Final Fantasy Fables: Chocobo's Dungeon14.11.2008, Jens Bischoff
Final Fantasy Fables: Chocobo's Dungeon

Im Test:

Ein ausgewachsenes Final Fantasy wird es für Wii-Besitzer in absehbarer Zeit zwar keines geben, aber immerhin gibt das Maskottchen der Serie nach seinem DS-Auftritt in Chocobo Tales nun mit Chocobo's Dungeon auch ein Wii-Gastspiel. Ernst zu nehmende Rollenspielkost für Fans oder flügellahme Lizenzausschlachtung?

Der Schein trügt

Nach einem ersten Blick auf die Packung tendiert man wohl eher zu letzterem: Kindliche Charaktere mit Vogelbaby und der Slogan "Final Fantasy-Spaß für alle Generationen" schmecken verdammt nach Trittbrett fahrendem Casual-Süppchen für Vorschüler und Plüschtiersammler. 

 

Video: Ein kurzer Ausschnitt zeigt euch das rundenweise Taktieren in den Zufallslabyrinthen.Aber gut, die Fassade kann bekanntlich täuschen. Also rein mit der Disc ins Laufwerk und dem putzigen Federvieh auf den Milchzahn gefühlt. Hm, eine vertraute Melodie umschmeichelt das Fanohr und das kurz darauf folgende Render-Intro kann sich wie bei fast allen Square Enix-Produktionen trotz gewöhnungsbedürftig infantiler Figuren absolut sehen lassen!

Auch die Story beginnt interessant: Nach einer verpatzten Schatzsuche landen Final Fantasy-Urgestein Cid und sein gefiederter Begleiter Chocobo in einem Dorf namens Lostime, dessen Einwohner auffällig freundlich und gelassen wirken. Nein, ihr seid nicht in einer Hanf anbauenden Hippie-Enklave gelandet - auch wenn der örtliche Apotheker sicher in Woodstock war. Die Leute vergessen einfach bei jedem Glockenschlag alles, was sie bedrückt und leben zufrieden in den Tag hinein. Auch Cid leidet kurz nach eurem Eintreffen unter Gedächtnisschwund, wird zu einem außerhalb des Dorfes liegenden Gehöft transportiert und kurz darauf überschlagen sich die Ereignisse: Ein gleißendes Ei fällt vom Himmel, ein Baby mit grünen Haaren schlüpft aus und verschwindet kurze Zeit später in den vergessen geglaubten Erinnerungen der Dorfbewohner, die wie finstere Wolken über ihren Köpfen auftauchen.

Das wirkt skurril, vielleicht sogar albern, ist aber auf jeden Fall interessant. Was sich wohl in diesen Wolken verbirgt? Haben sich die Einwohner überhaupt freiwillig von ihrer Vergangenheit getrennt? Wer könnte ein Interesse an ihrem Vergessen haben? Und was zur Hölle hat es mit diesem mysteriösen Balg auf sich? Fragen über Fragen, die schon bald beantwortet werden sollen, denn eure Aufgabe ist es, dem Eiersprössling zu folgen und mit seiner Hilfe die Erinnerungen der Menschen wieder zutage zu fördern. Die geheimnisvollen Wolkenreiche entpuppen sich allerdings als ziemlich gewöhnliche, zufallsgenerierte 08/15-Dungeons, in denen Chocobo nichts anderes tut als Gegner zu vermöbeln, Schätze zu sammeln und sich Stockwerk für Stockwerk der jeweiligen Erinnerung zu nähern, mit deren Offenbarung anschließend die Handlung weiter vorangetrieben wird.

Zug um Zug

Die Erforschung der rasterförmigen Labyrinthe erfolgt rundenbasiert. Bei jedem Schritt machen auch eure ansonsten regungslos verharrenden Gegner einen Zug. Es sei denn, sie halten gerade ein Nickerchen. Zudem verfügen eure Widersacher über unterschiedliche Bewegungsgeschwindigkeiten und Angriffsreichweiten, die es auf Schritt und Tritt mit einzukalkulieren gilt. 

Das Szenario ist interessant, die Spielwelt wirkt jedoch überschaubar und unspektakulär.
Allerdings könnt ihr immer nur eure direkte Umgebung einsehen. Was weiter entfernt passiert, bleibt für euer Auge im Verborgenen, was nicht nur bei der Planung von Distanzangriffen und Zaubern ziemlich nerven kann. Manchmal werdet ihr sogar von Gegnern getroffen, die sich außerhalb eures Blickfelds befinden... Immerhin gibt es eine Automap, die eure Erkundungen kartografisch festhält und auch entdeckte Fallen oder Schätze vermerkt. Das System erinnert ein wenig an die Kämpfe aus Valkyrie Profile , nur dass hier jedes Stockwerk eine zusammenhängende Kampfarena darstellt, in der es in erster Linie um die Ausnutzung von Zug- und Stellungsvorteilen geht.

Das Spielgerüst ist nicht sonderlich komplex: Ihr könnt euch bewegen, drehen und auf der Stelle treten, Objekte und Fertigkeiten einsetzen oder mit einem Standardtritt angreifen. So weit, so unspektakulär. Was für besondere Würze sorgt, ist das aus anderen Final Fantasy-Episoden bekannte Jobsystem. So kann Chocobo vor jedem Dungeon-Besuch einen von insgesamt zehn erlernbaren Professionen wie Weißmagier, Ninja, Dieb oder seine natürliche Form wählen. Jeder Beruf verfügt dabei über spezielle Fertigkeiten, die ihr euch durch Kämpfe in der entsprechenden Jobklasse Schritt für Schritt aneignet. Auch Lebensenergie, Angriffs- und Abwehkraft hängen vom jeweiligen Beruf und Level ab. Eure Ausrüstung ist hingegen universell: Ein Sattel gibt euch Schutz, Krallen werten eure Angriffe auf und ein Halsband sorgt für Resistenzen und andere Extras.         

Doch auch wenn ihr nur drei verschiedene Objekte am Körper tragen könnt, gibt es hier viele Möglichkeiten zur Individualisierung. Beim Schmied könnt ihr eure Ausrüstung nämlich nicht nur verbessern, sondern auch miteinander verschmelzen, wodurch ihr bestimmte Eigenschaften relativ frei miteinander kombinieren könnt. 

Kein Spaziergang: Bossfights und Bonus-Dungeons sorgen durchaus für Herausforderung.
So fügt ihr eurem Sattel z. B. Widerstandskräfte gegen bestimmte Elemente hinzu oder lasst eure Krallen Zustandsveränderungen beim Gegner auslösen. Zudem könnt ihr mit gefundenen Schriftrollen Zauber wirken und mittels spezieller Kristalle auch alte Bekannte wie Ifrit, Leviathan oder Ramuh beschwören. Darüber hinaus könnt ihr eingesammelte Objekte auch als Wurfgeschosse missbrauchen und müsst darauf achten, dass euer kleiner Vogel unterwegs nicht Hunger leidet.

Fordernder als gedacht

Der Schwierigkeitsgrad ist höher, als es die kindliche Präsentation vermuten lassen würde. Fühlt ihr euch einer Aufgabe nicht gewachsen, könnt ihr jedoch bereits gemeisterte Dungeons jederzeit wieder besuchen, um stärker zu werden. Allerdings gibt es auch zahlreiche Bonusverliese in denen ihr mit Levelbegrenzungen und anderen Einschränkungen zurecht kommen müsst. Gerade bei Aufträgen, bei denen alle Figuren nur einen Lebenspunkt haben, ist Hochspannung, aber teils auch Frust angesagt, da bereits eine übersehene Falle oder ein verfehlter Angriff das Aus bedeuten kann. Man kann sich jedenfalls etliche Stunden mit dem Titel beschäftigen und auch nach dem Abspann gilt es noch einiges zu entdecken. Story-Dungeons reichen bis zu 50, Bonus-Dungeons sogar bis zu 100 Stockwerke tief.

Die Spielwelt außerhalb der Labyrinthe besteht leider nur aus dem überschaubaren Örtchen Lostime sowie einem nahe gelegenen Bauernhof. Allerdings könnt ihr euch die Zeit dort nicht nur mit Shoppen und Smalltalk, sondern auch mit Fischfang, Ackerbau oder einer Reihe von Minispielen wie Darts vertreiben - gestaffelte Siegprämien inklusive. Es gibt sogar ein sehr umfangreiches virtuelles Sammelkartenspiel, das ungemein reizvoll ist, über einen Onlinemodus samt Rangliste verfügt und auch gegen verschiedene KI-Gegner bestritten werden kann. Neue Karten findet ihr nicht nur in den Dungeons, sondern auch in verschlüsselten Briefen, die euch nach bestimmten Ereignissen als Belohnung ins Haus flattern.

Nicht nachvollziehbare Sprachbarriere

Was allerdings verwundert, ist, dass das Spiel trotz seines kindlichen Looks und einer Alterfreigabe ab 6 Jahren komplett auf Englisch daher kommt. Damit grenzt man einen Großteil der eigentlichen Zielgruppe natürlich erbarmungslos aus. Zudem ist die englische Synchro alles andere als gut. 

Im Moghaus warten einige Minispiele auf euch, darunter ein gelungenes Sammelkartenspiel.
Lippensynchrone Sprachausgabe scheint ein Fremdwort und die Sprecher wirken plump und unbeholfen, während ihr selbst nur unverständliches Gepiepse von euch gebt. Auch inhaltlich machen die seichten Dialoge das an sich interessante und düstere Szenario eher kaputt als dass sie die unheilsschwangere Stimmung schüren würden. Dadurch wird enorm viel Potential halbherzig zunichte gemacht, was sehr schade ist, denn ansonsten präsentiert sich die Soundkulisse sehr atmosphärisch. Auch grafisch gibt sich der Titel eher durchwachsen: Die Kulisse wirkt trotz teils Spiel beeinflussendem Tag- und Nachtwechsels blass und unspektakulär, die meisten Dungeons steril und austauschbar, die Figuren oberflächlich, die Animationen reichlich albern.

Auch die Handhabung lässt einige Wünsche offen: Die Bewegungssensoren werden eigentlich nur zum automatischen Sortieren des Inventars und Einholen der Angel eingesetzt, was beides null Geschick erfordert. Der Nunchuk-Aufsatz wird sogar komplett ignoriert, was besonders bei diagonalen Bewegungen negativ ins Auge fällt, da diese per Steuerkreuz trotz Ausrichtungsunterstützung per Knopfdruck einfach sehr unpräzise bzw. umständlich sind. Am besten ihr greift gleich zum Classic Controller, der im Gegensatz zum GameCube-Pad vom Spiel unterstützt wird. Löblich auch die Möglichkeit in Progressive Scan und 60-Hz zu spielen, wobei Spieler, die auf einen 50Hz-Fernseher angewiesen sind, unschöne PAL-Balken auf den Bildschirm geklatscht bekommen...     

Fazit

Nach anfänglicher Skepsis muss ich sagen, dass mich Chocobo's Dungeon trotz kindlicher Präsentation und sehr simpel strukturierter Rundentaktik durchaus in seinen Bann gezogen hat. Die eigentliche Spielwelt ist zwar sehr überschaubar, die Zufalls-Dungeons sind weitestgehend unspektakulär und auch bei Charakterdesign und Story hat man jede Menge Potential verschenkt. Aber das bizarre Szenario weiß dennoch zu gefallen, die Rollenspielelemente motivieren und der Schwierigkeitsgrad ist stellenweise überraschend fordernd. Auch der Umfang kann sich sehen lassen, während das facettenreiche Jobsystem und Schmieden individueller Ausrüstung für angenehmen Freiraum sorgen. Selbst das rein optionale, aber mit dem Spielverlauf clever verknüpfte Sammelkartenspiel, in dem man sich online sogar mit anderen Spielern messen kann, macht ungemein Laune. Die fehlende Eindeutschung dürfte gerade für jüngere Spieler aber eine entscheidende Barriere darstellen und auch bei der Handhabung trüben vermeidbare Mankos den Spielspaß. Unterm Strich ist der Titel aber dennoch ein solides Dungeon-Abenteuer, mit dem man sich trotz aller Einfachheit und Einschränkungen auch als Genrekenner eine ganze Weile lang beschäftigen kann.

Pro

üppiger Umfang
solide Rundentaktik
interessantes Szenario
motivierende RPG-Elemente
abwechslungsreiches Jobsystem
gelungenes (Online-)Sammelkartenspiel

Kontra

mickrige Oberwelt
öde Zufalls-Dungeons
Defizite bei Steuerung & Kamera
oberflächliche Charaktere & Dialoge

Wertung

Wii

Taktische Dungeon-Hatz mit wandlungsfähigem Protagonisten.

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