Brothers in Arms: Double Time27.10.2008, Jan Wöbbeking
Brothers in Arms: Double Time

Im Test:

Der Zweite Weltkrieg ist allgegenwärtig. Nicht nur auf Xbox Live wird man alle Nase lang von einem Amerikaner an die unrühmliche deutsche Vergangenheit erinnert. Auch Shooter-Experte Ubisoft schickt uns immer noch ab und zu in den Krieg gegen das NS-Regime. Auf PC, PS3 oder Xbox 360 dürft euch ihr im aktuellen Brothers-in-Arms-Teil "Hell's Highway" in taktische Ego-Shooter-Schlachten stürzen. Wii-Besitzer müssen dagegen mit den Vorgängern Vorlieb nehmen, die alles andere als ordentlich für die Nintendo-Konsole umgesetzt wurden.

Zwei himmlische Shooter auf dem Weg zur Hölle

Im weißen Doppelpack mit der Aufschrift "Brothers in Arms: Double Time (ab 22,89€ bei kaufen)" stecken die rund drei Jahre alten Teile "Earned in Blood" und "Road to Hill 30" Keine schlechte Idee, sollte man meinen. Warum sollten darbende Shooter-Fans mit einer Wii-Konsole nicht die Normandie-Kämpfe nachholen, die schon auf PC und den Konsolen für unterhaltsame Taktik-Action gesorgt haben? Die Antwort ist einfach: Weil die Umsetzung sauber in den Sand gesetzt wurde. Ein paar technische Macken verwandeln die einst spannenden Team-Schlachten in einen zähen Grabenkampf.

Wie in den Originalen arbeitet ihr euch in der Normandie von Deckung zu Deckung und scheucht eure Untergebenen mit dem einfach zu bedienenden Ziel-Cursor durch die Levels. Auf Wunsch folgen sie euch, stürmen eine Stellung der "Krauts" oder heizen dem Gegner mit Sperrfeuer ein.

Wenn das stotternde Bild im falschen Moment einfriert, schickt ihr eure Kameraden in den tödlichen Kugelhagel, statt ihnen den Sperrfeuer-Befehl zu geben.
Letztere Option nehmt ihr besonders häufig in Anspruch, denn währenddesen könnt ihr euch diebisch von der Seite anschleichen und die Widersacher mit einem netten Geschenk von der Flanke überraschen.

Eins, zwei, drei, vier, Eckstein

Ihr schleicht um Scheunen herum, greift die Deutschen auf dem Hof einer Kirche an und kämpft euch über Felder und Wiesen. Ab und zu ballert ihr die anrückende Übermacht auch mit einem MG über den Jordan oder jagt ein feindliches Geschütz in die Luft. Natur und Dörfchen sind detailverliebt nachempfunden, wirken aber dank matschiger Texturen trotzdem alles andere als hübsch - auch für Wii-Verhältnisse. Mal dient ein Erdwall als Deckung, mal ein paar Mauern oder andere Hindernisse. Die Gegenstände lassen sich zwar noch nicht zerstören wie im aktuellen Teil, andererseits sind die Levels von anno dunnemals sehr motivierend aufgebaut. Verlaufen könnt ihr euch nicht und trotzdem lässt die Umgebung euch meistens genug Spielraum, um eure Angriffe zu variieren.

Auch das alte Energiesystem zwingt euch dazu, die Schachzüge mit Hilfe der etwas trägen 3D-Karte gewissenhaft zu planen. Anders als im aktuellen Teil lädt sich eure Energie nicht einfach auf, wenn ihr eine Runde in Deckung verharrt. Dank sinnvoll verteilter Checkpoints ist das aber auch für Einsteiger nicht weiter wild. Frust kommt trotzdem auf, und zwar dank der schludrigen Umsetzung: Die niedrige, stark schwankende Bildrate treibt euch Tränen in die Augen und die ab und zu auftretenden Grafikfehler versüßen das Spiel mit unfreiwilliger Komik. Ein besonders beeindruckendes Exemplar könnt ihr auf dem Hof hinter der Kirche beobachten. In der Nähe der Mauer erwartet euch ein Schauspiel, gegen welches das Polarleuchten wie eine billiger Lichteffekt anmutet.

Nicht schön aber selten: Die realitätsgetreu designten Levels leiden unter der verwaschener Grafik und starkem Ruckeln.
Schaut ihr gen Himmel, wird dieser von einem wunderschön im Tageslicht pixelnden grünbraunen Riesenpolygon durchschnitten. Je nach Blickwinkel transformiert sich das unheilvoll über der Szenerie thronende Dreieck.

Unerwünschte Pausen

Deutlich drastischer als solch kosmetische Details wirkt sich das ewige Stocken aus: Alle par Sekunden dürft ihr ein Standbild betrachten, und zwar ausgerechnet immer in den ungünstigsten Momenten. Ihr nehmt einen Feind ins Visier - Standbild. Ihr wollt euren Männern den Befehl für Sperrfeuer geben - Standbild. Wenn es weiter geht, laufen eure Kameraden nicht selten ungeschütz in den Kugelhagel, weil ihr dank dem Hänger den falschen Befehl gegeben habt. Als ob das nicht reichen würde, wird die Navigation durch das etwas schwammige Handling erschwert. Die Entwickler waren nicht gerade experimentierfreudig und haben dem Spiel zwei Variationen der auf Wii üblichen "Box-Steuerung" spendiert. In der Mitte des Bildschirms nehmt ihr wie in einem Lightgun-Shooter die Gegner auf's Korn; bewegt ihr den Cursor an den Rand, dreht sich die Kamera. Wenn nicht gerade das Bild einfriert, funktioniert immerhin das Dirigieren eurer Soldaten mit der Fernbedienung recht gut.  

Fazit

"Man hat mich nie gefragt, ob ich Anführer werden wollte, ich hatte keine Wahl." Nachdem ich Brothers in Arms: Double Time gespielt habe, kann ich das Zitat des Titelhelds Baker gut nachvollziehen. Auch mich hat niemand gefragt. Auch ich wäre angesichts der Grausamkeiten auf dem Bildschirm am liebsten schreiend aus dem Konsolenbüro geflohen. Wie kann man einen Klassiker der Taktik-Action nur so zurichten? Verschwommene Texturen? Kein Problem für einen gurkengestählten 4Players-Redakteur. Schwankende Bildrate? Kann mich nicht aus dem Gleichgewicht bringen. Grafikfehler? Ich lache euch ins Gesicht! Doch zusätzlich friert alle paar Sekunden das Bild ein und versaut euch so einen nicht gerade kleinen Teil eurer Planungen. Mal stockt das Bild direkt in einem gefährlichen Schusswechsel, ein anderes mal schickt ihr ohne Eigenverschulden einen Kameraden in den tödlichen Kugelhagel. In Kombination mit der trägen Steuerung machen die Fehler die Kampagne zäh und frustrierend. Ihr fragt euch, warum trotz all meines Gezeters keine rote Zahl unter dem Fazit prangt? Dann habt ihr die Zähigkeit von Sergeant Baker, Hartsock & Co unterschätzt. Oder um es im pathetischen Weltkriegs-Shooter-Jargon auszudrücken: Selbst eine derart grausame Umsetzung kann keine Legende töten. Zumindest nicht komplett, denn an allen Ecken und Enden blitzt die Klasse des Leveldesigns auf. Man spürt regelrecht, wie viel Spaß es machen könnte, seine Männer um all die Scheunen, Hecken und Mauern zu schicken und die "Krauts" mit hämischen Grinsen im Gesicht von der Flanke aus zu überraschen. Wenn ihr hart im Nehmen seid, kann es sein, dass euch die Gefechte trotzdem in ihren Bann ziehen. Doch wozu sollte man sich das antun, wenn es die deutlich besseren Originale für ein Trinkgeld auf PC und den Konsolen der letzten Generation gibt?

Pro

+ klassisch gute Mischung aus Action und Taktik+ motivierendes Leveldesign+ hohe historische Authentizität+ abwechslungsreiche Missionen

Kontra

ständiges Bildstocken mitten im Gefecht
niedrige, stark schwankende Bildrate
etwas träge Steuerung
unscharfe Texturen
ab und zu KI-Aussetzer
keinerlei Online-Modi

Wertung

Wii

Zähes Durchbeißen statt packender Team-Gefechte: die Wii-Umsetzung des Shooter-Klassikers wurde technisch ordentlich in den Sand gesetzt.

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