Animal Crossing: Let's Go to the City16.12.2008, Jan Wöbbeking
Animal Crossing: Let's Go to the City

Im Test:

H.G. Wells hatte Recht, die Zeitmaschine existiert tatsächlich. Hier ein paar Pfirsiche pflücken, dort ein paar Gyroiden-Figürchen adrett ausrichten und zum Schluss noch ein gemütlicher Abstecher ins Dorf eines Freundes - ehe ihr euch verseht, sind ganze vier Stunden ins Land gegangen. In keinem Spiel verfliegt die Zeit so schnell wie in Nintendos spielbarem Bilderbuch Animal Crossing. Pünktlich zum Fest dürfen auch Wii-Besitzer Urlaub in der idyllische Parallelwelt machen und sich an ein paar neuen Ausflugszielen erfreuen.

Moloch oder Kleinstadt?

Wie der Name bereits andeutet, macht ihr es euch diesmal nicht nur im eigenen Städchen gemütlich, sondern unternehmt außerdem Kurztrips in eine Metropole - oder was die Entwickler sich unter dem Begriff vorstellen. Obwohl euch der Busfahrer mit Horrorgeschichten über den Großstadtsumpf Angst einjagen will,

Auf dem Marktplatz in der kleinen »Großstadt« könnt ihr nach Herzenslust shoppen gehen.
besteht die Stadt nämlich lediglich aus einem beschaulichen Marktplatz, auf dem ihr euch mit einer Hand voll Besucher unterhaltet. Oder ihr frönt dem Kommerz in all seinen Facetten. Gebt euer Erspartes z.B. für sündhaft teure Designer-Möbel oder andere Dinge aus oder gönnt euch eine komplette Typ-Erneuerung beim »Friseur Shampudel«.

In Animal Crossing dürft ihr nämlich nicht nur eigene Klamotten und Tapeten designen, sondern auch euer Aussehen verändern. Nach der Entrichtung eines hübschen Sümmchens könnt ihr auch in der Gestalt eurer Mii-Figur durch das Spiel laufen. Habt ihr euch die Nase lang genug an den Schaufernstern platt gedrückt, kehrt ihr in die eigene Stadt zurück und baut dort euer neues Leben auf. Bis auf die neuen Ausflüge hat sich wenig geändert. Immer noch richtet ihr euer Zuhause gemütlich ein, lauft über idyllische Wiesen und haltet Schwätzchen mit den Dorfbewohnern, welche in Gesprächen niedliches Gebrabbel von sich geben. Oder ihr geht Angeln, fangt Käfer mit dem Kescher, pflanzt Obstbäume an und erntet die Früchte eurer Arbeit. Sogar der Erdboden birgt wertvolle Schätze: Fällt euch eine Unebenheit zwischen all den detailarmen Texturen auf, solltet ihr die im Laden erhältliche Schaufel zücken.

Virtuelle Realwirtschaft

Wenn ihr Glück habt, verbirgt sich unter der Oberfläche ein seltenes Fossil, welches ihr im Museum ausstellt oder - noch besser - ihr stoßt auf einen Gyroiden. Die kleinen Holzfigürchen besitzen keine andere Funktion als albern auszuschauen, noch albernere Drehbewegungen auszuführen und kranke Geräusche von sich zu geben. Doch genau deswegen eignen sie sich hervorragend als extravaganter Einrichtungsgegenstand.

Seht ihr einen Fisch im Wasser schmeißt ihr einfach die Rute aus und drückt im richtigen Moment auf den Knopf. Auch auf der Käfer-Jagd mit dem Kescher benötigt ihr kaum Geschick.
Unglücklicherweiseist herrscht in eurer Bude bereits mit zwei Gyroiden, einem Weihnachtbaum und einer Kerze akuter Platzmangel. Wenn ihr Abhilfe schaffen wollt, solltet ihr euch z.B. als Obstbauer versuchen. Pflanzt euch einen hübschen Hain aus Apfelbäumen und vertickt die frisch gepflückte Ernte, geangelte Fische und andere Waren an den Ladenbesitzer Nook.

Sobald ihr die Hypothek beglichen habt, baut ihr euer Haus in mehreren Stufen aus und verschafft euch Platz für all die Dinge, welche sich durch die zahlreichen Aktivitäten anhäufen. Ähnlich wie in Harvest Moon sind die putzigen Tierchen in Animal Crossing keine Partymuffel und organisieren diverse Veranstaltungen wie z.B. Angel-Turniere. Außerdem dürft ihr euren Mitbwohnern mit Briefen und angehängten Geschenken eine Freude machen, ihnen Ratschläge zu ihrem Outfit geben oder gleich höchstpersönlich in einem kleinen Editor Muster für die örtliche Schneiderei gestalten.           

Ausflug mit Hindernissen

Noch schneller kommt ihr zu Geld, wenn ihr ins Netz geht und exotische Früchte aus anderen Dörfern im heimischen Laden verhökert. Doch wie im echten Leben steht vor dem Vergnügen die Arbeit. Bevor ihr einen Ausflug in befreundete Orte startet, müsst ihr euch zunächst einmal mit Freundes-Codes herumschlagen. Auf eine Lobby, eine Spielersuche oder andere Online-Annehmlichkeiten des 21. Jahrhunderts müsst ihr leider verzichten. Stattdessen geht Nintendo auf Nummer sicher und warnt besorgte Eltern gefühlte zwanzig mal im Handbuch davor, ihren Nachwuchs mit Unbekannten spielen zu lassen und unflätige Worte ins Mikrofon zu krakeelen.

Bis zu drei Freunde können über das Internet euer Dorf erforschen und mit euch chatten.
Wenn ihr in eurem Freundeskreis oder in einem Internetforum Mitspieler gefunden habt, sind noch ein paar weitere Hürden zu überwinden: Ihr müsst die korrekte Kombination aus Freundescode, Nickname und Stadtname eurer Freunde eingeben und eure potentiellen Mitspieler müssen es euch gleich tun. Als nächstes lässt ein Spieler sein Stadttor vom Wächter öffnen und seine Gäste dürfen beitreten - sofern die Server nicht überlastet sind. Letzteres Manko trat bei unserem Test leider relativ häufig in Erscheinung. Macht euch schon mal darauf gefasst, minutenlang das nicht abschaltbare Midi-Geplärre an eurem Stadttor über euch ergehen zu lassen. Andernfalls riskiert ihr, dass ihr den angekommenen Besucher verpasst, wenn ihr nicht ununterbrochen auf die Glotze starrt.

Internationaler Obsthandel

Doch es lohnt sich, sich durch die vorsintflutlichen Schutzmechanismen zu kämpfen. Habt ihr euch in eine fremde Stadt vorgekämpft, könnt ihr ihn wie in der DS-Fassung nach Herzenslust erforschen, mit den Anwohnern reden und - noch wichtiger - exotisches Obst und andere Dinge einsacken, die es bei euch nicht gibt. Legt ihr beim Händler eures Vertrauens ein paar Euro mehr auf den Ladentisch, bekommt ihr das Bundle mit dem Wii-Speak-Mikrophon. Dank des kleinen Kästchens unterhaltet ihr euch bequem und ohne Kabelgewirr mit dem Gastgeber bzw. den bis zu drei Besuchern. Das verkabelte Mikro und eine daran hängende Box platziert ihr einfach in der Nähe der Glotze oder pappt es mit den beiliegenden Klebestreifen auf die Sensorleiste. Wenn ihr eure Anlage auf Zimmerlautstärke einstellt, kommt nur eure Stimme beim Gegenüber an - und zwar gut verständlich aus allen Winkeln des Raumes. Falls ihr eure Mitspieler nicht mit einer verrauchten Stimme verscheuchen wollt, dürft ihr mittels handelsüblichem USB-Keyboard chatten - oder ihr begnügt euch mit Fernbedienung und On-Screen-Keyboard.

       

Fazit

Vorsicht, Animal Crossing ist einer der schlimmsten Zeitfresser der Videospielgeschichte! Auch in der aktuelle Wii-Adaption verliert ihr euch schnell in der Bilderbuchidylle der eigenen Traumstadt. Da ein Tag in diesem Spiel echte 24 Stunden besitzt, kommt keine Hektik auf wie in Harvest Moon oder Viva Pinata - stattdessen steht einfach nur Entspannung auf dem Programm. Natürlich dürft ihr euch auch als fleißiger Obstbauer oder Spekulant versuchen. Im Grunde geht es einfach nur darum, sich sein eigenes Städchen so hübsch wie möglich einzurichten und Freundschaften zu schließen. Trotz der enormen Tiefe wirkt »Let's go to the City« wie ein Update. Die Figuren und Kulissen sind zwar putzig wie eh und je, aber sie erscheinen mit ihrem Mangel an Details reichlich veraltet. Wenn ihr bereits viele Tage mit den Vorgängern verbracht habt, erwartet euch bis auf den städtischen Marktplatz sowie die gut funktionierende Chat-Möglichkeit auch inhaltlich nicht viel Neues. Der von Nintendo auf der E3 versprochene Hoffnungsträger für Hardcore-Zocker ist »Let's go to the City« jedenfalls nicht - eher ein weiterer Aufguss eines äußerst unterhaltsamen Spielkonzepts. Mit mehr neuen Freizeitaktivitäten und zeitgemäßer Grafik hätten die Entwickler deutlich frischeren Wind in die Serie bringen können. Falls es euer erster Ausflug ins Animal-Crossing-Universum ist, erwartet euch aber eine äußerst entspannende Urlaubsidylle.

Pro

<P>
sehr entspannte Lebens-Simulation in Echtzeit
niedliches Design
unterhält unheimlich lange
haufenweise Tätigkeiten zum Zeitvertreib
geselliger Mehrspielermodus über's Netz</P>

Kontra

<P>
wenig Neues gegenüber den Vorgängern
keine spielbaren NES-Klassiker mehr enthalten
umständliche Freundescodes für das Internet-Spiel
Kulissen und Figuren technisch auf einfachem Gamecube-Niveau</P>

Wertung

Wii

Im Paradies wenig Neues: Idyllische und umfangreiche Lebenssimulation mit dezenten Neuerungen und Voice-Chat.

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