Tales of Berseria03.02.2017, Jens Bischoff

Im Test: Dämonischer Rachefeldzug

Knapp ein halbes Jahr nach der Japan-Premiere hat Bandai Namco Tales of Berseria (ab 4,50€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) auch in Europa veröffentlicht. Thematisch dreht sich das erstmals nur mit einer weiblichen Protagonistin aufwartende Anime-Rollenspiel um den Konflikt zwischen Emotionen und Vernunft. Was der mittlerweile 16. Hauptteil der Tales-of-Saga sonst noch zu bieten hat, verrät der Test.

Von Rachegefühlen getrieben

Es war eine tiefrote Mondfinsternis, als vor zehn Jahren die Unterwelt aufbrach und Menschen in Dämonen verwandelte. Protagonistin Velvet Crowe verlor damals sowohl ihre Eltern als auch ihre große Schwester. Seitdem lebte sie zusammen mit ihrem kleinen Bruder Laphicet bei ihrem Schwager Arthur, einem auch als Artorius Collbrande bekannten Exorzisten. Als vor drei Jahren dann die zweite scharlachrote Nacht über das Land hereinbrach, musste Velvet auch noch mitansehen, wie ihr Bruder von ihrem eigenen Onkel als Menschenopfer dargebracht wurde.

Protagonistin Velvet zieht im Lauf ihres Rachefeldzugs viele illuste Gestalten an.
Der Versuch, ihn zu retten, scheiterte und belegte sie mit einem Fluch, durch den sie einen Teil ihrer Menschlichkeit einbüßte und ihr linker Unterarm in eine seelenfressende Klaue verwandelt wurde.

Seitdem wird sie von Artorius' Gefolgschaft in einem tiefen Kerker gefangen und mit Dämonenfleisch am Leben gehalten. Eine Flucht scheint aussichtslos. Drei Jahre sinnt sie nun schon auf Vergeltung, als ihr eine einstige Verbündete von Artorius plötzlich hilft, aus ihrem Gefängnis auszubrechen. Warum, ist Velvet egal. Sie will nur eins: Rache. Doch die Welt hat sich in den letzten Jahren sehr verändert - der zum Theokraten avancierte Vernunftsfanatiker Artorius wird als Erlöser verehrt, von der Dämonenpest betroffene wie Velvet als Monster verachtet und gejagt. Um an ihn heranzukommen, muss sie sich schon etwas einfallen lassen und ihre Hassgefühle im Zaum halten. Unterwegs macht sie sich mit ihrer aufbrausenden Art aber nicht nur Feinde, andere Ausgestoßene und Sonderlinge schließen sich ihrer Sache aus unterschiedlichen Gründen an und bringen sie ihrem Ziel immer näher.

Da sind zum Beispiel der Schwertkämpfer Rokurou oder die Hexe Magilou, die Velvet bei ihrem Gefängnisausbruch kennenlernt. Später schließt sie sich auch mit Piraten und weiteren Halbdämonen zusammen, um ihren weitgehend linearen, aber wendungsreichen Racheplan in die Tat umzusetzen. Darüber hinaus gibt es auch noch die vor der Dämonenpest im Verborgenen lebende Rasse der Malakhim - Geisterwesen, die inzwischen für jedermann sichtbar geworden sind und immer häufiger wegen ihrer magischen Fähigkeiten versklavt werden.

Die Zahl der aktiven Mitstreiter bleibt trotz zahlreicher Unterstützer überschaubar und verleiht den einzelnen Gefährten somit mehr Gewicht.
So auch der von Velvet anfangs nur als Werkzeug missbrauchte, sie aber immer mehr an ihren kleinen Bruder erinnernde Malak einer hochrangigen Exorzistin. Nichtsdestotrotz bleibt Velvets direkte Gefolgschaft die ganze Zeit über angenehm kompakt, was sowohl die erzählerische als auch spielerische Bedeutung der einzelnen Gefährten stärkt.

Turbulente Reise

Natürlich kommt es in einer solch illustren Truppe trotzdem immer wieder zu Querelen und Spannungen, die hin und wieder auch zu brenzligen oder gar fatalen Situationen führen. Tragische Momente gibt es daher immer wieder. Doch auch der Humor kommt nicht zu kurz, vor allem in den serientypischen, meist optionalen Gruppenplaudereien. Da wird kräftig vom Leder gezogen, leichtgläubigen Gefährten Angst gemacht oder ihnen Flöhe ins Ohr gesetzt und die abstrusesten Ideen gesponnen. Die Inszenierung im teilanimierten und komplett vertonten Manga-Stil weiß dabei zu gefallen. Neben einer gelungenen englischer Synchro kann auch der japanische Originalton aktiviert werden. Bei den deutschen Untertiteln wurde hin und wieder zwar etwas geschlampt, unterm Strich ist die Qualität allerdings solide, während der Soundtrack immer wieder stimmige Akzente setzen kann.

Schön sind auch die gelegentlich eingeflochtenen, wenn auch leider unschön ruckelnden Anime-Videos. Im Spiel selbst ist die Bildrate im Gegensatz zu Tales of Zestiria jedoch super flüssig. Allerdings ist die Grafik auch alles andere als aufwändig, die Modellierungen sind eher grob, die Texturen und Effekte weitgehend unspektakulär. Die hölzernen Kletteranimationen wirken sogar fast schon museumsreif. Hinzu kommt, dass auf der PS4 Umgebungsobjekte aus ziemlich kurzer Entfernung unsanft ins Bild ploppen, während sich die Zeichentiefe am PC zumindest in einem gewissen Rahmen anpassen lässt. Trotz dieser Defizite bekommt man aber viele stimmungsvolle Schauplätze zu Gesicht, die man in ruhigeren Phasen auch wiederholt via Seekarte ansteuern kann. Abkürzende oder neue Wege eröffnende Teleportationen sowie Hoverboard-Einsätze sind ebenfalls möglich.

Viele der Schauplätze wirken trotz angestaubter Technik durchaus stimmungsvoll.
Die einzelnen Regionen sind abwechslungsreich gestaltet, die weitläufigen Umgebungen in meist kompakte, aber verschachtelte Abschnitte unterteilt, in denen es einiges zu entdecken gibt.

Gerade in den Dungeons gilt es auch immer wieder, Hindernisse und Rätsel zu bewältigen. Da wollen Schalter betätigt, Ranken verbrannt, Kerzen entzündet, Felsen verschoben, Kelchwaagen befüllt, Schleusen gesteuert oder brüchige Wände eingerissen werden. Zwar sind die meisten Aufgaben eher leichte Kost, lockern die Reisen durch Schluchten, Höhlen, Wälder oder Tempelanlagen aber angenehm auf. Zudem können unterwegs Heilkräuter, Schmiedematerialien und andere Objekte gesammelt werden. Wer will, kann sogar Geisteressenzen nachjagen, um spezielle Schatzkisten zu öffnen. Da diese nur modischen Firlefanz enthalten und die dafür benötigten Essenzen wie vieles andere immer wieder neu entstehen, ist der Anreiz aber eher gering. Wer unbedingt mit Hasenohren, Badeanzug oder Maskottchenmontur herumrennen will, kommt aber wohl auf seine Kosten und kann die Möglichkeiten per DLC sogar noch ausweiten. Auch zusätzliche Plaudereien, Goldvorräte oder Charakter-Boosts sind als vorwiegend kostenpflichtige Downloads erhältlich.

Auf in die Schlacht

Gegner ziehen frei umher, können mit oder ohne Item-Hilfe umgangen, vorteilhaft attackiert und lukrativ zusammengerottet werden. Im Kampf selbst können bis zu vier Gruppenmitglieder aktiv ins jederzeit pausierbare Echtzeitgeschehen eingreifen. Wen man direkt steuern will, kann man sich frei aussuchen. Die anderen agieren dann nach anpassbaren KI-Mustern und Direktbefehlen. Auch Einwechslungen von der Reservebank sind möglich - inklusive spezieller Wechselattacken und Komboverlängerungen. Darüber hinaus kann man sich auch wieder von bis zu drei Freunden unter die Arme greifen lassen.

Die Echtzeitkämpfe laufen in bewährter Tales-Manier ab, können jederzeit pausiert und mit bis zu drei Freunden kooperativ bestritten werden.
Die Mehrspielerfunktion hängt zwar wie gewohnt von der aktuellen Gruppengröße ab und beschränkt sich ausschließlich auf Kampfeinsätze, die meiste Zeit sind aber selbst für vier Spieler genug Kampfteilnehmer vorhanden und auch die Kamera passt sich den kooperativen Kampfeinsätzen gut an.

Ansonsten laufen die Kämpfe in gewohnter Tales-Manier ab: Man kann sich frei über das begrenzte Schlachtfeld bewegen, Ziele anvisieren, verschiedene Angriffe (Artes) ausführen, Blocken, Ausweichen und Objekte einsetzen. Ähnlich wie in Tales of Zestiria sind Kampfaktionen an einen Energiepegel, bestehend aus Seelengrad und Seelenanzahl, gebunden und nicht unbegrenzt einsetzbar - Abklingzeiten gibt es nur beim Verwenden von Gegenständen. Die prinzipiell durch Kampferfolge steigende und durch Patzer abnehmende Seelenzahl bestimmt quasi das Energiemaximum und der sich automatisch regenerierende Seelengrad die aktuell für Kampfhandlungen verfügbare Energie. Daher ist es wichtig, seine Ressourcen clever zu nutzen und einen möglichst ausgewogenen Kampfrhythmus bzw. Wechsel zwischen Offensive und Defensive zu finden. Zwar bleibt man auch handlungsfähig, wenn der Seelengrad auf null fällt, Angriff und Verteidigung sind dann aber deutlich eingeschränkt.

Neben dem Ausnutzen element- und artspezifischer Schwachstellen ist vor allem das daran angeknüpfte Zufügen von Statusleiden ein wichtiger Kampfaspekt, da damit nicht nur Lähmungen, Verbrennungen oder Verlangsamungen verbunden sind, sondern auch Schadenswirkungen maximiert und Regenerationskräfte minimiert werden. Man kann sogar eigene Seelen opfern und auf den Gegner übertragen, um vorübergehend noch mächtigere Angriffsmöglichkeiten bis hin zu verheerenden Spezialattacken wie Mystischen Artes zu erhalten. Das Verketten von Angriffen erfolgt über immer facettenreichere und individuell belegbare Skill-Paletten, die frei kombiniert werden können und sich auch während des Kampfes beliebig anpassen lassen.

Die PC-Fassung erlaubt erfreulich viele Einstellmöglichkeiten Bei Grafik und Steuerung.
Wer darauf keine Lust hat, kann sich die Zusammensetzung seiner Kombos aber auch abnehmen lassen und sich nur um das Timing kümmern.

Viele Freiheiten

Wer überhaupt nicht kämpfen will, kann die Steuerung auch wieder komplett automatisieren oder lediglich in wirklich brenzligen Situationen eingreifen. Selbst der Schwierigkeitsgrad lässt sich jederzeit anpassen. Zu den vier von Beginn an wählbaren Stufen gesellen sich später noch weitere hinzu, so dass wirklich jeder seine gewünschte Herausforderung finden sollte. Zudem erhält man im Spielverlauf immer wieder sogenannte Potentite, die sowohl Einfluss auf bestimmte Schwierigkeitsgrade als auch das allgemeine Spielgeschehen nehmen und so kontinuierlich für frischen Wind sorgen. So nimmt beispielsweise das Bewegungstempo immer weiter zu, Kampfmanöver lassen sich mehrfach aufladen und verketten, Effekte verstärken, Anzeigen hinzufügen oder neue Fertigkeiten freischalten.

Letztere sind in der Regel an Ausrüstungsgegenstände gebunden, können sich aber durch regelmäßiges Tragen extrahieren und dauerhaft erlernen lassen. Ob sich die dafür benötige Extrazeit auch jedes Mal lohnt, muss man selbst abwägen. Zudem können Schmiede mit gefundenen oder beim Zerlegen von Waffen und Rüstungen gewonnenen Materialien nicht nur Werte steigern, sondern auch verborgene Fähigkeiten wecken.

Der Spielstand lässt sich sowohl auf Konsole als auch am PC nicht nur an traditionellen Speicherkristallen, sondern auch per Quick-Save sichern.
Selbst durch verschiedene Errungenschaften erworbene Titel verleihen besondere Boni und Fähigkeiten, die weiter verbessert und je nach Situation gewechselt werden können. So kann man trotz automatischer Werteverbesserungen bei Stufenaufstiegen Einfluss auf die Entwicklung und Ausrichtung der Gruppenmitglieder nehmen.

Auch sonst genießt man angenehm viele Freiheiten - vom Anpassen der Steuerung oder Kameraführung über das Erscheinungsbild der Charaktere bis hin zum Anwendungsverbot einzelner Kampffertigkeiten für KI-Partner - auch wenn die Navigation am PC vor allem ohne Controller noch verbesserungswürdig ist. Dafür kann man aber auf allerlei hilfreiche Datenbanken zugreifen und dank Schnellspeicherfunktion sein Abenteuer auch abseits von Speicherkristallen problemlos unterbrechen. Darüber hinaus kann man sich natürlich auch an diversen Nebenquests, Bonusaufgaben und Minispielen versuchen, um beispielsweise lukrative Prämien zu ergattern. Neben speziellen Gegnern und Kampfherausforderungen kann man zum Beispiel auch Zeit als Kellner, Kartenspieler, Angler, Koch oder Expeditionsleiter verbringen - völlig freiwillig, aber gut aufeinander abgestimmt. Und selbst ohne diese Ergänzungen werden Anime-Abenteurern Dutzende Stunden Spielzeit geboten.

Fazit

Namco Bandai setzt auch mit Tales of Berseria auf altbewährte Serientugenden und glänzt weniger mit großen Überraschungen als mit ausgeklügelten Feinjustierungen des erstmals nur mit einer weiblichen Protagonistin aufwartenden Anime-Rollenspiels. Die dynamischen Echtzeitkämpfe wirken noch eine Spur rhythmischer, die Anpassungsmöglichkeiten noch flexibler. Bei der Charakterentwicklung hat man sich wiederum auf die Dinge konzentriert, die schon zuvor eine gute Figur gemacht hatten - wie z.B. das Nutzen und Extrahieren von Fertigkeiten aus getragenen Ausrüstungsgegenständen oder das mit speziellen Boni verbundene Wechseln erworbener Titel. Der weitgehend lineare, aber ereignisreiche Rachefeldzug hält mit seinem Wechsel aus Tragik und Humor gekonnt bei Laune und auch die angebotenen Nebenaufgaben greifen gut ineinander. Technisch kochen die Entwickler hingegen nach wie vor auf Sparflamme. Immerhin: PS4-Bildrate und PC-Optimierung haben sich im Vergleich zu Zestiria spürbar verbessert. Und so wird man unterm Strich auch vom mittlerweile 16. zentralen Tales-of-Abenteuer sehr gut unterhalten.

Pro

ereignisreicher Rachefeldzug
dynamische Echtzeit-Kämpfe
unterhaltsame Nebenaufgaben
abwechslungsreiche Schauplätze
motivierende Charakterentwicklung
viele Freiheiten und Anpassungsmöglichkeiten

Kontra

angestaubte Technik
ruckelnde Anime-Sequenzen (PS4)
verbesserungswürdige Navigation (PC)

Wertung

PlayStation4

Trotz betagter Technik ein begeisterndes Anime-Epos in bewährter Tales-Manier.

PC

Trotz betagter Technik ein begeisterndes Anime-Epos in bewährter Tales-Manier.

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