Overlord: Dark Legend29.06.2009, Jörg Luibl
Overlord: Dark Legend

Im Test:

Was ist groß, böse und schwer gerüstet? Nein, weder die USA noch Electronic Arts oder gar Sauron, sondern der Overlord - seine Schrecklichkeit! Dieser mächtige Herrscher hat bereits vor zwei Jahren eine gnadenlose Duftmarke hinterlassen und damit viele Fans sowie unser Gold erobert. Jetzt lässt Codemasters den skrupellosen Mann der Tat nicht nur auf Xbox 360 und PS3 zum zweiten, sondern auf Wii sogar zum ersten Mal seines Amtes walten - und es geht zurück in die Vergangenheit. Was hat der junge Tyrann in diesem Prequel zu bieten?

Ein Hauch von Nostalgie

Auf, auf, meine feurigen Diener - brennt alles nieder!
Das spielt sich ja fast genau so wie vor ein paar Jahren! Richtig. Aber das sind ja frische Schauplätze! Richtig. Und der Overlord ist ja ein Teenager! Auch richtig. Codemasters geht für die Premiere auf Nintendos Konsole den sicheren Weg des altbewährten Spieldesigns in neuer, exklusiv für Wii entwickelter Umgebung. Das heißt, dass man in der Haut des schwer gepanzerten, aber diesmal wesentlich jüngeren Overlords durch eine Fantasywelt streift, während einem eine Schar devoter Schergen folgt, um alles auf Kommando in Schutt und Asche zu legen.

Ja, nur keine Bange: Auf Wii geht es trotz des frisch geschlüpften Bösewichts genau so deftig, wenn auch deutlich einfacher zur Sache als auf 360 und PS3 - immerhin ist der fiese Berater Gnarl kein Greis von Traurigkeit! Da stehen Kisten, Truhen und reich gedeckte Tafeln im Dorf herum? Plündert sie! Da bewachen miese Halblinge eine Brücke? Auf sie mit Gebrüll! Sehr cool: Auch auf Wii rüsten sich die kleinen bunten Teufel automatisch mit allem aus, was sie finden können - von der Heugabel bis zum Kürbishelm, von der Axt bis zum Kettenhemd. Zwar kann die Story keine epischen Bäume ausreißen, aber immer wieder entlockt die satirische Sicht auf die klassische Fantasy ein Schmunzeln; kein Wunder, zeichnet doch auch hier wie auf dem DS und den anderen Plattformen Rhianna Pratchett für die Dialoge verantwortlich.

Vier mal Böses gewinnt

Die kleinen Diener treten in den bekannten vier Farbvarianten auf: Braune Kämpfer für das Grobe, rote Feuerteufel für die heiße Überraschung aus der Ferne, grüne Assassinen für die schnelle Attacke und blaue Heiler für das Wiederbeleben. Je nach Schergenart sollte man also anders kämpfen und außerdem lassen sich Hindernisse mit den richtigen Untertanen gezielt umgehen bzw. beseitigen. Da versperrt eine Feuerwand den Weg? Die Roten löschen es! Da rauscht ein wilder Fluss und die Brücke fehlt? Die Blauen waten hindurch! Giftige Gase drohen am Waldesrand? Die Grünen halten das aus! Meist geht es im Leveldesign darum, dass eine Vorhut den Weg für die Truppe frei macht - und genau daran gewöhnt man sich auch irgendwann, so dass eine gewisse Routine entsteht.

Tja, durch das Wasser können nur die blauen Schergen waten - also heißt es: Distanzmagie!
Was ist neu für Wii-Meister? Leider nicht viel. Eigentlich nur die Schüttel-Aktionen: Der Overlord kann sich einen Schergen schnappen und ihn mit der Remote zappeln lassen, um ihn entweder für Mana bzw. Lebenskraft zu opfern oder ihn so aufzuladen, dass er zur lebenden Bombe wird, die man in eine beliebige Richtung jagen kann, wo sie nach einem Spurt mit lautem Krachen detoniert. Das ist beim ersten Mal noch witzig, aber auf lange Sicht nicht so effektiv wie man meinen könnte. Je nach Schergenfarbe gibt es allerdings andere Reaktionen von der kurzfristigen Betäubung, der heißen Entzündung, bösen Vergiftung oder - im Falle der Blauen - Rundumheilung bzw. Wiederbelebung.

Im Dienste der Finsternis

Aber langsam mit den Schergen: Zu Beginn hat man als 16-jähriger Jungmeister gerade mal Zugriff auf die gewöhnlichen braunen Diener - und das auch noch in bescheidener Zahl. Das heißt, dass man kräftig wüten und vernichten muss, damit man die golden schimmernden Seelen seiner Opfer gewinnt, die hier nur noch in einer Farbe auftauchen, so dass man sie für alle Schergentypen nutzen kann. Allerdings führt das dazu, dass man sehr schnell einen sehr großen Vorrat an Untertanen hat und quasi niemals wirklich haushalten muss wie auf PC oder den anderen Konsolen.

Auch auf Wii ist das Ziel, Schritt für Schritt eine Fantasywelt zu unterwerfen, die trotz einiger böser Probleme mit der Bildwiederholrate überaus idyllisch wirkt: Prächtige Brücken, liebliche Wälder und schummrige Gemäuer wecken sehr schnell ansehnliche Erkundungsreize. Zwar wirken die Feuereffekte und auch das Wasser etwas schwach und die Weitsicht lässt zu wünschen übrig, aber dafür sorgen Licht, Architektur und das warme Farbspektrum für eine stimmungsvolle Atmosphäre. 

        

Meine Burg, mein Reich

Wer wird denn gleich böse knurren? Viele fiese kreaturen lauern in der Fantasywelt auf ihren Meister.
Als junger Lord startet man im beschaulichen Grüntal, um sich gegen zwei fiese ältere Geschwister durchzusetzen und ein Reich voller dummer Dörfler, fetter Halblinge und fieser Kreaturen von der Schnecke bis zum Steinriesen zu erobern. Zu Beginn hat man gerade mal Zugriff auf das väterliche Schloss Gromgard im äußersten Westen, aber sehr schnell öffnet sich die Karte mit weiteren Abschnitten im Osten. Und mit jeder Eroberung füllt sich auch die Schatzkammer mit Gold, das man in seine eigene Ausrüstung oder in die Kampfkraft der Schergen investieren kann: Wie stark die aktuelle Horde ist, wird immer angezeigt. Sehr schade ist, dass sie auf Wii nie mehr als 25 Mann stark sein kann - warum hat man sich hier so lumpen lassen, wenn schon auf der Xbox ein halbes Hundert marschieren konnte? Aber geschenkt, denn auch so entstehen taktische Kämpfe. Sehr schön ist wiederum, dass erfahrene Schergen auch mit der Zeit kräftiger austeilen, so dass sich Kanonenfuttermentalität theoretisch auf Dauer nicht lohnt - man sollte seine Veteranen pflegen; blöd ist nur, dass man so billig so viele neue Diener bekommen kann.

Nicht nur die Schergen, auch das eigene Zuhause will ausgerüstet werden. Und da lassen sich Artefakte vom Schmiede-Ofen über dekorative Säulen bis zum Kreaturennest horten, die man sich im Laufe des Abenteuers erkämpft und in die eigenen vier Wände transportiert, damit sie die Macht des Overlords um neue Zauber, mehr Gesundheit, Mana oder eine größere Zahl verfügbarer Schergen erweitern. Damit wird das aktive Plündern und Lösen von Aufgaben umgehend belohnt, so dass sich zu Beginn eine motivierende Schraube dreht, die in so manchem Bosskampf ihren Höhepunkt findet. Und natürlich wird auch der sichere Transport der Relikte in das Questdesign integriert, so dass man Wege frei machen und Feinde im Vorfeld besiegen muss, damit die Schergen auch sicher ankommen.

Ansehnlich, idyllisch, aber leider ruckelanfällig: Die Bildwiederholrate geht immer wieder in die Knie.
Das große Problem ist nur: Die Schraube dreht sich viel zu schnell auf Wii, denn kaum hat man ein paar Stunden gespielt, ist der Overlord quasi komplett ausgerüstet und die Schergen stehen quasi schon auf der höchsten Stufe. Während man auf PC, Xbox 360 und PS3 richtig hart für ein Upgrade, sei es Axt oder Schergenlevel, arbeiten muss, geht das hier wie im Fluge. Das ist natürlich ein schleichendes Gift für die Motivation, denn wenn man zu früh übermächtig ist, nimmt man die Erkundung nicht mehr so ernst. Diese Leichtigkeit der Aufrüstung findet auch ihr Gegenstück im allgemeinen Schwierigkeitsgrad, der etwas zu einfach ist - man begegnet viel seltener als auf den anderen Plattformen wirklichen Herausforderungen.

Die bösartige Steuerung

Dafür ist die Steuerung ausgezeichnet: Während man mit dem Analogstick des Nunchuk den Overlord bewegt und über den Z-Knopf kämpfen lässt, laufen alle Kommandos für die Schergen über die Remote: Mit dem A-Knopf lassen sie sich entweder einzeln oder alle zurückrufen, will man sie gezielt an einen Ort bringen, zeigt man einfach hin und drückt B. Aber wie schon auf der Xbox ist die Wahl der Schergen von entscheidender Bedeutung, denn man sollte je nach Situation andere Typen aussenden. Dazu wählt man mit dem Steuerkreuz einfach die braunen, roten, blauen oder grünen Kobolde aus. Über diesen digitalen Druck lassen sich auch acht Zauber vom Blitz über den Schutzschild bis hin zu Lähmungen und Versteinerungen aktivieren - und wenn man mag, darf man den Feind auch in ein Schaf verwandeln. Kein Mana mehr? Die Lebenskraft nimmt ab? Dann opfert man seine suizidfreudigen Diener in einer der Blutgruben.

Auch das Sammeln an bestimmten Punkten wie z.B. der roten Fernkämpfer zwecks Überfall geht genau so akkurat von der Hand wie das wilde Wüten der ganzen Horde, die man quasi über den B-Knopf frei lassen kann, damit sie alles in der nahen Umgebung attackieren. Das Aktivieren von Mechanismen läuft ähnlich: Wenn es irgendwo eine Winde oder einen Hebel gibt, dann deutet man einfach darauf und schickt so viele Schergen wie nötig dorthin, damit das Tor geöffnet wird - blaue Kreissymbole zeigen an, wie groß die Truppe sein muss, damit sich etwas bewegt; rote Kreissymbole geben Auskunft über die Anzahl der Beteiligten sowie die Lebenskraft des Feindes in aktiven Kämpfen.

     

Fazit

Pikmin trifft Goblin Commander? Ja, genau so fühlt sich Overlord auf Wii an. Codemasters hat das zweite Abenteuer der Schergentruppe für Nintendos Konsole als frisches Prequel entwickelt. Und dabei hat man auf den ersten Blick fast alles richtig gemacht: Die Steuerung ist ausgezeichnet, die märchenhafte Kulisse besticht mit idyllischer Farbgebung, der schwarze Humor sorgt für ein Schmunzeln und die taktischen Kämpfe werden von Schalter- und Schiebe-Rätseln aufgelockert. All das kennt man von der goldenen Xbox 360-Premiere des Jahres 2007. Aber auf den zweiten Blick fehlt dem jungen Overlord eindeutig der Biss, der Schliff und der Charakter: Wer nur ein wenig Spielerfahrung hat, der wird viel zu schnell seine Ausrüstung und Truppen ans Limit bringen sowie in den Kämpfen kaum gefordert, zumal der Nachschub hier in die Hunderte geht. Man fegt im Gegensatz zu den anspruchsvolleren PS3-, 360- und PC-Versionen wie ein Irrwisch in acht Stunden durch das Fantasyreich und gähnt zu schnell ob der fehlenden Herausforderungen. Schade ist auch, dass man zwar tolle Soundeffekte anbietet, aber sich die deutsche Sprachausgabe für Wii gespart und bei der Bildwiederholrate so geschlampt hat: Es ruckelt immer wieder böse - und das, obwohl man auf Nintendos Konsole nur maximal 25 Schergen befehligen kann. Und schließlich kann die einzige neue Spielmechanik, das Remote-Schütteln bis zur lebenden Bombe, aus dem exklusiven nicht auch ein kreatives oder gar reicheres Erlebnis machen. Unterm Strich bleibt ein unterhaltsames Abenteuer, das Action, Strategie und Erkundung vor allem für Einsteiger mundgerecht und souverän serviert. Es ist allerdings bedenklich, dass man Wii-Zocker schon im Designansatz so unterschätzt: Das eingangs erwähnte Pikmin ist drei Klassen kniffliger und genial, selbst Goblin Commander hat für Kenner mehr zu bieten.

Pro

sehr gute Steuerung
durchdachtes Leveldesign
taktische Kämpfe & kleine Rätsel
ansehnliche und witzige Spielwelt
Overlord und Schergen aus- & aufrüsten
gutes Speichersystem
neu: Schergen als lebende Bomben
sehr gute Soundeffekte
ausbaufähiges Schloss

Kontra

viel zu leicht für erfahrene Spieler
sehr linare Missionsabläufe
Probleme mit der Bildwiederholrate
nur maximal 25 Schergen steuern
ab und zu Wegfindungsprobleme
lethargische bis dumme Feind-KI
viel zu schnell erreichtes Upgrade-Limit
einziges neues Wii-Element bleibt unspektakulär
Spielprinzip quasi 1:1 von der Xbox

Wertung

Wii

Es ist ansehnlich, es steuert sich präzise, aber der Mix aus Action und Strategie ist zu einfach; hinzu kommen böse Ruckler.

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