Shiren the Wanderer06.05.2010, Jens Bischoff
Shiren the Wanderer

Im Test:

Während Japaner auf dem DS bereits das vierte Shiren-Abenteuer erleben, hofft man hierzulande nach wie vor auf eine Veröffentlichung des vor Kurzem in den USA erschienenen dritten Teils auf Wii. Bisher hatte es aber lediglich das SNES-Remake für den DS bis nach Europa geschafft. Ob es dabei bleibt, ist ungewiss. Wir wollten jedenfalls nicht länger warten und haben zum amerikanischen Wii-Wanderer gegriffen. Hat sich der Import gelohnt?

Einstieg leicht gemacht?

1980 wurde mit dem PC-Spiel Rogue ein gleichnamiges Genre aus der Taufe gehoben, das mit Titeln wie Pokémon Mystery Dungeon , Chocobo's Dungeon  oder eben Shiren auch heute noch gepflegt wird. Die Shiren-Reihe zählte seither zu den eher traditionelleren und damit besonders gnadenlosen Vertretern. Mit dem Wii-Debüt der Serie will man aber wohl erstmals auch Neulinge und weniger frustresistente Spieler ansprechen.

Video: Die Besonderheiten von Shirens Wii-Debüt werden von den Entwicklern persönlich vorgestellt.Jedenfalls fällt schnell auf, dass man im Todesfall nicht mehr auf Level eins zurück gesetzt wird, sondern auf der Charakterstufe weiter spielen kann, die man vor Betreten des letzten Dungeons inne hatte. Inventar und Ausrüstung gehen auf normalem Schwierigkeitsgrad zwar nach wie vor komplett flöten, wenn man stirbt. Aber auch hier gibt es eine einstiegsfreundliche Alternative: Den neuen Easy-Modus, der nach dem Ableben die Reaktivierung eines zuvor gespeicherten Spielstands und damit die Rettung des zu diesem Zeitpunkt besessenen Hab und Guts erlaubt ohne das Spiel anderweitig leichter zu machen.

Das Sichern des Spielstands ist allerdings nach wie vor nur außerhalb der zufällig generierten Dungeons möglich, so dass man teils trotzdem starke Nerven haben muss, wenn man nach stundenlangem Erkunden der bis zu 99 Stockwerke tiefen Dungeons plötzlich in einen Hinterhalt gerät, sich sauer verdiente Fortschritte in Luft auflösen man und seine aktuelle Expedition nochmals ganz von vorn beginnen muss. Im Vergleich zu früheren Episoden, wo man wirklich sämtliche Errungenschaften seit Spielbeginn einbüßte, ist das jedoch schon ein enormer Rückhalt. Genreneulinge dürfte das Grundprinzip aber trotzdem frühzeitig abschrecken und selbst Veteranen werden einige Flüche ablassen, wenn sie trotz aller Vorsicht durch eine fiese Attacke plötzlich eine über lange Zeit mühsam hoch gezüchtete Superwaffe oder ein extrem seltenes Amulett unwiederbringlich verlieren.

Bröckelnde Fassade

Auf der anderen Seite gibt es aber sicher auch einige Hardcore-Fans, denen das neue Shiren aufgrund seiner Lockerungen weniger zusagen wird. Doch egal, ob man es zu milde oder zu unbarmherzig empfindet, es ist definitiv kein Spiel für Jedermann: Die Grafik wirkt sehr altbacken, die Menüführung ist teils unnötig umständlich und die Story ist auch nicht gerade ein Highlight: Shiren erhält von seinem Onkel und einstigen Lehrmeister Sensei den Schlüssel zu einem mysteriösen Anwesen, das unsägliche Reichtümer beheimaten soll.

Bei Grafik, Präsentation und Story muss man Abstriche machen, das aufgelockerte, aber immer noch sehr restriktive Speichersystem erst einmal verdauen. Danach erwartet einen aber ein ungemein spannender und motivierender Dungeon-Marathon alter Schule.
Doch niemand weiß, wo sich das Anwesen befindet, das seit tausend Jahren wie vom Erdboden verschluckt scheint. Im Dorf Otsutsuki finden die beiden erste Anhaltspunkte, geraten einer Räuberbande in die Quere, die ebenfalls nach dem Anwesen sucht, erfahren von einer Prophezeiung, stehen plötzlich uralten Wächtern gegenüber, reisen durch die Zeit und müssen eine Bedrohung abwenden, die unmittelbar mit Shirens Vergangenheit verbunden scheint.

Zwar gibt es ein paar interessante Szenen, Wendungen und Überraschungen. Aber insgesamt bleiben Story und Charaktere eher blass. Shiren selbst bleibt die ganze Zeit über stumm und austauschbar. Ganz im Gegensatz zu seinem forschen Wiesel-Begleiter Koppa und seinen Weggefährten Sensei und Asuka, die ihm anders als Koppa auch in den monsterverseuchten Labyrinthen tatkräftig zur Seite stehen. Auf Sprachausgabe wurde allerdings gänzlich verzichtet; selbst die kurzen, seltenen Rendersequenzen kommen völlig lautlos daher. Die Soundeffekte klingen antiquiert, die musikalische Untermalung weiß jedoch zu gefallen, auch wenn die stete Wiederholung der sowohl von europäischer Klassik als auch fernöstlichen Klängen geprägten Kompositionen gerade in besonders tiefen Verliesen gewisse Abnutzungserscheinungen mit sich bringt.        

Teambasierte Rundentaktik

Die Erkundung der mehrstöckigen Dungeons erfolgt in klassischer Rundenmanier: 

Wer in den zufallsgenerierten Dungeons überleben will, muss auf Stellungsspiel, Waffenwahl und Teamarbeit achten.
Sobald sich die Party in Bewegung setzt oder eine Aktion ausführt, machen auch sämtliche Gegner der aktuellen Ebene einen Zug - ob man sie nun sieht oder nicht. Hält man inne, verharren auch sämtliche Widersacher an Ort und Stelle. Generell dirigiert man nur eine der bis zu drei Spielfiguren direkt, während die anderen nach festlegbaren KI-Mustern agieren. Allerdings kann man nicht nur jederzeit zwischen den einzelnen Partymitgliedern wechseln, sondern auch auf Knopfdruck die Kontrolle über alle Gefährten übernehmen.

In der Regel ist das aber viel zu mühsam und zeitaufwändig, so dass man diese Option eigentlich nur in brenzligen Situationen oder bei Bosskämpfen wahrnimmt und seine Mitstreiter sonst autonom agieren lässt. Dazu kann man ihnen nicht nur bestimmte Verhaltensregeln und Item-Prioritäten zuweisen, sondern auch die Verwendung bestimmter Objekte generell erlauben oder versagen. Manchmal treffen die Gefolgsleute zwar trotzdem seltsame Entscheidungen, aber unterm Strich kann man ihnen eigentlich vertrauen und muss nur selten Babysitter spielen. Immerhin meiden sie bereits entdeckte Fallen, greifen je nach Position zu geeigneten Waffen und sammeln eigenständig Beutestücke zu ihren Füßen ein.

Geschicktes Stellungsspiel

Das Kampfsystem ist im Grund recht simpel: Man greift entweder mit der aktuell ausgerüsteten Nahkampfwaffe an, feuert bei freier Schusslinie einen Pfeil ab, wirft, wenn sich ein Hindernis oder Verbündeter im Weg befindet, in hohem Bogen einen Stein, wirkt via ausgerüsteter Schriftrollen einen Zauber oder setzt einen Gegenstand ein. Neben verschiedenen Kräutern und anderen einmalig verwendbaren Gebrauchsgegenständen, kann man auch mit Spezialaktionen aufgeladene Stäbe benutzen, die den Gegner zurückdrängen, ihn verwandeln oder mit ihm die Plätze tauschen lassen. Taktisches Stellungsspiel stellt jedenfalls eine zentrale Rolle im Kampf dar. Man drängt Gegner in entdeckte Fallen, nimmt sie durch einen geschickten Platztausch in die Zange oder hält sie durch Verlangsamungen und gezielte Rückstöße auf Distanz.

Die meiste Zeit trifft man lediglich auf einzelne Widersacher oder kleine Gegnergruppen. Manchmal kommt es aber auch vor, dass man in ein so genanntes Monsterhaus stolpert, in dem man auf engstem Raum einem ganzen Dutzend Angreifern gegenüber steht und um sein Leben bangen muss.

Im letzten Stockwerk wartet meist ein spannender Bosskampf. Wer hier versagt, muss den ganzen Weg dorthin erneut auf sich nehmen.
Hat man die tiefste Stufe eines Dungeons erreicht, steht in der Regel ein spannender Bosskampf an, den man tunlichst nicht verlieren sollte, da man sonst das komplette Verlies erneut bestreiten muss, was bei manchen Showdowns, deren Ziel nicht gleich ersichtlich ist, ganz schön an den Nerven zehren kann - vor allem, wenn man auf normalem Schwierigkeitsgrad spielt und vor dem nächsten Anlauf erst wieder adäquate Ausrüstung in bereits gemeisterten Labyrinthen zusammenraffen muss. Zwar gibt es auch Geschäfte, aber die führen jeweils nur ein sehr überschaubares und willkürliches Sortiment.

Alternativ kann man auch im so genannten Portal-Dungeon auf Beutejagd gehen, dem im Lauf des Spiels immer mehr Stockwerke hinzugefügt werden und der mit besonders seltenen Kleinoden aufwartet. Allerdings darf man diesen nur allein betreten und wird jedes Mal temporär auf Stufe eins zurückgesetzt, so dass man hier zumindest nach dem Verlust seiner Ausrüstung kein leichtes Leben hat. Immerhin gibt es abseits der Dungeons eine Depot-Funktion über die man Notreserven an Waffen, Gebrauchsgegenständen und Gold anlegen kann, die auch im Todesfall nicht verlustig gehen. Andererseits ist es aber trotz lauernder Diebe und Todesrisiko auch keine schlechte Idee mit prall gefüllter Geldbörse in den Kampf zu ziehen, da man in den Verliesen gelegentlich auf fahrende Händler trifft, die besonders interessante Waren feil bieten. Zwar kann man die Händler auch versuchen zu prellen, aber die Gegner die man dadurch auf den Plan ruft, sind kein Zuckerschlecken...    

Wenn der Magen knurrt...

Zudem muss man nicht nur ein Auge auf Ausrüstung und Portokasse werfen, sondern auch den Appetit seiner Helden berücksichtigen. Da es sich mit leerem Magen schlecht kämpft, ist genügend Reiseproviant ein absolutes Muss, auch wenn das verfügbare Inventar äußerst knapp bemessen ist und meist schon zu einem Drittel von getragener Ausrüstung belegt wird.

Um nicht in auswegslose Situationen zu geraten muss man nicht nur genügend Heilkräuter, sondern auch Reiseproviant im Party-Rucksack unterbringen.
Allerdings gibt es die Möglichkeit verschiedene Töpfe mitzuführen, die man mit diversen Objekten füllen und somit Platz sparen kann. Will man an deren Inhalt ran, muss man sie aber zerstören, wodurch der zusätzliche Stauraum natürlich umgehend wieder weg fällt. Dafür sind die gelagerten Objekte gegen negative Einflüsse wie Flüche oder Verbrennungen geschützt. Obendrein gibt es sogar Spezialtöpfe mit denen sich Gegenstände verwandeln oder fusionieren lassen. Andere Töpfe kann man sogar vorübergehend als Versteck benutzen, um den Augen besonders unliebsamer Gegner zu entgehen oder sie selbst in ein Tonversteck zwingen.

Wichtig ist auch das Galvanisieren von Klingen und Schilden via entsprechender Schriftrollen, damit diese durch Wasserangriffe von Gegnern keinen Rost ansetzen und an Schlagkraft verlieren. Andere Schriftrollen können Ausrüstungsgegenstände sogar dauerhaft verstärken. Man kann sich auch je nach Charakter mit Einhandschwert und Schild, wuchtigem Zweihänder oder zwei Klingen gleichzeitig ausrüsten, seinen Waffen spezielle Boni einschmieden oder sie in einem kleinen Minispiel verstärken: Dazu muss man sie einem Drachenschrein opfern und diesen dann eine gewisse Zeit lang mit Barrieren und Waffengewalt gegen Eindringlinge verteidigen.

Anspornende Entdeckungsreise

Es gibt jedenfalls viele motivierende und lohnende Aufgaben, die man erfüllen kann. Dazu gehören auch optionale Nebenquests und herausfordernde Bonusdungeons, mit denen man sich selbst nach dem letzten Storygefecht noch eine ganze Weile beschäftigen kann. Für besonders engagierte Jäger und Sammler gibt es sogar eine Reihe spielinterner Erfolge, die für spezielle Leistungen vergeben werden - darunter sogar ein paar besondere Arten zu sterben. Am Umfang gibt es jedenfalls nichts zu mäkeln. Praktisch ist auch, dass man Shiren sowohl mit Remote und Nunchuk, lediglich mit Fernbedienung als auch mit Classic Controller spielen kann, wobei die Steuerung bis auf die mitunter etwas umständliche Menüführung z. B. beim Lagern und Verkaufen von Gegenständen angenehm handlich ist.

Wie tief ein Dungeon ist und wann ein Bossfight ansteht, wird leider nie verraten. Böse Überraschungen, auf die man nur selten vorbereitet ist, sind die Regel.
Es gibt sogar eine Fixierfunktion, um diagonale Bewegungen nicht zu verpatzen, temporäre Quicksaves für besonders zeitintensive Dungeons sowie eine praktische Automap, die jeden Schritt und jede Entdeckung mitzeichnet.

Für Abwechslung in den leider recht trist und altbacken wirkenden Dungeons sorgen neben Kämpfen, Schätzen und Fallen auch spezielle Bereiche, in denen bestimmte Aktionen tabu sind sowie generelle Handicaps wie festgelegte Charakterstufen und Partygrößen sowie Gold- und Itemverbote fürs Marschgepäck. Weniger erfreulich ist hingegen das Fehlen von Breitbild- und Progressive Scan-Unterstützung. Hilfreich wäre auch eine Anzeige der einem im nächsten Dungeon bevorstehenden Stockwerke gewesen, um das Inventar effektiver schnüren zu können und zu wissen, welches die letzte Etage ist, in der man seine Töpfe für den womöglich anstehenden Bosskampf plündern sollte, der einem stets ohne jede Vorwarnung vorgesetzt wird. Für Neulinge wäre vielleicht auch noch eine nicht nur an entsprechende Schriftrollen gebundene und auch während eines aussichtslosen Bosskampfs mögliche Rückkehrfunktion wünschenswert gewesen. Aber so leicht wollten einem die Entwickler den Einstieg in die Serie wohl doch nicht machen.     

Fazit

Fans der Shiren-Reihe oder des Rogue -Genres im Allgemeinen werden auch auf Nintendos Wii ordentlich unterhalten. Dank des zweigleisigen Schwierigkeitsgrades, der einem den kompletten Verlust aller Habseligkeiten im Todesfall freistellt, bekommen sogar Neulinge eine relativ humane Einstiegsmöglichkeit. Gnadenlose Rücksetzungen der Charaktere auf Stufe eins gehören sogar gänzlich der Vergangenheit an. Nichtsdestotrotz liegen auch im dritten Shiren-Abenteuer Frust und Faszination sehr nah beieinander: Wer nach stundenlangem Kämpfen und Erkunden in den zufallsgenerierten, teils fast hundert Stockwerke tiefen Dungeons ohne jede Speichermöglichkeit plötzlich durch eine fiese Falle das Zeitliche segnet oder seiner mühsam aufgemotzten Superwaffe beraubt wird, braucht schon gute Nerven bzw. eine leicht masochistische Ader, um nicht wutentbrannt die Flinte ins Korn zu werfen. Spannung und Nervenkitzel kommen jedenfalls nicht zu kurz, auch wenn Story und Charaktere ziemlich blass bleiben, Präsentation und Leveldesign reichlich altbacken wirken. Doch es ist einfach ungemein motivierend sein Heldentrio in die tiefsten Ebenen der unterschiedlichen Labyrinthe vordringen zu lassen, seltene Gegenstände zu bergen, an seiner Ausrüstung zu feilen und auch den härtesten Gegner irgendwann in die Knie zu zwingen. Sicher kein Unterfangen, das ausschließlich Freude bereitet, aber jeder noch so kleine Sieg ist dafür umso süßer.

Pro

stattlicher Umfang
einfache Handhabung
aufrüstbare & fusionierbare Ausrüstung
anpassbare KI-Muster & Charakterwechsel
spannende Rundentaktik & Dungeon-Erkundung

Kontra

mäßige Story
antiquierte Optik
hoher Frustfaktor
altbackene Zufallslevels

Wertung

Wii

Motivierender Dungeon-Marathon alter Schule, der totz gelockerter Bestrafungen im Todesfall viel Geduld und starke Nerven voraussetzt.

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