Unklare Rolle in der Gesellschaft
Nach der Attacke der Demonstranten will ihn sein Mentor außerdem fit für ein selbstständiges „Leben“ machen. „Ich werde nicht immer da sein“, gibt er zu Bedenken und fordert ihn auf, seine eigene Rolle und seine Ziele in der Gesellschaft zu ergründen. Ein interessanter Ausgangspunkt, denn wie Quantic Dream bereits verraten hat, muss man in seiner Rolle später entscheiden, wie konsequent und gewaltsam sich der Widerstand der Maschinen gegen seine menschlichen Herrscher auflehnt. De Fondaumière betont, dass sein Spiel keine Antworten geben, sondern Fragen aufwerfen soll: „So könnte die Zukunft aussehen und ihr müsst entscheiden!“ Das rege natürlich zum Nachdenken darüber an, wie schnell wir als Gesellschaft auf die Entwicklung reagieren müssen, um etwa die Künstliche Intelligenz zu begrenzen. Laut Westerheide könnten eines Tages auch eine Art „Menschenrechte“ für KIs nötig werden:
„Ich habe letztes Jahr vorm Bundestag dafür plädiert, wir müssen sie wie Firmen behandeln: Rechenschaft ablegen, haftbar machen, was Versicherung angeht. Aber sie können sich auch selbst verwalten, Steuer erheben, Leute einstellen. Jeder Algorithmus da draußen, der mit Aktien handelt, hat bereits einen enormen Einfluss auf uns. Wir müssen ein rechtliches Grundkonstrukt dafür haben, das dann erweiterbar ist. Vielleicht kriegen sie irgendwann Menschenrechte. Das wird nicht ohne gehen und das wird mit einem gewissen Konflikt einhergehen.“
Killswitch oder Massenmord?
Kann eine Maschine das Vertrauen der eingeschüchterten Tochter Alice leichter gewinnen als ein Mensch?
Problematisch sei in dem Zusammenhang die Notabschaltung intelligenter Systeme: Sollten sie erst einmal menschenähnliche Rechte genießen, könnte man die Deaktivierung schließlich als Massenmord interpretieren. Wie aktuell das Thema ist, zeigen auch die Schlagzeilen: Laut
Heise.de hat sich das EU-Parlament Anfang April dafür ausgesprochen, einen rechtlichen Status für Roboter in Form einer "elektronischen Person" zu schaffen. Einige Experten hätten allerdings öffentlich dagegengehalten, dass der Appell von einer durch Science Fiction verzerrten Wahrnehmung inspiriert sei.
In David Cages Abenteuer spielt die Wahrnehmung ebenfalls eine wichtige Rolle: Die visuelle Umsetzung profitiert erneut stark vom Aufwand, der ins Performance-Capturing geflossen ist. 300 Schauspieler arbeiteten über zwei Jahre lang daran, die 37.000 Animationen authentisch in den Kasten zu bekommen. Danach folgte natürlich noch die Zusammenführung, bei der die nicht aufgenommenen Augenbewegungen direkt von den Designern animiert werden. Das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen, wird vor allem zu Beginn allerdings ein wenig von der störrischen Kameraführung gestört.
Ein Spiel als Lobby-Programm für KI-Rechte?
Trotzdem dürfte der Großteil der Spieler sich bei so viel Liebe zum Detail stark mit den Protagonisten identifizieren. Die künstlichen Personen scheinen hier allgemein deutlich sympathischer rüberzukommen scheinen als ihre Gesprächspartner aus Fleisch und Blut. „Das Spiel ist ein Lobbyprogramm für KI-Rechte“, scherzte auch Westerheide, weil sie zumindest im Einstieg viel rationaler und sozialer agierten als die Menschen. De Fondaumière konterte allerdings mit dem Argument, dass sich die Persönlichkeit der Charaktere später noch entwickelt. Das Design der Kulissen hinterließ ebenfalls schon einen interessanten Eindruck: Quantic Dream hat sich für einen Mix aus vielen verfallenen Stadtteilen und futuristisch aufgemotzten reicheren Vierteln entschieden.
Im virtuellen Detroit der Zukunft treffen architektonische Gegensätze aufeinander.
Auch die schon früher von uns angespielte Befreiungsaktion mit Connor war erneut Teil des Spiels (
mehr dazu hier in der Vorschau). Nachdem wir zur Rettung der Geisel vom Dach gestürzt waren und auf dem Boden aufschlugen, schritt Connor allerdings kurze Zeit später schon wieder unversehrt durch eine Kneipe – obwohl es sich bei ihm laut Geschichte um einen einzigartigen Prototypen handelt. Ich hoffe darauf, dass sie ihn lediglich wieder zusammengeflickt haben. Auf Rückbklicke und wilde Epochenwechsel wie im wirr inszenierten
Beyond: Two Souls kann ich nämlich gerne verzichten. Um alle Wege von Detroit: Become Human zu erleben, soll man etwa 25 bis 30 Stunden lang beschäftigt sein. Ein gewöhnlicher Durchgang dauere dagegen nur geschätzte zehn bis zwölf Stunden.