Die Kraft der Drei
Talat ist für zwei bis drei Spieler ausgelegt, bei HUCH & friends auf Deutsch erschienen und kostet knapp 15 Euro.
Was hat Talat zu bedeuten? Jedenfalls heißt es nicht „Türme“, „Die Kraft der Drei“ oder nur „Drei“, wie man angesichts des Untertitels vielleicht annehmen könnte – Letzteres würde im Arabischen übrigens „Thalata“ heißen. Es gibt wohl einen altpersischen Namen, der so etwas wie „der Glänzende“ bedeutet. Ist aber auch egal, denn das Spielkonzept ist weder uralt noch stammt es aus dem Orient, sondern wurde 2008 von Bruce Whitehill erdacht, der die bei uns eher unbekannten Titel „Change Horses“ oder „Stealth“ entworfen sowie ein Buch über die Geschichte der amerikanischen Brettspiele geschrieben hat.
Talat überträgt ein klassisches Duellprinzip, in dem man Figuren wie beim Schach bis zum Sieg zieht, auf drei Parteien. Es ist zwar weit weg von der Komplexität des Klassikers, aber für ein schnelles Taktieren zwischendurch sehr gut geeignet. Das ebenso Einfache wie Besondere ist schon am Aufbau zu erkennen: Es werden drei fünf mal fünf Felder große Spielpläne so aneinander gelegt, dass in der Mitte ein Dreieck entsteht. Jeder Spieler besitzt dann auf seiner Seite eine einheitliche Startzone in seiner Farbe - Grau, Schwarz oder Weiß. Dort stellt man abwechselnd neun unterschiedliche große und geformte Türme auf, die hinsichtlich des hochwertigen Materials an
Yinsh erinnern. Sie dürfen entweder geradeaus oder diagonal und dabei immer nur ein Feld nach vorne marschieren. Ihr Ziel: Die gegnerische Linie.
Taktisches Ziehen und Schlagen
Drei Spieler treten mit neun Türmen auf jeweils zwei getrennten Feldern gegeneinander an. Dabei dürfen Türme nur diagonal oder geradeaus um jeweils ein Feld nach vorne ziehen - Rückzug ist ausgeschlossen..
Der Clou besteht aus zwei Mechanismen: Zum einen darf man immer nur einen Turm bewegen und zwar auf einem beliebigen der eigenen Felder – man muss also nicht erst das eine und dann das andere Feld nutzen, sondern kann sich theoretisch auch zwei- oder dreimal hintereinander um einen Gegner kümmern. Aber kann man sich diese Passivität erlauben? Kaum hat man sich versehen, steht der zweite Feind vor der Tür! Zum anderen kommt beim Schlagen ein kreativer Mechanismus zum Tragen, der sowohl Größe als auch Form der Türme berücksichtigt. Und weil man dafür satte fünf Punkte bekommt, für das Erreichen der feindlichen Linie hingegen nur drei, ist das Schlagen für den Sieg von zentraler Bedeutung.
Deshalb sollte man schon bei der abwechselnd erfolgenden Aufstellung der Türme auf der Startlinie darauf achten, was der Gegner wohin stellt. Denn es gilt zwar, dass ein großer Turm einen kleineren schlägt, aber darüber hinaus kommen drei wichtige Regeln zum Tragen: Erstens darf ein großer zwar einen mittleren, aber keinen kleinen Turm schlagen – es gibt also eine Staffelung, die die Zwerge ein wenig schützt; nur vor den mittleren Feinden sind sie auch nicht sicher. Zweitens entscheidet bei gleich hohen Türmen die höhere Zahl der Ecken, denn es gibt drei-, vier- und sechseckige Türme. Und last but not least: Der kleinste dreieckige Turm darf den größten sechseckigen schlagen – das ist die so genannte David-und-Goliath-Regel, die den größten Turm quasi zum verwundbaren König macht.
Einfache Regeln, viele Möglichkeiten
Das große graue Dreieck dürfte zwar das mittlere schwarze, aber nicht das kleine schwarze Dreieck schlagen.
So entstehen trotz ganz einfacher Regeln recht vielseitige Möglichkeiten für die eigene Taktik, denn obige Regel macht z.B. Begleitschutz sinnvoll. Oder opfert man den Riesen? Man verliert ja nicht wie im Schach, wenn er fällt, sondern wenn man am Ende weniger Punkte hat - damit werden die kleinen Königsmörder wieder angenehm entwertet. Und da niemand seine Türme zurückziehen kann, ist der Spielrhythmus im Vergleich zu Schach natürlich wesentlich offensiver.
Es geht quasi immer vorwärts, wobei auch das clevere Vorbeischleichen sinnvoll sein kann. Aber Vorsicht: Man kann zwar nicht zur Seite ziehen, aber nach links und rechts schlagen! Eine besondere Würze kommt durch den Zwang der Teilung ins Spiel, denn man muss seine neun Türme ja auf zwei Gegner einstellen: Schon bei der Aufstellung kommt nicht nur den Riesen, sondern auch dem scheinbar schwächsten Türmchen mit seinen drei Ecken eine besondere Bedeutung zu.
Zu zweit kann man Talat zwar auch spielen, allerdings gibt es keine Regel für ein direktes Duell. Man muss den dritten Spieler also simulieren: Man platziert dessen acht Türme und zieht sie abwechselnd, gewinnt Punkte für das Schlagen und auch das Erreichen der feindlichen Linie. Der Regelzusatz ist gut gemeint, aber es gibt genug Spiele wie
Hive,
Kamisado oder Yinsh, die zu zweit wesentlich besser funktionieren. Erst zu dritt entfaltet
Keine Billigplastik: Die 27 Türme liegen angenehm massiv in der Hand.
Talat seinen Reiz.
Fazit
Was spielt man bloß, wenn man zu dritt ist? Skat wäre möglich, auch Kniffel oder Munchkin bieten sich an. Aber wenn es keine Karten oder Würfel, sondern Rundentaktik à la Schach sein soll, ist die Auswahl doch sehr mager. Talat stößt in diese Lücke und inszeniert mit einfachen Regeln einen spannenden Wettkampf zwischen drei Spielern, die abwechselnd ihre Türme ziehen, dabei clever schlagen und immer zwei Schlachtfelder im Auge behalten müssen. Dabei ist die Größe nicht immer von Vorteil: Gerade die David-gegen-Goliath-Regel sorgt schon bei der Startaufstellung für taktische Überlegungen und später für böse Überraschungen. Es entsteht aber kein grüblerischer Grabenkrieg, sondern aufgrund der offensiven Ausrichtung ein flotter Rhythmus zwischen fünfzehn bis höchstens dreißig Minuten. Mit Talat ist Bruce Whitehill sein bisher bestes, bereits mehrfach ausgezeichnetes Spiel geglückt, das auch nach zig Partien noch richtig Laune macht.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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