen mehrere Feinde einsetzen kann.
Die Feuerwaffe als Konterjoker
Kurz darauf muss ich mich auch für eine Feuerwaffe entscheiden: Jägerpistole oder Donnerbüchse? Erstere schießt weiter und teilt mehr aus, aber Letztere trifft sicherer und streut besser. Später gibt es auch noch Repetierpistolen, die zwei Kugeln verschießen. Zwar wirkt sich ein hoher Wert „Blutfärbung“ positiv auf den Schaden aus, aber da man maximal zwanzig Silberkugeln tragen darf und man gerade in den ersten Stunden nicht in erster Linie schießt, um Monster im Kugelhagel zu töten, sondern um sie zu kontern, kann man die Waffen unabhängig von seinen Startwerten
Das projektile Konterprinzip funktioniert sehr gut und trägt zur Atmosphäre bei, weil es eine Spannung in sich birgt: Man muss nämlich so lange warten, bis ein Feind zum Hieb ansetzt und genau dann auf ihn schießen. Gelingt das, ertönt eine schrille Melodie, der Gegner taumelt und man hat wenige Sekunden Zeit, um nah heran zu gehen und per „Eingeweidegriff“ für ebenso fatalen wie blutigen Schaden zu sorgen. Aber Vorsicht: Nicht immer ist das auch ein Todeshieb! Außerdem weiß man gerade bei größeren Bestien nicht auf Anhieb, womit sie wann angreifen – Klaue, Maul oder Schwanz? Es steckt also auch ein Risiko in dieser Aktion. Trotzdem sind diese blutig inszenierten Griffe gerade gegen schwere Gegner und Bosse unheimlich wichtig. Apropos: In Bloodborne tauchen die Ungetüme ohne warnenden Nebel urplötzlich auf, wenn man z.B. gerade so über eine Brücke spaziert – erst wenn man sie ein zweites Mal konfrontiert, weisen die Schwaden auf die dahinter liegende Arena hin.
Anschleichen und Trashtalk
Neben dem frontalen Konter ermöglicht auch das Anschleichen von hinten einen „Eingeweidegriff“. Wer sich im Rücken des Feindes befindet, muss allerdings nicht schießen, sondern einen voll aufgeladenen schweren Nahkampfangriff ausführen, um diesen Griff von hinten einzuleiten. Schön ist, dass Kreaturen dabei auf Geräusche und Licht reagieren. Sprich: Wer hektisch zu seiner potenziellen Beute rennt oder dabei eine Fackel trägt, wird sie vielleicht nicht mehr überraschen können. Zwar gibt es auch einige extrem passive und dämliche Kreaturen, aber die meisten drehen sich um und die Überraschung ist dann natürlich dahin. Wer frontal in eine Meute von Feinden rennt, die schon mal durch die Gassen patrouillieren, hat ohnehin schlechte Karten. Da helfen subtile Ablenkungsmanöver: Man kann einzelne Opfer z.B. gezielt mit geworfenen Kieseln aus einer Gruppe locken. Die Kollegen verhalten sicb dabei recht dämlich und folgen nicht, aber das lässt sich evtl. auch mit den kranken Gehirnen erklären - richtig gesund wirken die Jungs mit ihren Mistgabeln nicht.
Besonders gelungen sind auch die Reaktionen auf Feuer bzw. Fackeln, wenn Werwölfe z.B. schützend die Klauen erheben und nach hinten ausweichen. Oder wenn sich während eines Schlagabtausches der Umhang hebt und man kurz in die Fratze eines Monsters blicken kann – die Animationen der Kreaturen sind ausgezeichnet, weil sie auch das Belauern und wilde Angreifen auf so unterschiedliche Art darstellen. Krähen kriechen erst wie verkrüppelt am Boden, bevor sie sich wütend auf einen stürzen; riesenhafte Kreaturen stampfen umher und schwingen meterlange Äxte, in verborgenen Winkeln lauern Fanatiker mit Mistgabeln oder Alptraumwesen mit Tentakeln, die sich am Kopf verbeißen. Und manche Feinde wirken unheimlich elegant, wenn sie mit Hut, Mantel, Stock und Lampe wie Nachtwächter auf Streife spazieren – erspähen sie einen, zeigen sie mit dem Finger, alarmieren Gehilfen und gehen in den Angriff über.
Taktisches Kampfsystem
Wer seine Lebenspunkte retten will, sollte manchmal eher in die Offensive gehen: Sobald man von Monstern getroffen wird, öffnet sich ein Zeitfenster für Gegenangriffe, mit dem man den
Aber das sorgt lange nicht für chaotisches Hack'n'Slay, denn manchmal ist es gar nicht ratsam, sich dem Schlagabtausch zu stellen, sondern zu fliehen bzw. aus der Reichweite zu rollen. Ob die Balance aus Munition und Heiltränken auf lange Sicht stimmt? Bisher kann ich verdammt viel davon horten, weil viele Feinde sie als Beute zurücklassen - der Schwierigkeitsgrad liegt daher deutlich unter einem Demon's Souls. Apropos Hilfsmittel: Man kann seine Klingen mit Feuerpulver entzünden, seine Kugeln stärken, Molotow-Cocktails werfen (am besten nach dem Öl) und diverse Messer schleudern. Allerdings gibt es physikalisch die bekannten Defizite der Soulsreihe über das zu leichte Ragdoll-Geschubse hinaus: Manchmal wird ein Cocktail trotz nur hüfthohem Hindernis nicht darüber geworfen und Kreaturen attackieren durch stabile Hindernisse - ist physikalisch fehlerhaft, sieht dazu sehr blöd aus, aber das kann man natürlich auch zu seinem Vorteil nutzen.
Der Garten als Nexus
Zurück zum Garten, der wie ein Hauptquartier fungiert: Dort kann ich meine Charakterwerte bei einer sprechenden Puppe steigern und Gegenstände in einer Kiste lagern. Gewicht und Traglast spielen keine Rolle und man kann zwar nur zwanzig Heiltränke und Silberkugeln transportieren,aber alle erbeuteten Überschüsse werden automatisch in der Kiste deponiert – bei einem Teleport werden sie dann sogar automatisch aufgefüllt. Schön ist, dass ich an Brunnen auch Gegenstände oder Kleidung für die Währung „Blutechos“ verkaufen bzw. kaufen kann. Was man nicht braucht, lässt sich also eintauschen. Auch all dieser Komfort erleichtert natürlich das Spielerlebnis gegenüber bisherigen Abenteuern von From Software.
Das Aufrüsten der Klingen und Flinten läuft klassisch ab: Ich kann an der Werkbank die abgenutzten Waffen reparieren oder sie stärken. Mit „Blutsteinen“ bis maximal +3, danach mit „Zwillingsblutsteinen“ +4 und noch weiter. Parallel schalte ich damit bis zu drei Plätze für besondere „Blutedelsteine“ frei, die ich kombinieren kann – diese sorgen z.B. für höhere Schadenswerte, permanente Heilung oder Zusatzeffekte. Schade ist, dass man seine Kleidung nicht stärken kann und dass es weder Ringe noch Amulette zu geben scheint.
Zwischen Lovecraft und Shelley
Man schaut sich um und sieht überall Dächer und Turmspitzen. Es gibt nahezu apokalyptische Szenen mit gepfählten Kreaturen an brennenden Kreuzen, aber auch idyllische Abschnitte mit imposanten Brücken oder verwunschen anmutenden Wäldern, in denen sich Ruinen ducken.
Es gibt in Vharnam zig kleine Gassen und Nischen, Leitern verbinden die höheren Etagen oder führen in Abwasserkanäle. Dann steiht man wieder irgendwo hinauf und landet in einer scheinbaren Sackgasse, bevor man hinter einigen Kisten wieder all die Türme und Dächer erkennt. Man hat das Gefühl, als hätte jemand aus dem Kölner Dom oder Notre Dame eine begehbare Landschaft aus mehreren Etagen gemacht. Zwar dominieren zunächst viktorianische und gotische Elemente, prächtige Kutschen, elegante Statuen oder mit Ketten verschlossene Särge, aber bald kommt auch ein Schuss Lovecraft
Besonders gelungen ist neben dem tollen Licht vor allem die Verknüpfung der Areale: Man öffnet Stück für Stück verschlossene Gatter oder riesige Tore, findet geheime Wege oder unterirdische Abzweigungen, die irgendwann wieder an die Oberfläche führen – zu genau dem Schalter, der wiederum den Weg in ein bekanntes Gebiet freimacht. So schließen sich bei der Erkundung die Kreise, in die man sich teleportieren kann, wenn man die lila leuchtenden Lager mit den kleinen Dämonen freischaltet. Und man freut sich jedesmal, wenn man ihr sicheres Leuchten samt dem lieblichen Klingeln aus der Ferne wahrnimmt.
Ein grafischer Höhepunkt ist der erste Wechsel der Tageszeit, der nicht fließend, sondern nach bestimmten Ereignissen geschieht: Wenn die Sonne untergeht und alles in ein dunkles Orange taucht, sehen selbst bekannte Schauplätze wie frisch gegossen aus, es gibt andere Schatten und Stimmungen – auch der Blick in die Ferne an den sturmumtosten Himmel mit all seinen Zinnen ist klasse.
Die nächsten Schritte
Wohin wage ich mich als Nächstes? Ich könnte den verwunschenen Wald weiter erkunden, aus dem allerdings fieses Kindergelächter und böses Knurren dringt. Ich könnte die Kapelle erforschen, vor der sich diese blitzenden Wächter tummeln. Ich könnte nochmal gegen diesen miesen Jäger auf dem Turm antreten, der mich bisher allerdings in Stücke geschossen hat. Oder ich wage den Kampf gegen die weiße Bestie in der Kathedrale. Apropos Bosskämpfe: Auch wenn ich erst drei hinter mir habe, waren das bereits Höhepunkte. Das Kreaturendesign ist gerade bei Verwandlungen so faszinierend, dass man erstmal nur hinsehen statt angreifen will. Und sehr schön ist, dass man Gegenstände aus einer Aufgabe dort zu seinem Vorteil einsetzen konnte. Es gibt noch viel zu tun und ich habe zu wenig für eine abschließende Wertung gesehen.
Der Vergleich zu bisherigen Souls-Spielen
Welche Unterschiede gibt es en detail zwischen Demon’s und Dark Souls auf der einen sowie Bloodborne auf der anderen Seite? Fest steht: Hidetaka Miyazaki hat das Spieldesign nicht umgekrempelt, aber an vielen kleinen Schrauben gedreht – und das ist gut so. Welche das sind und was sie bewirken, klären wir im separaten Video-Epilog am Freitag.
Update, 26. März 2015:
Technische Defizite, aber traumhafte Kulisse
Bevor ich näher auf die Bosskämpfe, die Zufallsdungeons, den Schwierigkeitsgrad sowie den Multiplayer eingehe, muss ich nochmal etwas zur Technik sowie Kulisse sagen: Ja, die Ladezeiten nerven immer noch, es gibt auch sporadische Probleme mit der Bildrate sowie die erwähnten Fehler in der Kollisionsabfrage, wenn Kreaturen oder Waffen durch Hindernisse ragen. Außerdem muss man Abstriche bei den Gesprächen mit den NPC machen: Es gibt kaum erkennbare Mimik oder gar Lippenbewegungen. Das sind zum Teil bekannte, aber immer noch ärgerliche Probleme der Soulsreihe. Aber trotz dieser Defizite gerät man immer wieder ins Staunen, denn grafisch ist Bloodborne ein Genuss – nicht nur, weil Feuer und Nebel so realistisch knistern und wabern.
Sympathische Kleinigkeiten
Und es sind auch die kleinen Dinge, die Bloodborne so sympathisch machen: Da ist die kleine Laterne am Gürtel, da sind die Helfer, die sich aus dem Boden graben. Hier blinken Hebel, Abkürzungen oder Mechanismen nicht aus der Distanz – man muss die Abschnitte selbst komplett erforschen. Hier bleiben Leute nicht an einer Stelle: Manche NPC bewegen sich von A nach B – man muss sie suchen. Und sie reagieren manchmal auch auf subtile Dinge: Was passiert, wenn man sich vor der Puppenlady im Traum des Jägers verbeugt? Probiert es aus! Hier haben sich Entwickler auch abseits der großen Action ihre Gedanken gemacht.
Spektakuläre Bosskämpfe
Die Bosse gehören natürlich zu den Höhepunkten dieses Abenteuers. Aber nicht nur weil sie für hitzige Gefechte sorgen und meist neue Abschnitte freigeben sowie die Story fortführen, sondern weil sie einfach eine Augenweide sind - fantastisch animiert und sehr abwechslungsreich designt. Übrigens: Man kann nicht nur Online-Spieler, sondern an bestimmten Stellen auch KI-Figuren zu Hilfe rufen. Und Vorsicht: Eine tolle Neuerung ist, dass es vor dem ersten Kontakt keinen Nebel gibt, sondern ab dem zweiten Versuch. Man weiß also nicht, wann ein Ungetüm erscheint - das erhöht nochmal die Spannung bei der Erkundung. Ich wurde manches Mal böse überrascht...
Es gibt etwa ein Dutzend normale, dazu eine Hand voll sehr mächtige Bosse, die teilweise wie Große Alte aus dem Cthulhu-Mythos anmuten; hinzu kommen noch jene Bosse in den Dungeons - man kommt also auf etwa 25 Endgegner. Sie heißen entweder vielsagend "Bluthungrige Bestie", "Dunkelbestie Paarl" oder "Untoter Riese" sowie etwas weniger offensichtlich "Pater Gascoigne" oder "Hexe von Hemwick". Entweder verwandeln sie sich in riesige Kreaturen, die ganze Hallen beben lassen, oder sie bleiben nahezu grotesk klein und langsam, aber klonen sich und beschwören weitere Feinde, während man verzweifelt das Original sucht. Es gibt schattenhafte Kapuzenkreaturen, dazu alien- und spinnenartige Mutationen. Die Palette an grotesken Ungeheuern ist enorm.
Neben den klassischen Bossen, die nach der ersten Begegnung hinter einem Nebel lauern, falls man sie nicht auf Anhieb besiegt, gibt es noch einige interessante mittlere Gegner. Aber auch die sorgen für brenzlige Situationen: Entweder aufgrund ihrer Statur und Schlagkraft oder weil sie sehr flink agieren. Manche zeigen trotz ihrer Masse unheimlich schnelle Manöver, wenn sie plötzlich nach vorne rollen oder zu Griffen ansetzen. Und diejenigen haben es besonders in sich, die selbst wie Jäger kämpfen - die also nicht nur zuschlagen, sondern auch clever ausweichen, dazu schießen und per Projektil so kontern, dass sie selbst den Eingeweidegriff ausführen. Autsch!
Katakomben und Kelche
Das Schöne an Bloodborne ist, dass es abseits der eigentlichen Story, die meist durch das Besiegen eines Bosses weitererzählt wird, auch parallel viel zu entdecken und sogar separate Nebenschauplätze gibt. Wer den ersten Kelch nach einem Bosskampf in Alt-Yharnam erbeutet, kann im Hauptquartier das erste von vielen zufallsgenerierten Dungeons an einem Grab öffnen. Diese Verliese sind mehrere Ebenen tief und locken mit spezieller Beute wie besonderen Experten-Blutsteinen zur Aufrüstung der Waffe, wenn man den Boss der Etage besiegt.
Allerdings muss man auf dem Weg dorthin nicht nur viel Kroppzeug weghauen, sondern auch Gatter über Hebel öffnen oder fiesen Fallen ausweichen - wie z.B. von der Decke schwingende Klingen oder Bodenplatten, die für geifernde Verstärkung sorgen. Es kann auch sein, dass plötzlich Bestien aus Dimensionslöchern fallen oder dass man wahnsinnig wird. Schön ist auch, dass es immer einen Zwischenboss vor dem Finale gibt. Hier inszeniert From
Kooperativ oder kompetitiv im Multiplayer
Wer sein Abenteuer online spielt, was aber für das Spielerlebnis nicht zwingend notwendig ist, wird sehr schnell all die Blutflecken oder Gräber entdecken. Klickt man sie an, erkennt man in einer kurzen geisterhaften Animation, wie jemand an der Stelle gestorben ist. Außerdem kann man Nachrichten anderer Spieler lesen, die einem vielleicht nützliche Hinweise an einer kniffligen Stelle geben, auf einen Schatz hinweisen oder Ähnliches. Oder man verfasst selbst Ratschläge mit dem Notizbuch, indem man auf vorgefertigte Floskeln und Wörter zurückgreift.
Noch spannender oder hilfreicher ist es, wenn man über die Glocken anderen Spielern entweder seine Verstärkung anbietet oder sie in die eigene Welt ruft. Das funktioniert ganz einfach, indem man vor dem Nebel eines noch nicht besiegten Bosses bimmelt und abwartet. Wer sich nicht auf die Hilfe fremder Spieler verlassen will, die dann automatisch zugeteilt werden, sondern Freunde an seiner Seite braucht, kann in den Einstellungen ein Passwort für private Abenteuer festlegen.
Bis zu drei Leute können online kooperieren. Das kostet zwar jedesmal einen Punkt Einsicht, aber so ist man gegen die Bosse natürlich wesentlich schlagfertiger – gerade zu dritt sind sie sehr einfach zu besiegen. Hier kommt auch das Fraktionssystem zum Tragen: Kämpft man mit Gleichgesinnten, bekommt man nochmal einen Bonus. Man kann sich nicht nur in diesen einzelnen Gefechten, sondern auch in den zufallsgenerierten Dungeons helfen, die man zusammen erkunden kann.
Die Frage des Schwierigkeitsgrades
Auch wenn Bloodborne aufgrund einiger erwähnter Komfortfunktionen (Lager speichert Überschüsse, kurze Wege zu Teleports, Gegner lassen oft Heiltränke fallen etc.) weitaus zugänglicher ist als etwa ein Demon's Souls, kann das Spiel einem je nach Route und Spielweise die scharfen Zähne zeigen. Zwischen „leicht und „schwer“ liegen ohnehin zig Graustufen, die auch von der eigenen Spielweise abhängen: Wer es darauf anlegt, in bekannten Gebieten schnell fette Beute zu machen, kann natürlich immer wieder dieselben Monster vernichten und ihre Blutechos immer wieder einsammeln, da sie ja nicht permanent verschwinden - so kann man sich quasi recht stoisch auf die Charakteraufwertung konzentrieren.
Aber selbst wenn man viel sammelt und entwickelt, heißt das nicht, dass das Spiel "leicht" ist. Es gibt einige wunderbar böse Überraschungen: Man kann auch offline von NPC-Jägern überfallen werden und manchmal tun sich hinter Bäumen seltsame Löcher auf, die einen in die Luft saugen und wahnsinnig machen. Obwohl ich in den ersten zehn Stunden schon reichlich Heiltränke gelagert hatte, verlor ich diese z.B. ratzfatz als ich mich tiefer in die Dungeons wagte und vor allem als ich plötzlich in Yarhar'gul landete. Dieses "Unsichtbare Dorf" mutet wie ein Cthulhu-Gefängnis an und hat mich mit seinen gefährlichen Feinden richtig bluten lassen. Weil ich direkt danach in einen blitzenden Boss gestolpert bin, war mein Heiltränkekonto schnell wieder leer. Und vor allem in der Mitte bis hin zum letzten Drittel des Abenteuers konnte von Überschuss keine Rede mehr sein.
Diese Knappheit ist aber nie fatal, denn man kann Heiltränke ja entweder kaufen oder auf dem Weg zum nächsten
Wer das Spiel als Veteran gemeistert hat und sich dabei unterfordert fühlte, kann sich an New Game Plus wagen, das nach dem Finale freigeschaltet wird - das soll selbst manche Entwickler an ihre Grenzen führen. Unterm Strich gehört Bloodborne innerhalb seines Genres immer noch zu den anspruchsvollsten Abenteuern. Denn der gnadenlose Kern des Spieldesigns bleibt in vielerlei Hinsicht bestehen: Wer stirbt, verliert all seine Blutechos und muss an den Ort zurück, um sie wieder zu erobern. Und wenn man Pech hat, wurden sie von einem Monster oder gar Boss gefressen. Dann leuchten dessen Augen und man muss mit noch mehr Risiko an die Rückeroberung.
Update, 27. März 2015:
Auf der Suche nach Erklärungen
Bloodborne macht selbst nach zwanzig Stunden neugierig, weil es seine Geschichte und seine Geheimnisse unter einem Schleier verbirgt. Man erkennt darunter Konturen, ahnt etwas, aber kann es nicht sofort greifen. Wer ihn lüften will, muss immer tiefer in die gefährliche Welt abtauchen. Man entdeckt dabei interessante Bruchstücke, die so langsam auf das große Ganze deuten.
Es geht immer wieder um das Thema der Bestie - auch jener im Menschen. Die Regie lässt einen also nicht sicher zwischen Gut und Böse spazieren, sondern zwischen vielen moralischen Facetten taumeln. Wer ist Opfer und wer ist Täter? Mal wird man an europäischen Horror à la Dracula oder Frankenstein erinnert, dann wird es brachial oder grotesk grauenhaft wie im japanischem Horror und vieles erinnert an die außerweltlichen Motive aus dem Cthulhu-Mythos von H.P. Lovecraft.
Da wird man doch verrückt...
Allerdings hätte From Software dieses vermeintliche Verrücktwerden noch klarer abstufen und inszenieren können: Manchmal weiß man nicht genau, ob es an der eigenen Stufe der Einsicht liegt, dass man plötzlich etwas bis dato nicht
Man wird ja nicht einfach zum Selbstzweck verwirrt oder ohne Antworten in ein Chaos gestürzt. Es gibt durchaus einen roten Faden, dem man folgen kann, wenn man im Traum des Jägers mit Gehrman spricht: Er ist der Ratgeber, der auf die nächsten wichtigen Ziele wie Kathedrale, Kelche & Co hinweist, die die Hauptstory voranbringen - hier ist Bloodborne etwas klarer als seine Vorgänger. Aber wer nur dem Pfad sofort folgt, wird viel verpassen. Denn abseits dieser zentralen Trigger gibt es einige Nebenschauplätze und Figuren, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Schade ist, dass es davon nicht noch viel mehr gibt, denn gerade in den ersten zehn Stunden hätte Yharnam noch lebendiger im Sinne von belebter wirken können.
Rätselhafte Gestalten und Aufgaben
Man trifft auf etwa ein Dutzend mysteriöse Charaktere von der sprechenden Puppe, dem unsichtbaren Kranken bis hin zu fremden Jägern und Herrschern, die ganz unterschiedliche Ziele sowie teilweise mehrstufige Aufgaben parat haben - und die mitunter eine tragische Rolle spielen. Was aus ihnen wird bzw. wo man sie nach der ersten Begegnung oder der Lösung einer kleinen Quest trifft, weiß man nie auf Anhieb. Gebt ihr dem Mädchen z.B. die Brosche? Bringt ihr sie, die alte Frau und andere Menschen in Sicherheit? Falls ja: Bringt ihr sie in das Krankenhaus, wo eine seltsam freundliche Unbekannte nach unversehrten Menschen fragt? Oder bringt ihr sie in die Kathedrale, wo eine kriechende Kreatur ebenfalls nach ihnen fragt? Man hat bei beiden irgendwie ein ungutes Gefühl. Probiert es aus...
Unberechenbare Charaktere
Diese Unberechenbarkeit und Offenheit in der Figurenentwicklung, die entweder direkt mit den eigenen Entscheidungen oder mit einem Ereignis in der Spielwelt zusammen hängen, bietet kaum ein
Allerdings darf man "Fraktionen" hier nicht mit jenen aus Deus Ex & Co vergleichen: Man schließt sich keiner politischen Gruppierung fest an, indem man Quests für diese erledigt und das Finale in ihrem ideologischen Sinne vorantreibt. Hier sind die Fraktionen weniger handelnde Mächte, die der Spieler in vielen Kämpfen oder Aktionen unterstützen kann, sondern im Schicksal der Story verwobene Weltanschauungen, die nur von einigen Figuren repräsentiert werden. Sie helfen einem dann situativ, wenn man sich anschließt. Im kooperativen Multiplayer hat eine identische Fraktion des Mitspielers auch Bonuseffekte auf die eigene Kampfkraft.
Fazit
Abenteuer wie Bloodborne sind der Grund dafür, dass ich Videospiele liebe. Dieses Erlebnis von Spannung, Mysterium & Co gibt mir kein Buch, kein Film - und auch kein anderes Spiel. Hier erlebe ich nicht sechs oder acht Stunden die typische Triple-A-Einbahnstraße, sondern ein anspruchsvolles Abenteuer über dreißig bis vierzig Stunden. Jeder, der Demon’s Souls und Dark Souls genossen hat, wird auf seine Kosten kommen – ihr erlebt trotz einiger Änderungen im Design ein Blood Souls. Ich bin begeistert von Artdesign, Kampfsystem, Weltaufbau & Co und mir gefällt sowohl das Prinzip der Zufallsdungeons als auch die Multiplayer-Komponenten für bis zu drei Leute: Ihr könnt mit- oder gegeneinander in Bossduellen oder Kerkern antreten. In Letzteren kommen auch fiese Fallen hinzu. Der Schwierigkeitsgrad ist leichter als noch in Demon's Souls, aber trotz des neuen Komforts und vieler Heiltränke, bleibt das Abenteuer je nach Spielweise nicht nur angenehm fordernd, sondern kann ganz böse überraschen. Freut euch auf Figuren mit teilweise mehrstufigen Aufgaben und tragische Konsequenzen. Die Ladezeiten, Kollisions- sowie Bildratenprobleme sind ärgerlich, aber dafür entschädigt die Kulisse mit teilweise verwunschener Schönheit und Bosskreaturen mit spektakulären Auftritten. From Software bleibt sich treu und inszeniert auch auf PlayStation 4 situativen Nervenkitzel in einer rätselhaften Horrorwelt.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Ein verwunschen schönes, angenehm rätselhaftes und anspruchsvolles Abenteuer! Bloodborne setzt die Tradition der Soulsreihe mit frischen Impulsen fort.
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