Im Test:
Das Schwert der Götter
Es war ein Duell ohne Sieger, das die Götter Bionis und Mechonis in grauer Vorzeit ausfochten. Am Ende fielen beide völlig erschöpft in eine andauernde Starre und auf ihren gigantischen Körpern entstand neues Leben. Heute ist Bionis Heimat verschiedener Völker und Kulturen, die in Kolonien auf seinen zerklüfteten Beinen, in den Rücken bedeckenden Wäldern oder über seinem Haupt schwebenden Luftschlössern residieren. Allerdings wird der Frieden immer wieder durch Übergriffe roboterartiger Wesen aus Mechonis gestört.
Nur mithilfe der einst von Bionis geführten Monado-Klinge gelang es dem Ansturm der Mechon genannten Invasoren bisher standzuhalten. Das Führen der Waffe hat allerdings starke Nebenwirkungen, die seinen aktuellen Besitzer mittlerweile ans Krankenbett gefesselt haben. Das wollen die neu formierten Mechon-Streitkräfte natürlich ausnutzen und blasen zum Großangriff auf dessen Heimatregion. Die konventionelle Abwehr der Kolonien zerbricht und binnen kürzester Zeit kämpft jeder nur noch ums nackte Überleben.
Angesichts der ausweglosen Situation sieht sich der junge Forscher Shulk dazu gezwungen, selbst zur Monado-Klinge zu greifen, die ihn nicht nur als neuen Besitzer zu akzeptieren scheint, sondern ihn auch tragische Ereignisse aus der Zukunft sehen lässt, die sich durch sein Eingreifen noch abwenden lassen. Doch im entscheidenden Moment kommt er zu spät und kann nur noch zusehen wie das prophezeite Schicksal seinen gnadenlosen Lauf nimmt...
Der Beginn einer Odyssee
Mit der mächtigen Monado-Klinge kann Shulk in die Zukunft blicken und den Lauf der Geschichte ändern. |
Man trifft auf alte Bekannte, die unerwartet zur Hilfe eilen, Flüchtlinge anderer Kolonien, die ebenfalls noch eine Rechnung mit den Mechon offen haben, kleinwüchsige Waldbewohner, welche die entlegensten Winkel der riesigen Spielwelt bereisen oder zurückgezogen lebende Adlige mit festgefahrenen Traditionen. Nicht überall wird Shulk mit offenen Armen empfangen, hier und da gilt es auch Überzeugungsarbeit zu leisten, sich in Geduld zu üben und Konflikte zu lösen, bevor man seinen Weg fortsetzen und mit weiterer Verstärkung in die Schlacht ziehen kann.
Umwerfendes Trio
In den in Echtzeit ablaufenden Kämpfen kontrolliert man stets nur den aktuellen Anführer. |
Auch Gegner können mit entsprechenden Attacken ins Straucheln gebracht, anschließend umgestoßen und sogar kurzzeitig in Ohnmacht versetzt werden. In dieser Zeit ist das Opfer nicht nur wehrlos, sondern erleidet auch mit jedem Schlag kritischen Schaden. Die Auseinandersetzungen laufen dabei stets in Echtzeit ab, wobei Standardattacken ähnlich wie in Online-Rollenspielen automatisch ausgeführt werden, während man selbst mit unterschiedlichen Reaktivierungszeiten belegte Spezialtechniken auslöst und auflockernde Reaktionstests bestreitet.
Bis zu acht solcher Techniken lassen sich auf charakterspezifischen Skillpaletten anordnen und durch spezielle Erfahrungspunkte nach persönlichen Vorlieben aufwerten. Lediglich Shulk verfügt dank des Monado-Schwerts über eine zweite, erst nach Aufladung verfügbare Skillpalette, deren Belegung aber fest vorgegeben ist. Seine Gefährten beherrschen dafür jeweils eine individuelle, ebenfalls aufladbare Sonderaktion, die es ihnen z. B. erlaubt Magieattacken aus beschworenen Elementarkräfte zu entfesseln, Kombos vom Stapel zu lassen oder Gegner zu bestehlen.
Klein, aber fein
Bei Teamangriffen kann man auch die Aktionen der KI-Partner bestimmen. |
Lobt man seine Gefährten für erfolgreiche Aktionen oder spricht man ihnen bei Patzern Mut zu, steigen Moral und Treffsicherheit, während harmonisches Kämpfen Spezialaktionen wie Wiederbelebungen und verheerende Teamangriffe erlaubt. Einsetzbare Gegenstände gibt es keine. Dafür lernt Shulk seine Zukunftsvisionen auch im Kampf zu nutzen, wodurch sein Team besonders verheerende Gegentreffer vorhersehen und rechtzeitig Gegenmaßnahmen ergreifen kann. Neben dem Wirken von Schutztechniken, kann auch das Verlagern der Wut auf einen widerstandfähigeren oder den Angriff anderweitig abfangenden Charakter mithilfe provozierender Techniken über Leben und Tod entscheiden. Auch Fluchtversuche sind abgesehen von storybezogenen Kämpfen jederzeit möglich.
Viel zu tun
Von Einheimischen kann man entsprechend seines Rufs immer neue Aufträge erhalten. |
Wer gerade keine Lust hat, der Story zu folgen, von Geldsorgen geplagt wird oder nach besserer Ausrüstung strebt, kann in besiedelten Gebieten jederzeit auf Auftragssuche gehen, nach seltenen Gegnern Ausschau halten oder sich um spontane Hilfsgesuche unterwegs kümmern. Das Questangebot ist jedenfalls riesig, lockt mit lukrativen Belohnungen und reicht von simplen Such- und Sammeldiensten über kampflose Botengänge und Informationsbeschaffungen bis hin zu Rettungs- und Eroberungseinsätzen. Zwar laufen viele Missionstypen immer wieder nach demselben Muster ab, aber vieles lässt sich locker nebenher erledigen und wer nicht will, kann die Anliegen anderer auch komplett ignorieren.
Durch das Erfüllen von Aufträgen verbessert man jedoch stetig sein Ansehen bei der Bevölkerung der entsprechenden Region, was einem mit der Zeit immer attraktivere Aufgaben und Entlohnungen beschert. Zudem lässt sich durch gemeinsame Kämpfe und Missionen der Zusammenhalt aktiv beteiligter Gruppenmitglieder steigern, wodurch man an bestimmten Orten so genannte Harmoniegespräche auslösen kann, die interaktive Einblicke in das Gefühlsleben der Beteiligten erlauben und sie mit passenden Dialogentscheidungen einander noch näher bringen können.
Zuneigung lohnt sich
Das Pflegen von Beziehungen bringt auch spielerische Vorteile mit sich. |
Ein Verändern der Verknüpfungen ist wie auch der Wechsel von Gesinnungen zum Erlernen damit verbundener Talente jederzeit möglich. Dadurch bietet die Charakterentwicklung trotz automatischer Attributsverbesserungen bei Stufenanstiegen und vorgegebener Reihenfolge neu erlernter Techniken ausreichend Freiraum für individuelle Anpassungen, was durch die freie Wahl und Verbesserung der im Kampf verfügbaren Techniken noch unterstützt wird. Auch die Techniken an sich sind von Charakter zu Charakter sehr verschieden, so dass auch die Zusammensetzung der Kampfgruppe zum Experimentieren einlädt.
Ausrüstung nach Maß
Das Ändern der Ausrüstung wird auch in Story-Sequenzen berücksichtigt. |
Die meisten Ausrüstungsgegenstände verfügen zusätzlich über spezielle Juwelensteckplätze, die man ähnlich wie in Final Fantasy VII mit magischen Kristallen besetzen kann, die verschiedenste Eigenschaften besitzen: Manche steigern Charakterwerte wie Stärke, Abwehr oder Agilität, andere gewähren Resistenzen gegen Statusbeeinträchtigungen oder erzeugen diese bei Gegnern und wieder andere schaffen Barrieren, haben regenerative Kräfte oder helfen bei der Wutkontrolle.
Wer will, kann aus passenden Beutestücken und aus Kristalladern gewonnenen Mineralien auch selbst Juwelen schmieden. Das Ergebnis hängt dabei von der Reinheit der Rohstoffe und den zur Veredelung eingesetzten Gruppenmitgliedern ab. Auch die Freundschaft zwischen den Beteiligten spielt eine wichtige Rolle - ein Grund mehr, sich um ein harmonisches Miteinander zu bemühen. Waffen oder Rüstungen an sich können hingegen nicht von Hand geschmiedet werden und müssen gekauft, durch Aufträge verdient oder im Kampf erbeutet werden.
Ein Paradies für Sammler
Statt klassischer Schatztruhen findet man unterwegs regionsspezifische Items zum Sammeln und Tauschen. |
Auch am Wideraufbau einer verwüsteten Kolonie kann man sich aktiv beteiligen, in dem man Wohnraum schafft, die Wirtschaft ankurbelt, für mehr Lebensqualität sorgt und feindliche Übergriffe abwendet. Die Entwicklung verläuft im Gegensatz zu Dark Cloud oder White Knight Chronicles zwar in vorgegebenen Bahnen, als Dank winken aber auch hier wachsende Einkaufmöglichkeiten sowie neue Tauschpartner und zusätzliche Jobangebote. An optionaler Beschäftigung mangelt es Xenoblade jedenfalls nicht.
Doch auch Shulks eigentlicher Rachefeldzug ist von geradezu epischem Ausmaß. Selbst wenn man nur das Nötigste abseits der Haupthandlung unternimmt, um bevorstehenden Gefahren kräftemäßig gewachsen zu sein und ausreichend Geld für aktuelle Ausrüstung in der Kasse zu haben, sollte man mindestens 70 Stunden Spielzeit einrechnen. Wer alle Aufgaben meistern, sämtliche spielinternen Trophäen einsacken und jeden Winkel der gigantischen Spielwelt erkunden will, kann sich aber auch problemlos über Wochen hinweg mit Xenoblade beschäftigen.
Prachtvolle Kulissen
Die Erkundung der prachtvollen Landschaften mit dynamischem Tages- und Wetterzyklus ist jedenfalls eines der Highlights des Spiels. Ich habe selten so stimmungsvolle Kulissen durchstreift, die nicht nur auf Wii ihresgleichen suchen. Klar sind Charaktermodelle, Mimik und Texturen hier und da vergleichsweise grob, während Objekte und Gegner teils unschön ins Bild ploppen, aber die monumentalen Schauplätze mit ihrer enormen Detailverliebtheit gleichen das gekonnt aus.
Auch die unterschiedlich auf den Spieler reagierenden Gegner sind teils äußerst imposant, die allgemeine Sichtweite hervorragend und die Bildrate angenehm flüssig. Manche Kreaturen sind von Haus aus friedlich oder notorische Einzelgänger, die sich gezielt anlocken lassen, andere greifen bei Blickkontakt sofort an oder rotten sich bei Bedrohung zusammen. Wieder andere reagieren allergisch auf Geräusche oder Zaubertechniken, was bei entsprechender Stärke zu behutsamem Schleichen und konsequentem Magieverzicht in ihrer Nähe zwingt - zumindest bis man stark genug ist, es auch mit ihnen aufzunehmen. Lediglich die Kamera macht trotz diverser Anpassungsmöglichkeiten in engen Räumen sowie bei großen oder fliegenden Gegnern hin und wieder Probleme.
Stimmungsvolles Erkunden
Das an Action-Adventures erinnernde Leveldesign bietet vielzählige Erkundungsmöglichkeiten. |
Für erstklassige Atmosphäre sorgt neben den prächtigen Kulissen und Witterungswechseln aber auch der facettenreiche Soundtrack, der sich verschiedenen Situationen dynamisch anpasst und sowohl ruhige Klavierpassagen als auch treibende Rockklänge zu bieten hat. Von Bewegungskontrollen macht Xenoblade keinen Gebrauch, wodurch es sich auch ideal mit einem Classic Controller spielen lässt, den man via Bundle gleich in stilechtem Monado-Rot mit erwerben kann. Unabhängig vom Einzel- oder Bundlekauf gibt es zudem noch ein schickes Wendecover, auch wenn die oft störende USK-Plakette dank farbverwandten Hintergrunds ausnahmsweise auch im Original kaum stört.
Fazit
Auch wenn die Veröffentlichung von Xenoblade Chronicles während der gamescom etwas untergegangen sein mag, sollte sich kein Fan fernöstlicher Rollenspiele dieses Meisterwerk entgehen lassen. Warum Nintendo so lange gezögert hatte, den Titel auch in unseren Breiten zu veröffentlichen, ist mir unbegreiflich. Für mich ist Xenoblade das bis dato beste Japan-Rollenspiel der aktuellen Konsolengeneration. Das an Online-Rollenspiele bzw. Titel wie Final Fantasy XII, Star Ocean oder Rogue Galaxy erinnernde Kampfsystem mag zwar nicht jedermanns Sache sein, dürfte dank dynamischer Interaktionen und Teamarbeit aber auch Skeptiker überzeugen. Die epische Story, stimmungsvolle Musikuntermalung und riesige Spielwelt sind sowieso über jeden Zweifel erhaben, die Kulissen und Gegner immer wieder eine wahre Pracht. Auch Charakterentwicklung, Sammelreize und Ausrüstungsoptionen sind äußerst vielfältig, während das Angebot an optionalen Aufgaben geradezu gigantisch ist und das Leveldesign echte Action-Adventure-Qualitäten besitzt. Genrefans werden jedenfalls hervorragend unterhalten, sollten angesichts des enormen Umfangs aber schon mal Urlaub einreichen.
Pro
Kontra
Wertung
Wii
Hervorragendes Action-Rollenspiel, das mit seiner epischen Story und überwältigenden Spielwelt wochenlang begeistert.
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