Fire Emblem: Radiant Dawn22.02.2008, Jörg Luibl
Fire Emblem: Radiant Dawn

Im Test:

Wenn Freunde sterben, dann tut das weh. In einem Spiel ist das meist kein Problem: Entweder gibt es sofort adäquaten Ersatz oder die Trennung ist keine ewige - egal ob Baldur's Gate, Advance Wars oder Mass Effect. Ein Priester hier, etwas Nachschub oder ein Auferstehungsautomatimus da und schon füllen sich die Reihen. Nicht so in Fire Emblem: Hier ist mit dem Tod wirklich Schluss. Hier verschwinden Freunde für immer. 

Freunde müsst ihr sein?

Die wenigen Zwischensequenzen zeigen Klasse: Packende Szenen, deutsche Lokalisierung und klassisches Fantasy-Flair.
Ich mag sie alle: Micaiah, Edward, Leonardo, Nolan, Laura, Sothe, Ilyana, Aran, Meg. Und das sind nur neun von über 70 Helden mit eigener Persönlichkeit, darunter Kämpfer, Magier, Priester, Tiermenschen und Bogenschützen. Manche sind noch blutjung, aber zeigen vielversprechende Talente. Die robuste Schwertkämpferin Meg etwa: Sie ist erst in Level 3, aber sie ist stark und hat verdammt gute Defensivwerte - aus ihr könnte mal ein Fels in der Brandung werden.

Und ich weiß, wo sie herkommt. Ich weiß, warum sie in meiner Rebellentruppe kämpft. All das kann ich nachschlagen. Deshalb habe ich eine gewisse Bindung aufgebaut. Aber ich bin mit meiner Truppe in der Unterzahl. Mal wieder. Ich darf einfach keinen Fehler machen, wenn ich ohne Verluste als Sieger die Karte verlassen will. Eine falsche Bewegung, ein falscher Zug und einer der zwei Dutzend feindlichen Speerkämpfer spießt einen meiner Helden auf. Auch Meg? Dann wäre sie weg. Für immer...

Rundenstrategie für Experten

Die vielen Kampfbildschirme zeigen durchschnittliches GameCube-Niveau. Irgendwann deaktiviert man die Animationen und belässt es bei der Kartenansicht.
Fire Emblem spielt sich wie Fantasy-Schach der harten Schule. Es lässt mich über jeden Zug grübeln. Und es ist ebenso unvorhersehbar wie knifflig, weil man nie weiß, wie der Gegner reagiert: Kommt er über die Flanke? Setzt er Magie ein? Attackiert er die schwächste Einheit? Ja, das tut er gerne. Die KI attackiert meist mit konsequenter Vorliebe genau diejenigen, die schon fast tot sind oder irgendwo alleine stehen. Das ist aber noch keine Schwäche, sondern eine Stärke des Spiels, denn ich werde ernsthaft herausgefordert.

Wer hier Feldherr ist, der hat es aber auf viele Arten schwer. Verdammt schwer sogar. Vor allem, wenn man keine Verluste machen will, wenn man alle sein Helden möglichst lange behalten und im Level aufsteigen sehen will. Schon in den ersten Missionen sterben eure Freunde bei einem falschen Zug auf einen Schlag. Der Tod lauert überall. Man lädt also neu, man macht einen anderen Zug: Vielleicht doch den Bogenschützen weiter nach hinten und den Kämpfer direkt davor?

Der Tod lauert überall

Kampf im Freien und in Dungeons: Dieses Fire Emblem spielt sich exakt so wie 2005 auf dem GameCube. Es gibt also Rundenkrieg für Profis!
Nein, wieder ist einer tot. Man lädt noch mal neu, macht einen anderen Zug: Doch die Magierin mitziehen? Nein, wieder ist einer tot. Man lädt neu, macht einen anderen Zug: Einen Teil der Gruppe nach oben auf die Plattform, der andere sichert unten ab - hurra, es klappt! Keiner ist gestorben! Alle sind noch da! Schnell die neue und überaus lobenswerte Speicherfunktion während der Kämpfe nutzen und dem nächsten Zug entgegen fiebern&

Man weiß nie genau, ob etwas fruchtet. Und alle Helden sind so verletzlich. Deshalb kann es zu diesen Nachladeorgien und Trial&Error-Zügen kommen - selbst auf dem leichtesten der drei Schwierigkeitsgrade. Aber ich will auf dem normalen Niveau bestehen, denn ich kenne die Serie, bin kein Anfänger. Anspruch ist gut, effektive Feinde sind gut, aber die Grenze zum frustrierenden Erlebnis sind für ungeduldigere Naturen fließend, denn es fehlt der Fluss. Die Spieldesigner hätten diese gnadenlose Zugtüftelei, die ich bis zu einem gewissen Grad liebe, vielleicht für wichtige Schlüsselszenen reservieren sollen. Sanft fängt hier gar nichts an.

          

Fantasy alter Schule

Nicht nur Magier, Kämpfer, Heiler und Tierwesen, auch Drachen und Flugwesen sind dabei.
Aber das wissen Fans der Reihe. Und das lieben viele. Wer einen GameCube sein Eigen nannte und auf klassische Rundenkriege stand, der kam schon Ende 2005 nicht um den Vorgänger Fire Emblem: Path of Radiance herum. Das Spiel von Intelligent Systems war zwar schon damals etwas altmodisch, aber reizte Sammler, Rollenspieler und Taktiker mit seinem nostalgischen Fantasyflair. Die Frage ist, ob die Rundenkriege etwas neu machen, ob sie auf Wii frische Impulse nutzen? Nein. Und das ist schade.

Gar nichts Neues? Nein. Keine Kameraschwenks per Remote, kein Zoom, kein Befehl, kein Minispiel, keine Steuerungsergänzung, kein Nunchukeinsatz. Die besonderen Möglichkeiten der Wii-Konsole werden nicht genutzt - es gibt weder bewegungssensitive Aktionen noch andere Funktionen. Gespielt wird nur mit der Remote, die man quer in der Hand hält - das war's. Über Knopfkombinationen kommt man in die vielseitigen Charaktermenüs, wo man sich per Steuerkreuz durch die Informationen über Ausrüstung, Fähigkeiten & Co blättern kann.

Taktische Verkupplung

Spezialangriffe, multiple Attacken und tödliche Konter: Wer nicht aufpasst, verliert seine Helden sehr schnell. Und sie kommen nicht wieder, denn der Tod ist permanent.
Es gibt nur hier und da einen Hauch von frischem Wind in Form spieltechnischer Details: Da wäre z.B. die Begrenztheit der verteilbaren Fähigkeiten, die noch mehr als zuvor zum klugen Party-Management zwingt; da wäre die Elementarmagie, die die arkanen Möglichkeiten erweitert; da wäre die Konterfähigkeit von Heilern und Laguz, die bisher nicht so effektiv reagieren konnten; da wären die multiplen Attacken oder der Weg durch von Feinden besetzte Felder. Und besonders auffällig ist das erweiterte Geländesystem: Man kann auf Simse, Hügel oder Plattformen steigen. Und die Höhenstufe spielt endlich eine taktische Rolle, indem sie die Statistiken verbessert.

Ein Schlüssel zum Erfolg sind zudem die Beziehungen zwischen den Charakteren. Ihr könnt jeweils ein Duett bilden, also zwei Figuren aneinander binden, damit diese sich unterstützen. Je länger die beiden zusammen kämpfen, desto besser die Statistiken - sie steigen quasi zusammen auf. Und da jedes Pünktchen mehr in der Verteidigung über Leben oder Tod entscheiden kann, sind diese Beziehungen unheimlich wichtig. Also grübelt man in der Ruhe des Lagers darüber, wen man mit wem verkuppeln sollte&

Komplexes Party-Management

In den hervorragenden Filmen werden Kenner der Serie auf alte Bekannte treffen. Auch Ike ist dabei.
Wer sich mit der Reihe nicht auskennt, kann sich angesichts der Fülle an Statistiken und Werten durchaus überfordert fühlen, denn es gibt kein Einführungskapitel. Wenn man etwas nicht versteht, hilft nur ein Blick in das ausführliche Tutorial mit seinen Kurzfilmen, die immerhin Schritt für Schritt Anweisungen geben. Und das ist bitter nötig, denn die Möglichkeiten des Party-Managements sind grandios: Egal ob Waffen schmieden, Skills aufteilen, Zauber kaufen, verkaufen oder Beziehungen veralten.

Neben dem Level, der Kraftpunkte, der Bewegung und der Kondition gibt es auf insgesamt drei Seiten Informationen über acht Attribute wie Stärke, Resistenz oder Glück sowie die Statur, das Ausweichen, die Spezialfähigkeiten oder den Waffenlevel, der alleine sechs Stufen beinhaltet. Und hier kann man sich köstlich lange damit beschäftigen, ob eher der Ritter oder der Waldläufer das neue Schwert führen soll.

Eure Kämpfer sammeln für alle Attacken und Paraden Erfahrungspunkte, die irgendwann in einen Levelaufstieg münden, was gerade zu Beginn sehr zügig geht. Leider kann man dann nicht selbst entscheiden, ob die Stärke oder das Glück erhöht werden sollen - alles wird automatisch aufgewertet. Das passiert zwar im Sinne der Charakterklasse, raubt dem Spieler aber immer noch Freiheiten bei der Entwicklung. Es gibt nur eine Einflussmöglichkeit: Möchtet ihr einen Recken besonders fördern, müsst ihr ihn oft an die Front schicken oder aus dem Pool der Teamerfahrungspunkte individuell aufpeppeln.

  

Altbekanntes Kampfsystem

Statistiken und Werte ohne Ende: Wer auf Party-Management steht, darf sich hier fast frei austoben. Fast deshalb, weil bei einem Aufstieg automatisch die Werte erhöht werden.
Das Kampfsystem ist ebenso einfach wie komplex: Axt schlägt Lanze. Lanze schlägt Schwert. Schwert schlägt Axt. Das ist das magische Dreieck, das ihr in der Schlacht kennen solltet. Natürlich kann man mit jedem Waffentyp Schaden anrichten und das Prinzip zur Not ignorieren. Aber wer mit einer Doppelaxt auf einen Schwertkämpfer stürmt, wird empfindliche Abzüge hinnehmen müssen. Selbst im arkanen Bereich ist Taktik gefragt: Auch Magier müssen wohl überlegt Feuer, Wind oder Donner beschwören, denn auch hier gilt das Schere-Stein-Papier-Prinzip - nur das arkane Licht ist universell effektiv. Man kann mit Speeren über zwei Felder attackieren, bei der richtigen Waffenwahl mit Konterangriffen glänzen oder gezielt die Erstschlagfähigkeit nutzen.

Die jeweiligen Boni und Mali werden schon vor dem Kampf in einem informativen Doppelmenü angezeigt. Hier können noch viele weitere Modifikationen betrachtet werden: Bogenschützen erhalten z.B. Pluspunkte beim Beschuss fliegender Einheiten; es gibt Panzer brechende Waffen oder solche, die am besten gegen Reiter wirken - kleine Icons informieren euch über aktuelle Fähigkeiten. Mit ein bisschen Gestöber und gezieltem Itemtausch kann man sich optimal auf jeden Gegner vorbereiten. Auch das bekannte Wegschubsen auf ein anderes Feld sowie das Retten leichterer Freunde ist wieder dabei.

Ein gewaltiges Offline-Epos

Unterm Strich ist Fire Emblem einfach zu konservativ für Wii: Es nutzt weder die besonderen Steuerungsmöglichkeiten noch bietet es Mehrspielerunterstützung.
Auch hinter diesem Abenteuer steckt eine epische Geschichte. Und sobald man in der Basis ist, kann man gezielt mit den Helden sprechen, um mehr über sie oder ihre Motivation zu erfahren. Wer das tut, wird übrigens auch mit Erfahrungspunkten belohnt. Um die Rollenspieldimension noch mal zu verdeutlichen: Es gibt über 70 Charaktere. Alle mit eigenen Statistiken. Alle verknüpft mit der Fantasywelt, die sich seit Jahren auf diversen Plattformen entfaltet.

Die Story spielt drei Jahre nachdem der verrückte König besiegt wurde. Das Königreich Daein zerfällt aufgrund von Korruption und Vetternwirtschaft. Ihr übernehmt die Rolle von einem Trupp Rebellen - Robin Hood lässt grüßen. Es geht erneut um den Kampf zwischen den Beorc und den Laguz, den Menschen und den Biestern, die sich in Tiere verwandeln können. Im Zentrum eurer Gruppe steht das silberhaarige Mädchen Micajah.

Kenner werden auf alte Bekannte wie den Greilsöldner Ike treffen, den Perspektivwechsel in der Story begrüßen und sich schnell heimisch fühlen. Erzählt wird allerdings vor statischen Hintergründen, ohne Sprachausgabe, mit ganz wenig Mimik. Das ist genau so enttäuschend wie die eigentliche Geschichte, die nicht an die Faszination des Vorgängers anknüpfen kann. Lediglich in den wenigen, dafür hervorragend animierten Filmen gibt es klasse Szenen und echte Stimmen - übrigens komplett auf Deutsch.

Das Abenteuer ist verdammt umfangreich, aber danach gibt es nichts zu tun: Es gibt abseits der Kampagne keinen Skirmish-Modus oder gar eine Multiplayerunterstützung - selbst Splitscreenkämpfe sind also nicht möglich. Dabei hätte sich der Wii auch für Online-Gefechte angeboten. Schon 2005 haben wir diese Ignoranz gegenüber Mehrspielermöglichkeiten kritisiert, drei Jahre später herrscht immer noch Stillstand.

  

Fazit

Wie spielt sich das neue Fire Emblem? Wie das alte auf dem GameCube. Wie steuert es sich? Wie das alte auf dem GameCube. Wie sieht es aus? Wie das alte auf dem GameCube. Ihr seht schon: Es hat sich auf den ersten, den zweiten und dritten Blick nichts getan. Und das ist ernüchternd, denn es liegen jetzt drei Jahre zwischen dem Rundenkrieg auf dem Würfel und dieser Wii-Variante. Natürlich freue ich mich als Taktiker immer noch über die sehr gute Spielmechanik, über die epischen Ausmaße der Story, über das komplexe Party-Management und über den hohen Anpsruch, der aus diesem Abenteuer ein überaus kniffliges Fantasy-Schach macht. Und zwar eines, wo der konsequente, weil permanente Tod jeder geliebten Figur schmerzt. Aber ich hätte mir 2008 mehr gewünscht, als nur ein wenig Feintuning am Spielprinzip. Warum werden die Steuerungsmöglichkeiten der Wii-Konsole nicht wenigstens für Zoom oder Kamera genutzt? Warum gibt es weder Online- noch Splitscreen-Modus? Warum muss das Spiel genau so aussehen wie vor drei Jahren? Lediglich die hervorragenden, aber nur spärlich gesäten Zwischensequenzen lassen auch technisch Fantasyklasse aufblitzen. Ich spiele es immer noch gerne, aber Titel wie Disgaea: Hour of Darkness rangieren selbst auf PS2 eine Klasse höher. Und wer frische Impulse erwartet hat oder noch nie Rundenstrategie gespielt hat, wird entweder enttäuscht oder frustriert. Dieses sympathische, aber altbackene Epos ist nämlich auch teuflisch schwer. Es ist quasi das Contra für Feldherren - nur die Harten sollten es starten.

Pro

gutes Kampfsystem
epischer Soundtrack
klassisches Rollenspielflair
klug agierende Feinde
komplexes Party-Management
motivierende Rollenspielelemente
Kampf im Freien & in Dungeons
abwechslungsreiche Zielvorgaben
neues Speichern während der Missionen
neues Höhensystem im Gelände
konsequent: Charaktere sterben

Kontra

keinerlei Wii-Funktionen genutzt
spielt sich exakt wie auf dem GameCube
erzählerisch schwächer als der Vorgänger
fade Präsentation, fade Kulissen
kein Online-Modus, kein Skirmish, kein Splitscreen
von Beginn an frustrierend schwer (Zwang zu Trial&Error)
nur automatischer Charakteraufstieg

Wertung

Wii

Nur die Harten sollten diesen Rundenkrieg starten: Anspruchsvolles, aber technisch veraltetes Fantasy-Epos ohne Wii-Impulse.

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