Im Test: Grösser, wilder, besser?
Geister-Jagd
Die Geschichte von Wildlands ist schnell erzählt: Im Auftrag der CIA-Agentin Bowman sollen vier Soldaten der Ghosts-Eliteeinheit Bolivien aus der Hand des skrupellosen El Sueño befreien. Bevor man sich an ihn heran wagen kann, muss man aber mindestens zwei seiner Unterbosse aus dem Verkehr ziehen. Die wiederum kann man nur erledigen, wenn man in den über 20 Provinzen die kriminellen Anlagen still legt und die so genannten "Buchons" erledigt bzw. einkassiert, die sich auf die Bereiche Produktion, Beeinflussung, Schmuggel sowie Sicherheit aufteilen. Zu allem Überfluss kämpft man nicht nur gegen die Sicarios des Kartells, sondern auch das staatliche Militär Unidad, das Santa Blanca gegenüber immer wieder ein Auge zudrückt und mit seinen gut ausgerüsteten Soldaten eine stete Gefahr ausstrahlt. Dem gegenüber sind die nur spärlich bewaffneten Rebellen nur wenig mehr als eine gut gemeinte Hilfe. Wenn man den Kartellboss durch einen Diktator ersetzt und aus Bolivien einen fiktiven Staat macht, wäre ich nicht überrascht, Rico Rodriguez als Hauptdarsteller zu sehen - vieles erinnert an die Just-Cause-Serie von Avalanche.
Erzählerisch dünn
Selbst der Spannungsbogen in Ghost Recon Future Soldier, das übrigens auch in Bolivien startet, ist deutlich intensiver. Dementsprechend bleibt das erzählerische Potenzial hier weitgehend unausgeschöpft. Auch im Hinblick auf die Landschaft, die es trotz Abwechslung und stimmungsvoller Gebiete zumeist verpasst, die Geschichte Boliviens oder des Santa-Blanca-Kartells zu erzählen. Zwar gibt es Ausnahmen wie das riesige Mausoleum, das El Sueño zu seinen Ehren errichten lässt oder auch die Slums, in denen die Ärmsten ihr Domizil aufgeschlagen haben. Doch da es quasi kein NPC-Verhalten gibt, das die Lebensumstände widerspiegelt, wirkt alles nur wie eine aufwändige Hollywood-Kulisse, vor die hunderte unterbezahlte Statisten gestellt werden. Und das, obwohl Ubisoft es bereits mit einigen Teilen von Assassin’s Creed und zuletzt mit Watch Dogs 2 geschafft hat, auch abseits des Drehbuches eine Geschichte über die Umgebung zu erzählen.
Solide Team-Action statt klasse Team-Taktik
Immerhin geht das Team-Konzept bei der Action auf. Zwar hat man die ganze Spielwelt zur Verfügung, um den Einfluss des Kartells zu verringern. Doch die Missionen finden innerhalb der offenen Zonen letztlich in meist relativ kleinen Gebieten statt. Vollgestopft mit strategisch passabel platzierten und innerhalb eines bestimmten Radius meist patroullierenden Kartell- oder Unidad-Kämpfern muss man Vorsicht walten lassen, wenn man das Missionsgebiet erreicht. Bei einer Entdeckung heften sich die Gegner erstaunlich hartnäckig an die Fersen, lassen aber filigrane Taktiken wie Flankieren oder Einkesseln vermissen. Sie gehen meist ohne Rücksicht auf eigene Verluste auf direkten Angriff über, was angesichts der mitunter vorhandenen Zahlenübermacht tödlich für die Ghosts endet - umso mehr, wenn man im Vorfeld übersehen hat, dass das Kartell einen Lautsprecher-Turm hat und Alarm schlägt, was meist einen oder mehrere schwer bewaffnete Helikopter auf den Plan ruft. Also sollte man das Gebiet vorher auskundschaften. Ist man solo unterwegs, helfen einem die drei von der KI gesteuerten Kameraden, indem sie ihre Beobachtungen mitteilen und erkannte Gegner gleich markieren, während man selbst mit Fernglas oder Drohne die Gegend erkundet und ebenfalls die Feinde mit Markierungen versieht. Man kann wie in Future Soldier auch Feinde zum synchronen Abschuss kennzeichnen, muss allerdings im Gegensatz zum letzten Teil nicht mehr selber als Teil des Abschuss-Quartetts mitmischen, sondern kann auch nur den Befehl geben.
Rückkehr in alten Ubi-Überfluss
So wird nicht nur das Missionsdesign unnötig eingeschränkt und bleibt bis auf wenige Ausnahmen auf Dauer zu redundant. Es gibt kaum Abweichungen vom Besorge-dies- oder Extrahiere-jenen-Standard, der meist nur von "Zerstöre das Kartell" ersetzt wird. Zudem werden auch die im Überfluss vorhandenen Kisten mit neuen Knarren sowie die ebenfalls üppig ausgeschütteten Waffenupgrades negiert. Warum soll ich nach einer neuen Waffe suchen, wenn ich mit dem Standard-Scharfschützengewehr, meiner MP und der Pistole aus der Grundausrüstung gut über die Runden komme? Macht man die Karte nach etwa 20 Stunden auf, ist sie prall gefüllt mit Symbolen, die irgendetwas Sammelbares anzeigen. Dass dazu auch zahlreiche Infos und Hintergrundberichte über das Kartell gehören, geht vollkommen unter – zumal sie auch keinerlei Einfluss auf den Spielverlauf haben oder geheime Orte offenbaren. Da
Auch das Erfahrungs- und Levelsystem ist nur halbherzig eingebunden. Zum einen, weil sich mir nicht erschließt, dass eine Eliteeinheit des amerikanischen Militärs im Solomodus erst den Synchronschuss für drei oder vier Soldaten freischalten muss. Oder dass man Flashbang-Granaten nicht gleich zur Verfügung hat, sondern sie erst relativ spät im Spiel bekommt. Dass ein Fortschritts-System eingesetzt wird, ist als Motivationsspritze in Ordnung. Aber dann packt da keine Sachen rein, die ich bei gut ausgebildeten Elitekräften einfach voraussetze. Dann wiederum muss ich mir wieder vor Augen halten, dass dies eine zwanglose Arcade-Ballerei für bis zu vier Spieler ist – und in diesem Zusammenhang ergeben einige der Erweiterungen im Fortschrittsbaum sogar irgendwo Sinn. Immerhin wurden die dafür benötigten Elemente gut verzahnt und als Teil der offenen Welt in den Sammelwahn integriert. Die nötigen Fähigkeits-Punkte erhält man bei Levelaufstieg, beim Erledigen von Missionen und wenn man Medaillen des Kartells aufsammelt. Und Rohstoffe wie Lebensmittel, Technologie etc. kann man markieren (sprich: sammeln) oder durch Erledigen von Rebellenmissionen in großem Rahmen aufstocken. So wird auch außerhalb des regulären Missionsdesigns ein Anreiz geboten, sich in der Gegend umzuschauen - wenngleich ein weitgehend primitiver, auf Komplettierer sowie "Jäger und Sammler" zugeschnittener.
Künstliche versus menschliche Intelligenz
Man kann in Wildlands online mit bis zu vier menschlichen Spielern als Team antreten, was ich aber letztlich nur in etwa 20 Prozent der Spielzeit genutzt habe. Es macht zwar mehr Spaß, mit einem rein menschlichen Trupp gegen die auf Dauer recht vorhersehbar agierenden Kartell- und Unidad-Schergen anzutreten. Vor allem, wenn man mit Freunden spielt, deren Vorgehensweise man kennt bzw. besser absprechen kann, als mit wildfremden, bei denen durchaus immer wieder ein Rambo dabei ist, der sich nicht um eine intelligente Vorgehensweise, sondern nur um die eigene Kill-Ratio schert. Immerhin: es gibt keine bzw. nur geringe Lags zu verzeichnen und unter dem Strich probiert das Matchmaking einen basierend auf den eigenen Statistiken mit Spielern zusammenzuführen, die einen ähnlichen Spielstil pflegen. Doch auch solo mit drei KI-Kameraden kann man Spaß haben. Nicht nur, weil die spontanen Gespräche innerhalb der Gruppe mitunter interessanter sein können als das Gebrabbel oder die höhnischen Kommentare von Freunden, die man im Ohr hat, wenn man versucht, den unter Beschuss stehenden Helikopter unter Kontrolle zu halten. Sondern auch, weil das Entdeckungsverhalten der Gegner im Zusammenhang mit der Form der Ordervergabe für die Ghost-Kameraden angepasst wurde.
Die T-Frage
Allen Versionen ist die extrem arcadige und damit niemals überzeugende Fahrphysik der gut 60 Vehikel gemeinsam, an die man sich aber wie bei anderen Open-World-Titeln gewöhnen kann, sie aber nie zu schätzen lernt. Ebenfalls auf allen Systemen findet man umfangreiche Möglichkeiten, die Bildschirmanzeige an seine Bedürfnisse anzupassen. Man kann ein gutes Dutzend Elemente bis hin zum Fadenkreuz in der Schulterperspektive aus- oder einschalten und so nicht nur störendes "Bling-Bling" entfernen, sondern auch Einfluss auf den Schwierigkeitsgrad nehmen. Der zeigt sich auf "Normal" stark auf Durchkommen und ungestörten Spielfluss getrimmt, während die
Am PC mit seinen zahlreichen Konfigurationsoptionen, die auch die Steuerung betreffen, liefert eine GeForce GTX 770 mit mittleren Details bereits gut aussehende und vor allem flüssige Ergebnisse ab. Für hohe Detailstufen ist eine GTX 960 empfohlen, deren Grafikspeicher man anhand der sich mit jeder Einstellung füllenden Leiste bis zum letzten ausreizen kann. Auf Konsolen sieht Bolivien ebenfalls gut aus und läuft auf der PS4-Pro-Variante ebenfalls weitgehend flüssig, wobei man hier in etwa die Qualität der Medium-Einstellungen des PC erreicht. Diesen Eindruck würde auch die One-Fassung hinterlassen, wenn nicht vor allem bei den Fahrsequenzen zu Lande das Bild immer wieder reißen würde. Bei einigen Schnellboot-Sequenzen hingegen kommt es bei schnellen Lenkbewegungen nicht nur zu Tearing, sondern gleichzeitig zu fiesen Einbrüchen in der Bildrate. Die Kampfhandlungen sind von solchen Sperenzchen zwar ausgenommen, dennoch sorgt die außergewöhnlich hohe Diskrepanz der technischen Umsetzung auf der One für eine leichte Abwertung, der die PS4-Amateur dank höherer Bildstabilität entgeht.
Fazit
Fünf Jahre war Ghost Recon Wildlands in Entwicklung. Und das Konzept mit seinem Team-Aspekt in der bislang größten von Ubisoft kreierten offenen Welt ist definitiv interessant. Aber Größe ist nicht alles. Denn das Ergebnis muss in eigentlich jedem Bereich hinter anderen Titeln zurückstecken, die teilweise sogar aus weiteren Ubi-Studios kommen und parallel entwickelt wurden – weswegen die Diskrepanzen umso unerklärlicher sind. Man macht vieles, aber nichts wirklich herausragend. Die Welt ist weder so explosiv noch so ansehnlich wie in Just Cause 3 und bei weitem nicht so glaubwürdig wie z.B. in Watch Dogs 2. Der Team-Aspekt ist mit seinen KI-Macken und dem redundanten Missionsdesign nicht so ausgereift wie in Gears of War 4 oder Rainbow Six Siege. Die Geschichte ist abseits der charismatischen Hauptfigur El Sueno nicht so interessant wie in Mafia 3, das auch in der Breite interessantere Figuren bietet. Dennoch macht die Eroberung Boliviens mit ihren abgespeckten taktischen und eher auf zugängliche Action getrimmten Möglichkeiten Spaß – mit einem rein menschlichen Team sogar noch mehr. Irgendwo zwischen der mitunter hanebüchenen Fahrphysik der Vehikel sowie dem eigentlich überholten Kartenzumüll-Sammelwahn, der wie auch das XP-System nicht zu den Ghosts passen möchte, finden sich immer wieder punktuell spannende Gefechte. Doch es wurde die Chance verpasst, eine der langlebigsten Reihen aus dem Hause Ubisoft erfolgreich in eine neue Richtung zu bringen. Man bekommt hier nicht mehr als nette, aber vollkommen belanglose Ballereien, die auch unter einem anderen Namen veröffentlicht werden könnten.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Es ist die größte Spielwelt, die Ubisoft bislang aufgebaut hat. Doch sie wird nur selten mit mehr als punktuell spannender Team-Action gefüllt. Auf PS4 Pro läuft es sauberer als auf der "normalen" PlayStation 4.
XboxOne
Inhaltlich identisch zu den anderen Versionen, machen den Ghosts auf der Xbox One auch vermehrt technische Probleme zu schaffen.
PC
Es ist die größte Spielwelt, die Ubisoft bislang aufgebaut hat. Doch sie wird nur selten mit mehr als punktuell spannender Team-Action gefüllt.
Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.