Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen30.11.2007, Jens Bischoff
Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen

Im Test:

Eigentlich ist es ja noch ein ganzes Stück hin bis zu den Olympischen Spielen 2008 in China. Mario und Sonic sind aber schon jetzt vor Ort und heiß auf Olympisches Gold. Doch wie gut eignen sich die Jump'n'Run-Könige als Athleten bei realen Sportwettkämpfen? Brillieren sie in maßgeschneiderten Disziplinen oder wirken sie wie Fremdkörper in einer Welt, die eigentlich nicht ihre ist? Wir berichten live aus dem Sega-Stadion in Peking!

Der Anfang einer fruchtbaren Beziehung?

Was zu SNES- und Mega Drive-Zeiten wohl niemand für möglich gehalten hätte, ist mit Mario & Sonic bei den Olympischen Spielen erstmals Realität geworden: Der schnauzbärtige Klempner und der blaue Überschalligel geben sich Seite an Seite in einem gemeinsamen Videospiel die Ehre. Mit im Schlepptau jeweils sieben Freunde und Erzrivalen der beiden Hüpfikonen

Neben 18 bekannten Mario- und Sonic-Charakteren, könnt ihr auch mit Miis zum Wettkampf antreten.
wie Bowser, Dr. Eggman, Yoshi oder Knuckles.  Gemeinsam treten sie an, um in 20 authentischen Disziplinen Olympisches Gold zu holen.

Etwas ungewöhnlich ist dabei die Tatsache, dass die Athleten über individuelle Attribute wie Tempo, Kraft oder Ausdauer verfügen. Von diesen Unterschieden ist im direkten Wettkampf allerdings nicht allzu viel zu spüren, so dass Turniere nicht bereits durch die Charakterwahl vorentschieden werden. Wer Duelle mit unterschiedlich geübten Spielern ausgleichen will, sollte dies eher durch das Auferlegen von optionalen Handicaps tun.

Neben Mario, Sonic & Co dürft ihr aber auch vorgefertigte sowie eigene Miis ins Rennen schicken, die alle über die exakt gleichen Attribute verfügen. Dadurch wird ein sehr persönliches und quasi unerschöpfliches Teilnehmerfeld zur Verfügung gestellt, das stets erweitert werden kann. Zudem könnt ihr eine ganze Reihe an Abzeichen und Trophäen freispielen, die ihr neben eurem Benutzernamen und eurer gewählten Nationalität an euer Spielerprofil anhängen dürft. 50- und 60Hz-Spielstände sind dabei übrigens nicht untereinander kompatibel, weshalb man die bevorzugte Bildfrequenz während seiner Olympia-Karriere im Wii-Menü nicht mehr ändern bzw. vor Wiederaufnahme stets auf das anfängliche Format zurücksetzen sollte, um versehentlichen Datenverlust zu vermeiden. Es gibt sogar Online-Ranglisten, wo man seine Bestleistungen mit denen von anderen Spielern vergleichen kann.

Einen Online-Mehrspielermodus sucht ihr jedoch vergeblich. Auch sonst wird die Partytauglichkeit unnötig eingeschränkt, da ihr zusätzliche Disziplinen und Turniere allesamt nur im Alleingang freispielen könnt, was mangels konkreter Hinweise gar nicht so einfach ist. Zudem sind manche Wettkämpfe alles andere als leicht zugänglich und auch den Erklärungen mangelt es oft an Genauigkeit und passender Veranschaulichung.

Schütteln bis die Arme schmerzen: Ein Großteil der Disziplinen wird auf der Laufbahn bestritten.
Statt konkreter Videoerklärungen wie z. B. in Raving Rabbids 2 werden hier nur aus dem eigentlichen Spielverlauf los gelöste Remote- & Nunchuk-Animationen mit oft schwammigen Begleittexten eingespielt.

Zu früh geerntet?

Auch die Bewegungssteuerung selbst ist teils alles andere als präzise. Manchmal werden Bewegungen überhaupt nicht erkannt oder fehlinterpretiert und es mangelt an akkuraten Kraft- oder Winkelindikatoren, so dass viele Aktionen zur reinen Gefühlssache werden. Das muss nicht unbedingt schlecht sein, erschwert allerdings den Einstieg und damit auch die Partytauglichkeit für Neueinsteiger oder weniger geübte Spieler. Auch die Eignung für Kinder wird durch halbherzige Erklärungen und weniger leicht nachvollziehbare, teils gar frustrierende Mechanismen unnötig eingeschränkt. Ein feiner Zug wäre es hier gewesen, die Erklärungen optional in vertonter Form zur Verfügung zu stellen. Doch stattdessen gibt es (deutsche) Sprachausgabe beim Freischalten neuer Erfolge und ähnlich unwichtiger Ereignisse...

So muss sich, wer nicht lesen kann, das Spiel halt von anderen erklären lassen und wer die Steuerung richtig beherrschen will, die Devise Learning-by-Doing befolgen. Hat man's einmal raus, gehen die meisten Aufgaben jedoch locker von der Hand und bieten oft sogar taktische Komponenten. Ein gewisser Unsicherheitsfaktor bei Intensitätsmechanismen bleibt allerdings bestehen. Eine nette Idee, die ebenfalls teils nach hinten los ging, ist die Einbindung der Nunchuk-Aufsätze. So sind viele Disziplinen zwar auch ohne Zusatz spielbar, Bestzeiten erreicht man so aber nur selten - es sei denn, es handelt sich um Wettbewerbe, die von vorn herein nur auf Remote ausgelegt wurden.          

Da kommen wir auch schon zum nächsten Kritikpunkt: Da man manche Disziplinen generell ohne Aufsatz spielen muss, kommt es zu ständigen Ab- und Anstöpselorgien, da das Spiel sonst nicht weiter geht, obwohl ein eingesteckter Nunchuk die Ausführung in den meisten Fällen überhaupt nicht behindern würde. Wenn man bei vorgefertigten Turnieren nach jeder Disziplin zum Umstecken verurteilt wird, kann das auf Dauer ganz schön nervig sein. Auf die einfache Idee, die jeweiligen Sportarten einfach in entsprechend abgestimmte Turniere zu packen, 

Das Bogenschießen ist eine der gelungeneren Wettkampfumsetzungen.
ist bei Sega aber kurioserweise niemand gekommen. Na ja, zur Not kann man ja auch eigene Turniere erstellen. Aber mangels entsprechender Steuerungsindikatoren, muss man auch hier genau wissen, welche Sportarten wie gesteuert werden, um diesem Manko aus dem Weg zu gehen. Dabei hat Raving Rabbids 2 bereits gezeigt, wie so etwas vollautomatisch funktioniert...

Alleinunterhalter

Neben dem Bestreiten von Turnieren und einzelnen Disziplinen, steht übrigens auch ein sich ausschließlich an Solisten richtender Missionsmodus bereit. Darin gilt es mit jedem der 18 Charaktere ein halbes Dutzend individueller Herausforderungen zu meistern, was den Titel auch über gesellige Multiplayer-Partien hinaus interessant macht. In diesen Aufgaben geht es nicht einfach darum, der Beste zu sein, sondern bestimmte Vorgaben zu erfüllen wie z. B. eine konkrete Weite beim Hammerwerfen zu erreichen, einen Gegner beim Fechten auf spezielle Weise zu schlagen oder beim Tischtennis möglichst lange einen Ballwechsel aufrecht zu halten.

Des Weiteren gibt es auch noch einen Galeriemodus mit Quizeinlagen. Hier erwartet euch allerdings kein interaktiver Wissenstest mit heißer Buzzer-Action, sondern lediglich eine Art Infobox, durch die ihr Wissenswertes über die Olympischen Spiele erfahrt, indem ihr eine Reihe von simplen Minispielen wie Memory, Senso oder Figurenzählen bestreitet. Ein nettes Zusatz-Angebot für Einzelspieler, das trotz freischaltbarer Olympia-Infos sowie Retro-Melodien aus Mario- & Sonic-Spielen aber nur kurzzeitig das Interesse weckt. Die audiovisuelle Präsentation ist generell sehr solide, aber auch weitestgehend unspektakulär. Rasante Kamerafahrten, dramatische Zeitlupen oder fulminante Effekte machen sich rar. Auch die Wiederholungen und Siegerehrungen sind nicht wirklich beeindruckend, die Stadionatmosphäre eher gesittet.

Verschenktes Potential

Die spielerische Wirbelsäule des Ganzen ist und bleibt natürlich der für bis zu vier Teilnehmer ausgelegte Turniermodus. Neben acht authentischen Olympia-Sportarten wie Leichtathletik, Turnen, Schwimmen oder Schießen, kann man übrigens auch vier Fantasie-Events wie Tauchen oder eine Art Mario Kart -Rennen zu Fuß freischalten. Selbst im Hauptspiel eher unspektakuläre Sportarten wie Fechten oder Tischtennis werden hier dank fulminanter Spezialattacken zu einer spaßigen Action-Angelegenheit. Da fragt man sich unweigerlich, warum Sega nicht gleich alle Disziplinen als rasante Fantasie-Events angelegt hat. 

Die Fechtduelle sind in realistischer Ausführung eher plump und langweilig...
Das hätte nicht nur den Comic-Helden besser zu Gesicht gestanden, sondern auch den Spielspaß bestimmt deutlich gesteigert. Mario selbst hat das mit Tennis , Golf oder Fußball  ja bereits erfolgreich vorgemacht. Vielleicht wäre dadurch die Lizenz als offizielles Olympisches Videospiel verloren gegangen, aber die Fans hätten es Sega sicher gedankt...

So müsst ihr euch mit Frust-Events wie dem Tontaubenschießen, Spaßbremsen wie dem Florett-Fechten oder zahllosen Klon-Disziplinen im Bereich Laufen, Schwimmen und Springen begnügen. Dass ca. ein Viertel aller Wettkämpfe auf der Laufbahn ausgetragen werden, sagt dabei schon eine ganze Menge über den Einfallsreichtum der Entwickler aus. Es gibt aber zum Glück auch ein paar unverbrauchte Sportarten wie Trampolinspringen, Tischtennis oder Bogenschießen. Auch stets spaßige Evergreens wie Hammerwerfen, Rudern oder Stabhochsprung sind mit von der Partie. Insgesamt hätte die Auswahl aber ruhig etwas origineller und abwechslungsreicher ausfallen können. Auch Team-bzw. Staffel-Disziplinen sind eher eine Seltenheit. Immerhin sorgt die Möglichkeit, mit einmaligen Risiko-Zusagen in einer favorisierten Disziplin doppelte oder gar keine Punkte zu kassieren, für zusätzliche Würze bei Mehrspielergelagen. Als reines Partyspiel gibt es Mit Nintendos Wario Ware und Ubisofts Raving Rabbids  allerdings weit besser geeignete Alternativen.     

Fazit

Mario & Sonic machen bei ihrem ersten gemeinsamen Auftritt beileibe keine schlechte Figur. Goldwürdig ist ihre Teilnahme bei den Olympischen Spielen allerdings nicht. Dazu fehlt es den meisten Disziplinen einfach an Brillanz und Pep. Selbst Steuerung, Spielkomfort sowie Party- und Kindertauglichkeit lassen teils deutlich zu wünschen übrig. Von den oft unpräzisen Spielerklärungen sowie schwammigen Bewegungsabfragen und Kraftindikatoren über nervige Nunchuk-Wechselorgien, gelegentliche Übersichtsprobleme und unnötige Frustmomente bis hin zu inhaltsgleichen und recht unausgewogenen Wettkämpfen mangelt es einfach vielerorts am letzten Feinschliff. Dabei wäre doch noch genug Zeit gewesen, hier bis zur Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking in aller Ruhe nachzubessern. Aber dann hätte man ja auf das lukrative Weihnachtsgeschäft verzichten müssen... Irgendwie will auch die Symbiose aus authentischen Sportarten und Comic-Athleten nicht so richtig aufgehen. Dabei zeigt Sega mit einer Hand voll freischaltbarer Fantasie-Disziplinen doch selbst, wie es weit besser hätte funktionieren und Spaß machen können. Auch dass man neue Minispiele und Turniere nur im Einzelspielermodus freischalten kann und man einmal mehr versäumt hat, einen Online-Modus zu integrieren, wirkt nicht gerade zeitgemäß. Immerhin gibt es Online-Ranglisten und selbst zusammenstellbare Turniere. Unterm Strich wäre aber einfach weit mehr drin gewesen als ein solider, aber unspektakulärer Track & Field-Klon mit den wohl beliebtesten Maskottchen der Videospielgeschichte.

Pro

solider Multiplayer-Spaß
fordernder Missionsmodus
gelungene Fantasie-Events

Kontra

unnötiges Frustpotential
oft unpräzise Minispiel-Erklärungen
teils schwammige Bewegungsabfragen
viele ähnliche & spielerisch mäßige Disziplinen
neue Disziplinen & Events nur solo freispielbar

Wertung

Wii

Solider, aber unspektakulärer Track & Field-Klon mit Olympia-Lizenz.

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