Musik im Spiel06.05.2005, Jörg Luibl
Musik im Spiel

Special:

Interview mit Thomas Böcker

Dieses Interview ist nur ein Teil des Themas "Musik im Spiel ".

Mehr zu Thomas Böcker im Porträt !4Players: Sie sind Musikproduzent, haben mit Merregnon einen eigenen Fantasy-Soundtrack veröffentlicht und für die Spielemesse in Leipzig Konzerte veranstaltet - Gratulation! Wie kam es zu dieser musikalischen Karriere?

Thomas Böcker: An Computerspielen und Musik generell war ich schon immer interessiert. Ich beschäftige mich mit beiden Themen seit meiner Kindheit. Ich bin nun in der glücklichen Situation, meine Interessen zu verbinden und sogar zum Beruf gemacht zu haben. Meine erste Erfahrung mit Spielemusik kam durch den Commodore 64. Die Melodien von Chris Hülsbeck oder Rob Hubbard haben mich von Anfang an begeistert. "One Man And His Droid" war gar mein erstes Spiel überhaupt - wofür Herr Hubbard die Klangkulisse beisteuerte.

4Players: Das sind ja die akustischen Urgesteine der frühen Spielewelle. Die Arbeit von Chris Hülsbeck hat Sie besonders inspiriert?

Thomas Böcker: Ja, später auf dem Amiga hat es Herr Hülsbeck endgültig geschafft, mich zu einem großen Fan werden zu lassen. Ich habe jeden Artikel über ihn gesammelt, jeder neuen CD entgegengefiebert. Als ich in meiner Studentenzeit die Chance bekam, ihn für einen Kurzfilm den Soundtrack schreiben zu lassen, war ich natürlich entsprechend glücklich. Über ihn lernte ich später Fabian Del Priore kennen, der mit ihm an "Extreme Assault" gearbeitet hatte.

4Players: Mit dem wiederum ihr eigenes musikalisches Fantasy-Epos Merregnon reifte?

Thomas Böcker: Mit Herrn Del Priore als Hauptkomponist schuf ich das Merregnon-Projekt, das auch all meine anderen musikalischen Idole wie Gustaf Grefberg oder Yuzo Koshiro vereinte. Über Merregnon kamen schließlich die Kontakte, die für die Organisation der Konzerte in Leipzig nötig waren, wie zu unserem Dirigenten Andy Brick oder den Orchestermanager Petr Pycha, denn Merregnon 2 wurde schon 2002 mit einem Live-Orchester aufgenommen. Die Entwicklung kam also Schritt für Schritt, mit Merregnon als essentiellen Bestandteil des Erfolgs - und die Begeisterung für Spielemusik als Motivation. Idealvorstellung war immer, Spielemusik und / oder Spielemusikern eine Plattform zu geben, sich ansprechend präsentieren zu können.

4Players: Fühlen Sie sich eher verwandt mit Akustik-Gurus wie Chris Hülsbeck oder mit den Komponisten der klassischen Musik?

Thomas Böcker: Wichtig ist mir, mich nicht festlegen zu lassen. Ich bin daran interessiert, möglichst viele Stilrichtungen zu erleben. Wer sich Spielemusik genauer anhört wird feststellen, wie breit gefächert dieses Genre daherkommt. Egal ob Techno, Klassik, Westernmusik oder Jazz - all das macht Spielemusik aus und gibt ihr einen besonderen Charme.

4Players: Aber die Klassik nimmt eine besondere Stellung ein?

Thomas Böcker: Sicher: besonders fasziniert bin ich von orchestraler Musik und deren Umsetzung live. In Leipzig haben wir ein 90-köpfiges Orchester, das Spielemusik interpretiert. Das ist für mich beeindruckend, für das Publikum und natürlich auch die Komponisten. Wieviele junge Komponisten bekommen auch sonst die Chance außerhalb der Spielemusik, ihre Werke in dieser Form präsentiert zu hören? Wir sprechen hier von Musikern, die teilweise in den 20ern sind. Wir bieten in vielerlei Hinsicht eine Pionierleistung.

4Players: Wer ist eigentlich an der Produktion von Musik beteiligt? Und wie teuer ist ein Soundtrack für ein Top-Spiel?

Thomas Böcker: Die Antwort muss natürlich lauten, dass sich das nicht pauschal sagen lässt. Selbst in Top-Produktionen variieren diese Faktoren. Generell arbeitet ein Music Director zusammen mit einer Reihe von weiteren Komponisten, wobei er selbst auch Stücke zum Soundtrack beisteuert. Sound Designer für die Soundeffekte sind ebenso Teil des Teams. Dieses Szenario finden wir in Firmen, die Komponisten hauptberuflich einstellen. Oftmals werden jedoch freiberufliche Musiker engagiert. Je nach Produktion kann der Minutenpreis, also der Lohn, bei 500 - 1.000 EUR liegen. Ist das Spiel entsprechend groß und der Komponist erfahren bzw. bekannt genug, ist nach obenhin noch eine Menge Spielraum. Hinzu kommen die Kosten für die Einspielung mit einem Orchester und / oder Chor, die je nach Produktionsland zu Buche schlagen. 50.000 EUR, 150.000 EUR oder mehr sind keine Seltenheit für Top-Produktionen. Bekannte Solokünster wollen natürlich auch bezahlt

werden.

4Players: Gibt es einen Unterschied in der Akzeptanz von Musik zwischen Europa und Asien?

Thomas Böcker: Es gibt einen Unterschied der Akzeptanz bei Spielen ganz allgemein. Ein Land wie Japan, das bereits eine große Anzahl von begeisterten Spielern mitbringt, hat natürlich ein entsprechendes Potential an Hörern der Musik. Einfach gesagt: wenn Millionen Einheiten eines Spiels über den Ladentisch gehen, ist zumindest die Chance größer, dass auch ein Spielesoundtrack mehr Käufer findet. Damit ist es natürlich nicht automatisch getan, aber wer CD-Soundtracks zu Blockbustern wie "Final Fantasy" oder "Dragon Quest" kennt, weiß, wie liebevoll sie produziert worden. D. h. hier stimmt alles: Musik, Bekanntheitsgrad und Präsentation. In Japan hat man genügend Erfahrung auf diesem Gebiet und verkauft dann bei Top-Produktionen teilweise auch 100.000 Einheiten eines Soundtracks oder mehr.

         

4Players: Wird der Spielemusik in Tests zu wenig Respekt gezollt?

Thomas Böcker: Respekt ist vielleicht etwas weit hergeholt, ein wenig mehr Aufmerksamkeit würde ich mir aber manchmal tatsächlich wünschen. Sicher ist für ein Spiel die gesamte Akustik wichtig, schön ist dennoch, wenn auf Teilaspekte wie Sprachaufnahmen, SFX und eben Musik eingegangen wird. Das muss in keinen Analysen geschehen, aber einige Details könnten schon offen gelegt werden, wie Hintergründe zu den Komponisten, den Aufnahmen etc. Nicht zuletzt würde es die Artikel interessanter machen. Trotzdem muss ich sagen, dass es mich sehr freut, dass auch große Spielemagazine in letzter Zeit viel zum Thema Musik gebracht haben. Das ist eine schöne Entwicklung.

4Players: Meist sind Redakteure schon zufrieden, wenn sich die Akustik dynamisch dem Geschehen anpasst. Aber was zeichnet eine gute Spielmusik aus?

Thomas Böcker: Spielemusik ist dann auf dem richtigen Weg, wenn sie ein integraler Bestandteil wird. Sie muss zum Spiel dazugehören. So wie ein durchgängiger grafischer Stil für eine Produktion wichtig ist, so muss auch bei der Musik, oder besser: der gesamten Akustik, von Anfang an genau geschaut werden, in welche Richtung es gehen soll. Gute Akustik ist ein Teil des Gameplays. Es reicht zum Beispiel nicht, Musik mit einem Orchester aufnehmen zu lassen. Wichtig ist, dass sie auch ins Spiel passt und nicht langweilt. Der Komponist muss sich darüber bewusst sein, dass der Spieler in bestimmten Szenen sehr viel Zeit verbringt, weswegen ein entsprechendes musikalisches Konzept greifen sollte.

4Players: Welche Kompositionen in Spielen gefallen Ihnen derzeit am besten?

Thomas Böcker: Gefallen hat mir "Chronicles of Riddick", als musikalisches Gesamtkonzept gesehen. Erfrischend anders fand ich "Katamari Damacy". Soviel Mut und Innovation ist, was wir für Spielemusik dringend brauchen.

4Players: Ab und zu reden wir von der Seele eines Spiels. Welchen Anteil kann die Musik daran haben?

Thomas Böcker: Einen wesentlichen. Die Musik ist extrem an der Stimmung des Spiels beteiligt. Hören wir die Musik außerhalb des Spiels, sehen wir Szenen daraus vor unserem geistigen Auge. Ein Beispiel: auf dem Konzert in Leipzig brachen einige der Zuhörer in Tränen aus, als wir "Aeris Theme" aus "Final Fantasy" spielten. Sie erinnerten sich an die Szenen des Spiels und verbanden mit der Musik ihre Gefühle, die sie nicht nur in diesen Minuten des Spiels hatten, sondern als Erfahrung des gesamten Spiels.

4Players: Wenn ein Spiel Grafikfehler, Steuerungsprobleme oder unpassende Sprecher hat, fällt das sofort ins Gewicht. Aber schlechte Musik? Kann die ein gutes Spiel wirklich entwerten?

Thomas Böcker: Auf jeden Fall! Nur Musik ist Geschmackssache, Grafikfehler oder Steuerungsprobleme sind für die Allgemeinheit sicher auffälliger. Wenn es aber einer Top-Produktion an akustischer Qualität mangelt, stört das natürlich. Wobei ich hier sagen muss: es geschieht recht selten, dass solche Titel auf diesem Sektor nicht funktionieren.

4Players: Denken Sie, dass die Musik in der Spiel-Entwicklung der Zukunft eine große Rolle einnehmen wird?

Thomas Böcker: Nehmen wir den Film einfach als Beispiel. Wenn die Budgets größer werden, wird automatisch auch mehr Geld in die Klangkulisse gesteckt. Derzeit betreten viele Filmkomponisten die Spiele-Bühne, was ein untrügliches Zeichen dafür ist, dass es Geld zu verdienen gibt. Die Entwicklung der Spielemusik wird analog zur Entwicklung in der Spieleindustrie verlaufen.

4Players: Arbeiten Sie gerade an einem Musikprojekt? Und was können wir dieses Jahr vom Konzert in Leipzig erwarten?

Thomas Böcker: Ich arbeite derzeit an mehreren Projekten, darunter auch Spiele aus Japan. Leider kann ich dazu noch nicht viel sagen. Anders sieht das bei dem Konzert in Leipzig aus: auch dieses Jahr gibt es wieder eine unterhaltsame Auswahl an Titeln, mit Klassikern wie Chrono Cross oder International Karate; und aktuellen Produktionen wie Chronicles of Riddick oder World of Warcraft. Sehr froh bin ich auch, dass wir Musik aus Dragon Quest aufführen dürfen. Dragon Quest ist in Japan fast bekannter als Final Fantasy, das aus dem gleichen Hause kommt: Square-Enix. Entscheidend hierbei aber: der Komponist Koichi Sugiyama ist der Vater aller Spielemusikkonzerte. Er war es, der zum ersten Male überhaupt ein symphonisches Konzert dieser Art organisierte. Es bedeutet mir viel, seinen persönlichen Segen für die Aufführung bekommen zu haben. Natürlich wird es auch wieder Musik von Chris Hülsbeck geben.

Ich freue mich aber auch sehr auf unsere Extrakünstler. Rony Barrak, einer der führenden Percussion-Spieler der Welt, wird zum Beispiel im Gewandhaus auftreten. Zuvor war er schon mit Größen wie Vanessa Mae oder Sarah Brightman auf Welttournee. Ebenso spannend wird die Performance der Rockband -123min. Sie werden zusammen mit dem FILMharmonic Orchestra spielen. Aktuelle Informationen zu dem Konzert finden sich übrigens unter www.vgmconcerts.com , dort können auch Tickets in einer Verlosung gewonnen werden.

4Players: Half-Life 3, Gothic 3, Resident Evil 5 ? für welchen Titel würden Sie am liebsten als Musikproduzent arbeiten?

Thomas Böcker: Alle drei Produktionen sind sehr interessant, meine Entscheidung würde aber mit Sicherheit für Resident Evil 5 ausfallen, es bietet meiner Meinung nach die besten Möglichkeiten für Innovation, sofern der Wille dazu im Team besteht.

4Players: Auf welches Spiel freuen Sie sich dieses Jahr ganz besonders?

Dieses Interview ist nur ein Teil des Themas "Musik im Spiel ". Dort findet ihr u.a. ein Porträt sowie den Gastbeitrag von Thomas Böcker. Außerdem haben wir einige Soundtrack-Klassiker für euch aufgestöbert.

Thomas Böcker: Das ist einfach: Stalker. Einerseits, weil ich das Spielkonzept faszinierend finde, andererseits, weil Merregnon Studios Musik zum Projekt beisteuerte - und das gesamte Team das abgeschlossene Produkt nun gern spielen würde...

4Players: Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg!

  

 
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