Wario Land: The Shake Dimension26.09.2008, Michael Krosta
Wario Land: The Shake Dimension

Im Test:

Nintendo macht das, was sie am besten können: Nein, kein virtueller Kochkurs oder Gehirntraining - auch wenn ihr bei Wario Land: The Shake Dimension (ab 49,90€ bei kaufen) ebenfalls mit Köpfchen spielen müsst. Die Rede ist natürlich von Jump’n’Runs - das Genre, mit dem Mario ganz groß rausgekommen ist! Jetzt besinnt man sich auf die alten Tage und schickt Anti-Held Wario in ein Hüpf-Abenteuer, das sowohl klassisch als auch modern ist...

Prinzessin oder Geld?

Eine entführte Adlige gehört bei Nintendo zur Standard-Zutat, wenn es darum geht, sich die Hintergrundgeschichte für ein Jump'n'Run zusammen zu spinnen. Während in der Vergangenheit meist Prinzessin Peach in die Opferrolle geschlüpft ist und mit ihren ständigen Entführungen selbst Kim Bauer von "24" in den Schatten stellt, ist dieses Mal Königin Midori die Dumme. Und

So kennen wir ihn: Am liebsten chillt Wario faul ab. Aber wenn es um unbegrenzten Reichtum geht, stürzt auch er sich gerne in ein Abenteuer.
 wer ersetzt Bowser? Der Ober-Bösewicht hört dieses Mal auf den Namen König Rüttelbert, ein Typ mit ziemlich schlechten Manieren, der gerne friedliche Königinnen entführt und das Volk der Mürfel in Käfige sperrt, um sich so zum unrechtmäßigen Herrscher über das Reich des Rüttelns zu machen. Doch der Fiesling hat seine Rechnung ohne ein entkommenes Mürfel und die Piratenbraut Kandis gemacht, die ausgerechnet den Faulpelz Wario um Hilfe bitten. Der ist von der Idee naturgemäß weniger begeistert und wird erst bei der Erwähnung des so genannten "Unerschöpflichen Münzbeutels" hellhörig, der seinem Besitzer einen ewigen Geldregen verspricht. Da sich Rüttelbert das gute Stück aber gerade unter den Nagel gerissen hat, bleibt Wario keine andere Wahl: Getrieben von seiner eigenen Gier macht er sich auf, um den bösen König zu finden und ihm den kostbaren Beutel abzuluchsen.

Fünf Kontinente

Doch wie es im Hüpf-Alltag nun mal ist, kann man nicht einfach beim Bösewicht klingeln, ihn aus den Latschen hauen und sich mit dem Hauptgewinn aus dem Staub machen. Stattdessen müsst ihr zunächst fünf Boss-Embleme finden, die auf ebenso vielen Kontinenten verteilt sind und von mächtigen Endgegnern bewacht werden. Vorher gilt es allerdings, pro Kontinent jeweils vier Level zu absolvieren, bevor ihr bei den Oberbossen anklopfen dürft. Auf dem Weg dorthin erwartet euch klassische Jump'n'Run-Kost mit modernen Elementen, die einfach wunderbar ineinander greifen. Anstatt nach Super Mario Galaxy eine weitere 3D-Welt zu bauen, geht Nintendo einen Schritt zurück und lässt Wario im guten alten 2D durch die wunderschönen Comic-Kulissen hüpfen, die mit gezeichneten Hintergründen so liebevoll gestaltet wurden, dass man sofort wieder anfängt, von den alten Zeiten zu schwärmen, in denen lästige Kameraprobleme 

Akrobatisch: Mit Schütteleinlagen der Remote macht Wario echten Reck-Cracks Konkurrenz.
moderner 3D-Spiele noch kein Thema waren. Klar, die Grafik ließe sich wahrscheinlich auch mit leichten Abstrichen auf einem DS oder SNES realisieren, aber das Gesamtbild ist mit dem butterweichen Parallax-Scrolling sowie teilweise urkomischen Animationen des Haupt-Akteurs retro und umwerfend zugleich. Vor allem der Abwechslungsreichtum auf den fünf Kontinenten weiß zu gefallen: Mal geht es bei glühender Hitze durch die staubige Wüste, ein anderes Mal kämpft ihr euch bei Gewitter durch einen düsteren Dschungel oder besucht die an Las Vegas erinnernde Glitter City, in der ihr an Spielautomaten euer Item-Glück versucht und Plattformen erst beim Scheinwerferlicht sichtbar werden. Dazu gesellen sich Ausflüge in eine Winterwelt, in der Wario auch als Schneeball eine gute Figur macht, oder einen fahrenden Zug, dessen Triebwerke ihr zerstören müsst. Schließt ihr die Wii über einen 16:9-Fernseher an, müsst ihr allerdings mit einem Rand rechts und links leben, der nicht unbedingt sein müsste. Warum kann man das Spiel nicht auch unter 16:9 im Vollbild anzeigen? Deshalb mein Tipp: Belasst es auch an einem 16:9-TV bei der 4:3-Einstellung und genießt die Vollbild-Darstellung, wenn auch leicht gestreckt. Begleitet werden eure Hüpfeinlagen von groovigen Soundtracks, die zwar teilweise an MIDI-Gedüdel erinnern, aber den Retro-Charme ebenfalls wunderbar einfangen und unwillkürlich zum Mitwippen einladen. Und was wäre ein Wario-Spiel ohne Vehikel? Auch in der Shake Dimension erforscht ihr einige Abschnitte unter Wasser mit einem U-Boot oder begebt euch mit einer Düsenkapsel über die Wolken. Selbst einen der Bosskämpfe tragt ihr mobil aus und rast um die Wette, während ihr mit einer Boxhandschuh-Vorrichtung so lange Schraubenschlüssel und Reifen in den Motor eures Konkurrenten pfeffert, bis dieser endlich hochgeht.      

Fordernde Bosskämpfe

Überhaupt sind die Kämpfe gegen die Endgegner einer der Höhepunkte: Zwar lassen es die ersten beiden noch recht gemächlich angehen, doch spätestens wenn ihr dem Gickelbot in der Zirkusarena gegenüber tretet, sind echte Joypad-Akrobaten gefragt, wenn ihr euch von Stange zu Stange schwingen und dabei den fiesen Angriffen des Clowns-Gesichts ausweichen müsst. Jeder der Bossekämpfe ist in mehrere Phasen unterteilt und es dauert seine Zeit, bis man die Muster durchschaut

Der Wütewok gehört zu den härteren Bossen: Zuerst will er gefüttert werden, denn erst dann spuckt der die Bomben aus, die seinen Untergang besiegeln.
und das geforderte Timing verinnerlicht hat. Trotzdem erreicht ihr nie den Punkt, an dem ihr den Controller gegen die Wand pfeffern wollt und das Spiel als unfair abstempelt, denn meist seht ihr sofort, wo ihr selbst Mist gebaut habt und wie ihr es beim nächsten Mal besser machen könnt. Genau so müssen Bosskämpfe sein: Hart, aber fair!

Rüttel-Attacken

So klassisch die aufregende Reise durch die Shake-Dimension auch aussehen mag: In Sachen Steuerung zeigt sich Wario Land völlig modern und unterstreicht, dass es in dieser Form nur auf der Wii-Konsole funktionieren kann. Ihr haltet die Remote quer und steuert Wario mit dem Digikreuz. Gesprungen wird mit der 2-Taste, während er mit Druck auf den 1-Knopf zu einem Ramm-Spurt ansetzt. Auch die Arschbombe ist mit von der Partie, die ab einer bestimmten Fallhöhe auch robuste Bodenplatten durchschlagen kann. Bisher also alles so normal, wie man es auch von anderen Genre-Vertretern kennt. Der Clou kommt erst, wenn ihr die Remote schüttelt: In diesem Fall lässt Wario seine gefürchtete Donnerwumme vom Stapel, mit der alle Gegner im Umfeld umgehend betäubt werden. Gleichzeitig ist sie auch von entscheidender Bedeutung, um sich den Weg durch die Kulissen zu bahnen. So werden durch den starken Schlag an bestimmten Stellen Mechanismen in Gang gesetzt, die z.B. Felstüren kurzfristig anheben oder Kisten an einer Kante zum Fallen bringen, mit deren Hilfe ihr

Mit der Donnerwumme hält Wario eine mächtige Waffe in seinen Händen.
weitere Levelabschnitte erkunden könnt. Allerdings braucht die mächtige Fähigkeit eine gewisse Zeit, um sich zu regenerieren - ihr könnt also nicht eine Donnerwumme an die nächste klatschen, was allerdings auch nicht sonderlich sinnvoll wäre.

Gegner als Geschosse

Sind die Gegner durch den Schlag der Donnerwumme oder einen beherzten Sprung auf den Kopf, dürft ihr sie anschließend mit einer Rammattacke ins Nirvana pfeffern. Dabei nehmen sie gleich alle anderen mit, die sich in Weg der Flugbahn befinden. Aber warum so, wenn man es auch viel kontrollierter machen kann? Ihr könnt betäubte Feinde nämlich alternativ auch aufnehmen und anschließend gezielt abfeuern, indem ihr durch die Neigung der Remote die Richtung anvisiert. So räumt ihr auf diese Art z.B. hoch gelegene Blöcke aus dem Weg, damit die heiß begehrten Münzbeutel den Weg zu euch auf den Boden finden. Bevor ihr die private Spardose füllt, müsst ihr sie aber zunächst ordentlich durchschütteln, was Remote-sei-Dank kein Problem darstellt, euch aber nach einigen Stunden bei zu eifrigem Einsatz einen Tennis-Arm beschert. Selbstverständlich geht ihr nicht nur aus reinem Sammelwahn auf die Münzenjagd, sondern gebt das Vermögen in der Boutique von Kapitän Kandis für die notwendigen Karten der Kontinente, weitere Herzen für eure Energieleiste oder Extraenergie aus, falls euch in den eher einfachen Standardkämpfen oder aufgrund der fiesen Fallen doch mal die Puste ausgehen sollte. Gerade in den Kämpfen gegen die Obermotze sind die Fläschchen sehr nützlich und ihren Preis wert. Wird die Energie knapp, dürft ihr außerdem die betäubten Gegner greifen und sie ordentlich durchschütteln. Nicht selten kommt dabei eine Knoblauch-Knolle zum Vorschein, die euch neue Kraft gibt.   

Zweiteilung

Sollte euch im normalen Hüpf-Alltag trotzdem mal das Zeitliche segnen, müsst ihr höchstwahrscheinlich das ganze Level wieder von vorne in Angriff nehmen, denn ihr findet in jedem der Abschnitte genau einen Checkpunkt. Bis auf die Unterwasser-Einsätze mit dem U-Boot ist jeder Level zweigeteilt: Im ersten Teil besteht eure Aufgabe darin, den Käfig des gefangenen Mürfels zu finden und dabei so viele Münzen wie möglich einzusammeln. Beim zweiten Teil steht dagegen die Geschwindigkeit im Mittelpunkt, denn ihr müsst ihr vor Ablauf des Countdowns wieder an den Anfang zurück sprinten, um rechtzeitig durch das Dimensionstor zu flutschen. Meist findet ihr in der Nähe des Käfigs Vorrichtungen, die Wario auf ein Wahnsinns-Tempo beschleunigen. Dabei nimmt er so lange die Beine in die Hand, bis er an ein Hindernis knallt - hier ist also exzellentes

Jetzt aber schnell: Am Ende eines Levels müsst ihr zum Dimensionstor zurück laufen, bevor die Zeit abläuft und ihr alle gesammelten Schätze verliert.
Timing und gute Kenntnis der Levelstruktur gefragt. Zudem rennt ihr in diesem Zustand problemlos massive Stahltüren ein und verschafft euch so Zugang zu Abschnitten, die euch zuvor unerreichbar waren. Wird euer Spurt vorzeitig ausgebremst, dürft ihr einfach zum Kontrollpunkt zurück und einen neuen Versuch starten.

Viele Aufgaben

Gerade die Zeit, die ihr vom Käfig zurück bis zum Dimensionstor benötigt, ist oft eine der Kriterien, die euch im Rahmen der Aufgaben erwarten, die ihr in jedem Level erfüllen solltet. Das Ganze funktioniert ähnlich wie das Achievement- oder Trophäensystem von Microsoft und Sony: Vor jedem Level bekommt ihr eine Liste mit Aufgaben, die ihr erfüllen solltet. Mal müsst ihr eine bestimmte Anzahl an Münzen sammeln, bestimmte Gegner finden und besiegen oder ein komplettes Level ohne Schaden überstehen. Meistert ihr alle Herausforderungen, dürft ihr als Belohnung die Hintergrundmusik des entsprechenden Levels in der Jukebox anhören. Oft sind die Abschnitte allerdings so aufgebaut, dass ihr nicht alle Ziele in einem Durchlauf gleichzeitig erfüllen könnt. Hier glaubt man manchmal, Nintendo wollte das mit etwa zehn Stunden Spielzeit eher knapp bemessene Spiel bewusst strecken. Auch habt ihr in manchen Abschnitten nur eine Chance, einen prall gefüllten Goldsack oder einen der insgesamt drei Schätze pro Level zu finden. Baut ihr an einer Stelle Mist und verpennt z.B. eine notwendige Aktion oder habt das falsche Timing, müsst ihr die Stage erneut versuchen und seid beim nächsten Mal hoffentlich schlauer. Allerdings frage ich mich, welchen Sinn das Finden der Schätze überhaupt hat, die anschließend in einer Gesamtübersicht mit kleinen pseudo-witzigen Kommentaren archiviert werden. Mal abgesehen davon, dass das Finden aller Schätze manchmal zu den Levelaufgaben gehört, haben diese Gegenstände wie sechs Wochen alten Curry, ein Stofftier Gnu oder einer Meerjungfrauen-Schuppe ansonsten keine Funktion.   

Fazit

Danke, Nintendo! Mit Wario Land: The Shake Dimension erscheint endlich wieder ein Spiel, für das es sich lohnt, meine Wii zu entstauben und mich zumindest für zehn wundervolle Jump’n’Run-Stunden die Vernachlässigung der Core-Gamer vergessen lässt. Zwar ist der Schwierigkeitsgrad in den Abschnitten recht moderat angesetzt und verlagert die Herausforderung mehr auf das Finden der Schätze sowie das Lösen kleiner Rätsel, doch sind zumindest die tollen Bosskämpfe auf späteren Kontinenten eine schöne Herausforderung. Stilistisch ist Warios Wii-Auftritt ein echter Volltreffer: Die gezeichneten 2D-Kulissen sind herrlich stimmungsvoll. Auch die Zweiteilung der Level weiß zu gefallen - allerdings ist es schade, dass man gleich einen komplett neuen Anlauf des Abschnitts starten muss, wenn man die eine oder andere Situation vermasselt hat. Auch erwecken die Aufgaben oft das Gefühl, als wollte Nintendo die relativ kurze Spielzeit künstlich strecken, weil man nicht alle Ziele gleichzeitig erfüllen kann. Spaß macht es trotzdem, sich auch mehrmals mit den Leveln auseinanderzusetzen und dabei eventuell auch neue Routen zu entdecken, die beim Countdown schneller zum rettenden Dimensionstor zurück führen. Auch wenn das Geschüttel mit der Zeit etwas anstrengend wirkt, verdient auch die Steuerung Lob, die für mich eine nahezu perfekte Symbiose aus klassischen und modernen Elementen darstellt. Ja, hier zeigt Nintendo wirklich, was sie am besten können: Wario Land: The Shake Dimension ist ein herrlich-charmantes Jump’n’Run, das Retro-Fans und Wii-Spieler der jüngeren Generation gleichermaßen begeistern kann. Shake it, Baby!

Pro

herrlich retro
kunterbunte Comic-Kulissen
hervorragende Steuerung
viel Abwechslung
herausfordernde Boss-Kämpfe
witzige Animationen
diverse Vehikel
coole Einfälle beim Leveldesign
massig Herausforderungen

Kontra

Levelaufbau mit vielen "einmaligen Chancen"
nur ein Checkpunkt pro Level
etwas kurz

Wertung

Wii

Wunderschönes Retro-Jump & Run, das klassische Elemente mit moderner Steuerung vereint.

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