Need for Speed: Nitro09.11.2009, Michael Krosta
Need for Speed: Nitro

Im Test:

Nach den meist lieblosen Wii-Umsetzungen der Need for Speed-Titel war die Zeit reif für eine Veränderung: Während PS3-, 360- und PC-Besitzer in diesem Jahr schon mit Shift Gas geben durften, hat man für Wii und DS mit Nitro ein völlig neues Spiel entwickelt, das auf die Leistungen der beiden Nintendo-Systeme zugeschnitten sein soll und den Arcade-Fahrspaß in den Mittelpunkt rückt. Eine clevere Entscheidung?

Arcade in Reinform

Im Gegensatz zu Shift, das mit vielen realen Kursen, massig Einstellungen an den Boliden und einer anspruchsvolleren Fahrphysik mehr in Richtung Simulation vorfahren will, geht man mit Nitro den umgekehrten Weg: Hier stehen unbeschwerte Arcade-Rennen auf der Tagesordnung, in denen man mit wahnsinniger Geschwindigkeit über den Asphalt prescht, lässig um die Kurven driftet und sich wilde Verfolgungsjagden mit den Cops liefert. Das alles funktioniert dank der präzisen Steuerung auch wunderbar - sei es einhändig mit der Remote, im Zusammenspiel mit dem Nunchuk oder mit dem GameCube- bzw. Classic-Controller. Nur die Variante im Plastik-Lenkrad funktioniert beim Lenken nicht ganz so präzise und stellt daher die unattraktivste Möglichkeit dar. Anfängern greift übrigens optional eine Lenkhilfe unter die Arme, die zwar nicht wie bei Forza 3 bis zum völlig entspannten One-Button-Driving führt, aber die Kurvenfahrten zumindest einfacher gestaltet. Gab die Drift-Mechanik bei den Probespielen noch Anlass zur Kritik, haben die Entwickler von EA Montreal diesbezüglich nachgebessert: Fühlte sich das Schlittern damals noch nicht besonders intuitiv an und störte sogar den Flow, kommt mittlerweile echtes Ridge Racer-Feeling auf, wenn man locker-flockig durch die Kurven rutscht! Den Untertitel "Nitro" kommt bei diesem Need for Speed nicht von ungefähr: Alleine durch die Fahrt lädt sich eine Anzeige auf, die in zwei Energie-Kanister aufgeteilt wird. Ein kurzes Schütteln der

VIDEO: Die Karriere entführt Rennfahrer in Städte auf der ganzen Welt!Remote oder ein Knopfdruck reichen, um den spürbaren Boost auszulösen. Ungeduldige dürfen den Nitro sogar schon zünden während sich die Leiste füllt, doch wer taktisch klug fahren und den ultimativen Geschwindigkeitsrausch erleben will, wartet bis beide Kanister gefüllt sind und lässt die bis zu sieben Konkurrenten mit einem Doppel-Turbo hinter sich!

Schadenfreude?!

Problematisch wird es nur, wenn man zu oft die Bande küsst, denn neben einem optischen Schadensmodell wirken sich zu heftige Unfälle auch auf die beiden Nitrokanister sowie die Maximal-Geschwindigkeit aus - die Lenkung ist allerdings nicht betroffen. In Stufe eins wird zunächst die untere Nitroanzeige gesperrt, mit der man den Doppel-Turbo auslösen kann. Rempelt man sich danach noch weiter durch, hat man irgendwann gar keine Möglichkeit mehr, überhaupt einen Nitro zu zünden. Was hilft, sind Reparatur-Icons in Form eines Schraubenschlüssels, mit denen man den fahrbaren Untersatz auf Knopfdruck wieder flott macht. Hängen einem die Cops an der Stoßstange und versuchen dabei nicht ganz so aggressiv abzudrängen, erscheint ein weiteres Icon auf der Bildfläche, das aufgesammelt werden kann. Mit ihm erhält man die Chance, die Gesetzeshüter einfach auf einen automatisch markierten Vordermann zu hetzen - auch eine Art, wie man sich die Spitzenposition sichern kann. Zu sehen, wie ein Konkurrent nach meinem "Hinweis" von den Cops in die Zange genommen wird, während man selbst an ihm vorbei donnert und die Führung übernimmt, ist ein tolles Gefühl...

Es fühlt sich ja schon ein bisschen wie Urlaub an...
Trotzdem hätten es ruhig ein paar mehr Spezial-Icons geben dürfen wie es etwa bei Midnight Club: Los Angeles oder einem Mario Kart der Fall ist. Durch ein optionales Zuschalten hätte man nicht nur den Arcade-Schwerpunkt unterstreichen, sondern für noch mehr Abwechslung und Spielspaß sorgen können - vor allem im Mehrspielermodus.

Vom Ghetto nach Dubai

Insgesamt warten in der Karriere mit Rio de Janeiro, Kairo, Madrid, Singapur und Dubai fünf Städte mit jeweils zwei Pisten. Diese fallen nicht nur abwechslungsreich aus, sondern bieten auch was fürs Auge: Die von Grund auf neu entwickelte Grafikengine läuft nicht nur mit einer durchweg flüssigen Framerate, sondern bietet je nach Schauplatz auch wunderschöne Lichteffekte, die den Spieler teilweise sogar blenden. Daneben ist auch der Comic-Stil der Fahrzeuge ein Hingucker, durch den man aus der Not eine Tugend gemacht hat. So verrieten die Entwickler, dass die Idee zu diesem ungewöhnlichen Look mit den lustigen Verformungen in erster Linie deshalb zustande kam, um Polygone zu sparen. Trotzdem sieht das Ergebnis sehr cool aus - vor allem wenn man die Boliden später mit Karosserieteilen und Felgen optisch aufmotzt. Leider hat man kauf Einfluss auf das Aussehen dieser Upgrades und muss mit den Vorgaben leben - das Autosculpt-System - bekannt aus älteren NfS-Teilen - hätte sich auch hier gut gemacht. Allerdings hat man die Möglichkeit, komfortabel mit der Remote diverse Sticker und Aufkleber anzubringen oder Karosserieteile individuell zu lackieren. Was leider fehlt sind Leistungsupgrades für Motoren, Fahrwerk, Bremsen usw. Auch wenn z.B. der süße VW Käfer irgendwann wie eine Rennmaschine aussieht, hat er also immer noch die vergleichweise magere Power der Serienausstattung. Später wird man allerdings auch in Geschossen wie dem Audi R8 Platz nehmen dürfen, der die ansprechende Auswahl aus etwa 30 Boliden zusammen mit Modellen wie einer Corvette Stingray, einem Hummer, Dodge Charger R/T, Nissan 370 oder dem schnittigen Porsche Cayman komplettiert. Selbst ein alter, kultiger VW Bus ist mit an Bord, der Retro-Charme versprüht und sich vor allem als Einstiegsmodell eignet. Scheinbar ist man vom Stil der Karren bei EA so sehr angetan, dass man die Sicht auf eine Außenperspektive beschränkt. Verständlich, aber trotzdem schade, da mit einer Stoßstangenansicht das Geschwindigkeitsgefühl sicher noch intensiver ausgefallen wäre.     

Volles Rennprogramm

Neben den üblichen Rundrennen müssen auch Ausscheidungs-Events überstanden, Rundenzeiten geknackt sowie Radarfallen mit möglichst hohen Geschwindigkeiten ausgelöst werden. Daneben stehen auch Drift- und Drag-Events zu Auswahl. Während man bei Ersteren möglichst stilvoll durch die Kurven rutschen sollte, ist bei Letzteren vor allem der perfekte Zeitpunkt zum Schalten und eine freie Fahrspur entscheidend für den Sieg. Die Drag-Rennen sind übrigens der einzige Modus, bei dem man manuell schalten kann bzw. muss - in allen übrigen Wettbewerben geht man ausschließlich mit einem Automatik-Getriebe an den Start. Ein lustiges, aber eigentlich unnützes Feature am Rande: Der Führende rast nicht einfach nur an den Gebäuden vorbei, sondern "taggt" sie gleichzeitig auch mit seinem ganz persönlichen Logo, so dass sich die Kulisse immer wieder durch die farbenfrohen Graffitis verändert. Das Ganze passiert völlig automatisch und hat keinen tieferen Sinn, aber witzig ist es irgendwie trotzdem. Schade, dass man nicht auch inhaltlich etwas mit dem Features gemacht hat. So

Leistungs-Upgrades gibt es keine. Doch dafür kann man seine Boliden in der Werkstatt lackieren und an der Optik feilen.
hätten sich z.B. gerade im Mehrspieler-Modus Sektorenrennen angeboten, in denen der jeweils Schnellste einen Sektor "owned" und markiert. Wer am Ende die meisten Bestzeiten aufgestellt und damit die meisten Tags verteilt hätte, wäre der Sieger gewesen. Überhaupt mangelt es der Karriere trotz abwechslungsreicher Events etwas an Tiefe.

Sternesammler

Neben Preisgeldern, die in den Kauf von neuen Fahrzeugen investiert werden können, winken den Fahrern auch bis zu fünf Sterne als Belohnung. Mit einem Sieg allein ist es dabei nur selten getan, denn selbst wenn man ganz oben auf dem Podest steht, bekommt man in der Regel nur maximal drei der fünf möglichen Sterne. Den Rest verdient man sich erst, wenn man auch noch eine vorgegebene Rundenzeit unterbietet und dabei zusätzlich so stylisch durch die Kurven schlittert, bis man eine bestimmte Drift-Punktzahl übertrifft. Erst wenn man genug Sterne beisammen hat, öffnen sich die Pforten zu neuen Events und Städten. In der Karriere werden insgesamt drei Pokale ausgefahren, bei denen sich gleichzeitig auch Wagenklasse und Schwierigkeitsgrad erhöhen. Trotzdem schwanken die Anforderungen schon beim Bronze-Pokal relativ stark: Während man vor allem bei Rund- und Ausscheidungsrennen auch aufgrund der Gummiband-KI gemütlich aufs Podest rast, stellen die Drift- und Zeitrennen z.T. eine große Herausforderung dar. Zudem ist es etwas nervig, dass man bei jedem Pokal die einzelnen Städte erneut freischalten muss. Vorher gilt es allerdings, den Grand Prix zu gewinnen, bei dem man in fünf aufeinander folgenden Rennen Punkte sammeln muss. Die einzelnen Lokal-Matadore, die

Stimmungsvolle Kulissen und ein gelungenes Geschwindigkeitsgefühl zeichnen Nitro aus.
allesamt in lustigen Zwischensequenzen vorgestellt werden, geben ihren Nr.1-Status allerdings erst dann auf, wenn man alle Sterne der jeweiligen Stadt gewonnen hat.

Splitscreen-Duelle

Was vielen modernen Rennspielen fehlt, ist für Nitro Ehrensache: Positionskämpfe im Splitscreen! Bis zu vier Fahrer dürfen sowohl an Einzelrennen als auch in der Karriere mit um den Sieg fahren - selbst die Aufteilung in zwei Teams ist möglich. Leider bleibt es bei lokalen Duellen, denn einen Onlinemodus findet man hier nicht. Auch wäre es schön gewesen, auch mal in die Rolle eines Cops zu schlüpfen und dabei Jagd auf die Verkehrssünder zu machen. So bleibt es aber bei den altbekannten, aber trotzdem spaßigen Standard-Modi, die trotzdem für genügend Abwechslung und Action auf den Pisten sorgen.

     

DS-Version

Und auf dem DS? Hier wurde der Spielablauf leicht umgekrempelt, obwohl hier ebenfalls alles im Zeichen simpler Arcade-Rennen durch die sechs Städte San Diego, Dubai, Rio, Madrid, Singapur und Kairo steht. Im Gegensatz zur Wii-Version sind alle Metropolen schon von Anfang an zugänglich, die Pokale werden allerdings erst nach und nach freigeschaltet. Das gilt auch für die Fahrzeuge, denn Preisgelder

Auf dem DS sind die Cops eher zahm. Barrikaden können außerdem problemlos mit der X-Taste übersprungen werden.
für einen Besuch beim Autohändler gibt es auf dem DS nicht mehr. Einige Modi der Wii-Version wie das Zeitfahren, Drag- oder Drift-Herausforderungen sind ebenfalls nicht mehr vorhanden, doch gibt es dafür die neuen, aber öden Smash-Events, in denen man unter Zeitdruck Objekte durch einfaches Durchfahren zerstören muss. Das Fahrerfeld wurde außerdem von acht auf vier Fahrer gestutzt, während der Gummibandeffekt der KI hier deutlich stärker ausfällt. Ein Absetzen ist trotz fehlerfreien Vorstellungen kaum möglich, doch dafür holt man auch den enormen Zeitverlust bei Unfällen innerhalb weniger Sekunden wieder auf. Zusätzlich hat man die Möglichkeit, sich mit einem Sprung ála Knight Rider vor die Konkurrenz zu setzen, wenn man im richtigen Moment die X-Taste drückt. Mit dem gleichen Trick lassen sich auch die Straßensperren der Cops überwinden, die hier noch lascher auftreten als in der Wii-Fassung. Die Möglichkeit, die Gesetzeshüter auf andere Spieler zu hetzen gibt es hier nicht. Auch Reparaturen fallen aufgrund des nicht vorhandenen Schadenmodells flach. Das Tag-System in Form von Graffitis ist dagegen noch enthalten, doch muss man im Gegensatz zur Wii-Version auch etwas dafür tun: Erst wenn man zwei ringförmige Icons aufsammelt, wird ein Abschnitt mit dem eigenen Muster markiert, das man sogar selbst in einem Editor mit dem Stylus kreieren darf. Die Wagen dürfen ebenfalls mit Aufklebern verschönert werden, doch neue Karosserieteile sucht man hier vergeblich. Insgesamt bekommt man inhaltlich deutlich weniger geboten als bei der Wii-Fassung und auch technisch reicht es für das DS-Nitro mit seiner leicht ruckelanfälligen Grafikengine, einigen Pop-Ups und der z.T. seltsamen Kollisionsabfrage nur für einen Platz im Mittelfeld.     

Fazit

Es war eine gute Entscheidung, Wii und DS einen völlig eigenständigen Ableger der NfS-Serie zu spendieren. Dabei wird ohne blöde Hintergrundgeschichte und Filmschnipsel der reine Arcade-Fahrspaß mit Nitros und Drifts in den Mittelpunkt gerückt. Klar, neben dem optischen Tuning hätten dem Titel auch Leistungs-Upgrades gut gestanden, aber auch so eignet sich Nitro nicht zuletzt aufgrund der sauberen Technik und des lässigen Grafikstils immer wieder für eine Runde zwischendurch - zumindest auf Nintendos Heimkonsole. Auf dem DS sorgen die gekürzten Modi, übertrieben schwankende Gummiband-KI sowie technische Probleme dagegen nur für einen Platz im Mittelfeld. Zudem ist es auf beiden Plattformen bedauerlich, dass man nicht online antreten darf, doch entschädigt dafür ein Splitscreen für bis zu vier Raser auf Wii bzw. die Drahtlos-Verbindungen am DS, mit denen man lokal um den Sieg kämpft. Der schwankende Schwierigkeitsgrad innerhalb der Wii-Karriere sowie vereinzelte KI-Aussetzer, bei denen die Konkurrenten scheinbar zielgerichtet auf ein Hindernis krachen, sind ebenfalls kleine Dämpfer in einem insgesamt gut geschnürten Arcade-Raser-Paket.

Pro

flüssige Darstellung (Wii)
hervorragendes Geschwindigkeitsgefühl (Wii)
sehr gute (Arcade-)Steuerung
abwechslungsreiche Schauplätze
kinderleichtes optisches Tuning (Wii)
diverse Rennmodi
umfangreiche Karriere
cooler Comic-Stil
toller Fuhrpark
zuschaltbare Lenkhilfe (Wii)
so ziemlich jede Controller-Variante wird unterstützt (Wii)
bis zu acht Fahrzeuge auf der Piste (Wii)
Schäden wirken sich auf Nitrospeicher aus (Wii)
Splitscreen für bis zu vier Spieler (Einzelrennen & Karriere) (Wii)

Kontra

kein Leistungstuning mehr
Gummiband-KI (Wii)
extreme Gummiband-KI (DS)
kaum Einfluss auf Karosserie-Upgrades & Felgen (Wii)
vereinzelte KI-Aussetzer (Wii)
schwankender Schwierigkeitsgrad (Wii)
kein Onlinemodus
nur Außenansicht
Slowdowns (DS)
weniger Karriere-Events (DS)
keine Preisgelder / Autoshops (DS)

Wertung

Wii

Flotter Arcade-Racer mit guter Steuerung und ansprechenden Kulissen!

NDS

Die starke Gummiband-KI, weniger Inhalt und technische Schwächen sorgen auf dem DS nur für eine Platzierung im Mittelfeld!

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