Neo Geo Mini30.10.2018, Mathias Oertel
Neo Geo Mini

Im Test: Spielhalle im Miniformat

Retro-Konsolen im Mini-Format sind in. Nintendo hat mit den kleinen Versionen von NES und SNES gezeigt, dass Retro auch in Zeiten von UHD-Fernsehern noch nicht seinen Reiz verloren hat. Mit dem C64-Mini wird den Anfängen der Computer-Euphorie Tribut gezollt. Und mit der PlayStation Classic springt auch Sony auf den Zug auf. Da kann SNK nicht zurückstehen und bringt zum 40-jährigen Firmenjubiläum sein Mini NeoGeo unter die Leute. Wir haben das Gerät einem Test unterzogen.

Eine kurze Geschichte der Spielhallen-Zeit

Um Spielhallenbesitzern Kosten zu ersparen, revolutionierte SNK Ende der 80er/Anfang der 90er  die Arcades: Anstatt wie bisher jedes Gerät kostspielig kaufen zu müssen, wurde mit dem Neo Geo MVS (Multi Video System) ein Basisautomat angeboten, dessen Spielplatinen ausgetauscht werden konnten. Der Clou: Diese Platinen konnten auch in der nahezu gleichzeitig erscheinenden 16-Bit-Heimkonsole eingesetzt werden, obwohl die riesigen Plastikmodule optisch einiges mehr hermachten. Die zumeist auf schnelle Arcade-Action oder Beat-em-ups ausgelegten Produktionen konnten sich schnell einen Namen machen und stiegen vor allem als Heimversion schnell an Wert – bis heute werden teils vierstellige Preise für gut erhaltene Versionen von Metal Slug und seinen Fortsetzungen abgerufen.

Will man das komplette Komfort-Paket (inkl. Mini-HDMI-Kabel), muss man über 200 Euro ausgeben.
Mit dem NeoGeo Pocket sowie der Color-Variante versuchte man Ende der 90er bzw. zum Jahrtausendwechsel im von Nintendo dominierten Mobilmarkt Fuß zu fassen. Dieser Versuch muss trotz weltweit millionenfacher Hardware-Verkäufe allerdings als weitgehend gescheitert betrachtet werden. Eine lizenzierte sowie ebenfalls gescheiterte und mittlerweile sogar rechtlich untersagte Hardware namens Neo Geo X mit 20 installierten Klassikern folgte. Doch dies scheinen alles nur Vorgeplänkel gewesen zu sein. Denn pünktlich zum vierzigjährigen Jubiläum meldet sich SNK wieder mit einer Hardware zurück, die man im Gegensatz zu den anderen „Minis“ sowohl solo verwenden als auch an den HDTV anschließen kann.

Die Spielhalle zuhause

Das Geheimnis: Das Neo Geo Mini verfügt über einen eigenen Bildschirm mit einer Diagonale von 3,5 Zoll (ca. 8,9 cm und damit etwas kleiner als der Screen eines 3DS XL), der in ein kleines an die obere Hälfte von Automaten erinnerndes Gehäuse eingefasst wurde. Er bietet

40 Spiele sind mit von der Partie, die Hälfte davon sind Kampfspiele.
eine passable Schärfe, knallige Farben und lässt sich auch aus spitzeren Blickwinkeln gut betrachten. Obwohl man daher annehmen könnte, dass SNK das Neo Geo Mini in erster Linie für einen Spielhallenausflug unterwegs konzipiert hätte, fehlt dafür dann doch etwas Wichtiges: Eine eigene Stromversorgung. Es gibt kein Batteriefach, mit dem man das Gerät mobil speisen könnte. Mit dem mitgelieferten USB-C-Kabel kann man zwar einen Steckdosenadapter anschließen, den PC als Energiequelle nutzen oder eine Powerbank verwenden.  Doch es wird schnell deutlich, dass man sich tatsächlich eher als Ergänzung zu den anderen Minis versteht denn als moderne Variante eines Neo Geo Mini.

Auch wenn sowohl der solide Joystick als auch die sechs Knöpfe (Start, Select, A, B, C, D) passabel verarbeitet scheinen und die Anordnung trotz anfänglicher Skepsis auch nach längeren Sessions keinen Krampf verursacht, empfiehlt sich die Anschaffung mindestens eines zusätzlichen Controllers – insbesondere wenn man vorhat, länger am Fernseher zu spielen oder zu zweit loszulegen. Diese sind den gelungenen Pads nachempfunden, die seinerzeit beim Neo Geo CD zum Einsatz kamen. Mit einem etwa zwei Meter langen Kabel ausgestattet und sowohl in Schwarz als auch Weiß erhältlich, sorgt allerdings der Anschaffungspreis von jeweils ca. 30 Euro für Sorgenfalten – insbesondere, da hier proprietäre Anschlüsse verwendet werden und daher keine anderen Gamepads oder Joysticks angeschlossen werden dürfen. Apropos Anschaffung: Wieso SNK beim Neo Geo Mini keinen Standard-HDMI-Anschluss verwendet wie alle anderen Mini-Systeme, sondern einen Mini-HDMI-Ausgang nutzt, für den man im Zweifelsfall ein weiteres Kabel braucht, entzieht sich meiner Vorstellungskraft. Zumal man mit einem Basispreis von ca. 120 Euro ohnehin schon vor den anderen Mini-Systemen liegt. Mit allen Kabeln sowie zwei Gamepads muss man über 200 Euro hinblättern.

Schwache TV-Leistung

Und das sollte man sich reiflich überlegen, da die Darstellung am Fernseher eher enttäuscht. Selbst bei ausgeschalteter „Bildoptimierung“ sowie der Wahl eines nicht-gestreckten 4:3-Bildes innerhalb der spartanischen Optionen wirkt das Bild ungewöhnlich verwaschen. Wo sowohl NES als auch SNES oder C64 in ihren Mini-Varianten mit ihren ungeschönten Pixeln protzen, versagt ausgerechnet SNK. Wenn ich Metal Slug oder King of Fighters spiele, kann ich auf weichgezeichnete Kanten verzichten – ich möchte die Pixelkunst in ganzer Pracht genießen. Doch das geht auf dem Neo Geo Mini nur auf dem eingebauten Bildschirm. Schade. Insbesondere da die Akustik aus den Standardlautsprechern eher schwachbrüstig ist und

Die Verarbeitung der Hardware ist gut. Der Bildschirm liefert knallige Farben und einen schicken Pixellook. Die eingebauten Lautsprecher hinterlassen allerdings einen blechernen Eindruck.
Bässe vermissen lässt. Mit den 40 installierten sehr sauber umgesetzten Titeln (einer pro Jubiläumsjahr), die sogar an den gleichen Stellen Slowdowns zeigen wie die Originalmodule, hat man zwar eine durchaus ansprechend Auswahl an Spielhallen-Klassikern in ihrem Urformat zur Verfügung. Dennoch stellt sich zu schnell eine gewisse Ernüchterung ein.

Und dass nicht nur, weil Veteranen die meisten davon vermutlich von anderen Systemen kennen. Zumal seit etwa zwei Jahren viele SNK-Klassiker von Hamster Corp. unter dem Label „ACA NeoGeo“ wieder in den digitalen Stores aufgelegt werden. Sondern weil sich diese 40 Titel im Wesentlichen auf sechs Metal Slugs und „den Rest“ aufteilen. Dieser wiederum wird von einem ganzen Haufen an austauschbar wirkenden Prüglern (darunter jeweils diverse Vertreter von King of Fighters, King of the Monsters, Samurai Showdown oder Fatal Fury sowie Last Blade 2 und Ninja Masters) angeführt. Zu viele für meinen Geschmack – und ich bin den klassischen Beat-em-ups wahrlich nicht abgeneigt. Daneben gehen die gelungenen Shooter wie Shock Troopers, oder die Space-Ballereien à la Last Resort oder Blasting Star beinahe unter, während die für Spielhallen optimierten Sportspiele Football Frenzy oder Super Sidekicks spürbar gealtert sind und nicht mehr die Faszination von damals versprühen. Insgesamt bieten die integrierten Titel zwar einen durchaus akkuraten Querschnitt des SNK-Portfolios, das sich nunmal hauptsächlich auf Metal Slug und 2D-Prügler konzentriert, mit denen man sich Ende der 90er einen spannenden Kampf gegen Capcom lieferte. Doch man kann bei dieser Jubiläumsauswahl zurecht kritisieren, dass Spiele wie Windjammers, Pulstar, Nam-1975, Aero Fighters oder Viewpoint fehlen. Auch jegliche Rennspiele wie Neo Drift Out oder Riding Hero glänzen durch Abwesenheit, während das ursprünglich auf Neo Geo seine Premiere feiernde Puzzle Bubble (auch bekannt als Bust-a-Move) eigentlich am schmerzlichsten vermisst wird. Für ein Wiedersehen mit den farbige Blasen werfenden Drachen (Dinos?) hätte ich gerne auf irgendeinen King of Fighters verzichten können.

Fazit

Man kann es SNK nicht verübeln, auch auf den gegenwärtigen sehr populären Zug mit Mini-Konsolen aufspringen zu wollen. In der gut 40-jährigen Firmenhistorie finden sich mehr als genug Arcade-Klassiker, die es wert sind, wieder herausgeholt und gespielt zu werden. Technisch kann das mit einem 3,5-Zoll-Bildschirm ausgestattete Gerät durchaus überzeugen: Die Verarbeitung ist gut, wobei die vier Hauptknöpfe einen stabileren Eindruck hinterlassen könnten. Die Spieleauswahl mit 40 Titeln kann sich ebenfalls sehen lassen und bietet einen ordentlichen Querschnitt durch das Neo-Geo-Portfolio. Allerdings ist es mit etwa der Hälfte der installierten Titel zu prügelspiellastig, während Klassiker wie Puzzle Bobble, Windjammers oder Neo Drift auf keine Beachtung fanden. Enttäuschend wiederum ist die Darstellung am Fernseher, die mit ihren Weichzeichnungen und Kantenglättungen kein richtiges Retropixel-Gefühl zulässt. Für den mobilen Betrieb jedoch fehlt ein Batteriefach, so dass sich SNK irgendwo im Niemandsland platziert. Zudem sollte man neben dem recht hohen Anschaffungspreis von etwa 120 Euro noch beachten, dass man für ein optimales Spielerlebnis noch mindestens ein weiteres Pad (40 Euro) und für das Spiel am TV ein Mini-HDMI-Kabel benötigt. Angesichts von zwei dem Mini-SNES beliegenden Controllern und dem dort vorhandenen Standard-HDMI-Anschluss macht es sich SNK hier unnötig schwer, die Retro-Fans auf seine Seite zu ziehen. Ja: Neo-Geo-Konsolen sowie –Spiele waren immer etwas Besonderes und zumeist etwas für die Betuchteren unter den Zockern. Doch die Konkurrenz ist mittlerweile auch im Segment der Mini-Systeme groß. Und abseits des Spielhallengefühls, das die Hardware auch mit dem richtig guten Screen zweifelsfrei so gut vermittelt wie keine andere Retro-Konsole, hat das Mini Neo Geo Probleme, sich der gegenwärtigen sowie vor allem auch kommenden Konkurrenz (Stichwort: PlayStation Classic) zu erwehren.

Wertung

Spielkultur

Die Verarbeitung der Hardware ist gut, die Spieleauswahl abseits von Metal Slug aber mit zu vielen Kampfspielen diskussionswürdig. Zudem sorgen die schwache Ausgabe am TV und die gezwungenen Hardware-Anschaffungen wie Mini-HDMI-Kabel für Sorgenfalten.

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