Im Test: Zwischen Ball und Gegner
Der Status quo
Wo steht der fast schon folkloristische Zweikampf zwischen Konami und Electronic Arts? Die Fußballspiele der beiden konnten uns auch letztes Jahr nicht in Awardeuphorie versetzen, aber sich immerhin leicht verbessern: Pro Evolution Soccer 2017 auf 82% und FIFA 17 auf 84%. Auch wenn PES im Test sowie im direkten Fußballvergleich knapp das Nachsehen hatte, blieb man im wichtigen spielmechanischen Bereich zehn Punkte vorne, zumal man auch taktisch sowie hinsichtlich der KI überlegen war. "The Pitch is Ours"? Der Slogan von Konami hat im direkten Vergleich sogar Substanz.
Diese Einschätzung könnte sich dieses Jahr wiederholen, denn der Verfolger aus Japan arbeitet nur dezent an seinem hohen spielmechanischen Niveau, sammelt dabei wie ein Eichhörnchen kleine Lizenzen, aber lässt vor allem inhaltliche Fortschritte vermissen. Um es kurz zu machen: PES 2018 ist kein großer Schritt. Und vor allem ist es nicht "der bedeutendste PES Launch seit Jahren", wie uns Jonas Lygaard, Senior Director of Brand and Business Development Konami, mit dem Hinweis auf Beckham und Bolt als spielbare Stars weismachen will.
Das frische Abschirmen
Gerade als Tester von Sportspielreihen freut es mich jedoch, wenn Entwickler das Feedback tatsächlich aufnehmen und zumindest etwas davon umsetzen. Ich zitiere mal aus meinem Fazit zu PES 2017: "Konami (...) wird vermutlich auch eine Art Abschirmung des Balles integrieren, um das zu starke
Das hat zusammen mit dem etwas verlangsamten Tempo positive Auswirkungen auf den Spielaufbau, denn so kann man sich selbst bei aggressivem Pressing aus einer bedrängten Situation lösen und vielleicht einen Pass spielen. Außerdem verliert man in der Offensive nicht so schnell den Ball, so dass man für mehr Gefahr sorgen kann. Allerdings mit einem Wermutstropfen: Man kann das Abschirmen nicht wie bei FIFA auf Knopfdruck auslösen, denn es wird je nach Situation automatisch eingesetzt. Ich kann es also nicht manuell im gegnerischen Strafraum einsetzen, um Zeit für einen Schuss zu gewinnen.
Warum verzichtet Konami auf das manuelle Abschirmen, obwohl man es als Fußballer ja jederzeit auslösen kann? Wäre es so zu mächtig? Will man vielleicht künstliches Zeitspiel damit verhindern, weil das Aufbrechen dieser Schutzhaltung auf Anhieb
Ich erspare mir allerdings die erneute Analyse der taktischen Manöver, Konter sowie der KI, denn beide befinden sich wie im Vorjahr auf höchstem Niveau: Wer die holländischen Flügelläufe unterbinden will, kann Robben & Co nicht nur situativ decken, sondern die Seiten gezielt dicht machen. Und der Computergegner kontert nicht nur hinsichtlich der Formation, sondern verhält sich auch in einfachen Situationen nicht wie ein allwissender Bot, sondern angenehm natürlich, was Zuspielfehler betrifft - zumindest, wenn man auf der fünften von sechs Stufen loslegt. Wer den ganzen Zauber dieser Fußballsimulation nachvollziehen will, sollte in der Meisterliga mit dem originalen No-Name-Team starten, denn dann lernt man die Auswirkung der Spielerwerte sowie die daraus resultierenden Finessen, aber auch die taktischen Manöver der Gegner am ehesten zu schätzen.
Was in der Meisterliga allerdings ins Auge fällt sind die Schwächen der Torhüter, die eben kein Top-Niveau haben: Gerade wenn sie schlechte Werte in der offensiven Strafraumbeherrschung haben, sieht das teilweise extrem passiv aus, wenn sie selbst an der Fünfmeterlinie keine Flanken abfangen. Auf höchstem Niveau mit Neuer & Co kann es auch vorkommen, dass seltsame Tore fallen, wenn Bälle aus nächster Nähe nur leicht mit der Hacke berührt in den Kasten rollen. Aber diese "Aussetzer" gibt es allesamt auch im echten Fußball, und auch in diesem PES 2018 sind sie eher die Ausnahme als die Regel.
Im Tempel nichts Neues
Auch wenn Konami in den Pressemitteilungen vom "strategischen Dribbling" sowie "RealTouch+" spricht, was nach Neuheiten klingt: Es gibt wie schon letztes Jahr (!) keinerlei spielmechanische Änderung auf Knopfdruck. Richtig gelesen: Pro Evolution Soccer 2018 steuert sich mit dem Gamepad exakt so wie der Vorgänger. Wer das komplette Training durchläuft wird also erneut ein Déjà-vu nach dem anderen erleben, denn bis auf weitere Optionen bei Standards für kurze Ecken sowie Laufanweisungen für indirekte Freistöße hat sich nichts getan - das ist für Veteranen nur noch öde Wiederholung. Und erneut muss man umständlich zig mal klicken, wenn man im freien Training die coolen Finten vom Übersteiger über Innenpreller bis zum Elastico lernen will.
Subtile Änderungen im Spielgefühl
Was sieht und spürt man also im Vergleich zum letzten Jahr? Ich bin ja noch eine negative Nebenwirkung schuldig, die eine Folge des neuen Abschirmens ist: Die Balleroberung ist deutlich kniffliger und verlangt besseres Timing. Das ist im Kern richtig, denn mir gefallen pure defensive Automatismen in Sportspielen grundsätzlich nicht, weil sie das Verteidigen entwerten. Aber manchmal fühlt man sich in der Defensive fast künstlich eingeschränkt, wenn man über Tackling oder Grätsche agiert, mit dem zweiten Mann presst oder selbst
Außerdem wird das direkte Anrennen dadurch entwertet, dass man so nicht sehr beweglich ist und sehr leicht umkurvt werden kann. Nicht falsch verstehen: Das ist theoretisch realistisch und richtig - außerdem sieht es toll aus, wenn der hetzende Innenverteidiger den Wendekreis eines LKW hat! Aber praktisch sind die defensiven Mechaniken einfach einen Tick zu träge, zumal das In-den-Mann-Gehen über Doppel-X meist zu Fouls führt - das ist ein Feature, das Konami wieder aufwerten sollte! Denn gerade da muss ich ja schon auf den richtigen Zeitpunkt achten und sollte öfter mit der Balleroberung belohnt werden. Was hilft? Erst wenn man in den defensiven taktischen Einstellungen das aggressive Pressing und hohen Druck forciert, und wenn man (ganz wichtig!) zusätzlich das "Gegenpressing" nach Ballverlust in den erweiterten Einstellungen aktiviert, fühlt sich das wieder an wie eine erfolgreiche Balljagd.
Diese schwierigere Verteidigung ist deshalb kein grundlegendes Problem für das immer noch sehr gute Spielgefühl, weil man in diesem PES 2017 nicht so leicht erfolgreich passen kann. Sprich: Ballverluste resultieren auch vermehrt aus Fehlpässen in der Offensive; zumal sich die Ausdauer deutlicher auszuwirken scheint und Spieler im letzten Drittel spürbarer die Kraft ausgeht.
Standards, Kosmetik & Kooperationen
Ansonsten gibt es lediglich Kosmetik: Bei einem Eckball kann man jetzt auch aus mehreren kurzen Varianten wählen, so dass sich z.B. zwei Spieler anbieten oder sich jemand an eine bestimmte Position bewegt. Auch bei indirekten Freistößen kann man die Laufwege seiner Mitspieler vor der Flanke modifizieren, so dass sie sich z.B. in einer Reihe postieren, schnell hineinstürmen etc. Auch Strafstöße laufen etwas anders ab. Hinzu kommen noch kleinere Anpassungen: Mir gefällt z.B. die geänderte Perspektive bei den direkten Freistößen, die den Blickwinkel des Schützen in den Vordergrund rückt und so für mehr Spannung sorgt, sobald der Ball in der Luft ist. Außerdem hat man die bisher optionale, aber künstlich wirkende bunte Flugkurve endgültig gestrichen. Es gibt zudem neue Statistiken zu Ballbesitz und Passquote während des Spiels.
Apropos Kommentare: Ja, die beiden deutschen Moderatoren gehen auch mal auf die Meisterliga und Jungstars ein, analysieren sogar die eine oder andere Situation treffend, und vor allem Küpper kann mit seinem bärbeißigen Stil für Leben sorgen, aber spätestens nach drei Spielen hat man alles gehört. Vor allem fußballtaktische Analysen gibt es viel zu selten. Wer euphorische Ausrufe zu einem "Welttor!" von Hagemann nach einem Abstauber nicht mehr hören kann, kann aber auf das bessere englische Duo umschalten.
Schlimme Karriere, aufgepeppte Meisterliga
Und bevor ich mir hier zu viel auf meine oben genannten Hinweise einbilde, die Entwickler tatsächlich ernst nehmen, zitiere ich mich nochmal mit "Konami muss etwas in den stagnierenden Spielmodi tun", um gleich deprimiert festzustellen: Da passiert fast gar nichts! Vor allem "Werde zur Legende" bleibt als Karriere ein steriler Witz, der mit seiner unpersönlichen Inszenierung einfach nur langweilt. Hier kann Konami nicht mal ansatzweise abbilden, worum es im Leben eines Profifußballers geht. Wie letztes Jahr muss man sich mit unpersönlichen Statistiken außerhalb und unzureichendem Feedback auf dem Platz abgeben. Bitte streicht diesen seelenlosen Modus endlich komplett - danke!
Dafür wirkt die Inszenierung etwas "lebendiger", denn Anfragen an Vereine werden von einem Telefonklingeln begleitet, es gibt mal Interviews und das Schließen des Transferfensters wird über einen Stunden-Countdown dargestellt. Da in dieser Phase auch eigene Spieler mit fester Ablösesumme den Verein verlassen können, ohne dass man reagieren kann, kommt
Mein Tipp an Konami: Konzentriert euch doch voll auf die Meisterliga, gestaltet sie noch persönlicher und versucht über Rivalen, nicht nur auf Vereins-, sondern auch auf Trainerebene, für mehr Spannung und Wettbewerb zu sorgen. Außerdem sollte man sie wieder online zugänglich machen! Dass man als Entwickler hier so wenig tut liegt vermutlich daran, dass in einem anderen Spielmodus aufgrund der Mikrotransaktionen zusätzlich Geld verdient wird: In myClub, wo man à la Ultimate Team aus FIFA eine eigene Mannschaft mit Überraschungsei-Effekt zusammen bastelt. Und ich kann diesen Modus absolut nicht ausstehen.
MyClub
Warum kann mich dieser Spielmodus genauso wenig unterhalten wie Ultimate Team in FIFA? Zum einen, weil es am Ende möglich ist, sich Spieler & Co für echtes Geld zu kaufen. Mir geht das Prinzip der Mikrotransaktionen grundsätzlich gegen den Strich, denn es verzerrt letztlich immer den Wettbewerb, schließlich kann man auch online gegeneinander antreten. Ja, Konami schüttet seine virtuelle Währung recht fair aus, aber leider so nervig wie immer, indem man auf dem Bildschirm mit Popups zugekleistert wird, sobald man eine GP-Belohnung für den ersten erfolgreichen Pass, Kopfball etc. bekommt. Immerhin kann man sich in Turnieren und Spielen auch offline gegen die KI etwas dazuverdienen. Aber hallo? Man muss doch schon Vollpreis für diese jährlichen Erweiterungen zahlen!
Zum anderen mag ich myClub nicht, weil es ein künstlich zusammen gefriemelter Modus ist, der sich nur einige Elemente aus der Meisterliga sowie der taktischen Grundstruktur von PES herausgreift, um sie zusammen mit dem Überraschungseffekt der neuen Spieler zu vermischen. Hinzu kommt von Anfang an dieses Supermarktflair mit seinen Sonderangeboten und zeitlich begrenzten Aktionen, dazu die Hire&Fire-Mentalität sowie die Beliebigkeit in der Auswahl, wenn man sich einfach Coaches
Zufall und Kooperation
Was Konami an "neuen" Spielmodi präsentiert, ist zumindest eine nette Dreingabe: In den Zufallspartien wird der Kader der beiden Mannschaften entweder komplett aus allen Kontinenten und Ligen oder aus den jeweils aktivierten zusammengewürfelt. Vor dem Anstoß gibt es noch eine Möglichkeit zum Tausch: Jeder darf einen Spieler des anderen geheim auswählen und einen eigenen schützen. Entscheidet sich der Kontrahent genau für den geschützten Spieler, bekommt er stattdessen einen ebenfalls vorher bestimmten Ersatz - meist den schlechtesten Profi.
Man konnte fast schon immer kooperativ PES spielen, aber diesmal gibt es für die bis zu drei gemeinsam in einer Mannschaft agierenden Spieler (lokal oder online) eine zusammen fassende Bewertung sowie umfangreiche Statistiken auf mehreren Seiten: So weiß man am Ende einer Partie, wer sich taktisch am besten verhalten, wer die meisten Dribblings gemeistert oder
Apropos: Der Netzcode ist wie letztes Jahr stabil und es ist schön, dass Partien automatisch ohne Punktverlust vom System abgebrochen werden, sollte es mal zu starken Verbindungsproblemen im Spiel kommen. Wie gehabt könnt ihr an Online-Ligen teilnehmen, wobei ihr in der untersten Klasse der zwölften Division startet und euch dann über jeweils zehn Matches pro Saison hocharbeiten könnt. Hinzu kommt eine Lobby, ihr könnt euch für Freundschaftsspiele treffen und dort auch euer Meisterliga-Team einsetzen; außerdem ist ein komplettes 11-vs-11 online möglich.
Aktualisierung vom 18. September: Wie spielt sich die PC-Version?
Fazit
Auch wenn die reale Fußballwelt mit dem Transferwahnsinn durcheinander gewirbelt wurde, herrscht in der digitalen Stagnation - zumindest bei Pro Evolution Soccer 2018. Letztes Jahr war man auf dem Platz besser als FIFA 17 und tatsächlich präsentiert man sich über das neue, allerdings nur automatisch eingeleitete, Abschirmen sowie das verlangsamte Tempo spielmechanisch noch reifer. Auch wenn die defensiven Manöver jetzt zu schwach wirken, entstehen in der Offensive unheimlich spannende Situationen. Aber: Es gibt kein einziges neues Manöver auf Knopfdruck und lediglich subtile Ergänzungen bei Animationen, Standards sowie Perspektive. Der Verfolger aus Japan arbeitet dezent an seinem hohen spielmechanischen Niveau, sammelt dabei wie ein Eichhörnchen kleine Lizenzen, aber PES 2018 ist kein großer Schritt. Und vor allem ist es nicht "der bedeutendste PES Launch seit Jahren", wie uns Jonas Lygaard, Senior Director of Brand and Business Development, weismachen will. Es hat schon seine Gründe, warum wir seit mehr als zwei Jahren keine Awards mehr für Fußballspiele vergeben haben, denn die Hersteller plustern vieles im Vorfeld künstlich auf, ohne wirklich an die Substanz zu gehen. Zwar wurde die Meisterliga tatsächlich spürbar aufgepeppt, aber Konami lässt jetzt schon seit Jahren Fortschritte in vielen relevanten Bereichen vermissen: Die Karriere "Werde zur Legende" bleibt ein steriler Witz - bitte einstampfen! Das ewig gleiche Training setzt Staub an und die Zufallsmatches sowie der um Statistiken bereicherte Koop-Modus sind lediglich nette Dreingaben. Und wenn man mit Dortmund und Schalke schon die "Mutter aller Derbys" in petto hat, sollte man es auch speziell inszenieren! Gerade mit weniger Lizenzen muss Konami das Vorhandene deutlich besser präsentieren, kreativer ausbauen und sich mehr auf die Fußballkultur, anstatt auf zusätzlichen Firlefanz wie Bolt, Beckham, Tattoos & Co zu konzentrieren - mehr dazu im Video-Epilog. Aber das klingt alles kritischer als es auf dem Platz ist. Und es wird dieses Jahr ganz schwierig für FIFA 18, denn hinsichtlich Spielaufbau, Ballphysik und Taktik ist das - mal wieder - ein richtig guter Kick!
Aktualisierung vom 18. September: Wir konnten mittlerweile auch die PC-Version spielen, die endlich ohne Abstriche auf dem Niveau der Konsolen inszeniert wird, daher gibt es dieselbe Wertung. Mehr dazu auf Seite 4 des aktualisierten Tests.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Auch wenn sich PES 2018 mit dem neuen Abschirmen klasse spielt und der Spielaufbau nochmal profitiert, stagniert man in anderen Bereichen und hat noch einige Luft nach oben, um wieder für Awardeuphorie zu sorgen.
PC
Konami bringt endlich auch die PC-Version ohne Abstriche auf das Niveau der Konsolen - ein richtig guter Kick!
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