Rock Band 214.10.2009, Mathias Oertel
Rock Band 2

Im Test:

Was lange währt, wird hoffentlich gut. Das zumindest dürfte die Meinung der geduldig wartenden Wii-Musikanten sein, die seit gefühlten Ewigkeiten auf ihr Rock Band 2 (ab 4,97€ bei kaufen) warten. In Amerika zeitgleich zu PS3 und 360 veröffentlicht, hierzulande wieder und wieder verschoben, ist der Titel endlich erhältlich. Hat sich im Vergleich zum Vorgänger die Wartezeit gelohnt?

Nachholbedarf?

Muss man eigentlich noch etwas zum Phänomen Rhythmus-Spiele sagen? Wie kaum irgendwo anders gilt die Prämisse "Leicht zu erlernen, schwer zu beherrschen" so wie in diesem Genre, das weit vor Wii die Finger nach neugierigen Erstspielern ausstreckte. Denn letztlich geht es nur darum, im richtigen Moment eine oder mehrere Tasten auf den dafür vorgesehen Instrumenten zu bedienen - im Rhythmus der Musik.

Kam verdammt spät, ist aber immer noch verdammt gut: Rock Band 2 auf Wii bietet bis auf kleine Ausnahmen das gleiche Spielerelebnis wie auf 360 bzw. PS3.
Bei Rock Band kam zusätzlich zur geforderten Hand-Auge-Koordination mit dem Fokus auf Band-Play für bis zu vier Spieler (Gitarre, Bass, Schlagzeug, Gesang) eine bis dato unerreichte Dynamik hinzu. So konnten z.B. Mitmusiker, die irgendwann aus dem Rahmen fielen, von anderen in der Gruppe gerettet werden. Und nicht zuletzt hat das höchst aktiv mitgehende Publikum immer wieder für Gänsehaut gesorgt. Und genau darauf kann man sich auch hier wieder verlassen. Sobald das Publikum spontan anfängt, mitzusingen, bekomme ich als Musiker auf der Bühne (pardon: vor dem Bildschirm) einen zusätzlichen Motivationsschub und wohlige Schauer perlen meine Wirbelsäule hinab - ich fühle mich wie ein Star!

Alles besser?

Wir erinnern uns: Der Wii-Vorgänger kam nicht nur ebenfalls vergleichsweise spät, sondern musste zusätzlich auch inhaltlich einige Veränderungen zu den PS3- und 360-Versionen hinnehmen. Der Umfang war eingeschränkt, es gab keinerlei Online-Funktionen, die Guitar Hero-Hardware war nicht kompatibel usw. Um es kurz zu machen: Remote-Rocker konnten sich nur über das gelungene Band-Gefühl und die bis auf einige Gitarren-Effekte gute Akustik freuen.

Doch jetzt ist alles anders - und vor allem besser: Die Pi Studios (u.a. auch verantwortlich für die Umsetzung diverser Track Packs) haben hinsichtlich Umfang, Modi, Online-Anbindung, Klangqualität etc. alles in ihrer Macht stehende getan, um die Wii-Version nicht ins Hintertreffen geraten zu lassen.

Und das zahlt sich aus: Songauswahl und vor allem Spielmodi sind identisch. Und das wiederum bedeutet, dass jetzt auch Wii-Rocker z.B. ihre eigenen Figuren erstellen können, die anstatt der im Vorgänger abgespulten festen Videos im Hintergrund wie ein Derwisch auf der Bühne feiern und ihr Instrument bearbeiten. Auf den Tattoo-Editor der HD-Versionen muss man zwar verzichten, doch dies ist wahrlich kein Beinbruch.

Jetzt dürfen auch auf Wii eigene Figuren gebastelt und ausgestattet werden.
Vor allem an der Karriere, mittlerweile auch auf Nintendos Konsole das umfangreiche Kernstück der RB-Auftritte, kann man sich erfreuen.

Denn nun ist es endlich möglich, auch einzeln und vor allem nicht vorherbestimmt durch die gleichen Höhen und Tiefen geleitet zu werden, die bislang nur 360- und PS3-Rockern vorbehalten waren. Man "kämpft" sich von ersten Auftritten in kleinen Pubs nach und nach in größere Arenen vor, verschafft sich Zutritt zu neuen Städten und Kontinenten und irgendwann steht einem die ganze Welt für Auftritte offen - weitestgehend nichtlinear. Irgendwann stehen einem sogar Roadies, Manager und weitere Helfer zur Verfügung. Allerdings kann man in RB2 selbst Schicksal spielen und aus mehreren Optionen auswählen, die unterschiedliche Auswirkungen haben. Entscheidet man sich für "Fan-Betreuer", die dafür sorgen, dass die Anhänger-Basis mit jedem Auftritt schneller wächst oder engagiert man lieber einen gewitzten Szene-Kenner, der bei jedem Gig mehr Geld in die Kasse spült? Da mit jeder dieser Entscheidungen auch unter Umständen andere Events freigeschaltet werden, kommt eine weitere, sehr unterhaltsame (allerdings insgesamt nur unwichtige) Komponente hinzu. 

Viel wichtiger ist jedoch die Karriere-Ergänzung, jederzeit zwischen Solo- und Bandauftritt wechseln zu können. Einfach wieder kurz in den Proberaum, ein paar Freunde eingeladen und schon kann es weiter gehen. Bei der eigenen Band kann man als Gitarrist oder Sänger eure Lorbeeren verdienen, bei einem Kumpel ist man über die problemlos laufende und weitestgehend lagfreie Online-Anbindung, die allerdings nur über Freundescodes funktioniert, als Drummer im Einsatz - mit ein- und derselben Figur!

    

Abseits der Karriere

Wer sich nicht einfach nur von Gig zu Gig hangeln, sondern es mit der ganzen Welt aufnehmen möchte, findet mit dem "Battle of the Bands" ausreichend Futter. Hier werden von Harmonix beständig neue Herausforderungen angeboten, in denen die Bands um Ruhm und Ehre kämpfen und über die man sich auch auf der offiziellen Seite haarklein informieren kann. Diese Aufgaben können zwar keinen vollwertigen Ersatz für die Karriere darstellen, sind aber in jedem Fall eine spaßige, fordernde und motivierende Ergänzung.

Die Zeit der vorgerenderten Videos aus Wiis Rock Band 1-Auftritten gehören der Vergangenheit an. Jetzt liefern die selbst erstellten Figuren eine heiße Bühnenshow ab.
Gleiches gilt für die Herausforderungen, die sowohl für die einzelnen Instrumente als auch für die Gesamtband zur Verfügung stehen und die mit ihren immer schwerer werdenden Sets eine sinnvolle Evolution der spröden und einschlägig bekannten Standard-Karrieren bieten.

Als weitere Modi sind die bekannten Score-Duelle sowie das Tauziehen um Publikumsgunst integriert, die sich zwar als unterhaltsam präsentieren, aber weder den Spaßfaktor der Karriere noch die Intensität der Power-Up-Schlachten der Guitar Hero-Serie erreichen.

Musikbox für Fortgeschrittene

Was die Songauswahl betrifft, greift Harmonix mit MTV-Unterstützung in die Vollen und bietet Master Tracks, also insgesamt über 80 voll lizenzierte Songs von den 60ern bis hin zur Moderne. Für jeden Geschmack ist etwas dabei. Und wem das nicht reicht, kann mittlerweile auch auf Wii den Rock Band Music-Store bemühen und neue Songs herunterladen. Das ist zwar insgesamt etwas umständlicher als auf 360 bzw. PS3, da man erst im Nintendo-Store Punkte erstehen muss, die man dann im RB-Store ausgeben kann und auch die Auswahl ist hier nicht ganz so umfangreich wie bei den "großen" Brüdern.

Und das größte Problem ist nicht einmal, dass man nur mit einer zusätzlichen SD-Karte die Download-Inhalte nutzen kann, sondern, dass der Shop bei unseren Einlog-Versuchen immer wieder mit technischen Anlaufschwierigkeiten kämpfte. Beim Start in Amerika hatte man ähnliche Probleme, aber die sollten doch eigentlich behoben sein?

Hinsichtlich der Klangqualität im Allgemeinen war und ist Rock Band 2 auf HD-Systemen das Maß aller Dinge. Die Guitar Hero-Serie nähert sich zwar langsam an, wenn es darum geht, stimmungsvolle Live-Auftritte nachzubilden, doch das Gänsehaut-Gefühl der Rock Bands ist nach wie vor unerreicht.

Und RB 2 auf Wii steht dem kaum in etwas nach: Insgesamt scheinen die Instrumente zwar nicht ganz so klar differenziert zu werden wie bei den ausgewachsenen Familienmitgliedern, doch der akustische Gesamteindruck ist gut. Verdammt gut. Und ist nicht nur hinsichtlich der besser klingenden Gitarren-Effekte seinem Vorgänger voraus.

Endlich auch auf Wii

Neben dem Update der inhaltlichen Seite auf die Rock Band 2-Standards wurde natürlich auch die Kulisse überarbeitet, die mittlerweile nicht mehr aus vorgefertigten Videos, sondern in Echtzeit mit selbst erstellten Figuren zum Leben erweckt wird.

Das volle Paket: Über 80 Songs werden auf Disc mitgeliefert. Im etwas kompliziert zu bedienenden Shop gibt es Download-Nachschub.
Dass man dabei insgesamt natürlich nicht so opulent und detailreich erscheint wie die PS3- oder 360-Rocker, ist klar. Doch für Wii-Verhältnisse sieht das herunterskalierte RB2 gut aus und auch die mitunter nicht ganz zusammenpassenden Animationen stören nur unwesentlich.

Allerdings werden einige Tracks immer noch vom falschen Geschlecht gesungen. Damit meine ich allerdings weniger die eigens erstellte Figur, die natürlich an ein Geschlecht gebunden ist. Man stelle sich folgende Situation vor: In einem Set ist  der erste Song mit einer weiblichen Sängerin besetzt. Dementsprechend wird bei Fehlen eines menschlichen Gesangspezialisten die Figur mit einem wahllos ausgewählten Charakter des vermeintlich schwachen Geschlechts besetzt. Ist dann im Set etwas von Motorhead als Schluss-Liedchen, wirkt das alles etwas merkwürdig. Da aber zwischen den Songs ohnehin immer nachgeladen wird, hätte es nicht geschadet, wenn man kurzerhand auch noch einen anderen, passenderen Sänger in den Speicher schaufeln würde.

Übrigens wird dieses Problem auch nicht im Band-Editor gelöst, der einem die Möglichkeit gibt, für jede nicht vorhandene Position einen festen Charakter zu bauen und festzulegen. Leider muss man sich beim Gesang aber auch auf eine Figur festlegen, so dass es immer wieder zu einem kleinen Dilemma und damit zum Jammern auf extrem hohen Niveau kommt.  

Fazit

Das wurde auch Zeit! Während in Übersee Wii-Rocker gegenüber ihren PS3- und 360-Kollegen mit nur zwei Monaten Verspätung loslegen durften, wurden die Nerven der hiesigen Remote-Musiker strapaziert. Ob man nun den Release von The Beatles Rock Band und damit die verbesserte Hardware abwarten wollte oder andere Gründe dafür verantwortlich sind, lässt sich schwer einschätzen und ist angesichts der abgelieferten Qualität nicht so wichtig. Denn war der Vorgänger auf Wii in keiner Form mit den "großen" Versionen vergleichbar, liefert Rock Band 2 endlich auch auf der Nintendo-Konsole das beinahe komplette Band-Erlebnis ab, das auf 360 und PS3 letztes Jahr vollkommen verdient Platin einheimsen konnte. Der Umfang mit über 80 Songs, der offenen Karriere, dem Figuren-Editor, der nur auf die Tätowierungen verzichtet und auch der auf Freundescodes angewiesene Online-Modus entsprechen im Wesentlichen den anderen Versionen. Kleine Abstriche muss man bei der visuellen Umsetzung machen – nicht nur, was die Auflösung, sondern auch, was die Qualität mancher Animationen angeht. Doch das ist angesichts der gelungenen Gesamtpaketes, in dem man endlich auch mit Guitar Hero-Hardware an den Start gehen kann, nur ein kleiner Tropfen auf einem ganz heißen Stein. Bedenklicher ist da die Unzuverlässigkeit des Music Stores und die etwas kompliziert vonstatten gehenden Transaktionen. Dennoch: Wii-Musiker können es sich nicht leisten, Rock Band 2 links liegen zu lassen!

Pro

über 80 Songs...
umfangreiche non-lineare Karriere
Karriere auch für Solisten
Battle of the Bands als Online-Wettbewerb
Live-Atmosphäre mit Gänsehaut
Publikum geht gut mit
gelungenes Design
umfangreiche Personalisierungsmöglichkeiten
gute Online-Funktionalität
Multitalent-Charaktere möglich

Kontra

- ... bei denen auch einige vergessenswürdig sind
nicht kompatibel mit Rock Band 1-Songs
gelegentlich abgehackte Bewegungs-Abläufe
kleine akustische Abstriche im Vergleich zu 360 und PS3

Wertung

Wii

Das lange Warten hat sich gelohnt: Die Wii-Rocker stehen ihren HD-Kollegen bis auf die etwas komplizierte Music Store-Einbindung und den Tattoo-Editor in Nichts nach.

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