Im Test: Stille Gewalt
Stille als Stilmittel
Die einzigen Worte, die man in The Quiet Man bis zum Abspann zu hören bekommt, den man nach etwa dreieinhalb bis vier Stunden erlebt, werden in den ersten fünf Minuten gesprochen. Es gibt einmal eine Warnung eines Hot-Dog-Verkäufers, der gleichzeitig auch als Informant dient und einen in New York City in den richtigen Distrikt lotst. Und dann kriegt man noch eine Drohung eines Anführers einer mexikanischen Gang. Doch ab dem Moment, an dem der Protagonist Dane dem Gegenüber anzeigt, dass er gehörlos ist, nimmt er den Spieler mit in seine akustische Welt. Und ab hier wird The Quiet Man zuerst interessant, bevor Human Head das Konzept vollkommen unlogisch umsetzt- und das meine ich erst mal nur inhaltlich.
Wenigstens das Konzept ist gut
Doch wo diese beiden Titel den Spieler stets mitgenommen aber nicht vergessen haben, dass der Teilnehmer vor dem Bildschirm nicht mit einer körperlichen Beeinträchtigung kämpft, sorgt The Quiet Man mit seinen Designentscheidungen dazu, dass man sich vom Spiel entfremdet. Dabei ist das Drehbuch inhaltlich durchaus ok, erinnert mit seiner Geschichte eines Psychopathen, der in New York City eine Nachtclubsängerin entführt, in Grundzügen mal an Das Schweigen der Lämmer, dann wiederum an David Cages Fahrenheit. Doch im Umgang mit Dane, der in der Kindheit durch einen tragischen Unfall seine Mutter verloren hat, sowie vor allem in der Interaktion mit seiner Umgebung, verliert Human Head den Faden und
Alles wird trotz der prinzipiell guten Darsteller sowohl in den Echtfilm-Sequenzen als auch ihren virtuellen Ebenbildern in der Spielgrafik zu schnell zu anstrengend. Da zudem alles sehr konventionell inszeniert wird und auch hier keine Überraschung zu erwarten ist, hat mich The Quiet Man selbst in dramatischen Momenten verloren. Zu langatmig, zu anstrengend und mitunter schlichtweg uninteressant habe ich Human Head über beinahe die gesamte Spielzeit verflucht, aber vor allem im letzten Drittel, wenn die Geschichte dramaturgisch an Fahrt aufnimmt, gewünscht, dass man mal den Blick über den Industrietellerrand gewagt und geschaut hätte, wie Hollywood mit dem Thema umgeht. Denn wie es anders und vor allem besser geht, zeigt der Thriller Hush aus dem Jahr 2016, in dem eine gehörlose Autorin mit einem erbarmungslosen Killer konfrontiert wird. Auch hier wird man immer wieder durch die gut inszenierte Stille in die Welt der Gehörlosen gezogen. Doch man spielt mit dem Wissen, dass der Zuschauer nicht taub ist und setzt sowohl untertitelte Gebärdensprache als auch Geräusche ein, wenn es der Dramaturgie hilft. Und auch wenn A Quiet Place das Theme Stille anders angeht und vor allem aus anderen Gründen nutzt, ist auch hier die Intensität ungleich höher als bei The Quiet Man. Das Konzept ist zweifellos gut. Doch schließlich hat Human Head beinahe das gesamte Drama diesem Konzept geopfert – sehr zu Lasten des Spaßes. Dass demnächst ein Patch erscheinen soll, der bei einem zweiten Durchspielen die „normale“ Akustik verfügbar macht, ist für mich auch nur eine Notlösung. Denn statt einer „Ganz oder gar nicht“ Option hätte ich eine von Beginn an durchinszenierte Spielerfahrung vorgezogen. Eine, bei der aus gezielt eingesetzten dramaturgischen Gründen zwischen stillen und lauten Momenten gewechselt wird.
Bieder und problematisch
Fazit
Ich möchte mit The Quiet Man Spaß haben. Zum einen, weil ich die Kombination aus Realfilm und nahtlos eingebundenen Kämpfen konzeptionell immer noch für einen gute Idee halte. Zum anderen, weil das Kernthema um den gehörlosen Racheengel Dane von einem unter dem Strich zwar leicht vorhersehbaren, aber dennoch guten Drehbuch angetrieben wird. Doch Human Head hat mit nur wenigen Designentscheidungen dafür gesorgt, dass mir die Lust sehr schnell verloren geht. Wird der Einstieg in die akustisch mitunter bedrückend gedämpfte Welt noch clever inszeniert, verliert man sich zunehmend in diesem Konzept und lässt den Spieler außen vor. Ohne die Fähigkeit des Lippenlesens oder des Verständnis von Gebärdensprache werden selbst dramatische Szenen durch den stummen Fokus entwertet. Wo Filme wie A Quiet Place und noch vielmehr der Thriller Hush mit der Stille oder Gehörlosigkeit spielen und Töne aus dramaturgischen Gründen einsetzen, passiert hier gar nichts. Der Protagonist Dane hat durch seine vorhandenen, aber nicht über den Bildschirmrand transportierten Fähigkeiten einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Spieler, der ihn kontrolliert und eigentlich mit ihm sympathisieren soll. Und das nervt mich bis zu dem Punkt, an dem ich mich nicht mehr für ihn interessiere. Dass demnächst ein Patch erscheint, mit dem man nach dem ersten Durchspielen (was in etwa dreieinhalb bis vier Stunden in Anspruch nimmt) die komplette Akustik anschalten darf, ist auch nur auf dem Papier ein gelungener Schritt. Denn viel lieber als diese Ganz-oder-gar-nicht-Lösung wäre mir eine durchdachte Inszenierung, in der die Gehörlosigkeit nicht nur so lange als Element gepusht wird, bis es absolut keinen Sinn mehr ergibt, sondern ein dramaturgisch überzeugender Wechsel zwischen ruhigen und lauten Momenten stattfindet, bei dem ich nicht nach nur wenigen Minuten das Konzept durchschaut habe und mein Interesse verliere. Ach ja: Ein besseres Kampfsystem hätte auch nicht geschadet. In Ansätzen zwar brauchbar und mit seinen Umgebungsinteraktionen durchaus angenehme Assoziationen an Das Bourne Komplott weckend, sorgen fragwürdige Kollisionsabfragen und ungenaue Schlagfolgen ebenfalls für zunehmenden Frust. Schade, hier wäre in jeder Hinsicht so viel mehr möglich gewesen.
Pro
Kontra
Wertung
PlayStation4
Auf dem Papier klingt vor allem das Konzept der Gehörlosigkeit richtig gut. Doch The Quiet Man schafft es nicht, alle angerissenen Elemente überzeugend und dramaturgisch glaubwürdig unter einen Hut zu bringen.
Echtgeldtransaktionen
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