Academy of Champions: Fussball04.11.2009, Mathias Oertel
Academy of Champions: Fussball

Im Test:

Reinrassiger Arcade-Sport: Eine beinahe ausgestorbene Gattung der Videospielewelt. Man muss auf Wii schon verdammt lange im Archiv wühlen, bis man bei unterhaltsamem Fußball wie z.B. Mario Strikers Charged landet. Doch vielleicht kann Ubisoft mit Academy of Champions dieses Vakuum füllen? Immerhin hat man namhafte Unterstützung mit an Bord.

Aus den Augen, aus dem Sinn?

Ich kann mich noch gut erinnern: Es war im Mai dieses Jahres, Los Angeles, Convention Center, E3. Am Stand von Ubisoft wurde mir Academy of Champions (AoC) gezeigt, ein Arcade-Kick, den ich bis dahin überhaupt nicht auf dem Radar hatte. Es war Zuneigung auf den ersten Blick. Der Comic-Stil war charmant. Mit der Unterstützung von Balance Board sowie Wii Motion Plus schien man für die kontrolltechnische Zukunft gerüstet zu sein. Die ersten kleinen Auseinandersetzungen auf

Den kennt man doch? Richtig: Dies ist die Comic-Variante von Pelé, dem Leiter der Fußball-Akademie.
dem Platz fühlten sich gut an, wobei die KI noch keine großartigen Reaktionen zeigte und nur das Nötigste tat. Und der Story-Modus, der in der fertigen Version über zehn Stunden unterhalten sollte, hörte sich auch interessant an und wäre zumindest in diesem Bereich etwas Neues.

Wo ist die Faszination?

Mittlerweile ist AoC da, hat sich über einige Abende und Nächte im Wii-Laufwerk eingenistet und dafür gesorgt, dass die Remote-Akkus wiederholt aufgeladen werden mussten. Und dennoch: So ganz überzeugen mag die Fußball-Schule nicht - obwohl Brasiliens Fußball-Legende Edson Arantes do Nascimento, besser bekannt als Pelé, in virtueller Form als Leiter der Akademie alles dafür tut, um zu motivieren.

Es liegt auch nicht am Story-Modus, der einen wahlweise als Junge oder Mädchen an der Kick-Universität durch die Höhen und Tiefen einer Schulkarriere bis zum Abschluss führt. Mit einer Mischung aus Trainings-Minispielen, Matches gegen andere Teams der Akademie, Gesprächen mit den Freunden, der Rekrutierung neuer Spieler sowie dem Aufrüsten der Eigenschaften sowohl der eigenen Figur als auch der anderen Team-Mitglieder wird ein sehr rundes Paket geschnürt. Zumal man an manchen Punkten auch zwischen alternativen Möglichkeiten wie z.B. der Selektion des Trainings wählen kann oder ob man beispielsweise das Risiko eingeht und gegen eine scheinbar übermächtige Mannschaft antritt, beim Sieg dafür aber auch mehr Erfahrung kassiert. Es fühlt sich beinahe an wie ein Fußball-Rollenspiel light.

Die Qualität der Text-Dialoge, bei denen man von Zeit zu Zeit auch mehrere Antwortmöglichkeiten hat, ist eher seicht, aber zumindest nicht übertrieben kitschig - eher sympatisch und kindgerecht.

Das Gebrabbel, das wiederum die "Sprachausgabe" darstellen soll, klingt als ob die Besucher der Fußball-Akademie nicht nur die Rabbids (ja, genau die "DWAAAAAAAAAAAAAH"-Häschen!) im Store besucht, sondern sie auch gleich verschluckt hätten.

Auch die Visualisierung im Comic-Stil, bei dem vor allem die sich mit jedem geschossenen Tor verändernden Fußballplätze beim ersten Mal für kleine "Aahs" und "Oohs" sorgen, trägt dazu bei, dass man richtig Lust auf die Kicks um Ehre und Schulnoten bekommt.

Was zählt, ist auf dem Platz

Doch das Problem, das AoC am meisten zu schaffen macht, liegt auch nicht im Bereich der Kulisse oder des Inhaltes, sondern ist viel elementarer: Die Spielbarkeit. Dass ein Arcade-Kick, der naturgemäß mit einer deutlich einfacheren und zugängigeren Steuerung versehen ist, weder taktischen Tiefgang noch umfangreiche Kontrolloptionen braucht, hat seinerzeit nicht nur Sega Soccer Slam eindrucksvoll bewiesen. Auch Nintendos schnauzbärtiger Superklempner konnte mit seinem Fußballabstecher Mario Strikers Charged auf Wii für rundum gelungene Unterhaltung sorgen (4P-Wertung 82%).

Der Comic-Stil ist charmant, die Ubi-Stargäste sind gern gesehen, der Storymodus sorgt für gute Unterhaltung, doch im Spiel auf dem Platz kommt es immer wieder zu Problemen.
Und es gibt auch in AoC immer wieder spaßige Momente, in denen der Ball mit A gut zwischen den insgesamt fünf Teammitgliedern gepasst wird, man mit B knackige Schüsse und gelegentlich sogar Direktabnahmen aufs Tor feuert oder in der Verteidigung ebenfalls mit A eine Grätsche ansetzt.

Mit gelungenen Aktionen wird eine "Spezialleiste" aufgefüllt, die eine Spezialbewegung ermöglicht. Doch Vorsicht: Wenn man z.B. in der Verteidigung sprintet oder man versucht, per Z-Knopf am Nunchuk einer Grätsche durch eine akrobatische Aktion auszuweichen, wird die Energie dafür aus dieser Leiste gezogen, womit den auf den ersten Blick übermächtig scheinenden Spezialbewegungen der Zahn gezogen und ein gutes Balancing garantiert wird.

Da eine klassische Spielfeld-Übersicht fehlt und der Kamerafokus auf dem Ball bzw. dem aktiven Spieler liegt, muss man sich anfänglich allerdings etwas eingewöhnen. Gewöhnungsbedürftig ist auch die Schussmechanik bzw. das Zielen: Die Zielscheibe, die in etwa markiert, wo der Ball im Tor einschlagen soll, wird auch über den Stick gesteuert, der für die Bewegung der Figur verantwortlich ist, so dass man mitunter einen wilden Tanz vor dem Tor vollführt, bevor man den gezielten Abschluss sucht. Das wirkt auf Dauer etwas ungeschickt, zumal man ja durchaus die Möglichkeit hätte, mit der Remote als Zeigefunktion das Ziel unabhängig von der eigenen Bewegung zu wählen.

   

Auf den ersten Blick sind die sorgsam in die Spielmechanik eingebetteten Mini-Spielchen wie beim Kopfball (wer kann die Leiste durch A-Hämmern am schnellsten füllen?) und beim Zweikampf (wer drückt die Richtungstaste am schnellsten?) durchaus interessant. Doch nicht nur, dass sie beim x-ten Mal ihre Faszination verlieren, auch spielerisch sorgt vor allem der Zweikampf auf Dauer für eine empfindliche Unterbrechung - der Spielfluss wird immer wieder gestört. Vor allem gegen einen menschlichen Gegner kann das Hin und Her zu viel Zeit in Anspruch nehmen, bevor eine Entscheidung erzwungen ist und man wieder in das "normale" Spiel zurückkehrt.

Das Problem mit dem Team

Doch selbst dieses Manko verblasst neben dem größten Problem: Nein, ich meine nicht die leider etwas eingeschränkte Dribbelmechanik, die bei einem Arcade-Kick für das ganz besondere Flair hätte sorgen können, das von den

Die herrlich blöden Rabbids treiben sich nicht nur auf dem Spielfeld herum, sondern leiten auch den Shop der Akademie.
Ausweichversuchen bei Grätschen nur im Ansatz gebildet wird. Dies kann ich schweren Herzens verschmerzen.

Aber wenn die KI sowohl der Gegner als auch der eigenen Mitspieler sich immer wieder als Spaßbremse erweist, ist dies bedenklich.

Ein Beispiel: Nach einem geglückten Doppelpass in der Abwehr -dank der Pfeile, die um die gerade gesteuerte Figur herum sind, kann man sehen, wo sich die Mitspieler befinden- mache ich mich auf den Weg Richtung gegnerischen Strafraum. Immer die Linie lang. Dabei weiche ich der einen oder anderen Grätsche aus und schließlich bin ich an meinem Ziel, zwischen  Strafraumeck und Torlinie, angekommen. Ich möchte einen Pass in die Mitte oder den Rücken der Abwehr spielen, doch wo sind meine Mitspieler? Die trotten gemächlich in Position oder bleiben im schlimmsten Fall im Windschatten eines Verteidigers und sind somit natürlich nicht anspielbar.

Andersherum kann es natürlich auch passieren: Der Gegner greift an und mein Team ist mit allem beschäftigt, außer natürlich Raumdeckung oder überhaupt dem Bedürfnis, irgendwie an den Ball zu gelangen.

Und natürlich sind diese Aussetzer nicht die Regel. Denn es gibt auch zahlreiche Momente, in denen mein Pass in die Mitte das Ziel findet und die Kugel am zumeist gut agierenden und clever die Winkel verkürzenden Keeper vorbei ins Netz gedroschen wird.

Doch so selten, dass man nachsichtig von der Regel bestätigenden Ausnahme sprechen könnte, lassen sich die KI-Mankos auch nicht blicken.

Und ob nun Zufall oder grausamer Wink des Schicksals dafür verantwortlich sind: Nachdem man ein paar vernünftige Spielzüge sowohl vom eigenen Team als auch dem Gegner zu Gesicht bekommen hat, kann man sicher sein, dass bald wieder ein KI-Problem auf einen zuwankt und den Spielfluss mit einer beinahe rotwürdigen Grätsche weg senst.

Und dass, obwohl die Spezialbewegungen immer wieder für ansehnliche Auflockerung sorgen, sei es nun das Powertackling, bei dem der Verteidiger wie ein geölter Blitz über den Platz huscht, bis er bei seinem Opfer angekommen ist und brachial den Ball stiebitzt oder auch der mächtige Schuss, der durch Remote-Schütteln aufgeladen werden kann.

Steuerungsoptionen

Um die Fußball-Akademie einem größtmöglichen Publikum schmackhaft zu machen, gibt es nicht nur die Wahl zwischen "umfangreicher" (Remote und Nunchuk) sowie "einfacher" (Remote solo und quergelegt) Steuerung, wobei die ausgefeiltere Variante vorzuziehen ist. Alternativ holt man auch noch diejenigen ins Boot, die mit den neuesten Varianten von Kontrollgeräten, namentlich Wii Motion Plus oder Balance Board ausgerüstet sind.

Der Vorteil bei Motion Plus-Einsatz liegt auf bzw. in der Hand: Über Heben und Senken der Remote kann man mit A und B hohe oder flache Pässe spielen bzw. Schüsse abfeuern. Auf den ersten Blick komfortabel, doch da man auch weitestgehend

Der Spielfluss wird nicht nur durch das mitunter zu lange Zweikampf-Minispiel unterbrochen, sondern vor allem durch die KI-Probleme wie z.B. nicht mit laufenden Team-Kameraden.
unproblematisch ohne Motion Plus diese Möglichkeiten wahrnehmen kann, beim Pass z.B. durch längeres Drücken von A, wirkt die Motion Plus-Kontrolle etwas aufgestülpt. Wie übrigens auch die Balance Board-Unterstützung, die beim Jonglieren mit dem Ball in einem Minispiel eingesetzt wird. Sie funktioniert richtig gut, aber nur für dieses eine Spielchen das Board aufbauen, ist mir persönlich zu aufwändig, führt für meinen Geschmack auch zu weit weg vom Spiel und zeigt, wie zerrissen die Academy of Champions inhaltlich ist: Von allem etwas, doch mit Ausnahme der Story nichts wirklich richtig.

Da ist es nur ein schwacher Trost, dass man vor allem in Hinblick auf die durchaus unterhaltsamen Zwei-Spieler-Duelle zahlreiche Teams freischalten kann und viele Ubi-Stars einen kickenden Gastauftritt haben, so z.B. Sam Fisher, Altair, die Rabbids oder der persische Prinz.

Denn im Gegenzug vermisst man einen Online-Modus, den Mario Strikers Charged bereits vor gut zweieinhalb Jahren bot und der neben dem dynamischen Kampf um das runde Leder für den Erfolg verantwortlich war, den der Klempner auch auf dem Fußballplatz feiern konnte. 

Fazit

Auf den ersten Blick ist alles idyllisch: Die Comic-Kulisse entfacht schnell ihren Charme und mit dem umfangreichen Story-Modus samt Entscheidungen sowie seichten Rollenspiel-Elementen wird ein erfrischendes neues Element im Arcade-Fußball geboten. Doch sobald es auf den Platz geht, beginnen die Probleme, von denen auch die zahlreichen Mini-Spiele sowie die gut aufeinander abgestimmten Spezialfähigkeiten nicht ablenken können. Denn obwohl man dank der eingängigen Steuerung zügig in einen Spielfluss kommt, wird man immer wieder aus dem Action-Kick herausgerissen. Zum einen durch gut gemeinte, aber letztlich unglückliche Designentscheidungen wie das mitunter Zeit raubende Minispiel bei der Balleroberung. Zum anderen durch herbe KI-Probleme, wenn man wieder einmal verzweifelt eine Anspielstation oder einen Verteidiger sucht, der dem Gegner den Ball abnehmen könnte. Leichte Steuerungsdefizite in allen Varianten sowie die aufgestülpt wirkende Motion Plus- und Balance Board-Unterstützung hinterlassen den Eindruck, dass man es irgendwie allen recht machen wollte, aber mitunter den Spielspaß aus den Augen verloren hat. Der stellt sich allen Widrigkeiten zum Trotz dennoch immer wieder ein (vor allem im Zwei-Spieler-Duell) und zeigt damit, dass man konzeptionell sowie visuell mit der Fußball-Akademie auf dem richtigen Weg war. Doch um in Gefilde eines Super Mario Strikers oder Sega Soccer Slam vorrücken zu können, bedarf es mehr als nur guter Ansätze.

Pro

eingängige Spielmechanik
umfangreicher Story-Modus
ausgewogene Spezialfähigkeiten
schicke Comic-Kulisse
zu zweit unterhaltsam         

Kontra

teils herbe KI-Probleme
"Zweikampf"-Minispiel unterbricht Spielfluss
zu wenige Dribbelmöglichkeiten
schwache Soundkulisse
Zielen und Bewegung nicht getrennt voneinander
keine Online-Matches

Wertung

Wii

Charmante Comic-Grafik und ein interessanter Story-Modus kämpfen vergeblich gegen spielmechanische Probleme und herbe KI-Mankos.

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