Kororinpa05.03.2007, Jan Wöbbeking
Kororinpa

Im Test:

Hudson schmeißt den Affen aus der Kugel. Nicht mal drei Monate nach Segas Super Monkey Ball Banana Blitz spendieren die Bomberman-Erfinder dem Wii ihren eigenen Balanceakt. Statt Primaten rollen miauende Kugelkätzchen und allerlei anderes rundes Getier über frei schwebende Bahnen. Dank moderatem Schwierigkeitsgrad brauchen diesmal selbst blutige Anfänger keine Höhenangst vorzuschützen.

Die Idee mit dem Dreh

"Koro was??" war mein erster Gedanke, als ich die erste Ankündigung las. Als Konsument japanischer Unterhaltungselektronik ist man ja einiges an Namensverstümmelungen gewohnt. Der Konsolenname Famicom setzt sich

Vorsicht, Rutschgefahr: Im Süßigkeiten-Level werdet ihr aufs Glatteis geführt.
zum Beispiel aus Versatzstücken des Begriffs "Family Computer" zusammen. Doch was Hudsons neuste Wortschöpfung bedeuten soll, ist mir weiterhin ein Rätsel. Nintendo lässt sich jedenfalls nicht davon abschrecken und bringt den Labyrinthkugler unter dem gleichen Namen in die Läden wie im Land des Lächelns. "Ach sowas wie Monkey Ball" mögt ihr euch jetzt denken. Genau, Kakao. Damit liegt ihr goldrichtig, denn wie beim affigen Sega-Vorbild bewegt ihr auch in Kororinpa (ab 49,99€ bei kaufen) nicht die Kugel selbst, sondern kippt den Untergrund direkt mit der Fernbedienung. So ähnlich wie bei dem guten alten Holzlabyrinth mit den vielen kleinen Löchern und der silbernen Kugel. Doch Kororinpa ist kein bloßer Abklatsch der Primatenabenteuer. Statt nur die Affenkugeln durch runde Katzen- und Schweinewesen zu ersetzen, denkt das Spiel die Idee von Banana Blitz weiter: Während ihr bei der Sega-Kugelei den Untergrund nur bis zu einem bestimmten Winkel kippen durftet, gibt es Hudsons Spiel keine solche Begrenzung.

Stattdessen folgt der Untergrund jeder eurer Bewegungen. Dreht die Fernbedienung komplett um und schon steht die Welt auf dem Kopf. Die Murmel folgt in solch einem Fall der Schwerkraft und macht den Abflug in Richtung Himmel. Die neue Bewegungsfreiheit ist nicht nur ein spaßiges Gimmick sondern ein zentrales Spielelement. Um an alle der auf den Bahnen verstreuten Kristalle und danach ins Ziel zu gelangen, müsst ihr die Fernbedienung nicht selten um 90 Grad kippen, um zum Beispiel eine Wand hoch zu rollen. Oben angekommen dreht ihr den Controller blitzschnell wieder in seine Ausgangsposition, um nicht über das Ziel hinauszuschießen. All zu schlimm wäre das allerdings nicht, denn erstens dürft ihr euer Glück so oft versuchen, wie ihr wollt, zweitens besitzen die meisten der 45 Levels eine recht überschaubare Größe und drittens gibt es in den längeren Exemplaren Checkpoints. Selbst Grobmotoriker müssen keine Angst haben, dass ihr teuer erstandener Wiimote bei einem unkontrollierten Wutausbruch an der Wand zerschellt. Sofern ihr eure Hand noch einigermaßen still halten könnt, habt ihr auch sämtliche Kororinpa-Kurse innerhalb weniger Stunden gemeistert. Wie? Das ist euch zu einfach? Ihr habt den bockschweren ersten Teil von Super Monkey Ball mit dem kleinen Zeh durchgezockt? Mit zusätzlich verbundenen Augen? Auch als Profi schaut ihr nicht komplett in die Röhre. Wer möchte, kann versuchen, die Strecken in Rekordzeit zu bezwingen, den jeweiligen Goldpokal abzustauben und neue Kugeln freizuschalten.

Bei der Entwicklung wurden keine Tiere verletzt

Um die Straße am rechten Bildrand hochzurollen, kippt ihr den Controller um 90 Grad.
Mit der Zeit füllt sich euer Murmelsack mit allerlei skurrilen runden Objekten, die nur der blühenden Fantasie eines japanischen Designers entspringen können. Die leichten und langsamen Tierkugeln eignen sich prima für Einsteiger und unterscheiden sich nur durch Äußerlichkeiten voneinander. Das Kätzchen fiept euch japano-typisch mit Hochfrequenztönen voll, das rund gemästete Ferkel dagegen verschont euch mit Gequieke und grunzt stattdessen vergnügt vor sich hin. Später kommen immer schwerere und schnellere Objekte wie ein Ufo und eine Wassermelone dazu. Außerdem gibt es diverse Bälle, die dank ihrer Sprungkraft gerne mal von einer schmalen Plattform hüpfen. Dieses Abprallen ist auch die einzige Möglichkeit, sich in die Lüfte zu erheben, denn einen Sprungknopf sucht ihr hier vergeblich. Passend zu den knuddeligen Kugelviechern haben die Entwickler auch dem Großteil der Levels ein buntes Erscheinungsbild verpasst. Zu fröhlichen Easy-Listening-Tracks rollt ihr über zusammengeschusterte Holzkonstruktionen. Diese schweben über einer grünen Wiese oder in anderen Stufen über einem mit Spielzeug vollgestopften Kinderzimmer. In der Stadt sind die Kurse aus abenteuerlich verdrehten Straßenstücken zusammengesetzt.                    

Lecker Rumkugeln

Im Zuckerland besteht der komplette Untergrund aus Süßigkeiten. Ich weiß nicht, wie Hudson es geschafft hat, aber genau in dieser Welt bekomme ich grundsätzlich einen tierischen Heißhunger auf Waffeln, saure Fruchtgummis und allen möglichen

Praktisch: Im Multiplayer darf der zweite Mitspieler  das Nunchuk als Controller nutzen.
Süßkram. Bisher ist mir das noch in keinem anderen Videospiel passiert. Und eigentlich esse ich solch ein Zeug seit meiner Jugend gar nicht mehr. Wahrscheinlich liegt es an den hyperrealistischen Soundeffekten. Wenn die Murmel langsam über die locker-leichten, knusprig-dünnen Jahrmarktswaffeln kullert, kann man den süßen Duft direkt in der Nase spüren. Ich saß sabbernd vorm Fernseher und hätte am liebsten direkt in die Mattscheibe gebissen. Gut, dass ich nur gesunde Lebensmittel im Haus hatte, sonst hätte mich das Spiel gut und gerne ein paar Kilo gekostet. Wahrscheinlich sind die Entwickler direkt vom Jahrmarkt mit einer riesigen Tüte voller Kalorienbomben direkt ins Studio gegangen und haben dann Murmeln, kleine Bälle und zu Ballons aufgeblasene Katzen über das Naschwerk rollen lassen.

Trotz aller Niedlich- und Süßigkeiten und trotz der Neigungssteuerung lässt sich das Spielgefühl von Kororinpa eher mit dem PC-Titel Ballance vergleichen. Während ihr eurem Affen bei Super Monkey Ball direkt über die Schulter schaut, seht ihr in Kororinpa das Geschehen meist von der Seite. Dadurch fühlte ich mich nicht so intensiv in das Spiel versetzt, wie im Sega-Titel. Ich hatte eher das Gefühl, das Geschick der Kugel als Beobachter zu lenken. Ähnlich wie bei einem Holzlabyrinth oder eben wie bei Ballance. Leider lässt sich die Kamera in keiner Weise nachjustieren, so dass manche Streckenteile euch die Sicht blockieren. Die Steuerung setzt eure Bewegungen ein kleines bisschen träger um als im Sega-Spiel, was sich aber nicht negativ auf den Spielablauf auswirkt. Im Gegenteil, manchmal war ich froh darüber, dass nicht jedes versehentliche Zucken gleich zu einem Absturz führt.

Die Idee ohne Dreh

Kollege Mathias wird vermutlich trotzdem seine Probleme mit dem Handling haben. Er störte sich in seinem Test von Banana Blitz daran, dass er die Fernbedienung nicht quer halten durfte. Auch die Sensibilität lässt sich wieder nicht einstellen. Ich bin bei beiden Spielen bestens mit der Steuerung zurechtgekommen, doch ich habe schon mehreren Gamern gehört, dass sie die Fernbedienung lieber quer halten würden, um der Kugel mehr Stabilität zu geben. Ein großes Lob geht an Hudson für die Idee, die Nunchuk-Einheit als zweiten Controller einzusetzen. Falls ihr euch noch kein zweites Exemplar der teuren Fernbedienung angeschafft habt, drückt ihr eurem Gast einfach die verkabelte Controller-Erweiterung in die Hand. Denn die besitzt bekanntlich auch Bewegungssensoren. Ihr könnt auf sämtlichen Strecken gegeneinander um die Wette kugeln. Das war's dann aber schon mit dem Mehrspielerspaß, denn weitere Modi oder Minispiele gibt es nicht. Auch alleine fehlt es etwas an Abwechslung. Weder Bonuslevel noch Bosskämpfe lockern das Spiel auf. Auch Rätselfans werden enttäuscht, denn bis auf die Suche nach leicht zu findenden Extra-Kristallen setzt Kororinpa den Fokus klar auf eure Geschicklichkeit.          

Fazit

Ich liebe Kugelspiele - und Kororinpa ist trotz kleiner Macken eines der gelungenen Exemplare. Einfach mal das Hirn ausschalten und in großer Höhe über schmale Stege balancieren. Der große Konkurrent Super Monkey Ball Banana Blitz hat mich dank höherem Schwierigkeitsgrad länger an's Pad gefesselt, aber auch der neue Hudson-Kugler bietet unterhaltsames Futter für Freunde von Geschicklichkeitsspielen. Wer allerdings knobeln möchte, wird mit Titeln wie Super Monkey Ball 2 (Gamecube), Mojo (PS2, Xbox) und Marble Blast Ultra (Xbox Live Arcade) besser bedient. Zumal ihr die mittlerweile zum Bruchteil des Preises auf dem Grabbeltisch bzw. bei Xbox Live Arcade findet.

Pro

<P>
durchgestyltes, niedliches Design
Untergrund unbegrenzt drehbar
Nunchuk dient als zweiter Controller
alle Levels zu zweit spielbar
sehr kurze Ladezeiten</P>

Kontra

<P>
geringer Umfang
kaum Abwechslung
nur ein einziger Zweispielermodus
Kamera lässt sich nicht justieren</P>

Wertung

Wii

Kein Kugelmeister à la Marble Madness, aber ein kunterbunter Balance-Akt für Geduldige.

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