Sin and Punishment: Successor of the Skies11.05.2010, Jens Bischoff
Sin and Punishment: Successor of the Skies

Im Test:

Sin and Punishment kennen importscheue Spieler wohl nur aus der Virtual Console der Wii. Den Nachfolger hat Nintendo hingegen direkt nach Europa gebracht - und das sogar noch vor dem Stapellauf in den USA. In Japan wurde Treasures jüngstes Ballergewitter ja schon letztes Jahr gefeiert. Können wir endlich mitjubeln?

Action satt

Auch wenn das Szenario um zwei seit Urzeiten im Clinch liegende Universen durchaus interessant ist, zählt der erzählerische Rahmen nicht zu den Highlights des Spiels. Dazu wird die Geschichte um die sündhafte Vereinigung von Halbblut Isa Jo, dem Sohn des Protagonisten aus dem N64-Vorgänger,

Video: Was Sin & Punishment 2 in nur wenigen Stunden an Ideen- und Abwechslungsreichtum auffährt, ist wirklich eine Klasse für sich.und der unter Amnesie leidenden Spionin Kachi einfach zu plump und belanglos inszeniert. Eigentlich sollten die beiden gegeneinander in den Kampf ziehen, waren aber so voneinander angetan, dass sie sich gemeinsam gegen Isas Auftraggeber verbündeten und sich aus dem Staub machen wollten. Was folgt, ist eine verzweifelte Flucht, auf der ihnen ihre Feinde stets einen Schritt voraus scheinen und sie immer mehr in die Enge treiben.

Doch eigentlich ist es egal, gegen wen man wo und warum kämpft. Kompromisslose Action steht klar im Vordergrund und der Weg in die Freiheit ist fest vorgeschrieben. Man entscheidet lediglich, ob man während des bevorstehenden Ballermarathons lieber in Isas oder Kachis Haut schlüpfen will. Prinzipiell haben beide dieselben Aktionsmöglichkeiten: Während man auf festgelegten Pfaden durch die insgesamt acht Spielabschnitte, von denen der erste als eine Art Tutorial fungiert, geschleust wird, kann man sich ähnlich wie in Segas Arcade-Klassiker Space Harrier auf einer zweidimensionalen Ebene via Jetpack (Isa) bzw. Hoverboard (Kachi) frei bewegen, anvisierte Gegner mit Dauerfeuer eindecken, Nahkampfattacken ausführen, Ausweichmanöver einleiten oder aufgeladene Spezialschüsse abfeuern.

Letztere fallen je nach gewähltem Charakter unterschiedlich aus: Während Isas Spezialschuss bei Kontakt detoniert und auch in der Nähe des Ziels befindlichen Gegnern und Objekten Schaden zufügt, kann Kachi während des Aufladens bis zu acht unterschiedliche Ziele anvisieren und ihnen anschließend eine Salve zielsuchender Raketen auf den Hals hetzen. Wer will, kann natürlich auch den gesamten Raketenhagel auf ein einziges Ziel konzentrieren. Darüber hinaus können beide auch Ziele für normale Schüsse dauerhaft ins Visier nehmen, wobei Isa jeden Gegner manuell anvisieren und dabei eine Verringerung seiner Durchschlagskraft hinnehmen muss, während Kachis Fadenkreuz automatisch das nächstgelegene Ziel fixiert und mit voller Kraft attackiert. Dadurch ergeben sich zwei trotz gleicher Grundsteuerung doch sehr unterschiedliche Spielweisen, die sich nicht nur an persönliche Vorlieben, sondern auch Könnensstufen oder Steuerungsarten richten.

Spielerlebnis nach Maß

Gerade Anfänger haben es mit Kachi sicher etwas leichter, denn auch wenn man von Beginn an zwischen drei allgemeinen Schwierigkeitsgraden wählen kann, die einige Unterschiede mit sich bringen, ist selbst die leichteste Stufe für Neulinge kein Zuckerschlecken, auch wenn die Rücksetzpunkte fair platziert sind und Continues unbegrenzt zur Verfügung stehen. Doch auch wer auf die alternative Steuerung via Classic- oder GameCube-Controller zurückgreift, wird trotz anpassbare Empfindlichkeit und invertierbarer Achsen mit Kachi ein leichteres Spiel haben, da das bei Isa stärker im Vordergrund stehende manuelle Zielen via Stick trotz allem nicht an das via Fernbedienung heran reicht. 

Auch wenn die Optik gerade in den Zwischensequenzen extrem schlicht und polygonarm daher kommt, im Spiel selbst zeigen die Entwickler immer wieder eindrucksvoll zu was sie in der Lage sind. Egal ob Projektil-Overkill oder spektakuläre Bossfigts wiie gegen diese Riesenschildkröte.
Ob man sich hingegen für die klassische Kombo aus Remote und Nunchuk entscheidet oder die montierte Variante des ebenfalls unterstützen Wii Zappers vorzieht, ist hingegen ziemlich egal. Beides funktioniert tadellos, Bedienungsunterschiede gibt es abgesehen von der angepassten Sprungsteuerung nicht und auch die Bewegungssensoren bleiben abseits des Zielens gänzlich ungenutzt.

Jedenfalls ist es sehr löblich, dass so viele Eingabegeräte unterstützt werden und man diese auch noch zum Teil an seine Bedürfnisse anpassen kann. Darüber hinaus kann man das Spiel auch nach Belieben in 50 oder 60 Hz, 4:3 oder 16:9 sowie im Progressive Scan-Modus darstellen lassen. Selbst bei der Tonspur hat man die freie Wahl zwischen japanischem Originalton oder englischer Synchro und auch die Untertitel lassen sich nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch oder Japanisch anzeigen - sehr vorbildlich! Und wer mal das Cover aus der DVD-Box zieht, wird feststellen, dass sich auf der Rückseite ein großflächiges Artwork ohne störende USK-Plakette, Packungstexte und sonstige Angaben als Cover-Alternative versteckt. Angenehm ist auch, dass das Spiel mit einer praktischen, aber trotzdem deaktivierbaren Autosave-Funktion daher kommt und die meiste Zeit konstante 60 Bilder pro Sekunde ausspuckt. Nur ganz selten kann es vorkommen, dass die Bildrate bei besonders fulminanten Detonationen oder Effektgewittern kurz absackt - allerdings ohne nennenswerte Folgen für die Spielbarkeit. In manchen Situationen kann man sogar selbst Zeitlupeneffekte initiieren und diese für besonders gut gezielte Treffer oder Ausweichmanöver nutzen.   

Kreative Abwechslung

Ein konstanter Begleiter ist die praktische Bullet-Time aber nicht. Auch sonst setzten die Entwickler sämtliche Ideen und Überraschungen sehr gezielt und situationsbezogen ein, so dass der Balleralltag immer wieder kreativ aufgebrochen wird, ohne dass es zu Abnutzungserscheinungen kommt: Mal präsentiert sich Sin and Punishment als klassischer Horizontal- oder Vertikal-Shooter, mal als Jump'n'Run, Beat'em-Up oder Rennspiel - in einer Passage ist sogar ein Rückspiegel mit von der Partie.

Abwechslung wird in zweiten Sin and Punishment groß geschrieben: Mal rückt ihr den Gegnern in klassischer Horizontal-Shoot'em-Up-Manier à la R-Type auf die Pelle...
Man trifft auf Elemente aus Tetris , Asteroids oder Digger , rast durch 3D-Labyrinthe à la Tempest , sieht sich Projektilsalven wie in Ikaruga gegenüber oder erlebt packende Achterbahnfahrten wie in Starfox . Die in nur ca. vier Stunden gebotene Vielfalt ist enorm, die Wechsel zwischen den Darstellungsformen, Ebenen und Spielansätzen elegant und fließend. Eine Überraschung jagt die nächste und überall wurden liebevolle Details eingeflochten, die nicht nur Retro-Herzen höher schlagen lassen.

Das Gegnerdesign bietet ebenfalls ein breites Spektrum und die mehrstufigen Bossfights gehören für mich mit zum Besten, was das Genre in letzter Zeit zu bieten hatte. Sin and Punishment wirkt wie ein Best-Of der Shoot'em-Up-Geschichte, das trotzdem auch neue Impuse zu setzen vermag und ein unaufhörliches Stakkato aus Déjà-vus und Überraschungen auf den Spieler nieder prasseln lässt. Optisch macht der Titel, abgesehen von den vor allem in den Zwischensequenzen auffällig klobigen Figuren und Texturen, einiges her: Die Kamerafahrten sind durchdacht, das Scrolling butterweich, die Kulissen abwechslungsreich, die Gegner zahlreich und die Effekte sehenswert.

Manchmal ist allerdings so viel auf dem Bildschirm los, dass man auch mal die Übersicht verlieren kann. Vor allem weniger Multi-Tasking fähige Spieler dürften sich mitunter überfordert fühlen, gleichzeitig feindliche Projektile zu meiden, Hindernissen auszuweichen, mobile Widersacher im Visier zu halten, diese mit Dauerfeuer einzudecken und im richtigen Moment Schüsse aufzuladen oder mit der Klingen zuzuschlagen. Besonders bei farblichen Überschneidungen, die aber zum Glück selten sind, übersieht man gerne mal einen feindlichen Laserstrahl oder schmalen Marschflugkörper, den man per Nahkampfangriff seinem Absender zurückschicken oder an andere Gegner weiterleiten kann, was gerade bei Bosskämpfen oft von entscheidender Bedeutung ist.

Eingeschränkte Teamarbeit

Wer will, kann auch auf die Hilfe eines Freundes zurückgreifen und zu zweit ins Gefecht ziehen, wobei allerdings einige Einschränkungen in Kauf genommen werden müssen: Der zweite Spieler übernimmt quasi lediglich eine kooperative Unterstützerrolle, in dem er dem Hauptspieler mit einem zweiten Fadenkreuz einen Teil der Ballerarbeit abnimmt. Eine zweite Spielfigur gibt es trotz meist zusammen agierenden Heldenduos nicht, wodurch Ausweichmanöver und Nahkampfangriffe gänzlich unter den Tisch fallen. 

...ein ander mal rast ihr wie in WipEout auf einem Gleiter gen Horizont und pustet lästige Kontrahenten von der Strecke.
Auch das Abfeuern aufgeladener Schüsse bleibt Spieler eins vorbehalten. Zudem ist es schade, dass sich ein zweiter Spieler nicht jederzeit in laufende Partien ein- oder ausklinken kann und es keine Möglichkeit gibt, auch mal online auf Partnersuche zu gehen.

Hier wäre auf jeden Fall noch viel Luft nach oben gewesen. Vielleicht auch in Form spezieller Duellmodi, um Kopf-an-Kopf auf Highscore-Jagd zu gehen. Immerhin gibt es jedoch die Möglichkeit seine Bestzeiten per WiFi mit denen von anderen Spielern aus seinem Heimatland, ganz Europa oder Europa und Amerika in Online-Ranglisten zu vergleichen. Vergleiche mit Japanern fallen aufgrund diverser kleinerer Spielanpassungen leider flach. Trotzdem ist es ungemein motivierend sich nicht nur in lokalen Highscore-Listen gegenüber Freunden oder eigenen Bestmarken stetig zu steigern, sondern auch international seinen Listenplatz zu verteidigen bzw. zu verbessern. Für ehrgeizige Spieler relativiert sich dadurch sogar die insgesamt leider recht kurze Spielzeit, wobei natürlich auch die unterschiedlichen Protagonisten und Schwierigkeitsgrade für Langzeitmotivation sorgen. Zudem muss man das Spiel nicht jedes Mal komplett absolvieren, sondern kann auch bereits gemeisterte Abschnitte einzeln wiederholen, um sich gezielt zu verbessern und spezielle Taktiken auszuprobieren.   

Fazit

Mit Sin and Punishment 2 haben die Shoot'em-Up-Spezialisten von Treasure ein wirklich beeindruckendes Arcade-Erlebnis abgeliefert. Im Grunde ist Successor of the Skies zwar nur ein kurzer, in eine ungemein trashige Story gehüllter Rail-Shooter - aber was für einer! Sowohl Gegner- als auch Leveldesign strotzen nur so vor Kreativität und Abwechslung: Egal, ob es vertikal, horizontal oder dreidimensional zur Sache geht, ob Beat'em-Up-, Jump'n'Run- oder Rennspielelemente dem fulminant inszenierten Ballermarathon beigemengt werden, der Wechsel ist stets geschmeidig und elegant, der Spielfluss jederzeit topp. Die Charaktere wirken zwar extrem grobschlächtig, aber die Effekte sind eine echte Augenweide, die mehrstufigen Bossfights unvergessliche Highlights. Es gibt sogar einen kooperativen Zwei-Spieler-Modus, der für kurzweilige Team-Action sorgt, aber leider diversen Einschränkungen unterliegt. Hin und wieder kann es zwar etwas unübersichtlich werden, in seltenen Fällen auch die sonst konstant hohe Bildrate leicht abrutschen, aber wirklich unfair wird es nie. Der in drei Stufen regulierbare Schwierigkeitsgrad hat es zwar trotz fairer Rücksetzpunkte und unbegrenzter Continues ganz schön in sich, aber wer die Angriffsmuster seiner Gegner studiert, im richtigen Moment zuschlägt, ausweicht sowie zwischen Dauerfeuer, aufgeladenen Schüssen und Nahkampfattacken wechselt, kämpft irgendwann nicht mehr um den bloßen Sieg, sondern um neue Bestleistungen, die sich via WiFi auch online verewigen lassen und den vergleichsweise geringen Umfang gekonnt wett machen. Wer auch nur ansatzweise auf ballerlastige Arcade-Action steht, darf sich diese kreative Achterbahnfahrt nicht entgehen lassen!

Pro

grandiose Bossfights
tolle Effekte & Details
auch zu zweit spielbar
motivierende Highscore-Jagd
ungemein abwechslungsreich
faire Rücksetzpunkte & Continues
originelles Gegner- & Leveldesign
zwei unterschiedliche Protagonisten
gelungener Spielfluss & elegante Ebenenwechsel

Kontra

trashige Story
geringer Umfang
limitierter Koop-Modus
grobschlächtige Charaktere

Wertung

Wii

Kurzer, aber eindrucksvoller Ballermarathon, der vor Ideen- und Abwechslungsreichtum nur so strotzt.

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