NiGHTS: Journey of Dreams24.01.2008, Jens Bischoff
NiGHTS: Journey of Dreams

Im Test:

Der Saturn-Klassiker NiGHTS: Into Dreams war seinerzeit ein geradezu revolutionäres Spiel. Nicht nur, dass es mit einem damals neuartigen Analog-Controller bedient wurde, auch die ungewöhnliche Spielmechanik sorgte im Jump'n'Run-Genre für angenehm frischen Wind. Auf Nintendos Wii wagt das Sonic Team mit Journey of Dreams eine Fortsetzung. Gelingt es dieser aus dem mächtigen Schatten des Vorgängers heraus zu treten?

Neu und doch vertraut

Trotz spielerischer und inhaltlicher Parallelen zum Original erzählt Journey of Dreams eine eigene Geschichte mit neuen Helden und Schurken. Ikonen wie NiGHTS, Reala oder Wizeman sind natürlich trotzdem wieder mit von der Partie. Bevor ihr der Traumwelt Nightopia euren ersten Besuch abstattet, habt ihr die Wahl in die Rolle von Helen oder Will zu schlüpfen, die sich immer wieder mit NiGHTS vereinen können, um Übergriffe aus der Alptraumwelt abzuwehren. Wie im Original versucht Wizeman, der Schöpfer des dunklen Alptraumreichs, Nightopia das Licht zu rauben, in dem er Träumenden ihre Tugenden stiehlt. Um vier ihrer fünf Tugenden, Ideyas genannt, wurden Helen und Will bereits beraubt.

Ungleiches Paar: Um in die Lüfte zu steigen, müssen Will und Helen mit NiGHTS eins werden.
Nur die Ideya der Tapferkeit konnte ihnen noch nicht genommen werden. Mit NiGHTS Hilfe wollen sie diese aber nicht nur verteidigen, sondern auch die Ideyas der Reinheit, Klugheit, Hoffnung und des Wachstums wieder zurückerlangen, um Nightopia vor der Zerstörung zu retten.

Ausgebremster Traumexpress

Je nach gewähltem Charakter gilt es anschließend verschiedene Traumreiche nach den verlorenen Ideyas zu durchsuchen, bestimmte Aufgaben zu bewältigen und auch Gegner zu bezwingen. Die zwei unterschiedlichen Storylines kommen dabei immer wieder miteinander in Berührung bis sie sich am Ende gar miteinander vereinen. Die Handlung wird dabei von Story-Sequenzen in Spielgrafik voran getrieben, während ihr in jedem Reich eine Reihe von Missionen absolviert an deren Ende stets ein ungewöhnlicher Bosskampf auf euch wartet. Das Abenteuer selbst ist allerdings nicht allzu lang, so dass geübte Spieler bereits nach wenigen Stunden den Abspann zu Gesicht bekommen. Doch immerhin könnt ihr danach auch noch die zweite Storyline absolvieren, euch im Mehrspielermodus vergnügen oder einzelne Missionen wiederholen, um euer Ranking zu verbessern oder nach versteckten Bonusitems Ausschau zu halten. Der Umfang hätte aber trotzdem ruhig etwas üppiger ausfallen können...

Stattdessen wird die Spielzeit eher durch Wiederholungen gestreckt, was bei gelungenen Abschnitten zwar kaum stört, bei eher mäßigen Passagen aber einen schalen Beigeschmack hinterlässt. Auch das Fehlen von Rücksetzpunkten bei manchen Missionen ist eher Last als Ansporn: Habt ihr z. B. NiGHTS in einer Reihe von Verfolgungsjagden befreit, um anschließend mit ihm einen Bossgegner heraus zu fordern, ist es ziemlich nervig, wenn ihr diesen nicht auf Anhieb schafft und dann nicht nur den Kampf, sondern auch alle vorausgegangenen Events nochmals wiederholen müsst.

Vertraute Flugakrobatik: Um euren Turbo aufzuladen, müsst ihr durch viele gelbe ringe düsen.
Dass ihr dabei auch noch unnötigerweise alle relevanten Story-Sequenzen nochmals über euch ergehen lassen müsst, ohne diese abbrechen zu können, kostet zusätzlich Nerven. Selbst die Ladezeiten können an den Nerven zehren. Im Vergleich zum Saturn-Oldie sind diese nämlich ziemlich lang und begegnen euch ständig.

Motivierende Luftakrobatik

Nichtsdestotrotz macht das Umherfliegen mit NiGHTS noch immer eine Menge Spaß. Ihr düst auf vorgegebenen Bahnen durch märchenhaft präsentierte und von einem bezaubernden Soundtrack untermalte Traumkulissen, fangt mit Loopings Gegner oder Items, fliegt durch Ringe, um Energie für schnelle Boosts zu sammeln, und vollführt allerlei akrobatische Kunststücke. Dabei nutz ihr ähnlich wie Igelkollege Sonic Levelobjekte wie Katapulte, Drahtseile, Loren und mehr, um vor Ablauf des Zeitlimits euer Ziel zu erreichen. Mal gilt es Gegner einzufangen, um ihnen einen Schlüssel zu klauen, mal eine bestimmte Anzahl von Ringen in Folge zu passieren, ein andermal müsst ihr hilflose Nightopianer retten und mal müsst ihr einfach eine riesige Blase erschaffen, in dem ihr lauter kleine Blasen zusammenschubst.        

Das Geschehen wird dabei meist aus der Seitenansicht präsentiert, wechselt aber auch hin und wieder in eine Art Ego- oder Vogelperspektive. Zudem lernt NiGHTS im Verlauf des Spiels andere Formen anzunehmen, um spezielle Fertigkeiten einzusetzen. Als Delphin kann er z. B. unter Wasser tauchen, als Rakete noch schneller fliegen und als Drache trotzt er selbst stärksten Winden. Ihr seid aber nicht nur als NiGHTS unterwegs. Es warten auch klassische Plattformabschnitte als Will und Helen auf euch. Diese sind aber leider alles andere als spektakulär und im Vergleich zu den NiGHTS-Passagen ziemlich langweilig und primitiv.

Wenig Spaß am Boden: Die Jump'n'Run-Abschnitte sind kaum mehr als Lückenfüller.
Auch die Animationen der beiden Kinder sind wesentlich unausgereifter als die von NiGHTS, wodurch diese Abschnitte nicht nur spielerisch, sondern auch grafisch deutlich abfallen und eine Abwechslung darstellen, die man sich wohl lieber ganz gespart hätte...

Es gibt aber auch willkommene Abwechslungen wie die teils recht originellen Bossduelle, bei denen ihr z. B. einen aufgeblähten Clown durch einen Hindernissparcour schubsen, einen wandlungsfähigen Fisch durch gezielte Loopings Stück für Stück verkleinern oder eine Katzenbande durch Heben und Senken eines Kugellabyrinths in Löcher plumpsen lassen müsst. Diese Duelle können anfangs aufgrund des allgegenwärtigen Zeitlimits zwar auch für Frust sorgen, hat man aber erst einmal den Dreh raus, stellen sie eine willkommene Alternative zum sonst üblichen Bossfight-Einerlei anderer Spiele dar. Trotzdem hätte es sicher nicht geschadet, verschiedene Schwierigkeitsgrade anzubieten, damit auch ungeübte und jüngere Spieler schneller zu Erfolgserlebnissen gelangt wären.

Platz für Verbesserungen

Für Kids ist Journey of Dreams aber ohnehin nur bedingt geeignet, da es lediglich englische Sprachausgabe mit oft nur kurz eingeblendeten deutschen Untertiteln gibt. Hinzu kommt, dass nicht alle Texte vertont wurden. Viele Spielhinweise erscheinen nur in Textform und das oft sogar mitten im Getümmel, wo man eigentlich voll und ganz mit dem Spielgeschehen beschäftigt ist und kaum Zeit hat, nebenher auch noch zu lesen, was nicht nur Kids übel aufstoßen dürfte. Profis dürften hingegen die Möglichkeit vermissen, die Steuerung zu invertieren - gerade in den Ego-Abschnitten ist es teils doch recht gewöhnungsbedürftig, durch Zurückziehen des Analogsticks keinen Steil-, sondern Sturzflug hinzulegen. Löblich ist hingegen, dass sich NiGHTS nicht nur mit Remote und Nunchuk, sondern auch mit dem Classic Controller oder GameCube-Pad steuern lässt, die allesamt tadellos funktionieren.

Flippertisch XXL: Die Bosskämpfe wie gegen diesen Clownballon sind teils ungemein originell.
Wer will, darf sogar auf eine indirekte Cursor-Steuerung zurückgreifen, die lediglich eine einzelne Remote voraussetzt. Allerdings mangelt es dieser Methode teils deutlich an Präzision und Übersichtlichkeit, was sie eindeutig zur schlechtesten Wahl macht.

Die Übersicht kann allerdings auch unabhängig von der gewählten Steuerung aufgrund abrupter Richtungs- oder Perspektivenwechsel sowie Bildschirm füllender Effekte hin und wieder flöten gehen. Zudem lässt sich die Kamera nur in den Plattform-Abschnitten manuell justieren. Fatale Blindflüge sind zwar eher selten, aber ein etwas größeres Blickfeld wäre manchmal schon sinnvoll gewesen. Auch beim Mehrspielermodus haben die Entwickler nicht alle Register gezogen: Die sowohl off- als auch online verfügbaren Rennduelle sind zwar ganz unterhaltsam, die nur offline zur Verfügung stehenden Kampfduelle jedoch ziemlich witzlos. Auch die Möglichkeit übers Internet Traumwelten anderer Spieler zu besuchen klingt spannender als sie eigentlich ist, da diese Welten kaum mehr als ein Showroom gefangener Gegner darstellen, die auf Wunsch die Daten des Wetterkanals zur Einbindung regionaler Witterungsverhältnisse nutzen, während ihr mit einer Hand voll Chat-Symbole verzweifelt versucht vorwiegend sinnleer miteinander zu kommunizieren...    

Fazit

Journey of Dreams besitzt natürlich nicht mehr den innovativen Wert des Originals. Trotzdem fängt es den Charme des Saturn-Klassikers gekonnt ein und verpasst ihm ein zeitgemäßes Erscheinungsbild. Am grundlegenden Spielablauf hat sich nicht viel geändert: Nach wie vor fliegt ihr mit NiGHTS auf vorgegebenen Bahnen durch märchenhafte Kulissen und vollbringt akrobatische Kunststückchen, um das einmal mehr von dunklen Mächten bedrohte Nightopia zu retten. Auch diesmal hängt das Schicksal der Traumwelt von zwei kindlichen Besuchern ab, die zusammen mit NiGHTS eine Reihe von abwechslungsreichen Missionen erfüllen müssen. Abseits der vertrauten Flugeinsätze schafft es Journey of Dreams aber nur selten Glanzpunkte zu setzen: Die Jump‘n‘Run-Passagen mit Helen und Will sind zu konservativ, viele Sammelaufgaben wirken reichlich unspektakulär. Zudem gibt es einige unnötige Wiederholungen und künstliche Streckungen, die dem recht kurzen Storymodus nicht sehr gut zu Gesicht stehen. Auf der anderen Seite gibt es jedoch einiges zu entdecken und zu meistern - vor allem die originellen Bossfights sorgen für Laune. Die audiovisuelle Präsentation lässt bis auf die eingeschränkte Sprachausgabe und gelegentliche Übersichtsprobleme kaum Wünsche offen. Beim durchaus unterhaltsamen Mehrspielermodus wäre jedoch weitaus mehr drin gewesen. Wer auf ebenso ungewöhnliche wie charmante Abenteuer steht, sollte sich davon aber nicht abschrecken lassen - auch Journey of Dreams ist trotz all seiner Schwächen noch etwas Besonderes.

Pro

märchenhafte Kulissen
traumhafter Soundtrack
abwechslungsreiche Flug-Action

Kontra

gelegentliche Übersichtsprobleme
antiquierte Jump‘n‘Run-Abschnitte
recht kurzer & wiederholungsanfälliger Storymodus

Wertung

Wii

Ungemein charmante, aber etwas durchwachsene Fortsetzung des bekannten Saturn-Klassikers.

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