Nioh06.09.2016, Jörg Luibl
Nioh

Vorschau: Europäischer Samurai

Ihr seid auf der Suche nach intensiven Nahkämpfen mit Schwert, Speer & Co im Stile von Dark Souls? Dann solltet ihr Nioh (ab 9,94€ bei kaufen) von Koei Tecmo im Auge behalten. Team Ninja hat sich von der Erfolgsserie aus dem Hause From Software kräftig inspirieren lassen und eine fernöstliche Variante entwickelt, die man bereits in zwei Demoversionen auf PlayStation 4 spielen konnte. Wie uns das Hauen und Stechen im alten Japan gefällt, verrät die Vorschau.

Geralt Chamberlain

Moment, ich sehe ja aus wie...Geralt! Aufgrund der weißen Mähne samt Zopf fühlt man sich nach den ersten Schritten am Strand unweigerlich an den Hexer erinnert - nur dass man ganz gewöhnliche blaue Augen hat. Man spielt offiziell den englischen Seefahrer William Adams (1564 - 1620), der als erster westlicher Samurai gilt und auch als "Miura Anjin" bekannt ist. Noch bekannter ist seine Biographie dank Richard Chamberlain, der ihn als "John Blackthorne" in den 80er Jahren in der Fernsehserie Shogun verkörperte.

An Schreinen mit putzigen Geistern kann man seinen Charakter aufwerten oder etwas opfern, um Begleiter zu beschwören.
Nioh entführt euch in das Japan des späten 16. Jahrhunderts, vermutlich in die Zeit vor der Schlacht von Sekigahara, in der Tokugawa Ieyasu zum Shogun ernannt wurde, Japan einte und die Edo-Zeit einläutete. Aber das Action-Rollenspiel wird sich weder am turbulenten Leben des Engländers noch an den historischen Ereignissen orientieren, sondern ein Fantasy-Abenteuer mit dämonischer Parallelwelt inszenieren. Auch wenn man eine "spannende Hintergrundgeschichte" verspricht, geht es Team Ninja in erster Linie um den Kampf. Und da haben die Macher von Ninja Gaiden 3 nicht nur selbst viel Erfahrung, sondern bei From Software so viel Inspiration sammeln können, dass man sich zunächst wie in einem fernöstlichen Dark Souls fühlt. Falls ihr euch für Kampfsysteme innerhalb der Spielewelt interessiert, empfehlen wir diesen historischen Rückblick.

Dark Souls lässt grüßen

Das alte Japan wird ähnlich wie in Onimusha um viele Fantasyelemente wie

Mit jeder Waffe kann man drei Haltungen annehmen: niedrig, mittel, hoch.
Schutzgeister, Dämonen ("Yokai") & Co bereichert, die man schon im Einstieg z.B. an Schreinen trifft, bevor einen der erste Bandit mit gezücktem Katana auflauert. Egal ob Charakterentwicklung mit acht Attributen von Körper, Stärke bis Magie oder Geist, die sich direkt auf die Kampf-, Verteidigungs- sowie Widerstandswerte auswirken oder das allgemeine Spieldesign - vieles erinnert an die Soulsreihe. Das Spiel inszeniert gnadenlose Duelle und die Erkundung einer feindlichen Umgebung voller böser Überraschungen. Wer stirbt, verliert seine für den Aufstieg wichtigen Seelen (hier Amrita) und kann sie nur wieder erlangen, indem er an den Ort zurückkehrt. Spielt man online, kann man die Gräber gefallener Spieler erkennen, dort z.B. ihren Namen, die Stufe sowie Todesart erfahren und auf Wunsch gegen ihre Geister kämpfen.

Sammelt man genug "Amrita", kann man weitere Kampfmanöver freischalten.
Geht es zur Sache, kann man seine Feinde ins Visier nehmen, leichte und schwere Hiebe austeilen, parieren und kontern, muss dabei auf seine Ausdauer sowie den Abstand achten - dieses Fixieren und Taxieren sorgt schon vor dem ersten Hieb für Spannung. Die dann entfesselten Duelle sind sehr rasant, inklusive abgetrennter Gliedmaßen sehr blutig und man segnet selbst schnell das Zeitliche, wenn man zu viel riskiert. Nioh inszeniert also keinen Kloppmist, sondern angenehm taktische Auseinandersetzungen, deren schnelle Tode manchmal an das gnadenlose Kengo erinnern. Und es gibt innerhalb des Kampfsystems einige relevante Unterschiede, die trotz struktureller Ähnlichkeiten einen anderen Klingentanz sowie Fähigkeitenfokus entstehen lassen als in Dark Souls.

Team Ninja wird nach dem Nutzer-Feedback basierend auf der Alpha-Demo ein paar Änderungen an seinem Action-Schnetzler Nioh bis zur finalen Veröffentlichung vornehmen, der in Zusammenarbeit mit Koei Tecmo entsteht. Laut Gamespot wollen die Entwickler nach der Auswertung der Fragebögen u.a. die Erkundungselemente verbessern, die schwindende Haltbarkeit von Waffen und Rüstung über Bord kippen sowie das Ausdauersystem überarbeiten. Auch das Verhalten von Spieler und Kamera soll optimiert werden, wenn man ein feindliches Ziel anvisiert hat. Gleiches gilt für die allgemeine Grafikleistung der Engine - in der Demo hatte man noch die Wahl, ob man mehr Wert auf die Auflösung oder Bildrate legt.

Wer die Alpha-Demo gespielt hat, kann die Spiel- und Speicherdaten übrigens beruhigt löschen. Wie Team Ninja verlautbaren lässt, wird Käufern der finalen Version auch dann die Belohnung Mark of the Conqueror für das erfolgreiche Abschließen der Demo gutgeschrieben, wenn sich der Spielstand und die Demo nicht mehr auf der Festplatte befinden.

Hier die komplette Übersicht, welche Änderungen und Anpassungen das Studio bis zur geplanten Veröffentlichung in diesem Jahr noch vornehmen möchte:

Overall

  • Add tutorials regarding the game system.
  • Adjust balance mainly in the opening sections to make battles fairer.
  • Improve controls and camera system.
  • Improve the understandability and usability of the UI.
  • Improve graphic performance

Tutorials

  • Implement a training stage for tutorials on basic controls and core game actions.

Action & Controls

  • Improve player & camera behavior during lock-on.
  • Change the conditions under which the player character becomes unresponsive when the Ki Gauge is empty.
  • Expand item shortcut slots.
  • Revise the objects which require holding a button and the response to the hold input.
  • Improve detection for the half-circle analog stick input.

Enemies

  • Adjust attack and defense parameters of enemies.
  • Revise enemy pursuit of the player.
  • Revise superarmor (stagger/no stagger) for each enemy and attack.
  • Adjust Revenant AI.

Level Design/Stages

  • Improve exploration elements such as shortcuts, etc.
  • Add hints to guide players to boss areas.
  • Revise the display of objects that block the view of the player character.
  • Adjust fire area damage.

UI

  • Improve layout and displayed information.
  • Adjust text size.
  • When making an offering at a shrine, allow the player to perform all actions at once.

Online

  • Improve online synchronization.
  • Allow the host to use the Shrine menu during co-op play with a Visitor.
  • Adjust the rate at which enemy parameters increase during co-op play.

Other

  • Remove durability stat for weapons and armor.
  • Adjust the drop rate for equipment.
  • Add a new control type.
  • Implement a flow to allow players to exit a mission.
  • Fix other bugs.

Eine Waffe, zig Möglichkeiten

Dafür sorgt nicht nur das Fehlen von Schilden, sondern vor allem die Haltungen: Mit jeder Waffe (Katana, Speer, Axt, Doppelkatana etc.) kann ich drei Positionen von niedrig, mittel bis hoch annehmen. Aus diesen heraus lassen sich dann in ihrer Art, Wucht und Länge ganz unterschiedliche Hiebe ausführen - und es macht Spaß, damit zu experimentieren, weil eine Waffe schon sechs grundlegende Varianten ermöglicht. Diese kann ich wiederum über das Erwerben von Fähigkeiten erweitern, so dass von horizontalen und vertikalen Schlägen bis hin zu akrobatischen Kombos und Todeshieben, von einfachen Paraden bis hin zu Fußfegern und Riposten oder Salti in den Rücken des Gegners alles möglich ist.

Sehr vorbildlich: Zu jedem Manöver gibt es ein Video.
Für jede Waffe zeigen Schautafeln die aktiven Schäge und Kombos an, außerdem kann man sich alle zusätzlichen Manöver schnell auf Knopfdruck im Video anzeigen lassen - sehr vorbildlich! Neben Klingen kommt noch Ninjitsu sowie Magie hinzu; außerdem kann man seinen Kampfstil über Schutzgeister stärken. Diese Vielfalt ist enorm, kann aber zu Beginn überfordern, selbst wenn man nur zwei Nah- sowie Fernkampfwaffen (Bögen, Gewehre) maximal ausrüsten darf.

Trägt man z.B. Katana und Speer, kann man auf Knopfdruck die gewünschte Waffe ziehen, eine der drei Haltungen annehmen und auch während des Kampfes flüssig zwischen mittel, hoch oder niedrig wechseln, um andere Manöver auszuführen. Das rechtzeitige Wechseln ist wichtig, um auf die Bewaffnung des Feindes oder die Umgebung zu reagieren - in schmalen Gängen kann man z.B. weit ausholende Schwünge mit dem Speer nicht ausführen, während man über fächerartige Attacken im Freien gleich mehrere Feinde auf einmal trifft.

Die Charakteraufwertung erinnert auch an Dark Souls: Jede Attributsteigerung auf der linken Seite, wirkt sich auf die Kampfwerte rechts aus.
Was die Hand-Auge-Koordination zusätzlich erschwert: Während des Kampfes gewinnt man Ausdauer zurück, wenn man nach Schlägen rechtzeitig die blau aufleuchtende KI-Energie um sich herum mit der Schultertaste einsammelt. Weil jeder Schlag Ausdauer frisst, und man ohne diese hilflos da steht, ist es sehr wichtig, für einen stetigen Fluss an KI zu sorgen. Sehr schön: Auch die menschlichen Feinde haben mit diesem Limit zu kämpfen, so dass man auch selbst wunderbar schwache Momente ausnutzen kann. Nur Vorsicht in der dämonischen Welt der Yokai: Dort sinkt die Ausdauer deutlich schneller und man sollte in der Charakterentwicklung unbedingt den "Yokai-Schutz" stärken.

Viele Tode, große Potenziale

Man stirbt viele, viele Tode, bevor man den Spielfluss für dieses System

Spielt man online, entdeckt man überall die Gräber gefallener Spieler. Man kann die Geister der Gefallenen rufen, um sie zu bekämpfen und ihre Ausrüstung zu erhalten...
verinnerlicht, zumal man nicht nur sehr schnell sein Leben verliert, sondern die Feinde teilweise aus dem Hinterhalt angreifen oder geschickt verteidigen. Aber es ist auch sehr befriedigend, wenn man drei, vier Schlagvarianten trainiert hat und diese dann funktionieren. Außerdem weiß man irgendwann die vielen kleinen Ideen zu schätzen: Besiegt man mehrere Feinde hintereinander, füllt sich die Schutzgeistanzeige und man kann irgendwann seine Waffe "beleben", was einem im Kampf deutliche Vorteile verschafft. Wer diese Boni sowie unterstützende Effekte wie etwa Feuer für die Klinge aktiv einsetzt, wird auch weit kommen.

Trifft man auf mehr als einen Gegner, kann es auch mal sehr hektisch werden; manchmal vermisst man auch mehr physikalische Konsequenz bei Kollisionen. Ähnlich wie in Dark Souls sollte man übrigens fliehen und Feinde gezielt weglocken. Gerade die gewöhnlichen Gegner lassen sich z.B. sehr leicht mit dem Speer aus der Distanz besiegen, weil man recht flott mit dem arcadig wirkenden Rückwärtsschritt ausweichen kann. Wer wissen will, wie stark die KI selbst kämpfen kann, sollte an den Gräbern mal einen Gefallenen beschwören.

Dämonische Bosse der Yokai lauern am Ende der Abschnitte...
Was Nioh hinsichtlich der Story sowie Spielwelt und Erkundung zu bieten hat, muss sich natürlich erst zeigen. Die bisherigen Abschnitte waren zwar klein, aber einigermaßen verwinkelt, boten auch mal versteckte Schätze, aktivierbare Abkürzungen, Schmiede und natürlich Bosse. Aber sie konnten bisher weder hinsichtlich der möglichen Entdeckungen noch der lediglich soliden Technik oder Architektur ähnlich begeistern wie etwa Dark Souls 3. Zwar kann das Artdesign mit seinem japanischen Flair sowie der Mischung aus putzigen Geistern sowie bösen Fratzen punkten, aber gerade wenn man in die Ferne schaut, vermisst man doch mehr sichtbare Details und das Wasser wirkt recht künstlich. Interessant und natürlich ähnlich inspiriert ist der Online-Modus: Opfert man einen Becher, kann man sich Hilfe anderer menschlicher Kämpfer holen, die einen dann bis zum Missionsende bzw. Boss begleiten, wobei man sich auf dem Weg zum Ziel nur begrenzt wiederbeleben kann.

Kann der erste westliche Samurai auch abseits der Kämpfe überzeugen? Noch lässt sich nicht einschätzen, wie sich Story und Spielwelt entwickeln.
Sehr lobenswert sind zudem zwei Dinge: Erstens hat sich Team Ninja nach der Alpha-Demo im April intensiv mit dem Feedback der Spieler beschäftigt - hinsichtlich der Technik und vor allem bei der Steuerung lag einiges im Argen. Und schon in der Beta-Demo vom September spürt man die Verbesserungen in nahezu allen Bereichen - mal abgesehen, davon, dass es ein Tutorial gibt, in dem man alle Manöver üben kann: das Fixieren der Feinde samt Kamerakontrolle ist präziser, die Bewegungen und Schläge wirken klarer, das Leveldesign bietet mehr Abkürzungen und die Kulisse flimmert nicht mehr so künstlich. Man kann bis zu acht Tränke, Zauber etc. auf das Steuerkreuz zur Schnellauswahl legen, zudem hat man die Wahl zwischen den drei Anzeigemodi Action, Video oder Film, die die Bildrate entweder festlegen oder variabel lassen. Zweitens werden Spieler, die die knifflige Demo erfolgreich beenden, mit kostenlosem DLC zum Release belohnt.

Ausblick

Nach der ersten Demo von Nioh war ich zwar schon sehr neugierig, denn dieses fernöstliche Abenteuer trifft meinen Dark-Souls-Nerv: gnadenlose Nahkämpfe, gefährliche Erkundung. Angesichts der schwammigen Steuerung und wackligen Technik war ich im April allerdings noch skeptisch. Aber Team Ninja hat das Feedback gesammelt und innerhalb von fünf Monaten spürbare Verbesserungen integriert, so dass sich die aktuelle zweite Demo deutlich griffiger, präziser und balancierter anfühlt. Jetzt macht es richtig Spaß, sich in die enorme Vielfalt dieser Klingentänze zu vertiefen, die mit jeder Waffe zig Hiebe aus drei Stellungen heraus bieten - und zwar im fließenden Wechsel! Nioh verzeiht kaum Fehler und verlangt höchste Konzentration, aber belohnt mit unheimlich spannenden Duellen. Zwar erinnert nicht nur die Struktur der Gefechte vom Taxieren bis zum Kontern an Dark Souls, aber es entsteht mehr Tempo und man hat gleichzeitig mehr Optionen. Dieses Spiel richtet sich an Veteranen, die eine Herausforderung suchen und auch nach zig Toden nicht aufgeben. Wenn jetzt noch Story, Kulisse und Spielwelt auf lange Sicht überzeugen, kann dieses blutige Abenteuer im alten Japan vielleicht die Lücke füllen, die Onimusha hinterlassen hat.

Einschätzung: gut

Ihr interessiert euch für digitale Klingentänze? Dann empfehlen wir unseren historischen Rückblick: Im Wandel der Zeit: Kampfsysteme.

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