Nobunaga's Ambition: Sphere of Influence25.09.2015, Jens Bischoff

Im Test: Aufbau-Strategie im alten Japan

Mit Nobunaga's Ambition: Sphere of Influence (ab 28,90€ bei kaufen) erscheint erstmals ein Teil von Koei Tecmos mittlerweile 30-jähriger Traditionsreihe in Europa. Was die historische Strategie aus Japan auszeichnet, verrät der Test.

Vom Clanführer zum Shogun

Als Spieler schlüpft man in die Rolle eines japanischen Feudalherrn der Sengoku-Zeit (15./16. Jahrhundert), um das kriegsgebeutelte Land als neuer Shogun zu einen. Um das zu erreichen, muss man sich sowohl wirtschaftlich als auch diplomatisch und militärisch gegen konkurrierende Clans und deren Führer durchsetzen. Neben realen Herrscherhäusern und Persönlichkeiten, die Koei-Fans mitunter auch aus Samurai Warriors & Co kennen, lassen sich auch eigene Clans und Befehlshaber erstellen, die sich dann in neun historischen sowie einem fiktiven Ausgangsszenario gegenüberstehen. Weitere Szenarien sind bereits als meist kostenpflichtige Zusatzdownloads erhältlich.

Der Einstieg fällt allerdings unnötig schwer, da selbst nach dem recht knappen und nicht ganz fehlerfreien Tutorial mehr Fragen offen als beantwortet sind. Zwar wird auch im Anschluss zu jeder erstmals gewählten Aktion eine meist mehrseitige englische Erklärung eingeblendet, zu Beginn wird man von der schieren Masse an Optionen allerdings fast schon erschlagen, viele Feinheiten und Zusammenhänge werden zudem erst viel später verständlich. Außerdem ist es schade, dass man sich zwar zwei Tonspuren (Englisch und Japanisch), aber keine deutschen Texte geleistet hat.

Hohe Flexibilität

Ansonsten sind die Möglichkeiten, das Spiel an persönliche Vorlieben anzupassen, jedoch enorm. Allein für die Festlegung des Schwierigkeitsgrads stehen 15 Regler zur Verfügung.

Neben dem recht knapp geratenen Tutorial kann man zu Beginn aus neun historischen und einem fiktiven Ausgangsszenario wählen - weitere sind bereits als DLC erhältlich.
Des Weiteren lässt sich neben dem Justieren allerlei Anzeige- und Steuerungseinstellungen auch bestimmen, wie Offiziere altern sollen, ob man im Kampf dauerhaft sterben kann oder ob weibliche Nachkommen ebenfalls eine Militärlaufbahn einschlagen dürfen. Selbst grundlegende Elemente wie ein von historischen Ereignissen und Aufgabenstellungen geprägter Spielverlauf lassen sich auf Wunsch einfach deaktivieren.

Schön ist auch, dass sich die musikalische Untermalung individuell anpassen lässt - und das aus einem ungemein stimmungsvollen Sortiment aus über hundert klassisch geprägten Arrangements der bis 1986 zurückreichenden Seriengeschichte. Die Soundeffekte sind hingegen eher schwach - sommerliches Grillenzirpen klingt vielmehr wie das Surren eines defekten Lüfters. Auch Sprachausgabe macht sich äußerst rar. Zwar gibt es im historischen Kontext sogar den ein oder anderen vertonten Renderfilm zu bestaunen, die meiste Zeit kocht die Inszenierung mit verwaschenen Standbildern und bloßen Texteinblendungen jedoch auf Sparflamme.

Monatliches Taktieren

Der Spielverlauf ist prinzipiell in zwei Phasen eingeteilt, die sich ähnlich den Empires-Ablegern der Warriors-Reihen Monat für Monat wiederholen. In der ersten (Befehlsphase) gilt es Aktionen festzulegen, die in der zweiten (Aktionsphase) ausgeführt werden, während der Monat in stufenweise regulierbarem Tempo verstreicht. Nachträgliche Änderungen sind in dieser Zeit nicht möglich. Nur militärisch bleibt man handlungsfähig, um plötzlichen Bedrohungen begegnen oder sich bietende Angriffsgelegenheiten nutzen zu können. Am Monatsende wird man nochmals kurz über alle wichtigen Ereignisse und Ergebnisse informiert, bevor man die Planung des nächsten Monats in Angriff nimmt.

Neben wirtschaftlichen Belangen wie der Beschaffung wichtiger Ressourcen kümmert man sich auch um den Ausbau seiner Siedlungen, Festungen und Infrastruktur. Man entscheidet, welche Ortsteile Reis anbauen, Gewerbe treiben oder Soldaten ausbilden sollen, wo man sich aktuell verbessern soll, welche neuen Distrikte und Einrichtungen entstehen und welche Festungsbereiche ausgebaut werden sollen.

Durch taktische Hochzeiten lassen sich dauerhafte Bündnisse schmieden.
Sind ausreichend Arbeitskräfte und Aufseher vorhanden, kann man auch neue Festungen, Wachposten und Siedlungen errichten, Verbindungsstraßen ausbauen, Reparaturen vornehmen oder Abrisse beauftragen.

Um diplomatische und politische Belange muss man sich ebenfalls kümmern. Neben generellen Ausrichtungen und Bestrebungen kann man auch ganz gezielt Einfluss auf einzelne Clans, Stämme, Orte und Einzelpersonen nehmen. Man baut Beziehungen auf, macht Geschenke, führt Verhandlungen, schließt Bündnisse, kann aber auch Intrigen spinnen, indem man geheime Verhandlungen führt, Unzufriedenheiten schürt oder Revolten anzettelt. Je nachdem welchen seiner Offiziere man mit welcher Aufgabe betreut, ändern sich die Erfolgsaussichten und -geschwindigkeiten. Für diplomatische Belange ist z. B. ein hoher Intelligenzwert,

Wer will, kann auch manuell in die sonst automatisch ablaufenden Kämpfe eingreiften.
für wirtschaftliche Belange ein hoher Politikwert hilfreich.

Bereit zum Kampf

Bei militärischen Angelegenheiten sind wiederum Führungskraft und Tapferkeit entscheidend, wobei sich Charakterwerte durch gesammelte Erfahrungen auch verbessern, besondere Talente und Fertigkeiten durch bestimmte Leistungen erlangt werden können. Gewisse Erfolge machen sogar neue Offiziere verfügbar. Aufeinandertreffende Truppen kämpfen in der Regel automatisch. Allerdings kann man bei Bedarf auch manuell eingreifen, um dann auf separaten Schlachtfeldern Marschbefehle erteilen zu können, das Ausführen spezieller Manöver zu veranlassen oder Rückzüge zu beordern. Mit guten Stellungsspiel und Timing kann man so manchmal auch in Unterzahl triumphieren.

Wirklich begeistert haben mich die trotz Pausefunktion eher hektischen Echtzeit-Scharmützel aber selbst bei besonderen Ereignis- oder großflächigen Massenschlachten nicht. Trotz interessanter Facetten wie Wettereinflüssen wirken sie eher wie ein unnötiges Anhängsel als wie ein fester Bestandteil der im Vordergrund stehenden Aufbaustrategie. Da man aber nur selten zum manuellen Kämpfen gezwungen wird, kann auch hier jeder seinen persönlichen Vorlieben nachgehen, was sehr lobenswert ist. Davon abgesehen muss man aber auch eigenständig kämpfende Verbände stets im Auge behalten und Truppenstärken beobachten, Nahrungsvorräte berücksichtigen, Nachschub sicherstellen, Rückzüge anordnen oder Sonderaktionen bei Belagerungen auslösen.

Immer am Ball bleiben

Langweilig wird's einem so schnell jedenfalls nicht, selbst wenn man alle möglichen Automatismen aktiviert oder gar die Verwaltung ganzer Provinzen an geeignete KI-Offiziere delegiert. Letzteres wird irgendwann sogar unabdingbar, da der Titel gebende Einflussbereich des Anführers geografisch begrenzt ist. Reicht die Befehlsgewalt nicht mehr bis zur Front, sollte man zudem seinen Hauptsitz verlegen, um dort bei Bedarf alle Entscheidungen selbst treffen zu können, während man im gesicherten Hinterland weitestgehend auf die Geschicke anderer baut.

Empfehlungen seiner Offiziere erhält man aber schon von Anfang an. So sind jeden Monat Menüpunkte mit einer Sprechblase versehen, die man in Angriff nehmen sollte. Von vorgeschlagenen Ertragssteigerungen, die sich praktischerweise auch komplett übernehmen lassen, über aktuelle Bauempfehlungen bis hin zur Verteilung diplomatischer Kapazitäten. Auch auf besondere Angebote fahrender Händler wird man so aufmerksam gemacht.

Wenn man nah genug heranzoomt, kann man selbst Schlachten aus nächster Nähe miterleben.
Die bieten neben Reis, wenn die eigenen Vorräte mal nicht bis zur nächsten Ernte im September ausreichen, auch seltene Kostbarkeiten feil, mit denen man die Gemüter unzufriedener Offiziere aufhellen oder diplomatische Bemühungen beflügeln kann.

Auch Pferde für berittenen Truppen können von Händlern erstanden werden. Später werden dem Geschichtsverlauf entsprechend auch Musketen verfügbar. Wer die Preise regelmäßig im Auge behält, kann sogar zusätzliches Gold mit Spekulationskäufen verdienen. Gold, Soldaten und Reis sind neben Arbeitskraft die Hauptressourcen im Spiel und zu einem nicht unerheblichen Teil auch von der Größe der Bevölkerung abhängig. Deren Gedeih kann man auf verschiedenen Ebenen beeinflussen. Vom Errichten spezieller Bauwerke über das Vermeiden feindlicher Belagerungen bis hin zum Ausbau nahe gelegener Straßen, wodurch auch Truppenbewegungen beschleunigt werden. Einzig eine Mehrspielerkomponente sucht man vergebens.

Fazit

Ich bin froh, dass Koei Tecmo seine langjährige Strategie-Reihe endlich auch im Westen anbietet. Zwar wäre es noch schöner gewesen, wenn man sich für diese Premiere auch eine deutsche Übersetzung geleistet hätte, aber davon abgesehen kann man die facettenreiche Mischung aus Entwicklung, Diplomatie und Kriegsführung sehr weit reichend an persönliche Bedürfnisse anpassen. Wer will, kann sogar sämtliche geschichtliche Belange über Bord werfen und sich mit selbst erstellten Clans und Offizieren völlig fiktive Auseinandersetzungen liefern. Für andere macht das Quest-basierte Meistern historischer Szenarien der Sengoku-Zeit hingegen den Hauptanreiz aus. Nobunaga's Ambition erlaubt jedenfalls beides und punktet zudem mit einem grandiosen Soundtrack. Die grafische Inszenierung ist hingegen eher schlicht, der Einstieg zäh, das Tutorial viel zu knapp. Wer sich durchbeißt, entdeckt aber immer neue Zusammenhänge und Feinheiten beim rundenbasierten Ausbau seines Einflussbereichs, die einen weiter vorantreiben - und das über Wochen und Monate hinweg.

Pro

facettenreicher Strategie-Mix
historische Ereignisse & Aufgaben
eigene Clan- und Offizierskreationen
praktische Aufgabenverteilungen
zahlreiche Individualisierungen
prächtiger Soundtrack

Kontra

zäher Einstieg
meist schlichte Inszenierung
keine deutsche Übersetzung

Wertung

PlayStation4

Facettenreicher Mix aus Aufbau, Diplomatie und Kriegsführung im Japan des 16. Jahrhunderts.

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