Harvest Moon: Magical Melody04.04.2008, Jan Wöbbeking
Harvest Moon: Magical Melody

Im Test:

Oh, alle Fernseher in der 4Players-Redaktion sind besetzt? Na prima - dann nix wie ab nach Hause vor die heimische Wii-Konsole. Es ackert sich schließlich nirgends so gemütlich wie auf der eigenen Couch. Wie in der Harvest Moon-Serie üblich, jätet ihr das Unkraut höchstpersönlich, gießt täglich eure Pflanzen und pflegt und streichelt eure Tiere. Doch trotz all dieser auf Dauer monotonen Arbeiten besitzt kaum ein Spiel eine derart entspannende Atmosphäre.

Besänftigende Arbeit

Vielleicht liegt es am Stil, der die Idylle eines vorindustriellen Bauernhofes hervorragend in putziger Japano-Grafik einfängt. Oder sind es die immer wiederkehrenden Arbeiten, die dem Spieler dieses beruhigende Gefühl der Beständigkeit vermitteln? Der Mensch ist schließlich ein Gewohnheitstier und braucht Rituale.  Doch egal, welcher Faktor am meisten dazu beiträgt: In Magical Melody merkt ihr zu Beginn leider nichts von der entspannten Stimmung. Stattdessen bricht schon nach wenigen Minuten

Nicht anspruchsvoll aber entspannend: Per Knopfdruck werft ihr die Angel aus und holt sie auf die gleiche Weise wieder ein.
Verwirrung aus.

Vor allem Neulinge dürften sich erst einmal hilflos durch die seltsam belegten Knopfkombinationen und Menüs wühlen und sich fragen, was sie überhaupt tun sollen. Ein Tutorial gibt es nicht. Wo ihr in Harvest Moon DS an die Hand genommen und behutsam in die Kunst der Landarbeit eingewiesen wurdet, schmeißt man euch beim Wii-Ableger direkt ins kalte Wasser. Zumindest die eigentümliche Button-Belegung lässt sich dadurch erklären, dass ihr es bei Magical Melody mit einer nicht sonderlich gelungenen Umsetzung des Gamecube-Originals zu tun habt. Letzteres erschien gar nicht erst in hiesigen Gefilden, sondern nur im Land des Lächelns und in den USA. Nun haben sich Rising Star Games und Nintendo dafür entschieden, uns Europäern eine Wii-Umsetzung zu gönnen.

Hofbauer

Wie in den Vorgängern seid ihr neu in einem beschaulichen Dorf und baut euch nach und nach euren eigenen Hof auf. Diesmal tretet ihr dabei gegen den schlecht gelaunten Rivalen Jamie an, der bereits einen stattliches und üppig bepflanztes Anwesen besitzt. Welche der zahlreichen Obst- und Gemüsesorten ihr anbaut, bleibt euch überlassen. Außerdem dürft ihr euch aussuchen, wo ihr euch niederlasst: Vier Grundstücke stehen zur Auswahl. Im Dorfkern gibt es fruchtbaren Boden, aber wenig Platz. An der See wachsen eure Pflanzen, sofern ihr euch keinen Dünger kauft, langsamer. Andererseits braucht ihr euch dort erst einmal keine Gedanken über Platzmangel machen und könnt euch auf die Tierhaltung spezialisieren.

Die Sims lassen grüßen: Macht den weiblichen Bewohnern Geschenke, um sie heiratswillig zu stimmen und eine Familie aufzubauen.
Ihr müsst allerdings viele Tage lang im wahrsten Sinne des Wortes ackern, bis ihr genug Bares zusammen habt, um in der Werkstatt den Bau eines Hühnerstalls in Auftrag zu geben. Pferde, Schafe, Schweine und Kühe reißen noch ein größeres Loch in die Haushaltskasse. Geschickte Bauern kaufen sich daher im Trödelladen diverse Maschinen und veredeln ihre Erzeugnisse, denn mit Mayonnaise lässt sich z.B. mehr Geld machen als mit rohen Eiern.

Brautschau

Manche Erzeugnisse sind außerdem die Leibspeise der weiblichen Bewohner. Da sich die Dialoge auf den simpelsten Smalltalk beschränken, benutzt ihr leckere und hübsche Geschenke wie eigens gekochte Gerichte, Blumen oder in der Mine ausgegrabene Edelsteine, um Eindruck bei ihnen zu schinden. Auch mit männlichen Bewohnern könnt ihr euch anfreunden. Aus einem unerfindlichen Grund haben die Entwickler die Wii-Version um die Möglichkeit beraubt, in die Rolle eines Mädchens zu schlüpfen. Auf dem Gamecube durftet ihr das Abenteuer auch als Bäuerin angehen und die männlichen Dorfbewohner heiraten. Jetzt sind nur noch die Frauen potenzielle Kandidatinnen für den Bund der Ehe und den Aufbau einer Familie mit Kindern.           

Warum funktioniert das nicht?

Es gibt noch weitere Punkte, die den Spielspaß unnötig beeinträchtigen: Zu Beginn wollte meine Figur partout nicht den Rasen umgraben. »Muss ich mir erst einmal eine spezielle Hacke besorgen?«, war mein erster Gedanke. Ihr könnt eure Anfänger-Ausrüstung aus schwerem Eisen zwar später aufrüsten lassen oder ersetzen, doch in diesem Fall war das gar nicht nötig. Nach einigen Versuchen merkte ich, dass ich mich einfach ganz akkurat im rechten Winkel vor das jeweilige Bodenquadrat stellen muss, damit die Hacke gen Boden saust. Erschwert wird das Unterfangen dadurch, dass die Spielfigur aufgrund der Analogstick-Steuerung gerne mal schräg stehenbleibt.

Ab und zu finden auf dem Dorfplatz Feste statt, für die ihr geerntete Erzeugnisse beisteuert.
Diese Unbequemlichkeiten ziehen sich durch das komplette Spiel: Das Menü ruft ihr seltsamerweise mit dem kleinen C-Knopf auf der Rückseite des Nunchuks auf. Danach müsst ihr erst einmal an der Fernbedienung umgreifen, um mit den kleinen Plus- und Minustasten weiterzublättern. Euren Cursor bewegt ihr umständlich mit dem Analogstick statt, wie in anderen Wii-Spielen, mit der Fernbedienung. Auch davon abgesehen werden die Möglichkeiten des Wii-Controllers kaum genutzt. Ihr könnt zwar per Schüttelbewegung Werkzeuge wie die Hacke benutzen, doch das funktioniert derart schlecht, dass ihr nach ein paar Versuchen garantiert wieder auf die Knöpfe umsteigt. »Noch nie war es einfacher, schlafen zu gehen«, preist die Anleitung an. Lediglich ein Druck auf die 2-Taste sei dazu nötig. Doch sogar solch simple Kommandos haben die Entwickler unnötig verkompliziert. Damit der Befehl funktioniert, müsst ihr erst einmal per C-Taste ins Menü wechseln, dann die 2-Taste drücken und daraufhin die Eingabe noch einmal mit der A-Taste bestätigen.

Optische Täuschung

Auch beim Gießen der Pflanzen war ich zunächst verwirrt: Wo zum Kuckuck fülle ich meine Gießkanne nach? Erst nach mehrminütigem Herumirren um das Grundstück merkte ich, dass der graue Block am nördlichen Rand meines Grundstücks einen Brunnen darstellen soll. Die Grafik von Magical Melody ist nämlich selbst für GameCube-Verhältnisse kein Augenschmaus. Der niedliche Japano-Stil macht eine Menge wett, aber in den Kulissen bekommt ihr äußerst grobe Texturen zu Gesicht. Auf musikalischer Ebene sieht es nicht viel besser aus: Die wenigen Musikstücke sind zwar echte Ohrwürmer zum Mitpfeifen, doch sobald sie sich zum hundertsten mal wiederholen, zehren sie an den Nerven.

Beleidigte Leberwurst: Die Erntegötting ist zu Stein erstarrt. Sammelt ihr genug Noten, könnt ihr sie wieder zum Leben erwecken.
Auch diesmal war den Entwicklern das frei bestimmbare Leben als Bauer nicht Selbstzweck genug, daher muss wieder einmal die Erntegöttin für die Pseudo-Rahmenhandlung herhalten. Die heilige Beschützerin des Landes hatte vor langer Zeit schlicht und einfach die Nase voll von den Menschen und deren Selbstsucht und ist in ihrem Weltschmerz zu Stein erstarrt. Eure Aufgabe ist es, die 50 Noten zu sammeln, welche dem Spiel ihren Namen und der Erntegöttin ihre ursprüngliche Gestalt zurückgeben. Sie funktionieren wie die Erfolge auf Xbox Live: Verkauft ihr z.B. zehn Eier, gibt's zur Belohnung eine Note. Oder aber ihr macht einfach eine Nacht durch oder sprecht eine gewisse Zeit lang mit niemandem. Eine Übersicht über sämtliche Noten findet ihr übrigens im 4P-Spieletipps-Bereich. Wenn ihr ein Exemplar einstreicht, erklingt ein für westliche Ohren äußerst seltsam anmutendes "Lucky!" aus den Lautsprechern. Davon abgesehen gibt es aber so gut wie keine Sprachausgabe und manche Menütexte wurden nicht einmal ins Deutsche übersetzt.        

Fazit

Jede Mistgabel hat zwei Seiten - oder waren es drei Zacken? Wie die Bauernregel auch heißen mag, Magical Melody hinterlässt einen zwiespältigen Eindruck. Es ist zwar löblich, dass wir Europäer nun doch noch eine Umsetzung des nur in den USA und Japan erscheinenen GameCube-Ablegers bekommen. Aber warum darf man nicht mehr als weiblicher Landwirt spielen? Warum wurden die Knöpfe derart unpraktisch belegt? Warum gibt es in den Menüs keinen Cursor, den ich, wie in anderen Spielen, mit der Fernbedienung bewege? Auch davon abgesehen nervt die unbequeme Steuerung - auf dem DS ging die Landarbeit deutlich entspannter von der Hand. Außerdem gibt es diesmal kein Tutorial. Gerade eine Bauernhof-Simulation mit derartigem Niedlichkeits-Faktor sollte einen einfachen Einstieg für Anfänger bieten. Die Grafik wirkt ebenfalls alles andere als zeitgemäß. Trotz all dieser Mankos macht die Mischung aus Aufbaustrategie sowie Lebenssimulation immer noch süchtig und bietet einen riesigen Umfang. Ihr könnt angeln, kochen, an Feiern teilnehmen, Freundschaften mit Dorfbewohnern und wilden Tieren schließen, eine Familie gründen und vieles, vieles mehr - dieses Spiel ist ein echter Zeitfresser. Also: Wii-Only-Besitzer mit einem Faible fürs Land schnuppern rein, ich dagegen bleibe beim entspannteren DS-Ableger.

Pro

Spielprinzip macht immer noch süchtig
riesiger Umfang
ihr entscheidet, was ihr unternehmt, anbaut und welche Tiere ihr haltet
nette Sidequests wie das Umwerben einer Braut
niedlicher Grafikstil
Noten-Sammeln und Rivale Jamie sorgen für zusätzlichen Ansporn

Kontra

<P>
kaum neue Spielelemente
kein Tutorial
verwirrende Tastenbelegung
Wii-Steuerungsmöglichkeiten werden nicht genutzt
Grafik auf unterem GameCube-Niveau
nur simple Smalltalk-Dialoge
kaum Sprachausgabe
ihr dürft kein Mädchen mehr spielen wie im GameCube-Original aus Japan und den USA</P>

Wertung

Wii

Unterhaltsame Mischung aus Lebenssimulation und Aufbaustrategie mit großem Umfang aber auch vielen Macken.

0
Kommentare

Du musst mit einem 4Players-Account angemeldet sein, um an der Diskussion teilzunehmen.

Es gibt noch keine Beiträge. Erstelle den ersten Beitrag und hole Dir einen 4Players Erfolg.