The Last Guardian22.06.2016, Alice Wilczynski
The Last Guardian

Vorschau: Ein lebendiges Wesen

Nach neun Jahren Wartezeit ist es endlich soweit: Fumito Uedas nächstes Abenteuer The Last Guardian (ab 10,00€ bei kaufen) wird dieses Jahr für die PS4 erscheinen. Auch wenn manche meiner Kollegen es immer noch für einen Mythos halten, durfte ich auf der E3 endlich die ersten Momente mit  Trico erleben. Ob die hohen Erwartungen nach all den Jahren erfüllt werden konnten, lest ihr in der E3-Vorschau.

Zusammen ist man weniger allein

Unterlegt mit verträumter Musik startet The Last Guardian mit einer Abfolge gezeichneter Tiere, bis endlich die Skizze eines großen Wesens namens Trico erscheint, das an einen Mix aus Vogel und Katze erinnert. Übersät mit merkwürdigen Markierungen auf den Armen, erwacht man als kleiner Junge in einer dunklen Höhle direkt neben diesem Wesen, das mit einer schweren Kette angebunden wurde. Während Ico und Shadow of the Colossus eher stumme Spiele waren, wird man in The Last Guardian subtil von einer Erzählerstimme begleitet, bei der es sich scheinbar um die ältere Version des Protagonisten handelt.  Er berichtet, dass Trico zu der Sorte Biest gehört, das Menschen frisst. Als ich das Wesen näher betrachten will, schlägt er mit seinem Vogelgefieder wie wild um sich und brüllt so laut, dass ich nach hinten geschleudert werde.

Die akustische und visuelle Darstellung nimmt mir den Atem. Es ist verdammt schwer in Worte zu fassen, wie echt sich dieser Moment anfühlt.  Man hat tatsächlich das Gefühl auf ein lebendiges, bedrohliches Wesen zu treffen. Trico winselt vor Schmerz, schüttelt seinen Kopf wie ein echtes Tier und jedes einzelne Schnurrhaar und jede einzelne Feder bewegt sich. Die Erzählerstimme erwähnt, dass er keine Angst habe und so ziehe ich Trico einen Speer aus dem Gefieder. Ob das so eine gute Idee war? Der Junge wird gegen die Wand geschleudert und der Bildschirm färbt sich schwarz. Als wir wieder aufwachen, krümmt sich Trico immer noch vor Schmerzen. Ich will ihm helfen, ihn streicheln, sein allerbester Freund

Der Protagonist wacht mit lauter Zeichen auf seinen Armen in einer Höhle neben dem Biest auf.
werden. Sein riesengroßer Kopf hat etwas Liebevolles - mir doch egal, dass er angeblich Menschen frisst! Doch jeder Versuch ihn zu erklimmen, endet darin, dass ich in die Höhlenecke geschleudert werde und seine Augen wie wild aufleuchten. Im dunklen Anspielraum der E3 ertappe ich mich dabei wie ich leise murmle „Ich will dir doch nur helfen“.

Auf die Stimme des Spiels hören

Hektisch versuche ich immer wieder weiter zu kommen. Wann geht es endlich in den nächsten Raum und wieso funktioniert das Klettern nicht? Ich bin so konditioniert darauf, gerade im Einstieg eines Spiels alles vorgekaut zu bekommen, dass ich zunächst gar nicht auf die Idee komme, dass mich bereits jetzt ein Rätsel erwartet. Ich sammle mich nochmal und lasse mich auf diese ruhige Spielart ein. Nach und nach komme ich endlich drauf, dass ich Trico mit den im Raum versteckten Fässern füttern muss. Ich lege ihm eins vor die Füße, entferne mich etwas und erst dann schnappt er gierig zu. Immer wieder spricht der Junge ihm gut zu, oder fragt ihn ob seine Flügel gebrochen sind. Er scheint genauso fasziniert von Trico zu sein wie ich. Erst nach drei Snacks kehren Tricos rot leuchtende Augen wieder in den Normalzustand zurück und ich kann endlich an seinem Gefieder Schritt für Schritt hinaufklettern, um die Speere herauszuziehen. Mit der Viereck-Taste kann ich Trico sogar streicheln. Er neigt vorsichtig seinen Kopf, blinzelt müde und ich blicke ihm tief in seine riesengroßen Augen und betrachte seine putzigen katzenartigen Ohren. Schon jetzt ist mir der sanfte Riese tierisch ans Herz gewachsen und ich frage mich, wie Team Ico das in diesen wenigen Minuten geschafft hat.

Das Abenteuer beginnt

Man kann Trico auch streicheln...
Nachdem ich Trico von seinen Ketten befreit habe und er sich erstmal ausgiebig schüttelt und hinterm Ohr kratzt, erkunden wir zusammen die Höhle. Doch es scheint nirgendwo weiter zu gehen. Während ich den Boden erkunde, vertreibt sich Trico alleine die Zeit, stromert in der Höhle rum oder greift mit seinen vogelartigen Füßen nach Fässer-Snacks in der Wand. Durch einen engen Schlitz komme ich in einen nebligen Raum voller mysteriöser Symbole an der Wand. Ich wünschte, ich hätte Trico mitnehmen können, doch nur der kleine Junge kann durch enge Gänge kriechen. Immer wieder fragt man sich, wo man sich eigentlich genau befinden könnte und wieso man zu diesem gefährlichen Biest gebracht wurde.

Es scheint sehr kalt zu sein. Der Protagonist zittert am ganzen Körper und versucht sich warm zu rubbeln. Obwohl die Höhle einen ausgestorbenen Eindruck hinterlässt, lassen die liebevollen Animationen und Gesten der Charaktere die Spielumgebung unheimlich lebendig wirken. Ich finde einen sonderbaren Schild, der einen grünen Strahl von sich gibt. Als ich den Strahl mehrmals an die Wand richte und nichts passiert, bin ich etwas enttäuscht. Erneut werde ich ungeduldig. Keine Statuswerte, keine Erklärung und keine Möglichkeit den Schild direkt einzusetzen. Dies wird nicht der letzte Moment sein, in dem The Last Guardian mich dazu zwingt, sich auf ein ruhige Atmosphäre einzulassen, bei der der Aha-Effekt erst nach und nach einsetzt.

Tricos verborgene Fähigkeiten

Als ich den grünen Strahl einfach mal auf Trico richte, höre ich plötzlich ein lautes Summen und ein mächtiger Blitz schießt aus seinem Körper. Solange man ihn auf das Biest richtet, ist es also möglich Tricos Blitzstrahl für eine kurze Zeit zu nutzen. Nach einer etwas längeren Suche finde ich endlich die eine Stelle an der Felswand, die ich zerstören kann, um mich weiter in das Innere der Höhle zu begeben. Es gibt keinen Hexersinn, keine leuchtenden Symbole oder markierten  Passagen, die einem direkt des Rätsels Lösung anzeigen. Zwar gibt die Erzählstimme nach einiger Zeit hier und da kleine Hinweise, oder Trico stellt sich irgendwann an die richtige Stelle. Alles in allem muss man allerdings von Anfang an eigenständig denken.

Es war beruhigend zu sehen, dass auch die anderen Spieler im Raum die richtigen Stellen und Wege nicht sofort gefunden haben. Endlich wird man mal wieder vor eine Herausforderung gestellt und die darauffolgende Belohnung, wenn die Felswand endlich zerspringt und man auf Tricos Rücken über Mauern klettert und sich an engen Vorsprüngen vorbeiquetscht, ist sehr erfüllend.

Bereits im Einstieg steht Tricos eigener Wille im Vordergrund. Soll er mir folgen, muss ich ihn zunächst rufen und hoffen, dass er mitkommt. Selbst wenn er sich dazu entscheidet zu folgen, setzt er seinen Köper ganz gemächlich in Bewegung und es dauert, bis dieses riesige Tier am gewünschten Ort ankommt. Trico hat eben sein eigenes Tempo und ich merke

Man kann nur an Trico entlang klettern, wenn er mit Futter beruhigt wird.
wie auch bei mir immer mehr Ruhe einkehrt. Auch die großartige musikalische Untermalung hilft dabei, sich immer mehr auf diese mystische Welt mit ihren eigenen Regeln einzulassen. Als ich von einem hohen Felsen in einen Wassergraben springe, neigt sich mein Begleiter vorsichtig runter, tastet mit den Füßen den Abgrund ab und bleibt dennoch laut winselnd und sichtbar ängstlich stehen.

Hat dieses imposante Wesen etwa wirklich Höhenangst? Wahrscheinlich eher wasserscheu, immerhin steckt in ihm was Katzenhaftes. Erneut kann ich ein Stück in der Wand aufbrechen um darin Fässer-Snacks für Trico zu finden. Kaum habe ich diese ins Wasser geworfen, springt Trico mit einem unheimlich lauten Klatscher ins Wasser. Zu sehen und hören wie dieses riesengroße Viech in das recht schmale Wasserloch springt, gehört erneut zu den Momenten, die man einfach selbst erlebt haben muss. Ich frage mich, was wohl der Inhalt der grün leuchtenden Fässer ist, die Trico jede Angst vergessen lassen.

Technisch definitiv noch ausbaufähig

Technisch kann das Spiel vor allem durch seine schönen Details und Animationen überzeugen. Jede emotionale Regung ist nicht nur im Gesicht des Jungen, sondern auch bei Trico zu erkennen. Mysteriöser Nebel und Tricos animalische Details lassen die Welt aufleben. Spieler, die das Springen mit Dreieck und das zusätzliche Halten von R1 für das Klettern nicht bereits von Shadow of the Colossus gewöhnt sind, werden zunächst etwas Probleme mit der hakeligen Steuerung haben. Auch die Kamera verhakt sich immer wieder mal in Tricos Fell oder zeigt auf Stellen, die man gerade nicht fokussiert hat. Doch als ich den Controller kurz zur Seite lege und es sich tatsächlich so anfühlt, als würde neben mir eine Vogelkatze auf mich warten, sind mir diese „Probleme“ einfach völlig egal.

Wie viele andere Wesen warten in der Spielwelt?

Das Biester-Nest

Am Ausgang angekommen, verabschiedet sich der Junge, um sich auf den Weg zurück ins Dorf zu machen und lässt Trico zurück. Mir wird der erste Blick auf die Außenfassade des riesengroßen, an einen Tempel erinnernden Gebäudes gewährt. Als Trico von innen die Wand aufbricht und mit einem großen Hüpfer wieder vor dem Jungen steht, bin ich unheimlich froh, auch wenn ich sowas natürlich bereits erwartet habe. In der  Ferne erkenne ich zahlreiche Türme und komische Konstruktionen. Scheinbar befindet man sich auf einer sehr hoch gelegenen Insel, die von der Erzählstimme als „Biester-Nest“ beschrieben wird. Im E3-Trailer war bereits ein weiteres Biest zu sehen. Sind die Tierzeichnungen am Anfang vielleicht ein Hinweis darauf, dass mich noch weitere Wesen erwarten? Als Tricos gebrochene Flügel versagen, tut es mir zwar Leid, dennoch bin ich froh, dass ich meine Reise durch das sehr gefährlich scheinende Gebiet zusammen mit Trico bestreiten kann.

Ausblick

Mit The Last Guardian scheint Fumito Ueda erneut ein mysteriöses Abenteuer zu erschaffen, das eine Beziehung in den Fokus rückt. Das Zusammenspiel des Menschenjungen mit dem katzenartigen Vogelwesen Trico hat mich schon im Einstieg von den Socken gehauen. Man wird angehalten selbst zu denken, muss sich den wunderschön animierten Eigenarten Tricos anpassen und taucht ein in eine Welt voller Rätsel und offener Fragen ein.  Ich kann es kaum erwarten das große Areal abseits der Höhle zu entdecken und hoffe sehr, dass Trico mein allerbester Freund werden will. Im Interview beschrieb Ueda als sein größtes Ziel, dass Spieler den virtuellen Trico als echtes Wesen wahrnehmen und auch nach dem Spielen noch so empfinden. Bei mir hat er dieses Ziel jetzt schon erreicht.


Einschätzung: sehr gut

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