Der Schattenläufer und die Rätsel des dunklen Turms15.10.2010, Jan Wöbbeking
Der Schattenläufer und die Rätsel des dunklen Turms

Im Test:

Pastellfarben, Schattenrätsel und ruhige Klänge - "Der Schattenläufer und das Rätsel des dunklen Turms" setzte bereits auf dem Konami Gamers Day im April einen Kontrapunkt zum pompösen Geschnetzel in Castlevania: LoS  oder den "one million troops" in Ninety-Nine Nights II . Es erinnerte angenehm an stimmungsvolle XBLA-Knobler wie Braid  und The Misadventures of P.B. Winterbottom  oder Plattformer wie LostWinds . Also fragte ich sofort nach dem Starttermin auf Wiiware und erlebte prompt eine Überraschung: Konami bringt seinen 2D-Knobler nicht als Download, sondern als Vollpreistitel in den Handel. Lohnt sich der Kauf?

Auf die Perspektive kommt es an

Für der Inszenierung der mysteriösen Geschichte haben sich die Entwickler offenbar stark vom Klassiker Ico inspirieren lassen: Zu Beginn des Spiels sehe ich, wie die Hauptfigur auf der Spitze eines geheimnisvollen Turms festgehalten wird. Als sich das Beil des Henkers senkt, verliert der kleine Junge nicht sein Haupt,  sondern seinen Schatten. Das dunkle Abbild segelt an verschnörkelten Erkern, Türmchen und Trümmern vorbei - bis es am Fundament landet.

Mit Hilfe der Fernbedienung lassen sich je nach Situation Lichtquellen...
Als Vorbild für das Design der skurrilen Ruine dienten übrigens die verfallenen Gebäude neben einer japanischen Rennbahn.

Ich schlüpfe in die Rolle des gefallenen Schattens: Mein Ziel ist es, mich bis zur Spitze des hohen Gemäuers empor zu kämpfen und den Jungen wieder mit der dunklen Hälfte seiner Persönlichkeit zu vereinen. Da sich ein Schatten bekanntlich flach über andere Oberflächen legt, spielt sich die Reise zunächst wie ein klassischer 2D-Plattformer. Zu Beginn ist es ein wenig verwirrend, meine Aufmerksamkeit nicht auf die rostigen Gerüste im Vordergrund, sondern auf deren schwarzes Abbild im Hintergrund zu lenken. Wie im bald erscheinenden echochrome ii wirft eine Lampe im Vordergrund ihre Lichtstrahlen auf die Gebilde, so dass sich an der Wand ein Parcours aus Schattenplattformen bildet. Ist eine davon zu weit entfernt, kommt eine kleine Fee zum Einsatz, welche ich wie einen Cursor direkt mit der Wiimote steuere.

Ein leitendes Licht

Halte ich den B-Knopf gedrückt, bildet sich eine surrende Aura um den flatternden Winzling, mit welcher ich die Umgebung absuche. Wenn mir ein auffälliges Blitzen ins Auge springt, ist das fast immer ein bewegliches Element im Vordergrund.

und Objekte bewegen. Dadurch sind unerreichbare Plattformen plötzlich zum Greifen nah.
Ziele ich ein Weilchen darauf, lässt sich mit einem erneuten Knopfdruck z.B. eine Konstruktion aus verwinkelt arrangierten Röhren drehen. Je nach Perspektive entstehen dadurch ganz neue Plattformen, welche mich an mit spitzen Pfeilen geladenen Selbstschussanlagen vorbei führen. An anderer Stelle darf ich sogar die Lichquelle mit der Fernbedienung verschieben, wodurch mancher Schatten einer langen Gerüststrebe sich plötzlich abenteuerlich verbiegt und mir den Weg zu weit entfernten Gebieten eröffnet.

Die Freude über den Kniff währt allerdings nicht all zu lange, denn auf der nächsten Plattform lauert bereits ein Feind. Die unheimlich vor sich hin wabernde Killerpflanze ist zwar ebenfalls nur als Schatten zu sehen - doch ihre im hohen Bogen ausgespuckten Giftgeschosse werden für mein Alter Ego zur realen Bedrohung. Also stürme ich schnell auf sie zu, bevor sie eine weitere Ladung ausspeien kann, und verpasse ihr ein paar Schwerthiebe. Zischend sinkt sie in sich zusammen und hinterlässt bei ihrem Verschwinden einige Leuchtkugeln, welche mir Lebenskraft und Erfahrungspunkte spenden. Letztere sorgen dafür, dass ich den ständig stärker werdenden Widersachern ebenfalls mehr Angriffsstärke entgegensetzen kann. Diese Gefechte nehmen in etwa ein Drittel der Spielzeit ein, so dass ein angenehmer Rhythmus aus Knobeln, Hüpfen und Kämpfen entsteht.

       

Ein Grund zum Türmen

Die Angriffe meines Schützlings und der Biester sind einfach gestrickt: Neben gewöhnlicher Hiebe darf ich nur eine schnöde Dreifachkombo einsetzen. Trotzdem sind die Kämpfe unterhaltsamer aufgebaut, als ich bei einer solch simplen Technik vermutet hätte, denn die Monster wurden durchdacht in den Räumen platziert.

Mit Hilfe der blauen Schalter und der damit verbundenen Selbstschussanlagen lassen sich Gegner erledigen, welche gegen das Schwert immun sind. 
Während ich z.B. eine Riesenspinne aus dem Weg räume, muss ich auch dafür sorgen, dass aus dem rotierenden Strudel nebenan nicht ständig neue Exemplare nachschlüpfen. Die Stacheln an der niedrigen Decke zwingen mich außerdem zum Umdenken: Die Piekser zehren bei Kontakt empfindlich an meinem Energiekonto. Also verzichte ich auf den bewährten Sprunghieb, der diesen Typ Monster zum Auftakt des Gefechts normalerweise wirkungsvoll aus dem Konzept bringt. Des Weiteren muss ich nebenbei auch noch die Lichtquelle mit dem Regler im Vordergrund verschieben.

Trotz solcher Multitasking-Aufgaben bleibt das entspannte Ambiente des Spiels stets erhalten. An allen Ecken und Enden gibt es genügend Zeit zum Durchatmen. Wer keine Freude an der Gewalt hat, darf übrigens jederzeit den Schwierigkeitsgrad herunterschrauben, so dass die Kämpfe zur einfachen Nebensache werden und man sich auf die Rätsel konzentrieren kann. Am meisten Spaß hat mir das Spiel allerdings auf der mittleren Stufe gemacht. Dann nämlich musste ich genau darauf achten, die Gegner mit der passenden Taktik anzugreifen, um nicht mit leerer Energieleiste am Anfang des Levels zu landen. Es ist bei weitem nicht mehr so einfach, die Viecher aus dem Weg zu dreschen wie noch in der Vorabfassung. Ab und zu verschlägt es mein Alter Ego in schummrig beleuchtete Extra-Stufen, in denen ich den kompletten Level seitlich um 45 Grad drehe.

Ausbruch aus der Dunkelheit

Im weiteren Spielverlauf findet mein Held einen Weg, die Welt der Schatten kurzzeitig zu verlassen, um an anderer Stelle Schalter umzulegen und Kisten zu verschieben, deren Schemen ihm auf dem Weg durch den Turm weiterhelfen. Auch Begegnungen mit finsteren Bossmonstern stehen auf dem Programm: 

Finstere Aussichten: Dieser Geselle hetzt den namenlosen Jungen durch den Turm.
Eines davon sieht aus wie ein großes schwarzes Knäuel, aus welchem die verzweifelt winkenden Arme gepeinigter Schattenseelen ausbrechen wollen. Das große Etwas jagt mich in einem Wettrennen durch das Gemäuer, bis ich ihm schließlich über einige Leitern in den nächsten Bereich entwischt bin.

Für Spannung sorgen auch die geheimnisvollen Ambient-Klänge im Hintergrund - das leise Rauschen, ab und an klingelnde Windspiele und entfernte Geräusche ließen mich sofort komplett in die Spielwelt abtauchen. Ein wenig schade ist, dass sich die Sounds zu häufig wiederholen. Auch auf visueller Ebene ist die Redundanz das größte Problem: Die verwaiste Ruine, die hellen Pastellfarben, die unheimlich vor sich hin blubbernden Schattenmonster und sämtliche anderen Designelemente greifen zwar perfekt ineinander - auf Dauer fehlt es aber an Abwechslung. Zu lange muss ich mir die sich ähnelnden Wände und Röhren anschauen. Die Metalloberflächen könnten auch auf Wii ruhig etwas schärfere Texturen bieten. Dank dicker Pixeltreppchen sieht mein Alter Ego in manchen Perspektiven ebenfalls schrecklich ausgefranst und unansehnlich aus. Gerade in einem Spiel, welches so viel Wert auf Schattenspiele legt, sollte man deren Darstellung besser umsetzen.     

Fazit

Der Schattenläufer ist ein typisches Spiel für die kalte Jahreszeit: Am besten lässt man die Rollläden herunter, sorgt dafür, dass alle lärmenden Störquellen wie Freunde oder Familie anderweitig unterwegs sind und taucht alleine in die einsame Spielwelt ab. Der minimale, aber stimmungsvolle Grafikstil in der verlassenen Turmruine erinnert sofort an ähnlich kreative Plattformer für Xbox Live Arcade und Lost Winds. Es gibt allerdings einen Aspekt, den Konamis Vollpreistitel dem Großteil der Download-Konkurrenz voraus hat: Hier sind die cleveren Schatten-Rätsel, Kämpfe und Hüpfpassagen sehr professionell ausbalanciert - Frustmomente treten also nur selten auf. Wer knallharte Kopfnüsse im Stil von Mr. Winterbottom sucht, kommt aber nicht auf seine Kosten. Die Puzzle-Einlagen fallen zwar bei weitem nicht so kreativ und abgefahren aus wie z.B. in Braid und beschränken sich meist auf klassische Schalter- und Verschiebe-Aufgaben, doch die Lichtquellen im Vordergrund verleihen dem Ganzen erfrischend neue Facetten. Nach einigen Spielstunden verlassen sich die Entwickler allerdings zu häufig auf die Grundmechaniken wie das Drehen von Rohrkonstrukten. Die Kämpfe könnten ebenfalls anspruchsvoller ausfallen. In punkto Abwechslung spielt der Titel eher in einer Liga mit kleineren Download-Titeln. Zum Glück konnten mir solche Schwächen im Detail aber nicht den Spielspaß verderben. In den wichtigsten Disziplinen punktet der Schattenläufer souverän: Er bietet eine kreative Spielmechanik, ein gut ausbalanciertes Verhältnis aus Rätseln und Action und eine stimmungsvolle Atmosphäre.

Pro

<P>
clevere Schatten-Verschiebe-Rätsel
ausgewogene Balance aus Puzzles, Kämpfen und Hüpfen
sehr entspanntes Ambiente
ruhige, mystische Sounduntermalung...
stimmungsvoller Grafikstil
hübsche Beleuchtung in Pastellfarben
unheimlich herumwabernde Schattenmonster
intuitive Arcade-Steuerung
Schwierigkeitsgrad jederzeit änderbar</P>

Kontra

<P>
sehr einfach aufgebaute Kämpfe
auf Dauer zu wenig Abwechslung
pixelig ausgefranste Schattenkanten
keine Koop
oder Multiplayer-Modi...Musikbegleitung wiederholt sich aber zu oft</P>

Wertung

Wii

Der Schattenläufer bietet einen atmosphärischen Mix aus kreativen Schatten-Rätseln und Plattform-Action.

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