Taktisches Mikromanagmenent
Während eines Kampfes kann man auf eine Vielzahl an Modifikationen zurückgreifen, um ihn für sich zu entscheiden - wobei ein Unentschieden für den Angreifer wie ein Sieg gewertet wird. Die Stärkewerte der in den Kampf geschickten Helden bilden den Grundwert, der von ihrer angelegten Ausrüstung erhöht wird. Danach darf man abwechselnd Aktionen, Gegenstände oder Ereignisse aus der Hand spielen. Auch die eigene Festung hat eine Spezialfähigkeit; ebenso wie die vier weiteren Provinzen, die man über ihren wichtigen Verteidigungswert hinaus stärken kann. Dabei spielt das Ehren und Entehren der Beteiligten auch immer eine wichtige Rolle, denn so gewinnen oder verlieren sie an Stärke in Höhe ihres Ruhmwertes.
Die linke Provinz ist noch nicht erobert, aber die rechte hat der Feind unterworfen - deshalb steht sie auf dem Kopf.
Sehr entscheidend können auch die kleinen Konsequenzen sein: Wenn man sich für eines der fünf Elemente entscheidet, kann es in diesem Zug auch nicht mehr vom Gegner genutzt werden - so kann man ihn z.B. daran hindern, die Vorteile der Luft zu nutzen und einem Ehre zu klauen! Apropos: Verlässt ein geehrter Held das Spiel, weil er z.B. keinen Schicksalsmarker mehr hat, gewinnt sein Fürst auch einen Punkt an Ehre. Gerade im letzten Drittel der Auseinandersetzungen, wenn jemand vielleicht schon über zwanzig oder vielleicht nur noch ganz wenig Ehre besitzt, werden diese Dinge immer wichtiger. Dazu gehört auch die kaiserliche Gunst: Wer am Ende einer Konfliktphase die meisten Ringe plus Ruhm vorweisen kann, bekommt die komplette nächste Runde einen Bonus wie etwa plus eins auf jeden diplomatischen oder militärischen Kampf. All das klingt vielleicht kompliziert, aber das
Regelwerk ist schneller verinnerlicht als im etwas undurchsichtigeren
Android: Netrunner. Man braucht nur ein Probespiel, um das Wesentliche zu verstehen.
Was gefällt nicht so gut?
Man muss allerdings stets Werte addieren und nach einem Konter wieder subtrahieren - Kopfrechnen ist ein ständiger Begleiter; ab und zu haben wir uns fast eine Schiebetafel oder Ähnliches für die Konflikte gewünscht. Das fernöstliche Szenario wird von sehr gut illustrierten Karten getragen, dürfte aber nicht jedermanns Sache sein, zumal sich die sieben Fraktionen visuell sowie figürlich nicht so stark unterscheiden wie z.B. komplette Völker oder Fraktionen in Magic. Sie alle bilden ja jeweils einen humanoiden Klan innerhalb des fiktiven Reiches Rokugan. Es gibt zwar diverse Formen der Magie, aber mir fehlen die vielen Dämonen und Kreaturen der japanischen Mythologie, so dass es mit Ronin, Samurai, Botschaftern & Co eher historische gediegen zugeht. Immerhin werden die Klans in der Grundbox sehr ausführlich mit ihren eigenen Legenden sowie Strategietipps vorgestellt, so dass man zumindest hinsichtlich des Deckbaus einige Unterschiede festmachen kann.
Unten hat der Klan des Kranich sein Reich mit fünf Provinzen errichtet, oben bereitet sich der Klan des Löwen vor.
Da sind wir schon bei einem bekannten Problem dieser Grundboxen von Fantasy Flight Games, das ambitionierte Profispieler nicht erst seit
Android: Netrunner kennen: Der eingeschränkte Deckbau. Dieser fällt bei kooperativen und eher storybasierten Spielen wie
Arkham Horror: Das Kartenspiel nicht so ins Gewicht, hat aber in einem kompetitiven Living Card Game, das vom Hersteller auch gezielt
auf Turniere hin beworben wird, natürlich einen ganz anderen Stellenwert. Zwar kann man mit den 200 Karten einer Grundbox jeweils reduzierte Einsteigerdecks für zwei Spieler mit etwas über 50 Karten erstellen und sich aufgrund der enthaltenen sieben Klans auch sehr vielfältig duellieren, um ein Gefühl für die Stärken und Schwächen der Fraktionen zu bekommen - und das über viele Stunden!
Doch die Anleitung empfiehlt für "sanktionierte Turniere" neben den fünf Provinzen und der Festung eigentlich 40 bis 45 Karten im Dynastie- sowie 40 - 45 Karten im Konfliktdeck, so dass man mit etwas unter 100 Karten auf ein fast doppelt so starkes offizielles Deck kommen würde. Die Crux dabei ist, dass ein einzelner Spieler aus einer Grundbox lediglich
Einsteigersets mit jeweils 30 Karten im Dynastie- sowie Konfliktdeck erstellen kann. Immerhin sind einige neutrale Karten wie "Höfling der Otomo", "Wandernder Ronin" oder "Gardist der Seppun" bereits dreifach enthalten, außerdem kann man sein Konfliktdeck je nach Einfluss mit einigen weiteren Karten fremder Klans mischen. Aber letztlich muss man entweder noch zwei Grundboxen oder Erweiterungspakete (sie enthalten je 20 Karten in dreifachen Kopien auf alle Klans verteilt) hinzu kaufen, um auf ein offizielles Turnierdeck für
fortgeschrittene Wettbewerbe zu kommen, die seit Mitte November stattfinden. Da hätte man der Vertriebspolitik von Fantasy Flight Games gerade bei der Neuauflage eines Klassikers auch ein paar der Tugenden gewünscht, die das sonst so gute Spieldesign kennzeichnen. Zum Beispiel hätte man die knapp 15 Euro teuren Erweiterungen zumindest auf einzelne Klans abstimmen können, damit man sich nach dem Kauf der Grundbox gezielt spezialisieren kann.
Fazit
Legend of the Five Rings bietet einige verdammt interessante Verzahnungen, die vor allem geduldige Strategen schätzen werden. Nicht nur weil man auf drei Arten gewinnen kann, entsteht eine angenehme Grübelei: Statt des sonst eher schnellen Schlagabtausches à la Magic, Hearthstone oder Gwent kommt es hier über bis zu zwei Stunden zu einem Duell mit subtilen Manövern und Modifikationen. Man hat das angenehme Gefühl, dass man auch mit etwas Zurückhaltung und Planung, Finten und verlorenen Schlachten doch noch den Krieg für sich entscheiden kann. Vor allem das vielfältig verwobene Prinzip der Ehre hat mir sehr gut gefallen, weil es auch thematisch wunderbar zum japanischen Hintergrund passt. Hinzu kommt das wichtige Management des Schicksals als Energiequelle, das Charaktere über mehrere Runden am Leben hält, sowie die Effekte der fünf namengebenden Elemente. Die Freude über diese kompetitive Spieltiefe wird allerdings mal wieder durch die Veröffentlichungspolitik dieser "Living Card Games" getrübt. Für Einsteiger und Gelegenheitsspieler mag das nicht so relevant sein, aber wer sich auf Turnieren beweisen will, muss weiter Geld investieren. Trotzdem kann ich eine Empfehlung aussprechen, denn das Spieldesign hebt sich angenehm von anderen LCG ab, gehört zum Interessantesten, was ich seit Android: Netrunner im Bereich der Kartentaktik gespielt habe und sorgt auch mit der Grundbox für viele spannende Stunden.
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet. Mehr Brettspiel-Tests und eine Top 20 findet ihr hier.