Brettspiel-Test: Kingdomino (Legetaktik)

von Jörg Luibl



Kingdomino (Brettspiel) von Pegasus Spiele
Spiel des Jahres 2017
Entwickler:
Publisher: Pegasus Spiele
Release:
10.11.2016
Spielinfo Bilder  
Erinnert sich noch jemand an die offiziellen Spiele des Jahres 2015 oder 2016? Das eine hieß "Colt Express", das andere "Codenames" - beide spielten sich ganz nett, aber waren nicht gerade herausragend. So geht es mir oft mit den offiziellen Gewinnern dieses Preises, dessen Plakette jedes Jahr magische Anziehungskraft auf Käufer hat. Aber man weiß ja nie: Vielleicht ist der aktuelle Sieger ja tatsächlich ein Geheimtipp? Mal sehen, was Kingdomino von Bruno Cathala zu bieten hat.

Mein Reich komme

Zu Beginn besteht jedes Königreich aus einem Plättchen mit der Burg. Aber das wird sich bald ändern, wenn bis zu vier Könige von Gelb bis Grün ihr Reich um Wiesen, Wälder, Bergwerk & Co erweitern. Der Clou: Es darf maximal bis auf eine Fläche von fünf mal fünf Plättchen anwachsen. Danach wird abgerechnet: Wer konnte auf diesen 25 Feldern am effizientesten anlegen? Man zählt am Ende eines Spiels jeweils die zusammen liegenden Flächen der sechs Landschaftstypen und multipliziert sie mit den darauf abgebildeten Kronen. - das war's!

Kingdomino ist für knapp 25 Euro bei Pegasus Spiele auf Deutsch erschienen.
Kingdomino ist für knapp 25 Euro bei Pegasus Spiele auf Deutsch erschienen.
Die Herausforderung besteht in der Qual der Wahl: Denn es liegen immer nur vier Doppelplättchen im Dominostil aus - also zweigeteilte Landschaften, die sowohl Mischformen wie Wald und Wüste als auch reine Wiesen oder Seen zeigen können. Will man etwas anlegen, muss mindestens eine Seite den gleichen Landschaftstyp zeigen - ähnlich wie bei den Zahlen im klassischen Domino. Und wer darf sich das einzigartige Bergwerk mit den drei Kronen schnappen? Das entscheidet die Reihenfolge, die stetig wechselt. Denn je wertvoller die Beute in diesem Zug, desto später ist man im nächsten Zug dran - ausgleichende Gerechtigkeit ist theoretisch garantiert. Und man kann vor dem Platzieren seines Königs ein wenig pokern: Denn alle 48 Dominosteine sind nach ihrem Wert (vor allem nach den aufgedruckten Kronen) nummeriert, den man vor dem Aufdecken der Landschaft bereits erkennen kann - siehe das Bild links.

Aber manchmal ist die Landschaft mit den meisten Kronen gar nicht die optimale Wahl, denn hinzu kommt eine geostrategische Komponente: Man sollte sein Königreich nicht wie einen bunten Flickenteppich, sondern über gut strukturierte Landschaften gleicher Art entwickeln. Ein einzelnes Plättchen mit drei Kronen bringt zwar drei Punkte, aber ein Gebiet von vier Wiesen mit zwei Kronen eben acht Punkte. Nur eine Krone mehr und es werden zwölf Punkte, also wäre im nächsten Zug so eine Wiese eine gute Wahl - falls sie einem nicht stibitzt wird, weil man später an der Reihe ist!

asff
Das "Spiel des Jahres 2017" ist für zwei bis vier Spieler ab acht Jahren konzipiert.
Und das sind genau die Phasen, in denen es etwas hitziger am Tisch werden kann. So entsteht für eine knappe Viertelstunde ein flottes kompetitives Auslegen und Anlegen mit etwas Puzzleflair, denn jeder will seine Burg möglichst im Zentrum der 25 Felder behalten und sein Reich möglichst vollständig bedecken, weil das Bonuspunkte bringt. Dabei hat man übrigens keinen Zugriff auf die anderen Königreiche oder irgendwelche Sabotage-, Tausch- oder Blockierfunktionen, sondern jeder baut ganz gemütlich für sich.

Schön ist, dass es eine etwas längere Variante für zwei Könige gibt, in der man sich auf einem größeren Gebiet von sieben mal sieben Feldern duellieren kann. Hier hat man etwas mehr Entwicklungsmöglichkeiten und verbaut letztlich alle 48 Plättchen.

Was gefällt nicht so gut?

Kindomino macht durchaus Laune, das Artdesign ist charmant bis putzig, aber auf lange Sicht geht dem Spiel doch die kompetitive Puste aus. Ich finde auch die oben erwähnten Bonuspunkte recht einfallslos und für den Wettbewerb mit einigermaßen geübten Spielern überflüssig, weil man sie viel zu leicht erreichen kann - letztlich hatte jeder bei uns immer alle 15 Bonuspunkte, weil er seine Burg in der Mitte und alle Plättchen drumherum platzieren konnte.

Das Prinzip mit dem Turm, der sich über einen Magneten komfortabel öffnen lässt, passt zwar thematisch und macht sich gut auf dem Tisch, außerdem sind die beidseitig bedruckten Plättchen angenehm stabil, aber auf Dauer wurde das ständige Herausziehen der nächsten vier Plättchen ein wenig nervig. Wir haben in den folgenden Partien einfach alle kommenden Reihen verdeckt ausgelegt.

Fazit

Kingdomino ist ein weiteres "Spiel des Jahres", das ich als "ganz nett" und durchaus unterhaltsam einstufen würde - allerdings hat Bruno Cathala mit Abyss oder Five Tribes schon viel bessere Spiele designt. Nichtsdestotrotz trifft er hier vielleicht die für den Preis der Jury wichtige Mischung: Die Landschaften sind hübsch anzusehen, die Regeln sind logisch sowie schnell verinnerlicht und die Legetaktik richtet sich an Gelegenheitsspieler. Dabei bietet sie sowohl hinsichtlich der möglichst cleveren Verzahnung von Landschaften als auch der Multiplikatoren genug Spielraum für Überraschungen. Wer ein familientaugliches Spiel mit Puzzleflair sucht, das man auch mit Kindern gut spielen kann, macht hier nichts falsch. Wer es etwas spannender, anspruchsvoller und trotzdem locker sowie einsteigerfreundlich mag, sollte sich das asiatisch angehauchte Qin von Reiner Knizia oder Isle of Skye von Alexander Pfister mal ansehen.

Kommentare

Hans_Wurst80 schrieb am
Für uns war Kingdomino ein Glücksfall, da ich genau so etwas für meine Kinder gesucht habe. Grad meine 7jährige Tochter mag Fantasy und Mittelalter, ist aber noch nicht soweit dass sie bei größeren Brettspielen mithalten könnte (geschweige denn die Aufmerksamkeitsspanne hat).
Kingdomino kam da genau richtig: leicht verständlich, zügig gespielt und macht immer wieder Spaß. Die liebevoll designten Spielsteine mit ihren witzigen Details tun ihr Übriges. Also ich bin voll zufrieden - nix für gestandene Hardcorebrettspieler, aber für die junge Familie optimal. :D
Black Stone schrieb am
nawarI hat geschrieben: ?13.09.2017 11:12 ...
Wer mal Lust auf ein kleines Legespiel hat und Englisch gut genug verseht, könnte sich auch Circle of Wagons bei Kickstarter angucken. Quasi eine Mini-Mischung aus Kinddom Builder und Kingdomino:
https://www.kickstarter.com/projects/23 ... wn?lang=de
Ein kostenloses Print'n'play kann man sich dort als PDF runterladen und ausgedruckt auf A4 und ausgeschnitten passt das in jede Hosentasche.
Danke für den Hinweis, sieht in der Tat sehr spannend aus
johndoe878528 schrieb am
M_Coaster hat geschrieben: ?13.09.2017 12:07 Den Hype um Skull King verstehe ich nicht. Ein Wizard Extreme finde ich um Welten besser.
Wizard hat mir auch sehr zugesagt, wobei ich die Extreme Version leider noch nicht anspielen konnte. Thematisch finde ich beide Spiele gelungen, wobei ich mir gerade für Wizard eine Harry Potter-Lizenzversion wünschen würde. Einer der Hauptunterschiede zwischen den Spielen, ist sicherlich die Herangehensweise bei der Stichansage. Hier ist mir Skull King einfach sympatischer, da es sich nicht so verkopft spielt wie ein Wizard, bei dem die Stiche reihum angesagt werden.
Jörg Luibl schrieb am
Wer die Landschaft malt oder das Regelwerk aufschreibt ist letztlich einfach nicht so relevant wie derjenige, der die Idee hatte. Damit fängt alles an, alles andere wird dann erst designt. Klar sorgt der Verlag dann dafür, dass das Ganze thematisch eher in diese oder jene Richtung geht, bestimmt das Material, erstellt alle Texte. Aber Bruno Cathala ist offiziell der Autor von Kingdomino.;)
Und natürlich gibt es auch großartige Artdesigner oder Übersetzer! Aber eine weitere Differenzierung würde zumindest für unsere einmal oder zweimal im Monat erscheinenden Besprechungen viel zu weit gehen. Auch bei Videospielen, die ja letztlich noch mehr Teamleistung sind als Brettspiele, weil teilweise hunderte Leute beteiligt sind, schreiben wir meist über den Lead Designer, was noch "ungerechter" sein mag. Aber spätestens bei unseren Spiel-des-Jahres-Awards kommen zumindest die Künstler nicht zu kurz. Für die Kulisse von Kingdomino war übrigens Cyril Bouquet verantwortlich - damit ist er jetzt zumindest erwähnt.
EliteKnister schrieb am
Als Spieleredakteur in einem größeren Spieleverlag bin ich immer wieder verwundert, dass in den meisten Rezensionen nur der Spieleautor genannt wird. Der Autor wird oft so dargestellt, als hätte er komplett allein das gesamte Spiel gemacht. In den meisten Fällen ist das aber nicht so, da oft nur die Grundidee vom Autor kommt und die ganze Verfeinerung, Testing, Regeländerung, Grafik, Balancing und so weiter vom Verlag und den Redakteuren übernommen wird. Auch die Illustratoren, die einen wesentlichen Teil zum Spiel dazu beitragen, werden so gut wie nie erwähnt (Es gibt Ausnahmen, Beispiel Scythe).
Den Kommentar bitte nicht falsch verstehen: Ich will die Autorenleistung nicht schmälern, da es ohne gute Ideen keine guten Spiele gäbe. Aber es gehört so viel mehr zu einem Spiel, als die Grundidee. Ich verstehe auch, warum die Autoren am bekanntesten werden, ihr Name steht schließlich auf der Verpackung.
Aber ein Satz wie dieser im Fazit stört mich dann doch:
"Nichtsdestotrotz trifft er [Bruno Cathala] hier vielleicht die für den Preis der Jury wichtige Mischung: Die Landschaften sind hübsch anzusehen, die Regeln sind logisch sowie schnell verinnerlicht und die Legetaktik richtet sich an Gelegenheitsspieler. "
Nein, weder hat Bruno Cathala die Landschaften gemalt, noch hat er die Regeln verfasst, dies wurde mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Verlag übernommen. Ein wenig mehr Genauigkeit wäre schön.
schrieb am