Hyper Light Drifter18.09.2018, Benjamin Schmädig

Im Test: Pixelkunst zum Mitnehmen

Hyper Light Drifter (ab 19,98€ bei kaufen) zum Dritten, diesmal in der Special Edition auf Switch. Nintendo-Spieler erhalten dabei zusätzliche Inhalte – im Grunde aber das gleiche Spiel wie PC-, PS4- und Xbox-One-Abenteurer. Bleibt die Frage nach der technischen Umsetzung, denn immerhin läuft die aktuelle Ausgabe auf der in Hardwaredingen schwächsten Konsole. Auch darauf haben wir im Test ein Auge gehabt.

Schneller, aber nicht schnell genug

Wundert euch nicht: Natürlich gleicht der Großteil dieses Texts dem Test der vor zwei Jahren erschienen Erstausgabe. Das liegt ganz einfach daran, dass das bezaubernde Pixel-Abenteuer auf allen Plattformen das gleiche ist. Natürlich muss man erwähnen, dass die damals veröffentlichte PC-Version erst später von 30 Bilder pro Sekunde auf 60 aufgestockt wurde, dass sie dank eines ebenfalls nachgeschobenen Updates inzwischen zu zweit am selben Bildschirm spielbar ist und dass die Switch-Version all diese Verbesserungen bereits vom Start weg innehat. Nintendo-Spieler erhalten also eine behutsam verbesserte Version...

... die wie zum Ausgleich allerdings unter leichten, aber spürbaren Einbrüchen der Bildrate leidet. Die kommen nicht nur, aber vor allem dann vor, wenn man es mit vielen Gegnern zu tun bekommt, und stören die Übersicht sowie das Gefühl für das Timing der wichtigen Ausweichschritte. Ich wünschte, hier hätte das für die Switch-Umsetzung verantwortliche Ablight-Studio größere Sorgfalt walten lassen.

Auch auf Switch erweckt Hyper Light Drifter eine faszinierende Welt zum Leben.

Und was kam an neuen Inhalten hinzu? U.a. gibt es neue Waffen, mit denen man flexibler auf manche Gegner reagieren kann. Das ist eine kleine, aber feine Erweiterung der spielerischen Möglichkeiten, zumal man diese Ausrüstung als Belohnung nach besonders anspruchsvollen Kämpfen in einer neuen Umgebung erhält, der so genannten Turmbesteigung. Bei der erlebt man knackige Herausforderungen, die erfahrene Drifter ein wenig länger bei der Stange halten als das ursprüngliche – nach wie vor ungemein faszinierende – Abenteuer.

Stumm und vielsagend

Die Geschichte braucht dabei keine Worte: Starke Bilder und ein famoser Soundtrack erzählen von einer Welt, deren Titanen erstarrt sind, deren stumme Kanonen von Ranken überwachsen und steinerne Hochhäuser nur noch Erweiterungen schroffer Felsen sind.

Ein Kämpfer taucht in dieser Welt auf. Sein leuchtendes Schwert scheint ihren Kreaturen überlegen, aber der Drifter ist von einem Unheil befallen, das ihn wie eine Krankheit überall hin begleitet. Immer wieder übergibt er sich – tatsächlich scheint der Befall im Verlauf des Abenteuers stärker zu werden, anstatt zu verschwinden.

Die Geschichte wird nicht in Worten, sondern fast ausschließlich über die Umgebung und solche Bilder erzählt.

Fantasie statt Erklärgespräche

Ist dieser Kämpfer überhaupt der titelgebende Drifter? Die Vermutung liegt auf der Hand, genannt wird er aber nie als solcher. Immerhin kommt das gesamte Spiel ohne einen einzigen Dialog aus. Selbst wenn sich der Drifter mit den Bewohnern einer kleinen Ortschaft unterhält oder mit Helden, denen er unterwegs begegnet, bestehen Sprechblasen immer aus Bildern. Hyper Light Drifter ist weniger kryptisch als Transistor, regt aber die Fantasie an wie kaum ein zweites. Weil Spielemacher und Grafikkünstler Alex Preston ausführliche Stichpunkte vorgibt, anstatt zu erklären, liegt es an den Köpfen seiner Spieler, sie zusammenzufügen. Ich fühle mich an frühere Spiele erinnert, die einen großen Teil ihrer Erzählung ebenfalls meiner Fantasie überließen, anstatt sich durch tausend Erklärgespräche selbst zu entzaubern.

Inspiriert scheint der Entwickler auch von Ico oder Shadow of the Colossus, denn ähnlich wie in den Spielen von Fumito Ueda verschwimmen die erzählerischen Grenzen zwischen Gut und Böse, während das Ziel, das Besiegen starker Wächter, als klares Ziel erscheint. Schon die schwarze, scheinbar klebrige Krankheit, ganz offiziell eine Metapher für Prestons eigene Herzerkrankung, erinnert an Uedas Symbolik. Mehr als Ueda erzählt Preston dabei über ausdrucksstarke Kulissen. Ein Titan, der wie angewachsen einen fernen Berg umklammert, könnte alleine ein Buch füllen.

Säulen der Macht

Von Beginn an scheint klar, dass der Drifter in dieser Welt einen alten Mechanismus aktivieren muss, um das Übel, das ihn begleitet, zu besiegen. Vier Säulen stehen im Zentrum des Mechanismus' und vier Wächter, jeder ein mächtiger Gegner am fernen Ende eines großen Areals im Norden, Süden, Osten und Westen, schützen jeweils eine Säule. Also macht sich der Kämpfer auf den Weg, den Mechanismus auszulösen...

Schon auf dem Weg dorthin begegnet er gefährlichen Kreaturen, verschlossenen Toren und tödlichen Fallen – es ist gut, dass das Spiel nach Betreten jedes Abschnitts speichert, um den Drifter im Fall seines Todes am Eingang des Abschnitts wiederzubeleben. Immerhin erwarten ihn mit fordernden Kämpfen und akrobatischen Sprüngen zahlreiche Herausforderungen, die ihn selten beim ersten Scheitern das Leben kosten, aber schnell für einen Abzug seiner Gesundheit sorgen.

Hinter hohen Wänden

In den Kämpfen ist gutes Timing und die richtige Taktik gefragt. Vor allem Bosse und große Gegnermassen sind gefährlich.

Der Kämpfer kann sich zwar heilen, dafür muss er allerdings eine kurze Zeit stillstehen. Und viele Gegner sind nicht nur flink, sondern schlagen auch schnell zu. Die unterschiedliche Zusammenstellung der Gruppen ist die größte Gefahr: Man muss immer umdenken, um das eine Mal zunächst Schützen auszuschalten und ein anderes Mal erst einen Schwarm Vögel zu beseitigen. Toll sind Umgebungen, deren Architektur sich ständig ändert, denn dort sind gute Reaktionen und das schnelle Erfassen der taktischen Situation gefordert.

Timing ist stets der entscheidende Faktor, denn das plumpe Malträtieren der Angriffstaste führt nur zum Tod. Jeder Angriff hat sehr ausgeprägte Vor- und Nachteile; während eines Rundumschlags steht der Drifter etwa eine Zeitlang am Fleck, Granaten laden sich nur langsam auf und wertvolle Munition starker Pistolen muss er mit erfolgreichen Schwertstrichen aufladen. Ärgerlich ist, wenn Freund und Feind hinter einer Wand kaum erkennbar sind und der Kämpfer mal wieder an einer unsichtbaren Ecke so lange festhängt, bis ihn ein Wolf zu Tode beißt.

Große Freiheit

Neue Waffen und Techniken erhält bzw. lernt der Drifter in dem kleinen Ort, der die vier Himmelsrichtungen miteinander verbindet – über wenige, aber sinnvoll platzierte Teleportationssteine kann er jederzeit hin und zurück reisen. Die Reihenfolge der Einkäufe und Trainings wählt man dabei selbst,

Die bezaubernde Kulisse ist ein Musterbeispiel für erstklassige Pixelkunst.
denn jede Neuerung kostet dieselbe Währung. Und weil diese Währung selten ist, neue Techniken aber eine große Hilfe sind, spielt die Suche nach Schatzkisten eine wichtige Rolle. Schön, dass Preston viele dieser Kisten clever versteckt hat! Einen Hinweis auf eine geheime Ecke erhascht man oft – dorthin zu gelangen ist die Lösung vieler kleiner Rätsel.

Dass man aufgelesene Schätze nach einem Wiederbeleben erneut abholen muss, hält zwar auf, und dass es abseits von Gegnern und Truhen nichts Interaktives zu entdecken gibt, wirkt irgendwann starr. Im Gegenzug gefällt mir dafür die Landkarte, auf der man zwar sieht, in welchem Gebiet sich der Drifter befindet, aber keine Wege oder gar Schätze verzeichnet sind. Es fehlt die Möglichkeit, verschlossene Wege für das spätere Öffnen zu markieren – grundsätzlich ist mir das eigene Entdecken aber tausendmal lieber als von Wegweisern gescheucht zu werden.

Klingt gut!

Überhaupt versteht es Preston hervorragend, seine Spieler zu führen. Während der Drifter etwa von Beginn an fast jede Himmelsrichtung frei erkunden kann, öffnen das Erledigen bestimmter Aufgaben sowie das Aufspüren von Schlüsseln weitere Tore. Vor allem aber ist es das Tempo, mit dem Preston mal das ruhige Erkunden über engen Schluchten in den Vordergrund stellt, mal über mehrere Areale bis zu einem schweren Kampf Spannung aufbaut, bevor der Drifter mit Macht sein Schwert in den Boden rammt, um sich auf einem hohen Berg von den Strapazen eines packenden Showdowns zu erholen. Ich könnte ihn dann auf den Boden setzen lassen, um selbst durchzuatmen.

Eine große Rolle spielt dabei der starke Soundtrack von Disasterpeace (FEZ, It Follows ), denn er vermittelt diesen Spielfluss auf perfekte Weise. Die Musik schwillt fast unmerklich an, wenn gefährliche Gegner langsam stärker werden, klingt in ruhigen Momenten zu einem sanften Rauschen ab und verstummt, nachdem der Kämpfer einen Wächter im tosenden Bosskampf endlich niedergerungen hat. Wenn leise Momente Höhepunkte sind, dann hat ein Spiel vieles richtig gemacht!

Fazit

Spielerisch spannend und erzählerisch geheimnisvoll: Hyper Light Drifter ist ein zauberhaftes Abenteuer in kunstvoller Kulisse! Spielemacher und Grafiker Alex Preston beschreibt mit seinen Zeichnungen die große Geschichte einer faszinierenden Welt und erzeugt einen fesselnden Spielfluss aus Kampf und Erforschen, in dessen Zentrum fordernde Action steht, die sich um Timing und Taktik dreht. Kleine Entdeckungen abseits der Suche nach versteckten Kisten hätten dem Spiel zwar mehr Tiefe verliehen, dafür gewährt Preston seinen Spielern die Freiheit, die Welt beliebig zu erkunden und Fähigkeiten sowie Ausrüstung des Drifters frei zu entwickeln. Das neue Gebiet sowie ein wenig neue Ausrüstung erweitern das Abenteuer dabei für seine Nintendo-Premiere, während in manchen Kämpfen die rechte Präzision abhandenkommt, wenn die hohe Bildrate nicht immer gehalten wird. Doch unterm Strich kann man die einzigartige Magie dieses famosen Abenteuers auch auf Switch in vollen Zügen genießen!

Pro

geheimnisvoller Held und modernes märchenhaftes Szenario
fordernde, taktisch abwechslungsreiche Kämpfe
freies Aufrüsten und Entwickeln
knifflige Sprünge verlangen gutes Auge und Geschick
zahlreiche geschickt verborgene Verstecke
Karte nimmt keine Geheimnisse vorweg
vereinnahmende Erzählung erweckt ohne Worte eine fantasievolle Welt zum Leben
eine zusätzliche, derzeit Switch-exklusive Umgebung mit anspruchsvollen Herausforderungen
fantasievoller Soundtrack, der sich der Umgebung anpasst
starke Kulissen und bewegte Bilder
häufiges automatisches Speichern verhindert Frust
zu zweit an einem Bildschirm spielbar, wobei Gegner an doppelte Schlagkraft angepasst werden

Kontra

gelegentliche Einbrüche der Bildrate stören den Spielfluss im Kampf
auf Dauer etwas zu gleichförmiges Sammeln und Kämpfen
nach letztem Speichern aufgelesene Extras gehen mit Tod verloren
hinter einigen Mauern und Bäumen sind Held, Gegner und mögliche Wege kaum erkennbar
kein Setzen eigener Markierungen auf Karte verhindert Übersicht über z.B. verschlossene Türen

Wertung

Switch

Auch auf Switch ist Hyper Light Drifter ein ebenso bildgewaltiges wie spielerisch fesselndes Abenteuer.

Echtgeldtransaktionen

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