GoldenEye 00705.11.2010, Paul Kautz
GoldenEye 007

Im Test:

Zwei verschiedene Bonds zur gleichen Zeit in den Regalen dieser Welt? Wer hatte denn diese grandiose Idee? Auf der einen Seite  erwartet die Spieler auf PC, 360 und PS3 mit Blood Stone ein komplett neues Abenteuer. Auf der anderen Seite dürfen sich Wii-Jünger über ein Remake des Shooters freuen, der bis heute unter Fans als das beste Bond-Spiel überhaupt bekannt ist.

Das neue GoldAuge

Video: Anders als man vermuten könnte, ist GoldenEye kein Remake des 1997er N64-Klassikers, sondern ein neues Spiel, das nur die gleiche Thematik verwendet.Bevor die Fraktion der N64-Fans jetzt ein Freudentaschentuch vollrotzt und mit Geldbündeln werfend den nächsten Laden stürmt: Das neue GoldenEye ist mitnichten eine Umsetzung des 1997er Klassikers von Rare, der hierzulande übrigens immer noch indiziert ist. Die grundsätzliche Thematik ist zwar die gleiche, das Leveldesign orientiert sich ebenfalls grob an der Vorlage, aber sonst ist alles neu: James Bond ist nicht mehr Pierce Brosnan, sondern Daniel Craig (der auch von ihm gesprochen wird), Alec Trevelyan ist nicht mehr Sean Bean, sondern eine andere Nase, Arkady Ourumov ist nicht mehr Gottfried John, Xenia Onatopp sieht nicht mehr aus wie Famke Janssen - das Muster sollte erkennbar sein.

Die Musik ist kein jaulender Gitarrenloop mehr, sondern ein klassischer Score aus der Feder des bekannten Bond-Komponisten David Arnold. Eingeleitet wird das Ganze nach dem Prolog vom legendären Titelsong »GoldenEye« - allerdings nicht dargeboten von Tina Turner, sondern von Nicole Scherzinger. Woraufhin der durchschnittliche Mitteleuropäer natürlich sofort freudestrahlend in die Lüfte springt und völlig zurecht fragt: »Nicole...wer?« - es ist die Leadsängerin der Pussycat Dolls. Man kann von denen halten, was man will, aber Madam Scherzinger hat eine verdammt großartige Stimme. Zwar wird dieser Song immer nur in der Version von Tina Turner gigantisch sein, aber die Neue macht ihren Job verdammt gut. Das gilt auch für den größten Teil der Sprecher, allen voran Daniel Craig und Judy Dench, aber auch Nebenfiguren sind meist gut besetzt. Was mich allerdings einmal mehr ärgert: Wenn man schon Russen sprechen lässt, warum bittet man dann keine Muttersprachler ans Mikro? Das Pseudo-Russisch, das einem in GoldenEye entgegen schallt, tut dem geschulten Ohr sehr weh.

Der harte Hund von damals

Vor dem harten Agentenleben steht die Wahl der Steuerungsmethode - und hier hat Eurocom ganze Arbeit geleistet. So ziemlich jede Wii-Peripherie, vielleicht vom Lenkrad mal abgesehen, wird nicht nur unterstützt, sondern darf auch den persönlichen Vorlieben angepasst werden: Für mich hat der Classic Controller am besten funktioniert - mit zwei Analogsticks fühlt sich GoldenEye wie ein richtiger Konsolenshooter an. Die Kombination aus 

Die meiste Zeit verbringt man in der Ego-Sicht - nur sehr selten bekommt man Bond mal von außen zu sehen.
Wiimote und Nunchuk funktioniert ebenfalls bemerkenswert präzise, allerdings mag ich es nicht, ständig mit der Fernbedienung auf das TV-Gerät zeigen zu müssen - außerdem registriert das System gelegentlich schnelle Drehungen nicht. GameCube-Controller und Wii Zapper werden ebenfalls unterstützt.

Ein Geschenk an die Fans ist auch die Wahl des Schwierigkeitsgrades: Die ersten drei, von »Operative« bis »007« orientieren sich an heutigen Standards; James Bond heilt seine Verletzungen automatisch, sofern man ihm eine Atem- und Feuerpause gönnt. Die vierte Stufe, »007 Classic« hält sich dagegen an das N64-Vorbild: Nur hier gibt es eine Lebensenergie-Anzeige und Schutzwesten, kassierte Treffer werden nicht von Zauberhand aus der Welt geschafft - eine echte Herausforderung für Oldschool-Ballerfreunde. Auf allen Stufen außer der ersten muss man außerdem nicht nur die Haupt-, sondern auch alle Nebenmissionen erfüllen, um einen Auftrag abzuschließen. Schafft man das nicht, wird man vor die Wahl gestellt, entweder den Level von vorn zu beginnen oder auf der leichtesten Stufe weiter zu machen. Meistert man einen Abschnitt, darf man ihn hinterher auch gegen die Zeit nochmals versuchen.

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Zack! Die Hand in den Nacken.

 Das N64-Original stammt aus einer Zeit, in der aus Prinzip alles indiziert wurde, das nicht »Bibi Blocksberg« im Namen hatte - keine gute Phase für Spiele-Deutschland. Eine einfache Portierung hätte deshalb hierzulande wohl ernsthafte Schwierigkeiten bekommen. Aber das steht nicht zur Debatte, denn dieses GoldenEye hat wie schon erwähnt mit dem

Die Gegner stellen sich nicht übermäßig schlau an, sind in größeren Gruppen aber sehr gefährlich. Besonders harte Hunde können auch einen klassischen (und damit sehr fiesen) Schwierigkeitsgrad anwählen.
Original nicht viel gemeinsam. Das Design orientiert sich grob an der Vorlage, bietet aber weitaus mehr Abwechslung und einen komplett anderen Aufbau. Gleich geblieben sind in erster Linie zwei Dinge: Erstens lösen sich getötete Gegner augenblicklich in Wohlgefallen auf, zurück  bleiben nur ihre Waffen. Zweitens sind die Levels meist so aufgebaut, dass mehrere Wege zum Ziel führen: Ein offensichtlicher, der meist mit vielen Gegnern gespickt ist - und ein weniger auffälliger, der meist mit dem Kriechen durch Lüftungsschächte zu tun hat. Man muss sich sehr oft entscheiden, ob man mit brüllenden Waffen nach vorn stürmen will, oder lieber leise einen Gegner nach dem anderen ausknipst. Das kann man entweder mit schallgedämpften Waffen oder einer Nahkampfattacke machen, die man benutzen darf, wenn man sich nahe genug rangeschlichen hat. Der größte Teil der Missionsstruktur ist sehr simpel gehalten: Gehe dahin, schalte alle Gegner aus, zerstöre Kameras, bediene Schalter, die irgendwas sprengen. Hin und wieder muss man auch Bonds Smartphone benutzen, um Fotos zu machen oder Minigun-Drohnen zu hacken, die fortan an seiner Seite ballern. Sehr viel mehr ist aber nicht zu tun - es gibt nichts aufzusammeln oder zu finden.

Technisch setzt GoldenEye selbst auf Wii keine neuen Maßstäbe, tummelt sich in der Grafikliga dennoch recht weit oben: Die detailreiche Umgebung kann zum Teil zerstört werden, die Figuren sind toll animiert und mimikreich, es gibt viele schön krachende Effekte - die allerdings dafür sorgen, dass die Framerate gerade bei dickeren Gefechten immer wieder in die Knie geht.

007, 008, 009 und ihre Kumpels

Der Mehrspielermodus sucht auf Wii seinesgleichen: Fans des Originals dürften sich freuen, dass auch hier vier Spieler im Splitscreen gegeneinander antreten dürfen. Aber ganz ehrlich: Warum sollte man sich dieses krümelige Gezuckel  heute noch freiwillig antun? Viel interessanter ist da schon die Online-Variante, die in Sachen Variantenreichtum und Lagfreiheit jeden anderen Wii-Shooter in die Tasche

Der Mehrspielermodus ist für Wii-Verhältnisse sehr komfortabel und flüssig. Bekannte Spielmodi wie »Golden Gun« feiern ein Wiedersehen - und man darf auch im Splitscreen spielen.
steckt! Bis zu acht Spieler dürfen mit- oder gegeneinander kämpfen, es gibt genug Spielmodi für jeden Geschmack. Deathmatch und der Klassiker »Golden Gun« sind nur der Anfang, andere Modi bieten mehr: In »Black Box« muss ein Team den Namensgeber finden und zerstören, das andere muss sie aktivieren. »GoldenEye« ist eine Variante der Flaggenbesetzung aus der Battlefield-Serie. Und »Heroes« steckt einen zufällig gewählten Spieler in das Heldenkostüm: Dieser hat mehr Lebensenergie, teilt kräftiger aus und heilt um ihn herum befindliche Kameraden - bringt den Gegnern aber auch mehr Punkte, wenn er erledigt wird.

Diese Punkte dienen dem Rangaufstieg, der wiederum dafür sorgt, dass man mehr und mehr Waffen und Gadgets freischaltet: Mit höheren Rängen gibt es dickere Magazine, diverse Minen, stärkere Munition, schnelleres Nachladen, eine dickere Rüstung oder eine beim Tod automatisch fallengelassene Granate - alles Extras, mit denen man sich seine ganz persönliche Bewaffnung zusammenstellen darf. Das kennt man von anderen Konsolenshootern zur Genüge, auf Wii hingegen ist es ein Novum. Das Ganze funktioniert größtenteils flüssig und sogar ohne Freundescodes, allerdings wird im Gegensatz zu The Conduit kein Voice-Chat über WiiSpeak unterstützt.

   

Fazit

Wer mit dem Wii-Goldauge ein texturgenaues Remake seines alten Lieblingsshooters erwartete, dürfte ziemlich enttäuscht sein - das hier ist kein Remake, sondern eher ein Reboot wie der letzte Star Trek-Film. Nichtsdestotrotz haben sich die Entwickler trotz aller Anpassungen an den modernen Shooter in einer Hinsicht leider  am Jahr 1997 orientiert: der Spielmechanik. Man merkt von der ersten Sekunde an, dass auch das neue GoldenEye im Grunde 13 Jahre alt ist. Das ist jetzt per se nichts Schlechtes, einfach mal simpel herumballern und durch Lüftungsschächte kriechen ist immer wieder mal ganz erfrischend - auf Dauer ist mir das aber zu eintönig und veraltet. Immerhin leistet sich das Spiel technisch keiner Schnitzer: Die Kulisse ist für einen Wii-Shooter sehr gut (wenn auch nicht ganz ruckelfrei), der Soundtrack exzellent, die Steuerung präzise und der Mehrspielermodus sowohl in Sachen Variantenreichtum als auch Online-Umsetzung vorbildlich. Trotzdem kann GoldenEye froh sein, dass es auf Wii kaum ernsthafte Konkurrenz hat.

Pro

gute Grafik
präzise Steuerung
sehr guter Soundtrack
gute Mischung aus Action und Schleichen
umfangreicher Mehrspielermodus

Kontra

sehr simples Spielprinzip
dumpfbackige Gegner
krümeliger Splitscreen-Modus

Wertung

Wii

Kein Remake, sondern eine Neuinterpretation der berühmten Vorlage: GoldenEye macht seinen Job nicht schlecht, aber auch nicht richtig gut.

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